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Energiepreis-Protest => Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest => Thema gestartet von: RR-E-ft am 16. Juni 2010, 16:43:33

Titel: Thüringer OLG Jena, Az. 2 U 250/09 mdl. Verh. am 16.06.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Juni 2010, 16:43:33
Der 2.Kartellsenat des Thüringer OLG Jena unter Vorsitz von Vors.RinOLG Orth gab in einer Berufungsverhandlung am heutigen Tage  seine vorläufige Rechtsauffassung bekannt, wonach die Tarife Sonderabkommen I und Sonderabkommen II der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH keine Allgemeinen Tarife im Sinne von § 6 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998 bzw. Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung gem. §§ 36, 38 EnWG waren, sondern freiwillig angebotene günstigere Sondertarife ausschließlich  für Kunden mit hohem Gasverbrauch.

Da die Beklagte demnach seit Vertragsbeginn 1996 in einen Sondertarif eingeordnet und zu diesem abgerechnet wurde, sei sie Sondervertragkunde mit der Folge, dass es für einseitige Preisänderungen einer wirksamen Preisänderungsklausel im Vertrag bedurft hätte, jedoch schon die Einbeziehung einer solchen sich nicht feststellen lasse, wiederum mit der Folge, dass auf einseitige Preisänderungen gestützte Zahlungsansprüche unbegründet sind und die Zahlungsklage des Versorgers insoweit der Abweisung unterliegen müsse. Mangels vertraglichen Preisänderungsrechts komme es auf die Frage der Billigkeit gar nicht erst an.

Der Senat ließ weiter erkennen, dass man sich wohl darüber einig sei, dass auch durch die bloße widerspruchslose Zahlung einseitig erhöhter Preise durch einen Sondervertragskunden keine Entgeltneuvereinbarung zustande komme. Mit einer bloßen Zahlung eines Verbrauchers sei regelmäßig kein weitergehender Erklärungsgehalt verbunden.  

Die vorsorglich geladenen Zeugen zum bestrittenen Bezugskostenanstieg und zur bestrittenen weiteren Kosten- und Erlösentwicklung des Erfurter Gasversorgers waren bereits terminsvorbereitend wieder abgeladen worden.

Der Fall liegt wie hier:

OLG Dresden, mdl. Verh. am 08.06.10 Az. 9 U 93/10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertrag (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=71878#post71878)

Erfreulich, dass nun auch das Thüringer Oberlandesgericht Jena sich dieser Rechtsauffassung anderer Oberlandesgerichte anschließt. Bei einer mündlichen Verhandlung vor dem 5.Zivilsenat des Thüringer OLG am 01.12.2009 (in selber Sache!) sah es noch anders aus, so dass seinerzeit flugs in früher Morgenstunde die sachliche Unzuständigkeit jenes Senats mit Rücksicht auf §§ 102, 106, 108 EnWG in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde, was den Ausfall der selben (Vertagung)  und die Verweisung an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts zur Folge hatte.

Ein Verkündungstermin wurde auf den 01.09.2010 bestimmt. Zuvor erhält die Klägerin noch Gelegenheit, die bestrittenen zur Abrechnung gestellten Energiemengen (in kWh) darzulegen und unter Beweis zu stellen.

Das war ein sonniger Verhandlungstag in Lichtstadt.