Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => E => Stadt/Versorger => E.ON Avacon => Thema gestartet von: Opa Ete am 27. Mai 2010, 11:02:55
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Hallo zusammen,
das AG Wolfenbüttel hat letzte Woche im Rechtsstreit um berechtigte Preiserhöhungen seit 2004 im Tarif Classic für den Versorger entschieden.
Der Kunde war seit Mitte der 90er Jahre bei einem Regionalversorger und seit Gründung der Avacon wurde er von ihr mit Gas versorgt. Es gab keine schriftlichen Verträge. Der Kunde widersprach seit 2004 mit den Vordrucken des BDE den Gaspreiserhöhungen und Jahresabrechnungen.
Streitwert war 530€.
Hier ein Auszug aus den Entscheidungsgründen:
1.Klägerin kann nach §433 BGB Bezahlung verlangen.
2.In mündlicher Verhandlung war unstreitig, dass kein Sondervertrag, der eine individuelle Preisvereinbarung vorausgesetzt hätte, geschlossen wurde.
3. Der Kunde hat immer ohne individuelle Vereinbarung Gas verbraucht.
4. Damit gilt er als Tarifkunde mit der Folge, dass §§ 4 AVBGas bzw §§ 5
GasGVV gelten, daran ändert auch die Produktanpassung (Einführung Classic) 2003 nichts.
5. Kunde hat der Einführung nicht widersprochen.
6. Aus dem Werbeschreiben der EON Avacon ist eindeutig zu entnehmen, dass sich die sogenannten Basisangebote an die Tarifkunden richten , da deren Besserstellung \"automatisch\" durch höheren Verbrauch erfolgt und keiner individuellen Vereinbarung bedarf.
7. Aus dem Werbeschreiben geht eindeutig hervor, dass es zum Abschluss einer individuellen Sondervertragsregelung der Abschluss eines schriftlichen
Vertrags bedarf.
8. Der Kunde hat zum Werbeschreiben keine Stellung genommen. Durch sein Schweigen kam keine Sondervereinbarung zustande, so dass er Tarifkunde geblieben ist.
9. Das vorprezessuale Verhalten, nämlich dem Versorger ein Preisanpassungrecht von 2% mehr zu zugestehen und nur den Billigkeitsnachweis zu fordern, spricht für das gefundene Ergebnis.
10. Die Billigkeit wurde im Verfahren vom Kunden nicht bestritten.
11. Die im fraglichen Zeitraum angefallene Erhöhung des Bezugspreises (2,499 Cent/kwh) wurde nur in Höhe von 2,34 Cent/kwh an den Kunden weitergegeben. Es liegt sogar Unterdeckung vor. Kompensation in anderen Bereichen war nicht möglich. Marktüblichkeit der Preise war unstreitig.
12. Die Berufung ist zugelassen, da zu der hier anstehenden Rechtsfrage im hiesigen Bezirk keine gefestigte Rechtssprechung vorliegt, insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des LG Hannover.
Anmerkung von mir: die Werbebroschüre war dieselbe, wie die vom LG Hannover. Um Billigkeit ging es überhaupt nicht in dem Verfahren. Der Versorger wurde von einer Kanzlei aus Magdeburg vertreten.
Gruß Opa Ete
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Hat wohl wieder eine Anwaltkanzlei aus dem Osten den Erfolg eingefahren.
Der Beklagte hatte auch dann, wenn es nach seiner Auffassung auf eine Billigkeitskontrolle nicht ankam, die Billigkeit und alle Tatsachenbehauptungen in diesem Zusammenhang zu bestreiten gehabt, was er wohl - dummerweise - nicht getan hat.
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@RR-E-ft
?? Der Versorger hat doch nach Ansicht des Gerichts auch ohne Bestreiten den Nachweis der Billigkeit erbracht!
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Original von Opa Ete
@RR-E-ft
?? Der Versorger hat doch nach Ansicht des Gerichts auch ohne Bestreiten den Nachweis der Billigkeit erbracht!
@Opa Ete
Ja komisch, ne.
Der klagende Versorger wird die Billigkeit behauptet haben, ebenso wie Tatsachen, die diese Billigkeit begründen sollen (Bezugskostenanstieg, mangelnde Kompensationsmöglichkeit usw. usf.).
Wurde dies vom Beklagten im Prozess nicht bestritten, so gilt es gem. § 138 Abs. 3 ZPO (http://dejure.org/gesetze/ZPO/138.html) als zugestanden.
Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf es dann nicht.
So sind die Regeln der Zivilprozessordnung.
Der vom Gericht zu beurteilende Tatbestand ergibt sich aus unbestrittenen Tatsachenbehauptungen und bestrittenen Tatsachenbehauptungen, über die Beweis erhoben wurde und die hiernach zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Unbestrittene Tatsachenbehauptungen bedürfen keines Beweises.
Bestreiten erst in der Berufung ist gem. § 531 ZPO (http://dejure.org/gesetze/ZPO/531.html) grundsätzlich verspätet und deshalb ausgeschlossen (nicht zu berücksichtigen).
Ach so, Zivilprozessordnung.
Jeder Beruf bedarf einer Qualifizierung, was an der Ausbildung deutlich wird. Die Ausbildungszeit von Volljuristen ist überdurchschnittlich lang, wohl nicht ohne Grund.
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Original von Opa Ete
...
2.In mündlicher Verhandlung war unstreitig, dass kein Sondervertrag, der eine individuelle Preisvereinbarung vorausgesetzt hätte, geschlossen wurde.
...
10. Die Billigkeit wurde im Verfahren vom Kunden nicht bestritten.
11. ... Marktüblichkeit der Preise war unstreitig.
...
Um Billigkeit ging es überhaupt nicht in dem Verfahren.
Der Bericht ist mir in seiner Gesamtheit völlig unverständlich.
Ich frage mich nun: Um was ging es denn dann bei diesem Rechtsstreit?
Etwa um die unbegründete Zahlungsunwiligkeit des Kunden?
Oder um das Wetter im letzten Jahr?
Vielleicht wurden aber auch die Erfolgsaussichten \"unserer\" Anna Lena beim Eurovision Song Contest in Oslo thematisiert?
Das interessiert schließlich wirklich jeden.
12. Die Berufung ist zugelassen, da zu der hier anstehenden Rechtsfrage im hiesigen Bezirk keine gefestigte Rechtssprechung vorliegt, insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des LG Hannover.
Welche Rechtsfrage denn bitte schön????
Wozu eine Berufung, wenn der Streitwert unter 600 Euro liegt und der Beklagte überhaupt nichts bestreitet und mit dem gesamten Vortrag des Klägers einverstanden ist?
Rätsel über Rätsel.
Der Versorger wurde von einer Kanzlei aus Magdeburg vertreten.
Ich vermute mal, dass der Beklagte dummerweise sich selbst vertreten hat, ohne auch nur die geringste Ahnung von irgendwas zu haben.
Warum hat er denn die Rechnungen nicht einfach bezahlt, wenn er von der Rechtmäßigkeit und Marktgerechtheit der Preise überzeugt war/wurde?
Ich vermute, er hat zu viel Geld und wollte die Besoldung der Amtsrichter unterstützen .... ;)
ciao,
sh
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Original von Opa Ete 12.03.10, 13.50 Neue Taktik beim ErdgasClassic (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=13095)
@Didakt
in meinem Fall, bin ich bislang ohne Anwalt unterwegs.
Gruß Opa Ete
Heimwerker 2000 :rolleyes:
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@RR-E-ft
Klären sie mich bitte mal auf. Wenn ein Gericht feststellt, dass der Nachweis der Billigkeit geliefert wurde (durch Testate, Gutachten, was weiß ich nicht noch alles), dann ist es doch völlig schnuppe, ob man es vorher bestritten hat oder nicht.
Fall A) die Billigkeit wird bestritten, dass EVU legt Testate vor, die werden auch bestritten, das Gericht entscheidet für EVU, weil es die Testate für ok hält.
Fall B) die Billigkeit wird bestritten, das EVU legt Testate vor, die werden nicht bestritten, Gericht entscheidet für EVU, weil es Testate für ok hält.
Wenn das Gericht meint, die Testate sind ok, dann ist das Ergebnis dasselbe. Oder meinen sie, dass EVU hat garnichts vorgelegt? Dann weiß ich allerdings nicht, wie es auf eine Unterdeckung kommt.
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@Opa Ete
Aufklärung?
Original von Opa Ete 12.03.10, 13.50 Neue Taktik beim ErdgasClassic (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=13095)
@Didakt
in meinem Fall, bin ich bislang ohne Anwalt unterwegs.
Gruß Opa Ete
Lesen Sie einfach noch einmal oben, was über die einschlägigen Regelungen der Zivilprozessordnung geschrieben wurde, insbesondere zu § 138 ZPO.
Wegen § 138 Abs. 3 ZPO ist rein gar nichts schnuppe.
Wenn in der mündlichen Verhandlung tatsächlich unstreitig (!)war, dass kein Sondervertrag abgeschlossen wurde, war zugleich unstreitig, dass ein Tarifkundenvertrag bestand (Gesetz der Logik. Etwas anderes außer Sondervertrag und Tarifkundenvertrag gibt es nämlich gar nicht.).
Bei Tarifkundenverträgen besteht ein gesetzliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, was die auf Unbilligkeitseinrede die gerichtliche Billigkeitskontrolle zur Folge hat. Wurden die Billigkeit und die dafür vorgetragenen Tatsachenbehauptungen (Unterdeckung usw.) indes im Prozess nicht bestritten (!), gelten sie als zugestanden, so dass deshalb die Billigkeit feststeht.
Aus die Maus.
Niemand mutet Ihnen die Ausbildung zum Volljuristen zu (Zumutung).
Sie brauchen sich eine solche Ausbildung auch nicht zumuten, selbst wenn Sie sich eine solche zutrauen.
Ich traue mir die Ausbildung zum Bäcker zu, mute sie mir aber nicht zu und kaufe das Brot auch weiter beim Bäcker, schon damit der seine Ausbildung nicht umsonst absolviert hat. Erst recht käme ich nicht auf die Idee, den Bäcker um Aufklärung zu bitten, warum diesem die Krume immer so besonders gut gelingt. ;)
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@RR-E-ft
ihre Logik verstehe ich nicht. Im Tarif Classic ist unstreitig, dass gar keine Verträge geschlossen sind, nach ihrer Logik dürften dann auch keine Normsonderverträge zustande kommen. Viele Gerichte halten den Classic aber für einen Normsondervertag - nur das AG Wolfenbüttel nicht, wie passt das in ihre Logik?
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Original von Opa Ete
2.In mündlicher Verhandlung war unstreitig, dass kein Sondervertrag, der eine individuelle Preisvereinbarung vorausgesetzt hätte, geschlossen wurde.
@ Opa Ete:
Wenn der Beklagte aber nun nicht bestreitet, dass kein Sondervertrag bzw. Normsondervertrag geschlossen wurde, ist der Käse gegessen, denn dann hat er zugestanden, dass ein Tarifkundenvertrag geschlossen wurde.
Ende Gelände.
Worüber sich die Parteien einig sind, hat ein Gericht offensichtlich nicht mehr zu befinden, oder wo kämen wir denn sonst hin?
Anders gesagt: Wo kein Streit, da kein Kläger und somit auch kein Richter.
Der Beklagte hätte also bestreiten sollen, dass kein Sonderkundenvertrag bzw. kein Normsonderkundenvertrag zustande gekommen ist.
ciao,
sh
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@superhase
eine scharfsinnige Logik, der ich gerade noch folgen kann. Das Gericht -nicht ich- folgert aus der Tatsache, weil es nichts Schriftliches gibt, es auch keine Sonderverträge gibt. Für mich und andere Richter kann es das sehr wohl. Es ist doch offensichtlich, das hier genau anders herum argumntiert wird. Bin ich nicht Sonderkunde muss ich Tarifkunde sein, die anderen Gerichte haben genau anders herum argumentiert - wenn man nicht Tarifkunde ist (warum auch immer), muss man zwangsläufig Sonderkunde sein. Oder gibt es noch eine dritte Möglichkeit, bin für alles offen.
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Original von Opa Ete
@RR-E-ft
ihre Logik verstehe ich nicht. Im Tarif Classic ist unstreitig, dass gar keine Verträge geschlossen sind,
@Opa Ete
Da wurde wohl etwas grundsätzlich nicht verstanden. Heimwerker 2000. :rolleyes:
Ich frage mich langsam, ob die Beiträge hier im Forum nicht nur dazu beitragen, dass sich einige vor Gericht allein zuviel zutrauen, von dem sie eigentlich nur vollkommen unzureichende Kenntnis haben.
Selbstverständlich sind auch beim Tarif Classic Verträge geschlossen worden, fraglich nur welche. Dass auch das AG Wolfenbüttel von einem wirksamen Vertragsabschluss ausgeht, sieht man schon daran, dass es einen vertraglichen Zahlungsanspruch gem. § 433 II BGB zugesprochen hat. Einen solchen gäbe es ohne Vertragsabschluss gar nicht.
Es geht nicht darum, ob etwas schriftlich vereinbart wurde oder nicht, sondern darum, ob ein Sondervertrag abgeschlossen wurde oder nicht. Es gibt auch Sonderverträge, die nicht schriftlich abgeschlossen wurden, gleichwohl wirksam sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09) Vor dem AG Wolfenbüttel soll jedoch in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen sein, dass kein Sondervertrag (in welcher Form und welchen Inhalts auch immer!) abgeschlossen wurde.
Bei genauer Betrachtung könnte es sich dabei aber auch - im Gegensatz zu einer geständnisfähigen Tatsachenbehauptung- um eine nicht geständnisfähige Rechtsfrage handeln (OLG Düsseldorf, aaO.).
Rechtlich wurde ein entsprechender Vorgang wohl vom LG Hannover anders beurteilt.
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Original von Opa Ete
2.In mündlicher Verhandlung war unstreitig, dass kein Sondervertrag ... geschlossen wurde.
Das ist wohl der Knackpunkt.
Das Gericht hat dann wohl gar nichts mehr gefolgert, sondern nur die von beiden Parteien unbestrittene Tatsache festgestellt.
Das liest man zumindest aus Ihrem obigen Bericht.
Aber vielleicht ist der auch nicht exakt in diesen Punkten?
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Opa Ete,
wie superhaase schon schrieb:
Wenn der Beklagte aber nun nicht bestreitet, dass kein Sondervertrag bzw. Normsondervertrag geschlossen wurde, ist der Käse gegessen, denn dann hat er zugestanden, dass ein Tarifkundenvertrag geschlossen wurde.
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Original von Cremer
Opa Ete,
wie superhaase schon schrieb:
Wenn der Beklagte aber nun nicht bestreitet, dass kein Sondervertrag bzw. Normsondervertrag geschlossen wurde, ist der Käse gegessen, denn dann hat er zugestanden, dass ein Tarifkundenvertrag geschlossen wurde.
Ich vertrete ja gerne die Auffassung, dass das Gericht von Amts wegen - anhand der vorgetragnenen Tatsachen zum Vertragsschluss - zu prüfen hat, ob ein Grundversorgungs- oder Sondervertrag vorliegt. Denn bei der rechtlichen Einordnung eines Vertrages handelt es sich um eine Rechtsfrage und keine Tatsachenfrage.
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Zu Sonderverträgen wird ja auch die Rechtsauffassung vertreten, dass dort unter bestimmten Voraussetzungen auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle zu erfolgen habe.
Und deshalb hätte der Beklagte gut daran getan, auch enstprechenden Vortrag zur Billigkeit nicht unbestritten zu lassen.
Einige Heimwerker meinen, dass sei vollkommen schnuppe und finden die gerichtliche Entscheidung jedoch betrüblich. :rolleyes:
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Nein, das ist nicht \"vollkommen schnuppe\".
Angenommen, die Billigkeit wäre bestritten worden. Und dann? Es gibt bisher - soweit mir aus dem Forum bekannt ist - nur sehr wenig Fälle, in denen ein Gericht einen \"angemessenen Preis\" festgesetzt hat. Also kaum eine Orientierungshilfe.
Wer will sich denn bei dem hier genannten geringen Streitwert dem Risiko aussetzen, ggf. für die bekanntlich hohen Kosten eines Gutachtens aufkommen zu müssen.
Also bitte, alles ist relativ zu betrachten
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Original von Didakt
Angenommen, die Billigkeit wäre bestritten worden. Und dann? Es gibt bisher - soweit mir aus dem Forum bekannt ist - nur sehr wenig Fälle, in denen ein Gericht einen \"angemessenen Preis\" festgesetzt hat. Also kaum eine Orientierungshilfe. Wer will sich denn bei dem hier genannten geringen Streitwert dem Risiko aussetzen, ggf. für die bekanntlich hohen Kosten eines Gutachtens aufkommen zu müssen.
@Didakt
Die meisten Didakten und Heimwerker haben doch wohl 2004 ff. angefangen, vornehmlich die Billigkeit zu bestreiten....
Opa Ete scheint sowieso verwirrt, wie denn wohl das Amtsgericht Wolfenbüttel ohne weiteres die Billigkeit feststellen konnte und steht damit gewiss nicht allein.
Selbst bange machen, zählt nicht.
So betrachtet ist Ihr Beitrag relativ daneben. ;)
Also gerade die Tarifkunden berufen sich auf die Unbilligkeit und wissen, dass es bei ihnen jedenfalls auf die Billigkeit ankommt. Sie sind deshalb auch nicht schlecht beraten.
Sie gehen wohl von Anfang an von falschen Grundannahmen aus.
Dem Kunden ist es regelmäßig ein Leichtes, den Vortrag zur Kosten- und Erlösentwicklung insgesamt mit Nichtwissen zu bestreiten, ebenso dass es sich um vergleichbare Unternehmen handelt, deren Preise sich in einem Wettbewerb gebildet haben (BGH VIII ZR 314/07). Freilich sollte man unter Beweisantritt auch ein paar Takte zu sagen wissen, weshalb die Preiserhöhungen selbst nach dem insgesamt bestrittenen Vortrag des Versorgers unbillig sind (maßgebliche Preisentwicklung auf der Großhandelsebene, Gasangebote ohne Ölpreisbindung auf dem markt etc. pp.).
Es gibt u.a. die Urteile des LG Erfurt v. 10.02.09, LG Dortmund vom 20.08.09, LG Köln vom 24.08.09, mit denen Zahlungsklagen des Gasversorgers gegenüber Tarifkunden wegen nicht nachgewiesener Billigkeit abgewiesen wurden, ebenso Urteile des AG Paderborn. Leidglich in Köln spielte hierfür ein Sachverständigengutachten eine Rolle.
Die Zahlungsklagen wurden dabei jeweils abgewiesen und nicht etwa eine Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB getroffen.
Freilich hat kein Gericht den \"billigen Gaspreis\" festgesetzt und wo dies ausnahmsweise geschehen ist, war es rechtsfehlerhaft, weil die Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB voraussetzt, dass
1.
die Unbilligkeit feststeht (was bei nicht erwiesener Billigkeit prozessual noch nicht der Fall ist!),
2.
ein Antrag des Versorgers gem. § 308 ZPO auf Ersatzbestimmung gestellt wird und zudem
3.
dem Gericht die Kalkulatuionsgrundlagen für eine solche Ersatzbestimmung zur Verfügung gestellt werden (vgl. BGH VIII ZR 240/90 am Ende, BGH X ZR 60/04 unter II 1).
Ein Sachverständigengutachten kann auf entsprechenden Beweisantrag allenfalls dann eingeholt werden, wenn die Anknüpfungstatsachen zunächst vorgetragen und sodann bestritten wurden. Fehlt es am Vortrag der Anknüpfungstatsachen, ist der Beweisantrag auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet und unzulässig.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Anknüpfungstatsachen (Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren seit der vorhergehenden Tariffestsetzung) hinreichend substantiiert vorgetragen wurden und es für diese für den Fall des Bestreitens das Beweisangebot eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gab.
Zudem gibt es vor Einholung eines Sachverständigengutachtens genügend Ausstiegsszenarien, wenn dem beklagten Kunden das Risiko zu hoch werden sollte.
Wenn dem beweisbelasteten Versorger vom Gericht durch Beschluss aufgegeben wird, für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens einen Kostenvorschuss in vierstelliger Höhe einzuzahlen und dieser sich dann auch dazu bereit findet und einen solchen leistet, kann man ja immer noch überlegen, ob man nicht etwa die Billigkeit und den Klägervortrag dazu doch noch unstreitig stellt. Auch ein gerichtliches Anerkenntnis der Forderung wäre möglich. Wird dem beklagten Kunden ein solcher Vorschuss aufgegeben, hat er die Möglichkeit, einen solchen nicht zu leisten. Dann gibt es auch kein gerichtliches Sachverständigengutachten.
Wieso das eigentlich so einfache Bestreiten der Billigkeit mit Nachteilen behaftet sein sollte, ist nach alldem nicht nachvollziehbar.
Man sollte nicht selbst in Gedanken einen Popanz aufbauen und sich dann selbst vor diesem fürchten. :D
Relative Ermutigung für Didakten. (http://www.darkmoonlight.net/Angsthase.htm) ;)
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@RR-E-ft
Immer wieder erheiternd Ihre Fundgruben. ;) Dafür ist Ihr \"Anwurf\" gegenüber \"einfachen\" Verbrauchern manchmal schon SEHR direkt, wenn ich Ihnen im Grundprinzip meistens Recht gebe.
Da wurde wohl etwas grundsätzlich nicht verstanden. Heimwerker 2000.
Ich frage mich langsam, ob die Beiträge hier im Forum nicht nur dazu beitragen, dass sich einige vor Gericht allein zuviel zutrauen, von dem sie eigentlich nur vollkommen unzureichende Kenntnis haben.
Aber man muss ja nicht gleich den größten Hammer auspacken, wenn man nur einen kleinen Nagel einschlagen will.
Bezüglich der Kosten, u.a. auch des Sachverständigengutachtens, hab ich bei der Grundversorgung aber noch ein Problem:
Im Gegensatz zu den LG Köln und Dortmund hat das LG Erfurt bei der Kostenentscheidung eine Kostenaufteilung vorgenommen, obwohl es die Kundin als Grundversorgungskundin ansah und auch teilweise die Preise als unbillig gewertet hat (ab dem Widerspruch gegen diese Preise).
Da aber Klagegegenstand ja eine Forderung des Versorgers war und dieser Forderung zumindest teilweise (nämlich den Erhöhungen bis zum ersten Widerspruch) stattgegeben wurde, ist wohl die Kostenaufteilung erfolgt.
Hier fängt dann aber die Krux an: Wenn ich bei dem Gesamtpreis eine Unterteilung in beanstandete und nicht beanstandete Preisbestandteile vornehme (der Logik des VIII. Senats folgend), dann komme ich ÜBERWIEGEND zu dem Ergebnis, dass der größere Anteil unbeanstandete Preisanteile sind, die schon früher galten und nur die letzten, widersprochenen Preiserhöhungen möglicherweise unbillig sind. Wenn dann noch, wie beim LG Erfurt-Urteil erfolgt, die Kostenaufteilung danach erfolgt, in welchem prozentualem Anteil die Forderung im Verhältnis zur Entscheidung stand, bleibt immer ein Kostenanteil am Verbraucher hängen, obwohl die Forderung auch bei einer \'Teilunbilligkeit\' insgesamt erstmal unbillig und damit nicht fällig war. Ein bisschen schwanger gibt\'s halt nicht. Das man mit der Entscheidung dann den billigen Anteil nachbezahlen muss ist klar. Aber warum der Beklagte einen Kostenanteil bezahlen muss, ist mir nicht klar, da doch keine Fälligkeit wegen der Unbilligkeit vorlag.
Und weiter gesponnen bedeutet dieses, dass im Falle eines Sachverständigengutachtens auch davon ein Teil als Prozesskosten bezahlt werden muss, obwohl der Preis unbillig war (wenn auch nur in Teilen). Nicht dass ich Angst hätte (hab ne RSV und zahle auch noch in den Prozesskostenfond ein :D ), aber ich kann in diesem Zusammenhang schon diejenigen verstehen, die sich um die Kosten ihres Rechtsstreites Srogen machen, auch wenn ich, genau wie Sie, immer wieder auf die im Verhältnis zu den Ersparnissen des Protestes relativ geringen Kosten für z.B. eine Mitgliedschaft im BdEV und Einzahlung in den Prozesskostenfond als eine mögliche Absicherung hinweise und als zweitens eine rechtzeitig abgeschlossene RS-Versicherung als gute Alternative dazu sehe, die man heutzutage (leider) immer brauchen kann.
Aber Fakt ist auch, manch ein Verbraucher knappst heute schon am unteren Limit der Lebenshaltungskosten und muss sich um seine Ausgaben leider größere Sorgen machen als möglicherweise wir beide.
Daher kann ich die Versuchung nach Kostenersparnis bei fehlendem RS oder BdEV-Mitgliedschaft/Prozesskostenfondeinzahlung) schon verstehen, wenn ich auch immer wieder vor dem Erliegen dieser Versuchung warne, und das nicht, weil ich Geld mit der Vertretung solcher Verbraucher verdiene. A
ber das Feld ist fachlich auch schon so komplex genug, ganz abgesehen von den unkundigen Richtern, die sich bei der Thematik selbst überschätzen und denen man das eine oder andere an Rechtssprechung und Fakten \"um die Ohren hauen\" muss, und die selbst dann manchmal noch haarsträubende Entscheidungen treffen.
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@bolli
Wer nur in dem Umfange der widersprochenen Preisänderungen kürzt, kommt nicht in die Situation, wie sie der zitierten Entscheidung des LG Erfurt zu Grunde lag. Wer - wie dort - weiter kürzt, geht damit bekanntlich ein höheres Kostenrisiko ein. (Nicht anders der Sondervertragskunde, der auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis kürzt).
Wurde im Umfange widersprochener Preisänderungen gekürzt, sind die daraus resultierenden Zahlungsansprüche, soweit eingeklagt, streitgegenständlich. Bei Tarifkunden hängt nach Unbilligkeitseinrede im Prozess die Entscheidung von der Frage der Billigkeit ab, die im Prozess vom Kunden bestritten werden muss, weil sie sonst zugestanden ist.
Jener Anspruch wird - abhängig von der Frage der Billigkeit - zugesprochen oder abgewiesen.
Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Preisänderungen oder der Gesamtpreis als unbillig gerügt werden. Das ändert nämlich an dem eingeklagten Betrag und somit an dem für die Verfahrenskosten maßgeblichen Streitwert nichts.
Dass es vollkommen unsinnig ist, die Billigkeit von Anfang an mangels Bestreiten gem. § 138 Abs. 3 ZPO zuzugustehen, weil man dies - im Fall der Fälle - auch immer noch später tun kann, sollte deutlich geworden sein.
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Original von RR-E-ft
@bolli
Wer nur in dem Umfange der widersprochenen Preisänderungen kürzt, kommt nicht in die Situation, wie sie der zitierten Entscheidung des LG Erfurt zu Grunde lag. Wer - wie dort - weiter kürzt, geht damit bekanntlich ein höheres Kostenrisiko ein. (Nicht anders der Sondervertragskunde, der auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis kürzt).
Wurde im Umfange widersprochener Preisänderungen gekürzt, sind die daraus resultierenden Zahlungsansprüche, soweit eingeklagt, streitgegenständlich. Bei Tarifkunden hängt nach Unbilligkeitseinrede im Prozess die Entscheidung von der Frage der Billigkeit ab, die im Prozess vom Kunden bestritten werden muss, weil sie sonst zugestanden ist.
Problem ist nur, dass es bei der Billigkeit im Gegensatz zum Sondervertrag eben nicht nur schwarz oder weiss gibt. Übersetzt: Im Sondervertrag ist ein Preisänderungsrecht entweder wirksam vereinbart (dann hab ich ALLES zu zahlen) oder eben nicht (dann gilt MINDESTENS nur der Widerspruchspreis, ggf. sogar nur der Vertragsgrundpreis :D). Beim Billigkeitseinwand muss aber davon ausgegangen werden, dass, für den Fall, das ein entsprechender Antrag gestellt wird, ein Teil der Forderung aus den Preiserhöhungen als berechtigt angesehen wird. Dieses wäre dann ein neuer, vom Gericht festgesetzter billiger Preis (auch wenn dieses bisher wohl noch nicht oft gemacht wurde, da die entsprechenden Anträge fehlten. Mit zunehmenden Urteilen, die dieses bemängeln, werden die Versorger auch das Lernen. X(
Lediglich die Höhe dieses Anteils ist dann noch fraglich. Also bleibe ich in jedem Fall auf einem Kostenanteil sitzen, da ja der neue billige Preis zwischen Widerspruchspreis und \"Wunschpreis des Versorgers\" liegen dürfte. Da ich aber ja eben die preisbildenden Faktoren nicht kenne, kann ich auch nicht zuverlässig selbst den zu zahlenden Preis abschätzen.
Meiner Meinung nach müsste der Versorger bei einem festgestellten unbilligen Preis die Kosten für das Sachverständigengutachten komplett selber tragen, da er mit seinem Verhalten ja Anlass zu diesem Gutachten gegeben hat und dieses sein Fehlverhalten bestätigt hat. Ob der Preis nun ein bisschen oder ein bisschen mehr überzogen war, dürfte für diese Kostenfrage keine Auswirkungen haben.
Aber ich weiss: Die Prozesskostenordnung sieht solch eine Kostenentscheidung nicht vor. X(
Original von RR-E-ft
Dass es vollkommen unsinnig ist, die Billigkeit von Anfang an mangels Bestreiten gem. § 138 Abs. 3 ZPO zuzugustehen, weil man dies - im Fall der Fälle - auch immer noch später tun kann, sollte deutlich geworden sein.
Das habe ich den zahlreichen Urteilen auch schon entnommen. Aber ich habe auch zahlreichen Urteilen schon entnommen, dass selbst Anwälte dieses nicht beherzigen. Scheinen dann auch eher vom Typ \'Heimwerker 2000\' zu sein. 8)
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@bolli
Bei einer Leistungsklage auf Zahlung geht es grundsätzlich nicht um die Feststellung des der Billigkeit entsprechenden Preises (Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Frage der Antragstellung, § 308 ZPO.
Für die Abweisung der Zahlungsklage des Versogers genügt, dass die Billigkeit nicht festgestellt werden kann (BGH VIII ZR 240/90).
Gerade nicht erforderlich ist dafür die gerichtliche Feststellung des der Billigkeit entsprechenden Entgelts, welche an ganz andere materielle wie prozessuale Voraussetzungen geknüpft ist (BGH, aaO.).
Mit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH vom 02.10.91 VIII ZR 240/90 wurde die Abweisung der Zahlungsklage eines Energieversorgers (RWE) nach Unbilligkeitseinrede bestätigt.
BGH VIII ZR 240/90 S. 8 f. UA
Ebenso wie der in erster Linie gestellte Zahlungsantrag sei auch der Antrag unbegründet, die Beklagte zur Zahlung des vom Gericht als billig und angemessen festzusetzenden Entgelts (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) zu verurteilen. Dazu hätte die Klägerin die Grundlagen vortragen müssen, aus denen das billige und angemessene Entgelt zu errechnen sei.
III. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
BGH VIII ZR 240/90 S. 18 UA
Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.
Auch der Antrag auf Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB allein sichert also noch nicht dessen Erfolg.
Ihre Überlegungen treffen nicht zu.
Dazu, dass im Falle einer beantragten Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Forderung frühestens mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig und gerichtlich durchsetzbar ist und der Kunde erst von da an in Verzug geraten kann (BGH X ZR 60/04 unter II. 1 b)) und die Folgerungen für die Verfahrenskosten hieraus unter Berücksichtigung von § 93 ZPO, wurden hier im Forum schon ganze Romane verfasst.
BGH Urt. v. 05.07.05 X ZR 60/04 unter II 1.
b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.
Wird die mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils (Zwischenurteil) frühestens gerichtlich durchsetzbare Forderung gem. § 93 ZPO im Prozess sofort anerkannt, können dem Kläger die (gesamten) Verfahrenskosten aufgegeben werden. Bis zu dem Zeitpunkt, wo die gerichtliche durchsetzbare Forderung mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils (Zwischenurteil) überhaupt erst entsteht, war die Zahlungsklage nämlich jedenfalls (derzeit) unbegründet, weil ein entsprechender Zahlungsanspruch (Verbindlichkeit) noch gar nicht bestand. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht auch noch keine Veranlassung für das sofortige Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO.
Der Erfolg des Klageantrages, wonach das Gericht eine Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB treffen soll, hängt gerade entscheidend davon ab, dass der auf Zahlung gerichtete Klageantrag infolge unbilliger Leistungsbestimmung (derzeit) noch unbegründet ist und ihm deshalb gegenwärtig kein Erfolg beschieden sein kann.
Deshalb können beide Anträge (Zahlungsklage, Ersatzbestimmung) gem. § 308 ZPO wohl auch nicht gleichzeitig, sondern nur in einer Stufenfolge (Hilfsantrag) gestellt werden, wenn nicht einer der Anträge jedenfalls als unzulässig/ unbegründet abgewiesen werden soll.
Entsprachen jedoch die dem eingklagten Betrag zu Grunde liegenden einseitigen Leistungsbestimmungen des Versorgers der Billigkeit, so war sie von Anfang an gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB verbindlich und der Kunde befand sich mit Zahlungen im Verzug.
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Original von Opa Ete
@RR-E-ft
Klären sie mich bitte mal auf. Wenn ein Gericht feststellt, dass der Nachweis der Billigkeit geliefert wurde (durch Testate, Gutachten, was weiß ich nicht noch alles), dann ist es doch völlig schnuppe, ob man es vorher bestritten hat oder nicht.
Fall A) die Billigkeit wird bestritten, dass EVU legt Testate vor, die werden auch bestritten, das Gericht entscheidet für EVU, weil es die Testate für ok hält.
Fall B) die Billigkeit wird bestritten, das EVU legt Testate vor, die werden nicht bestritten, Gericht entscheidet für EVU, weil es Testate für ok hält.
Wenn das Gericht meint, die Testate sind ok, dann ist das Ergebnis dasselbe. Oder meinen sie, dass EVU hat garnichts vorgelegt? Dann weiß ich allerdings nicht, wie es auf eine Unterdeckung kommt.
Aufklärung bringt womöglich die Lektüre des Urteil des BGH VIII ZR 314/07 Rn. 22 ff.
BGH VIII ZR 314/07 Rn. 22 f.
Allerdings vermag die Wirtschaftsprüferbestätigung als solche, anders als das Berufungsgericht meint, die Bezugskostensteigerungen nicht zu beweisen. Die Bestätigung ist einem Privatgutachten vergleichbar, bei dem es sich um Parteivortrag, nicht um ein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO handelt. Die Bezugnahme des Gerichts auf eine als Parteivortrag zu behandelnde Bestätigung zu bestrittenen Tatsachen kann nicht dessen eigene Überzeugungsbildung durch Erhebung der angebotenen Beweise (hier: Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen) ersetzen (vgl. auch BVerfGE 91, 176, 181 ff.; BGHZ 116, 47, 58].
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger, wie die Revision mit Recht geltend macht, den Vortrag der Beklagten zu den Bezugskostensteigerungen einschließlich des Inhalts der Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in prozessual ausreichender Weise bestritten. Eine Partei darf sich über Tatsachen, die - wie hier die Entwicklung der Bezugskosten der Beklagten für die Kläger - nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, nach § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären. Sie ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diese Tatsachen zu überprüfen, um sich näher zu ihnen äußern zu können. Eine so genannte sekundäre Behauptungslast, bei der die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und es deshalb dem Prozessgegner ausnahmsweise zumutbar ist, sich die benötigten Informationen zu verschaffen, kommt im Streitfall von vornherein nicht in Betracht, weil die primär darlegungsbelastete Beklagte die maßgeblichen Tatsachen aus eigener Anschauung kennt (vgl. Senatsurteil vom 20. September 2006 - VIII ZR 127/04, juris, Tz. 14 m.w.N.). Die Kläger mussten daher nicht weiter substantiiert darlegen, warum die in der Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft benannten Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollen und welche weiteren Unterlagen sie für erforderlich hielten. Die Klage hätte mithin nicht ohne Beweisaufnahme über die von der Beklagten behaupteten Bezugskostensteigerungen abgewiesen werden dürfen.
Es hätte am Beklagten gelegen, einfach zu erklären, dass er den Bezugskostenanstieg, den weiteren Vortrag über Kosten- und Erlösentwicklung und ggf. den Inhalt vorgelegter Bescheinigungen mit Nichtwissen bestreitet, so dass das Gericht nicht ohne eine Beweisaufnahme hierüber hätte entscheiden dürfen. Gem. § 138 ZPO musste sich der Beklagte bei Meidung der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zu den von der Klägerin vorgetragenen Tatsachenbehauptungen erklären.
Sollte es für die Berufungsentscheidung darauf ankommen, so wäre das erstmalige Bestreiten in der Berufung gem. § 531 ZPO als verspätet ausgeschlossen.
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Original von RR-E-ft
Bei einer Leistungsklage auf Zahlung geht es grundsätzlich nicht um die Feststellung des der Billigkeit entsprechenden Preises (Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Frage der Antragstellung, § 308 ZPO.
Für die Abweisung der Zahlungsklage des Versogers genügt, dass die Billigkeit nicht festgestellt werden kann (BGH VIII ZR 240/90).
Verstehe ich das dann richtig, dass im Falle einer Zahlungsklage des Versorgers in der Grundversorgung und bei bestehendem Billigkeitseinwand der Kunden \"lediglich\" geprüft wird, ob der Preis bzw. die Preiserhöhungen der Billigkeit entsprechen und wenn dieses nicht der Fall ist, die Klage VOLLSTÄNDIG abgewiesen wird ? (Ausnahme Stufenklage)
Konkreter: Ergibt ein eingeholtes Sachverständigengutachten, dass der Versorger einen um 50% zu hohen Preis gefordert hat, wird die Zahlungsklage KOMPLETT abgewiesen und die Prozesskosten auf den Versorger abgewälzt. Oder wird dem Versorger dann der Anteil als berechtigt zugesprochen, der noch der Billigkeit entsprochen hätte und werden darauf basierend die Prozesskosten aufgeteilt.
Ich war bisher immer von letzterem ausgegangen, denn auch wenn der Versorger keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, ist bei der Gutachtenerstellung im Rahmen der Billigkeitsprüfung in der Regel doch wohl die Beurteilung notwendig, welcher Preis denn noch der Billigkeit entsprechen würde.
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Original von bolli
Verstehe ich das dann richtig, dass im Falle einer Zahlungsklage des Versorgers in der Grundversorgung und bei bestehendem Billigkeitseinwand der Kunden \"lediglich\" geprüft wird, ob der Preis bzw. die Preiserhöhungen der Billigkeit entsprechen und wenn dieses nicht der Fall ist, die Klage VOLLSTÄNDIG abgewiesen wird ? (Ausnahme Stufenklage)
Konkreter: Ergibt ein eingeholtes Sachverständigengutachten, dass der Versorger einen um 50% zu hohen Preis gefordert hat, wird die Zahlungsklage KOMPLETT abgewiesen und die Prozesskosten auf den Versorger abgewälzt.
Ja, jedenfalls unter der Voraussetzung, dass nicht unter den sog. Preissockel gekürzt wurde.
Original von bolli
Oder wird dem Versorger dann der Anteil als berechtigt zugesprochen, der noch der Billigkeit entsprochen hätte und werden darauf basierend die Prozesskosten aufgeteilt. Ich war bisher immer von letzterem ausgegangen, denn auch wenn der Versorger keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, ist bei der Gutachtenerstellung im Rahmen der Billigkeitsprüfung in der Regel doch wohl die Beurteilung notwendig, welcher Preis denn noch der Billigkeit entsprechen würde.
So kann der Mensch sich irren. ;)
Aus Verständnisgründen lese man am besten die zitierten Tarifkunden- Entscheidungen des LG Dortmund v. 20.08.09, LG Köln v. 14.08.09, AG Paderborn..., wo die Zahlungsklagen - zutreffend- jeweils vollständig abgewiesen wurden.
Der Entscheidung des LG Köln, Urt. v. 14.08.09 (http://www.energieverbraucher.de/files_db/1250757861_5133__12.pdf) lag insbesondere - ein hier besonders thematisiertes - gerichtliches Sachverständigengutachten zu Grunde. Wo der Preis- welcher der Billigkeit entspricht - liegt, interessierte bei jener Entscheidung - zutreffend - niemanden.
Das Gericht entschied zutreffend, die Zahlungsklage wird komplett abgewiesen und die Klägerin (Bad Honnef AG) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, selbstredend einschließlich der Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens.
Dass es - jedenfalls bei Zugrundelegung der zitierten Rechtsprechung des BGH - wohl nur so und nicht anders sein kann, wurde hier im Forum seit Jahr und Tag dargestellt.
Man sollte die hier veröffentlichten und besprochenen Urteile getrost einmal lesen. Oft scheint es so, als fehle es am grundsätzlichen Verständnis.
Original von Didakt
Angenommen, die Billigkeit wäre bestritten worden. Und dann? Es gibt bisher - soweit mir aus dem Forum bekannt ist - nur sehr wenig Fälle, in denen ein Gericht einen \"angemessenen Preis\" festgesetzt hat. Also kaum eine Orientierungshilfe.
Wie sollte es, so fragt man sich, auch Urteile geben, wo ein Gericht einen \"angemessenen Preis\" festgesetzt hat, wenn doch dafür schon regelmäßig - wie immer wieder besprochen - die Voraussetzungen gar nicht vorliegen (können).
BGH VIII ZR 240/90 S. 8 f. UA
Ebenso wie der in erster Linie gestellte Zahlungsantrag sei auch der Antrag unbegründet, die Beklagte zur Zahlung des vom Gericht als billig und angemessen festzusetzenden Entgelts (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) zu verurteilen. Dazu hätte die Klägerin die Grundlagen vortragen müssen, aus denen das billige und angemessene Entgelt zu errechnen sei.
III. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Kleine Orientierungshilfe:
Der Energieversorger müsste also die Kalkulationsgrundlagen vortragen, aus denen sich das billige und angemessene (Tautoligie!) Entgelt errechnen lässt.
Manch einer mag ja vielleicht erwarten, dass der Versorger so etwas im Rahmen seiner Zahlungsklage vorträgt, um damit denknotwendig zwingend gleichzeitig seine eigentliche Zahlungsklage unschlüssig und somit unbegründet zu machen.
Bei genauer Betrachtung ist das aber wohl doch etwas zuviel erwartet.
Dfaür müsste der auf Zahlung klagende Energieversorger und auch dessen Prozessbevollmächtigter wohl schon so ziemlich von allen guten Geistern verlassen sein. Vollkommen auszuschließen ist das freilich nicht, nur eben eher sehr, sehr unwahrscheinlich.
BGH VIII ZR 240/90 S. 18 UA
Zu Recht hat es das Berufungsgericht auch abgelehnt, die Preisbestimmung selbst durch Urteil zu treffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nur zulässig, wenn die Bestimmung durch die dazu befugte Partei nicht der Billigkeit entspricht oder verzögert wird und eine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine ersetzende gerichtliche Bestimmung vorhanden ist. Eine Verzögerung liegt ersichtlich nicht vor. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Preisfestsetzung der Klägerin unbillig ist, kann dagegen wegen des zur Nachprüfung ungeeigneten Vortrags der Klägerin nicht beurteilt werden.
Für die Abweisung der entsprechenden Klageanträge kommt es folglich nicht darauf an, ob die Preisfestsetzung des klagenden Energieversorgers tatsächlich unbillig ist.
Der bei Gericht anzubringende Antrag des Versorgers auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kann also nur dann erfolgreich sein, wenn der klagende Energieversorger zunächst unbestritten behauptet, dass seine getroffene Entgeltbestimmung unbillig und deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich ist [Geständnisfiktion gem. § 138 Abs. 3 ZPO] und er zudem in der Klageschrift zugleich vorträgt, wie sich das demgegenüber angemessene Entgelt tatsächlich errechnet. Bleibt letzterer Vortrag unbestritten, greift gem. § 138 Abs. 3 ZPO wiederum die Geständnisfunktion, sonst käme es auf einen Beweis an.
Sollte einem ein solcher Schriftsatz einmal zugestellt werden, sollte man den Ernst der Lage wohl erkennen.
Welcher Energieversorger einen solchen Vortrag im Prozess um eine Zahlungsklage hält, kann seine Zahlungsklage gewiss erst einmal hintanstellen, weil ja klar ist, dass eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung sowieso erst mit der Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils entsteht und vorher eben keine gerichtlich durchsetzbare, verbindliche Forderung gegen den Kunden besteht (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB), so dass eine Zahlungsklage in diesem Stadium zwingend derzeit unbegründet und folglich abweisungsreif sein muss.
Das ist kein vollkommen auszuschließendes Szenario, nur eben eher unwahrscheinlich.
Nicht völlig auszuschließen deshalb, dass in Kürze alle betroffenen Kunden eines bestimmten Energieversorgers eine Klage zugestellt bekommen, mit welcher eben jener Energieversorger zunächst nur wegen bisher unbilliger Entgeltbestimmungen die gerichtliche Festsetzung angemessener Entgelte gegenüber seinen Kunden beantragt.
Denn wenn ein Versorger selbst feststellt, dass seine bisherigen Leistungsbetimmungen (etwa wegen Fehlkalkulation) unbillig waren, ist er nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 BGB womöglich gezwungen, eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu beantragen, weil eine unwiderrufliche Willenserklärung gem. § 315 Abs. 2 BGB, die zu einer unbilligen Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB führte, gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nur vom Gericht ersetzt werden kann.
Ob und wie man sich als Kunde gegen eine solche Klage dann verteidigen sollte oder möglicherweise doch besser gem. § 93 ZPO sofort anerkennt, muss man sich gewiss erst didaktisch erarbeiten, weil es wohl noch keine Literatur zu dem Thema gibt. ;)
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Original von RR-E-ft
Dass es - jedenfalls bei Zugrundelegung der zitierten Rechtsprechung des BGH - wohl nur so und nicht anders sein kann, wurde hier im Forum seit Jahr und Tag dargestellt.
Man sollte die hier veröffentlichten und besprochenen Urteile getrost einmal lesen. Oft scheint es so, als fehle es am grundsätzlichen Verständnis.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn mir als jemand, der nicht tagtäglich beruflich mit diesen Dingen befasst ist, nicht immer alle Urteile präsent sind, obwohl ich sie, und in diesem Fall durchaus auch schon mehrfach, gelesen habe.
Aber so ist das manchmal mit dem Wald und den Bäumen. ;)
Bei der Kostenregelung hoffe ich mal darauf, dass die Gerichte das auch so sehen wie sie. Denn dann wären ja die Sachverständigengutachtenkosten in den meisten Fällen eher zu vernachlässigen, solange man von zu Recht als unbillig gerügten Preisen ausgeht und man nicht \"zu gierig\" wird und anerkannte Preise noch rückwirkend aufweichen möchte. und das die Preise der Billigkeit entsprachen, also VOLLSTÄNDIG berechtigt waren, halte ich bei einem ordentlichen Gutachten für fast ausgeschlossen. :D
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Original von RR-E-ft
Es gibt u.a. die Urteile des.... LG Köln vom 24.08.09,
@ RR-E-Ft
meinen Sie die Entscheidung vom 14.8.2009 oder gibt es auch eine andere vom 24.8.2009, die mir jedenfalls nicht bekannt wäre?
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Das gemeinte Urteil des LG Köln ist vom 14.08.09.
Hinsichtlich von Schreibfehlern bitte ich um Nachsicht (statt Nachricht).