Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => E => Stadt/Versorger => EWE => Thema gestartet von: __hp__ am 21. Mai 2010, 00:22:18

Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 21. Mai 2010, 00:22:18
„Vor dem VIII. Zivilsenat und auf hoher See ...

ist man in Gottes Hand“. So könnte man vielleicht meinen, wenn man die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats in Sachen Gaspreiserhöhungen in den letzten Jahren intensiver verfolgt hat.

Skepsis war spätestens seit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 15.07.2009 (VIII ZR 56/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48865&pos=0&anz=1)) angebracht, mit der die hohen Herrschaften in Karlsruhe mal so eben per „obiter dictum“ (ohne dass es also für die Entscheidung der damaligen Revision auch nur in Ansätzen von Bedeutung und damit angezeigt gewesen wäre) von der Transparenzrechtsprechung anderer BGH Senate abwichen und dabei wissen ließen, intransparente Verordnungen, denen ein Preisanpassungsrecht zu entnehmen sei (GasGVV/AVBGasV), könnten ohne weiteres in die Verträge mit Sondervertragskunden übernommen werden, wenn sie nur mit dem Verordnungstext inhaltlich übereinstimmten bzw. von diesem nicht abwichen (Übernahmerechtsprechung“).

Damals wurde auch hier im Forum fast zwangsläufig die Frage gestellt, ob der VIII. Zivilsenat damit nicht seine Kompetenzen überschritten hatte, wo er doch möglicherweise wegen seiner von der Transparenz-Rechtsprechung anderer Zivilsenate des BGH abweichenden Rechtsansicht vor einer eigenen Entscheidung in der Sache den Großen Senat hätte anrufen müssen.

Gleichzeitig wurde hier vereinzelt auch die europäische Dimension gesehen und die Frage aufgeworfen, ob nicht europäisches Recht einer so weitgehenden Aushöhlung der BGH-Transparenzrechtsprechung entgegensteht, wie sie der VIII. Zivilsenat mit seiner Entscheidung aus Juli 2009 zu Lasten des Verbraucherschutzes betrieben hat.

Mein Beitrag soll diese beiden Aspekte, die in den zur Entscheidung anstehenden EWE-Revisionsverfahren aktueller denn je erscheinen - zum einen die „Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof (EuGH)“, zum anderen die „Vorlagepflicht an den beim Bundesgerichtshof gebildeten Großen Senat für Zivilsachen“ - noch einmal näher ins Bewusstsein rücken und dabei genauer unter die Lupe nehmen.

Vorab sei gesagt, dass entsprechende Vorlagepflichten aus meiner Sicht bislang zwar noch nicht bestanden, sich dieses jetzt aber in Sachen EWE wohl ganz anders darstellen dürfte.

Man darf also gespannt sein, wie der VIII. Zivilsenat insbesondere die Revisionen gegen die Entscheidung des OLG Oldenburg behandeln wird. Dabei wird sich nämlich endgültig zeigen, mit welchem Selbstverständnis des VIII. Zivilsenat des BGH Recht spricht:

Trifft er eine am materiellen wie prozessualen Recht orientierte Entscheidung und dokumentiert damit seine richterliche Unabhängigkeit in alle Richtungen (also auch gegenüber Lobbyvertretern der Versorgungsunternehmen)?

Oder ist der VIII. Zivilsenat jetzt tatsächlich willens, den schon mit der eingangs erwähnten Obiter-Dictum-Entscheidung vom 15.07.2009 vorgezeichneten Weg (alleine) weiterzugehen und so endgültig den rechtsstaatlichen \"Offenbarungseid\" zu leisten?

Um nachvollziehbar zu machen, warum der EuGH bzw. der Große Senat jetzt meiner Ansicht nach am Zuge sind, wenn der VIII. Zivilsenat an seiner Ansicht aus seiner („Übernahme“-)Entscheidung vom 15.07.2009 festhalten will, was er ja in der mündlichen Verhandlung zumindest in Erwägung gezogen hat, muss ich auf einige Punkte noch einmal ausdrücklich zurückkommen, die hier im Forum in der Vergangenheit schon wiederholt diskutiert wurden und so für viele Leser bereits bekannt sein dürften. Dieses Vorgehen führt dann aber leider zugleich dazu, dass der Umfang meines Beitrags den ursprünglich vorgesehenen bei weitem sprengt. Ich hoffe, niemand nimmt mir das allzu übel!

Es geht hier aus meiner Sicht um die zentrale Frage, ob der VIII. Zivilsenat vor einer endgültigen Revisionsentscheidung in Sachen EWE seiner Pflicht nachkommt und europäisches Recht (insbesondere die EU-Klauselrichtlinie sowie die EU-Gasrichtlinie) beachtet, ggf. dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die hier bedeutende Rechtsfrage in einem Vorabentscheidungsverfahren vorlegt bzw. - wie nach deutschem Recht angezeigt - den beim BGH gebildeten Großen Senat für Zivilsachen anruft.

Das Transparenzgebot des BGB

Europäisches wie deutsches Recht stehen einer Entscheidung entgegen, die den Verbraucherschutz in einem wesentlichen Punkt substanziell beschneidet. Es geht um das auch hier oft angesprochene „Transparenzgebot“ gem. § 307 BGB. Diese bürgerlich-rechtliche Verbraucherschutz-Vorschrift verbietet es „ohne Wenn und Aber“, dass Vertragsklauseln in „Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)“ eines Unternehmers „nicht klar und verständlich“ - also intransparent - formuliert sind. Bestehen derartige Unklarheiten, trifft § 307 Abs. 1 BGB zugleich eine Bestimmung über das Schicksal solch intransparenter Vertragsklauseln: Sie sind „unwirksam“.

Zitat
§ 307 Abs. 1 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.


In den EWE-Verfahren geht es nun nicht zuletzt um die Wirksamkeit der von der EWE per AGB in den Versorgungsvertrag einbezogenen „Preisanpassungsklauseln“. Zu den tatbestandlichen Anforderungen, denen solche Klauseln mit Blick auf ihre Klarheit und Verständlichkeit zu genügen haben, um wirksam zu sein, um also ein einseitiges Preisanpassungsrecht zu begründen, liegt eine umfangreiche - im wesentlichen gleichlautende - Rechtsprechung der verschiedener BGH-Zivilsenate vor, die sich unter dem Oberbegriff „Transparenzrechtsprechung des BGH“ zusammenfassen lässt.

Geltung des Preisänderungsrechts aus der Verordnung

Während sich ein Energieversorgungsunternehmen (EVU) gegenüber seinen Kunden, die von ihm im Rahmen der Versorgungspflicht als „Tarifkunden“ oder Kunden der „Grundversorgung“ mit Erdgas beliefert werden, unmittelbar auf ein gesetzliches Preisänderungsrecht berufen kann - auf 4 AVBGasV, die bis zum 07.11.2006 in Kraft war, seitdem auf § 5 GasGVV -, gelten diese Vorschriften ihrem Wortlaut nach für Kunden, die mit dem Versorger einen „Sondervertrag“ abgeschlossen haben, gerade nicht.

Mit Sondervertragskunden muss das EVU also ein Preisänderungsrecht WIRKSAM einzelvertraglich vereinbart haben, will es etwa Kostensteigerungen, denen es selbst ausgesetzt war, an sie weitergeben.

Der Unterscheidung des jeweiligen Vertragstypus - Sondervertragskunde hier, Grundversorgungskunde da - kommt also von daher grundlegende Bedeutung für die Frage zu, ob „mein“ EVU mir gegenüber überhaupt zur Preisänderung berechtigt ist.

Welchem Vertragstypus der jeweilige Versorgungsvertrag nun konkret folgt, ob insbesondere ein Sondervertrag vorliegt, muss naturgemäß in jedem Einzelfall entschieden werden. Das Instanzgericht wird folglich an diesem Punkt sehr genau hinzusehen haben. Dabei ist keinesfalls unerheblich, dass EVU im Allgemeinen - und so auch die EWE im Besonderen - im „Massengeschäft Energielieferung“ mit einer Vielzahl von Kunden regelmäßig gleichlautende Verträge abschließen bzw. abgeschlossen haben. Derartige Gasverträge, in denen die EWE mit ihren Kunden etwa den Tarif „SI (Sondervereinbarung“) vereinbarte, der später dann in „erdgas classic“ umbenannt wurde, sind vom OLG Oldenburg bereits im Jahre 2008 als Sonderverträge eingestuft worden. Jeder Gaskunde kann also daraus unmittelbar und hinreichend verlässlich ableiten, ob er schon von daher (Norm)Sonderkunde der EWE ist. Im Zweifelsfall ist aber selbstverständlich immer Rechtsrat einzuholen!

Ohne an dieser Stelle die Abgrenzungskriterien Grundversorgungsvertrag/Sondervertrag noch einmal herunterzubeten, so sei doch auf Folgendes kurz hingewiesen: Welche Bedeutung der VIII. Zivilsenat schon dem Wortlaut des angebotenen Tarifs beimisst, macht er mit seiner Entscheidung vom 15.07.2009 -VIII ZR 225/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48864&pos=0&anz=1) - (vgl. zu den Abgrenzungskriterien insbesondere Rd.-Nrn. 13-16) sehr deutlich. Die Feststellung des OLG Oldenburg, beim EWE-Tarif „Sondervereinbarung SI“ (später umbenannt in „erdgas classic“) sei von einem Sondervertrag auszugehen, weicht von den Kriterien, die der VIII. Zivilsenat in seiner e.g. Entscheidung aufgestellt hat, auch nicht substanziell ab. Der EWE wird es dann auch kaum gelingen, SI-(Norm)Sondervertragskunden zu Grundversorgungskunden umzudefinieren, nur um sich so unmittelbar auf das gesetzliche Preisänderungsrecht berufen zu können. Das sieht wohl auch die EWE selbst so, denn deren Prozessvertreter, Prof. Krämer, stellte in der Revisionsverhandlung bezüglich eines Verfahrens, das das LG Oldenburg entschieden hatte, nun ausdrücklich unstreitig, dass es sich bei den zugrundeliegenden SI-Verträgen sämtlich um Sonderverträge handele. Dem ging ja gem. dem Verhandlungsbericht von „ESG-Rebell“ der Hinweis des Senatsvorsitzende Ball voraus, dass es sich entgegen der widersprüchlichen Feststellungen des LG Oldenburg tatsächlich wohl um Sonderverträge handeln könnte.

Da im Verfahren vor dem OLG Oldenburg die Parteien zudem übereinstimmend von der Normsonderkundeneigenschaft sämtlicher verfahrensbeteiligter Sammelkläger mit SI-Vertrag (und später „erdgas classic“) ausgingen, der Vertragstypus also dort völlig außer Streit stand, wird der VIII: Zivilsenat zumindest in diesen beiden Verfahren die (Norm)Sonderkundeneigenschaft der Sammelkläger auch seiner Rechtsfindung zugrunde legen.

Die Übernahme des Preisänderungsrechts aus der Verordnung in den Sondervertrag

Die Frage, die sich deshalb mit Blick auf die vorliegenden Sonderverträge vor dem VIII. Senat aktuell stellt:

Konnte die EWE im Falle fehlender individueller Aushandlung eines Preisänderungsrechts mit ihren Sondervertragskunden ein gesetzlich nicht unmittelbar eingreifendes Preisanpassungsrecht etwa durch einen einfachen und allgemein gehaltenen AGB-Hinweis auf die Geltung der Gasverordnung (AVBGasV) wirksam in den Versorgungsvertrag einbeziehen (die EWE-Klausel lautete: „Das Vertragsverhältnis richtet sich nach der AVBGasV“)?

Darüber, wie der VIII. Zivilsenat diese Frage beantworten möchte, gibt die angesprochene Übernahmeentscheidung des VIII. Zivilsenats vom 15.07.2009 Auskunft:

Damals hatte der VIII. Zivilsenat in einem nicht nur hier im Forum heftig diskutierten - und kritisierten - Urteil mal so eben nebenbei per obiter dictum Feststellungen getroffen, welche die Revisionsverfahren in Sachen EWE in nicht unerheblicher Weise zum Nachteil der prozessbeteiligten Verbraucher beeinflussen könnten.

Der VIII. Zivilsenat stellte dort nämlich erstmalig die These auf, eine gesetzliche Preisänderungsklausel, wie sie § 4 AVBGasV darstelle und auf die sich der Gasversorger gegenüber seinen Kunden im Tarif- bzw. Grundversorgungskundenverhältnis zur Preisänderung berufen könne, dürfe unbeachtet seiner Intransparenz wirksam in einen formularmäßigen Erdgassondervertrag einbezogen werden. Voraussetzung sei lediglich, dass das bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht unverändert übernommen werde.

Entgegenstehendes deutsches Recht (Transparenzrechtsprechung des BGH)

Das Problem dabei liegt nun aber darin, dass § 307 BGB einem solchen Ergebnis schon seinem Wortlaut nach entgegensteht. Denn - wie festgestellt - lautet die klare gesetzliche Regel: eine nicht klare und verständliche Klausel = unwirksam. Und so machte auch das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 12.09.2008 (12 U 49/07 (http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__2178/)) sehr nachvollziehbar deutlich, dass das Preisänderungsrecht der Verordnungen nichts anderes darstelle, als einen \"nichts sagenden Verordnungstext\" und damit zugleich intransparent im Sinne von § 307 BGB sei.

Hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen, denen in den Vertrag einbezogene Preisänderungsklauseln generell genügen müssen, um nicht als unwirksam verworfen zu werden, lag zudem schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des VIII. Zivilsenats am 15.07.2009 die gefestigte Transparenzrechtsprechung der verschiedener Senate des BGH vor. Preisanpassungsklauseln müssen danach näher konkretisieren, bei welchem Anlass, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das einseitige Preisänderungsrecht des Verwenders gegeben sein soll. Da das gesetzliche Preisanpassungsrecht der Verordnungen derartige Konkretisierungen aber eindeutig nicht enthält, müsste eine Klausel, die lediglich den Verordnungstext in den Versorgungsvertrag einbezieht, unter Zugrundelegung der einhelligen Transparenzrechtsprechung des BGH (eigentlich) unwirksam sein. Das sieht der VIII. Zivilsenat aber anders, wie seine Entscheidung vom 15.07.2009 zeigt.

Mit seiner Entscheidung vom 15.07.2009 wich der VIII. Zivilsenat also zum einen von der Transparenzrechtsprechung anderer Zivilsenate ab, die sich bisher mit Preisänderungsklauseln zu befassen hatten.

Betroffene europäische Rechtsmaterien

Zum anderen lag und liegt der VIII. Zivilsenat mit seinem Ergebnis aus Juli 2009 auch quer zur EU-Klauselrichtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 sowie insbesondere zur EU-Gasrichtlinie 2003/55/EG vom 26.06.2003, die den EU-Staaten ausdrücklich aufgibt, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen von Gasversorgungsverträgen mit Endkunden, „ein hoher Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen“, herrscht.

Diese abweichende Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats in dieser doppelten Hinsicht (EU-Richtlinien/Transparenzrechtsprechung) ist zumindest bemerkenswert.

Vorlageverfahren an den EuGH/Großen Senat für Zivilsachen des BGH

Zur EU-weiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung der einzelstaatlichen Gerichte kommt gem. Art. 234 EU-Vertrag dem EuGH wesentliche Bedeutung zu. Hängt eine Entscheidung von der Auslegung (Bedeutung und Reichweite) einer europäischen Vorschrift - wie hier von einer EU-Richtlinie - ab, dann ist nicht das einzelstaatliche Gericht zu deren Auslegung berufen, sondern ausschließlich der Europäische Gerichtshof. Handelt es sich beim erkennenden Gericht um ein Gericht, dessen Entscheidung nicht mehr mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann (der VIII. Zivilsenat als letzte Instanz), dann MUSS die europarechtlich bedeutsame Auslegungsfrage dem Europäischen Gerichtshof vom Revisionsgericht in einem sog. Vorabentscheidungsverfahren zwingend zur Entscheidung vorgelegt werden.

Ganz ähnlich verhält es sich auf deutscher Ebene: Um eine einheitliche Rechtsprechung der verschiedenen Senate des BGH in Grundsatzfragen sicherzustellen, hat der Gesetzgeber mit § 132 GVG eine Regelung getroffen, nach der ein Zivilsenat, der von der Entscheidung eines anderen Zivilsenats abweichen will, die Sache dem beim BGH gebildeten Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen hat, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, an seiner Rechtsauffassung festhalten will.

Hätte der VIII. Zivilsenat dann aber nicht schon im Vorfeld des Verfahrens, das unter Ausblendung der EU-Gasrichtlinie am 15.07.2009 zu einer Abweichung von der Transparenzrechtsprechung der anderen Senate des BGH geführt hat, den EuGH bzw. den Großen Senat des BGH einschalten müssen?

Die Vorlage an den EuGH/Großen Senat für Zivilsachen steht im Einzelfall nicht im freien Ermessen des Revisionsgerichts. Liegen die Voraussetzungen für eine entsprechende Vorlage erkennbar vor, muss das Revisionsgericht diesen Weg auch einschlagen. Würde sich im vorliegenden Fall der VIII. Zivilsenat etwa eine Entscheidung über eine Frage anmaßen, die in die ausschließliche Entscheidungskompetenz des EuGH bzw. des Großen Senats fällt, so kann darin ein Verstoß gegen Art. 101 GG liegen. Art. 101 GG verbürgt den Anspruch eines jeden Einzelnen auf den gesetzlichen (gesetzlich bestimmbaren) Richter als grundrechtsgleiches Recht. Eine Entscheidung, die unter willkürlicher Missachtung von Art. 101 GG zustande gekommen ist, kann ggf. mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht werden.

Die Frage, ob im Einzelfall der EuGH oder der Große Senat des BGH angerufen werden muss, stellt sich dem erkennenden Senat aber von Gesetzes wegen immer nur dann, wenn von der Klärung der (Vor-)Frage die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtstreits abhängt. Sowohl in der Entscheidung vom 15.07.2009 als auch in den nachfolgenden, mit denen der VIII. Senat seine Rechtsprechung zur „unveränderten Übernahme eines gesetzlichen Preisänderungsrechts in einen Sondervertrag“ aus Juli 2009  bestätigte, war diese Thematik kein einziges Mal wesentlich für die Entscheidung der jeweiligen Revision (stellte also auch nur eine mehr oder weniger fallunabhängige Rechtsansicht des Senats dar, die in einem Revisionsurteil nicht unbedingt etwas zu suchen hat). Eine Vorlage an den Großen Senat des BGH oder den EuGH war also deshalb bisher nicht erforderlich, wäre wahrscheinlich sogar wegen der „nicht gegebenen Entscheidungserheblichkeit“ unzulässig gewesen.

Dieses sieht nun aber wohl anders aus, weil es für die Entscheidung der Revision - zumindest soweit die Entscheidung des OLG Oldenburg betroffen ist - darauf ankommen dürfte, ob ein „nichtssagender Verordnungstext“ (hier die AVBGasV) trotz des Transparenzgebots gem. § 307 BGB in einen Sondervertrag überhaupt wirksam einbezogen werden kann. Da sich die Entscheidung dieser Frage vom VIII. Zivilsenats nun (wohl) auch nicht mehr so ohne weiteres per „obiter dictum“ abhandeln lässt, dürfte die Vorlage an den EuGH bzw. den Großen Senat vorgezeichnet sein.

Es stellt sich hier also gerade auch mit Blick auf die vom Anwalt der EWE-Gegner, Rechtsanwalt Peter Wassermann, in der mündlichen Verhandlung vor dem VIII. Zivilsenat am 17.03.2010 ins Spiel gebrachte Aufforderung an den VIII. Senat, die europäische(n) Richtlinie(n) zu beachten sowie ggf. den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen, die Frage:

Unter welchen Voraussetzungen ist der VIII. Zivilsenat des BGH konkret in Sachen EWE verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, und wann muss er vor einer letztinstanzlichen Entscheidung des Revisionsgerichts zunächst den Große Senat des BGH anrufen!?

Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Äußerung des Senatsvorsitzenden Ball in der mündlichen Verhandlung, dass unter Zugrundelegung der besagten Übernahmerechtsprechung des VIII. Zivilsenats vom 15.07.2010 auch in Sachen EWE evtl. von einer wirksamen Einbeziehung der AVBGasV in die zugrunde liegenden Sonderverträge auszugehen sei.

Widerspruch gegen einschlägige EU-Richtlinien

Eine solche streitentscheidende Feststellung könnte der VIII. Zivilsenat im Revisionsurteil in Sachen EWE aber nicht so ohne weiteres treffen. Daran ist er zum einen gehindert durch die besagten EU-Richtlinien, nämlich die Klauselrichtlinie 93/13/EWG (sie ist offiziell bezeichnet als „Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen“) sowie die Gas-Richtlinie 2003/55/EG (\"Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG“).

Zum anderen ist er für eine solche das AGB-Recht - insbesondere das darin zum Ausdruck kommende Transparenzgebot gem. § 307 BGB - in einem wesentlichen Bereich der Daseinsvorsorge (Gasbezug) völlig über den Haufen werfende Feststellung nicht zuständig, weil er damit von der einschlägigen Rechtsprechung anderer Senate des BGH zur AGB-Kontrolle im Rahmen von Preisanpassungsklauseln abweichen müsste und infolgedessen zuvor unbedingt den Großen Senat des BGH anzurufen hätte: Eine Entscheidung im Sinne der Übernahme-Rechtsprechung würde nicht zuletzt abweichen von der Rechtsprechung des Kartellsenats (Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=44010&pos=0&anz=1)), insbesondre aber von der jüngsten Transparenzrechtsprechung des Bankensenats (Urteil vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48121&pos=0&anz=1) ).

Die seit Juli 2007 geltenden EWE-AGB

Bei der EWE ist am 1. Juli 2007 eine Zäsur eingetreten. Seit dem Tag gelten neue Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die der EWE auf neuer Grundlage ein Preisänderungsrecht einräumen sollen.

Für die Zeit vor dem 1. Juli 2007 beruft sich die EWE auf die Geltung - die wirksame Einbeziehung - der AVBGasV, um ihr Preisänderungsrecht gegenüber ihren Sondervertragskunden zu begründen.

Bezüglich der Preisanpassungsregelungen der neuen AGB seit Juli 2007 dürfte die hier zu erläuternde europarechtliche Frage bzw. Anrufung des Großen Senats keine wesentliche Rolle spielen; deshalb hier lediglich ein kurzer Ausblick auf die dabei zu erwartende Entscheidung des VIII. Zivilsenats.

Die neuen Preisanpassungsregelungen der EWE werden noch nicht einmal den einfachen Voraussetzungen, die der VIII. Zivilsenat in seiner besagten Übernahmeentscheidung vom 15.07.2009 an eine wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsvorschrift aus der Verordnung knüpft, gerecht:

Es liegt schon keine unveränderte Übernahme der Verordnung vor. Darauf wurde die EWE in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2010 nach dem Verhandlungsbericht von „ESG-Rebell“ ja auch vom Senatsvorsitzenden Ball ausdrücklich hingewiesen.

Die Regelung weicht zum Nachteil der Kunden von der gesetzlichen Regelung, wie sie in der GasGVV normiert ist, ab.

Spätestens seit seiner Entscheidung vom 27.01.2010 (VIII ZR 326/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=51830&pos=0&anz=1) ), die ja mittlerweile im Wortlaut vorliegt, hat der VIII. Zivilsenat wohl nur einen äußerst geringen Spielraum, die \"neuen\" AGB der EWE unbeanstandet durchzuwinken, so dass nicht zu erwarten ist, dass diese Klauseln den Termin der Urteilsverkündung überdauern werden:

In Ziffer 4 ihrer AGB von 2007 (\"Preisänderung\") stellt die EWE unter wesentlicher Abweichung von § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV klar, wann Preisänderungen wirksam werden sollen, nämlich mit ihrer Veröffentlichung. Dabei verzichtet die EWE in ihren AGB insbesondere auf den Hinweis, dass als  wesentliches Wirksamkeitserfordernis zeitgleich mit der Veröffentlichung eine briefliche Mitteilung über die Preisänderung an den Kunden zu versenden ist.

Der VIII. Zivilsenat hat bei in dieser Hinsicht vergleichbaren AGB eines EVU in seiner eben genannten Entscheidung aus Januar 2010 dann auch festgestellt, dass in derartigen Fällen bei kundenfeindlichster Auslegung davon auszugehen sei, dass die gesetzlichen Mitteilungspflichten nicht gelten sollen. Derartige Preisänderungsklauseln sind also als kundenbenachteiligend zu werten und damit unwirksam.

Die vor dem 1. Juli 2007 geltenden EWE-AGB

Soweit sich die Preisanpassungen auf die Zeit vor dem 1. Juli 2007 beziehen - wo die neuen AGB der EWE noch nicht anzuwenden waren, sich die EWE zur Preisanpassung auf die wirksame vertragliche Einbeziehung der AVBGasV beruft, hat der VIII. Zivilsenat die Wirkungen der EU-Gasrichtlinie auf § 307 BGB zu beachten. Daneben ist zu beachten, dass nunmehr \"zwingend\" der Große Senat des BGH zuständig wäre, wenn der VIII. Zivilsenat auch in Sachen EWE an seiner bisher praktizierten Übernahme-Rechtsprechung festhalten will und in streitentscheidender Weise die Einbeziehung von nicht transparenten Verordnungen in Versorgungsverträge mit Sondervertragskunden ohne weiteres als wirksames Preisanpassungsrecht gelten lassen will.

EU-Richtlinien und die Vorlage an den EuGH (Grundlagen)

Die europäischen Rechtsmaterien berühren in zunehmendem Maße Bereiche, die in der Vergangenheit der nationale Gesetzgeber alleine geregelt hat oder regeln konnte. Auf der europäischen Ebene gibt es neben den Verträgen (das primäre Gemeinschaftsrecht) insbesondere zwei Arten von \"Gesetzen\", die auf gemeinschaftsstaatlicher Ebene die Rechtslage, denen alle EU-Bürger unterworfen sind -  (mit-)prägen, nämlich die EU-Verordnungen sowie - hier von besonderer Bedeutung - die EU-Richtlinien. Während die europäischen Verordnungen unmittelbar geltendes Recht darstellen, aus denen alle EU-Bürger Rechte unmittelbar ableiten können, stellen Richtlinien eher Handlungsanweisungen an den Mitgliedsstaat dar. Den Staaten wird durch die Richtlinie vorgegeben, bis zu einem in der Richtlinie festgesetzten Zeitpunkt dafür zu sorgen, dass die darin geregelte Materie in Übereinstimmung mit den in der Richtlinie niedergelegten Bestimmungen in nationales Recht umgesetzt wird. Dabei gibt die Richtlinie den Mitgliedsstaaten oft einen mehr oder weniger großen Entscheidungsspielraum, wie (weitgehend) sie die Richtlinie umsetzen wollen.

Wenn in einem Mitgliedsstaat ein Gerichtsverfahren anhängig ist, dann ist immer das nationale Gericht (nie der EuGH) für die Auslegung und Anwendung einzelstaatlichen (nationalen) Rechts zuständig.

Da das Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem nationalen genießt (Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts) und kollidierendes nationales Recht vom staatlichen Gericht nicht(!) anzuwenden ist, kann es im Bereich eines Widerspruchs zwischen der nationalen Vorschrift und der europarechtlichen (z.B. einer Richtlinie) erforderlich sein, die nationale Vorschrift so auszulegen, dass diese nicht (mehr) gegen die Richtlinie verstößt. Für eine solche geltungserhaltende richtliniekonforme Auslegung des einzelstaatlichen Rechts muss man als nationaler Richter aber natürlich einschätzen können, was mit der EU-Richtlinie in welchem Umfange eigentlich konkret geregelt ist. Da auch Richtlinien oft verallgemeinern und mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten, kann es erforderlich sein, zunächst die Richtlinie selbst auszulegen, um zu erfassen, wie weit ihr tatbestandlicher Regelungsgehalt eigentlich geht. Die Auslegung einer Richtlinie fällt aber nicht mehr in den Aufgabenbereich des einzelstaatlichen Gerichts. Für die Auslegung von europarechtlichen Vorschriften ist ausschließlich der EuGH in Luxemburg zuständig. Liegt zu einer auf eine noch zu treffenden Entscheidung einwirkende Richtlinie noch keine Auslegung (klarstellende Entscheidung) des EuGH vor, ist es Aufgabe des nationalen Gerichts, eine \"Vorabentscheidung\" des EuGH einzuholen. Dabei entscheidet der EuGH nicht den zugrundeliegenden einzelstaatlichen Rechtsstreit; er beantwortet lediglich die ihm gestellte Frage. Diese \"Antwort\" muss dann das vorlegende Gericht seiner noch zu treffenden Entscheidung auch zugrunde legen.

Das Vorabentscheidungsverfahren

Das Vorabentscheidungsverfahren ist geregelt in Artikel 234 des EU-Vertrages.

Zitat
Artikel 234 EU-Vertrag
(1) Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung            
(a)    über die Auslegung dieses Vertrags,
(b)    über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB,  
(c)    über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit   diese Satzungen dies vorsehen.  
 
(2) Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.
   
(3) Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet.


Artikel 234 Abs. 1 besagt also, dass dem EuGH von nationalen Gerichten europäische Richtlinien (= \"Handlungen der Organe der Gemeinschaft\"- Artikel 234 Abs. 1 lit. b) zwecks Auslegung vorgelegt werden können, wenn ein Gericht, dessen Entscheidung noch mit Rechtsmitteln (insbesondere also mit der Berufung und Revision) angegriffen werden kann, dieses für erforderlich hält.

Also nicht erst in der \"letzten Instanz\" kommt ein Vorabentscheidungsverfahren in Betracht. Selbst ein engagiertes Amtsgericht, gegen dessen Entscheidung die Berufung möglich ist, kann den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahern bitten, eine Richtlinie auszulegen, wenn es das für die Entscheidung des ihm vorliegenden Rechtsstreites für erforderlich hält.

Dabei ist die Frage, wann ein Gericht die Vorlage an den EuGH für erforderlich hält, nicht in sein völlig freies Ermessen gestellt bzw. seiner willkürlichen Entscheidung unterworfen. Wirkt eine Richtlinie - zumindest potenziell -  auf eine nationale Vorschrift ein, die das nationale Gericht seiner Entscheidung zugrundelegen will oder muss, stellt sich immer die Frage, ob das Auslegungsmonopol des EuGH hinsichtlich des primären wie sekundären Gemeinschaftsrecht die Vorlage nicht rechtfertigt.

Ist ein schwebendes Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht anhängig, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des EuGH verpflichtet (Artikel 234 Abs. 3 EU-Vertrag). Der BGH als die Letztentscheidungsinstanz muss also ohne Wenn und Aber ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten, wenn eine europäische Richtlinie (möglicherweise) gegen die eigene Rechtsfindung spricht.

Die in Gaspreisverfahren zu beachtenden EU-Richtlinien

In Sachen EWE kommt es dabei - wie bereits gesagt - auf die Klauselrichtlinie 93/13/EWG an (insbesondere auf Artikel 5 der Klausel-RL), daneben aber auch in entscheidender Weise auf die Gasrichtlinie 2003/55/EG (insbesondere auf Artikel 3 der Gas-RL):

Bedeutung der Klausel-RL 93/13/EWG in den EWE-Revisionsverfahren

Zitat
Artikel 5  
Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und  verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. [...]

Schon nach dieser europäischen Vorschrift, die in § 307 BGB aufgegangen ist, dürfte es höchst zweifelhaft sein, ob durch eine solche rein pauschale Bezugnahme auf die GasGVV überhaupt ein einseitiges Preisanpassungsrecht vertraglich festgelegt werden kann. Das OLG Oldenburg hat in seiner Entscheidung, die Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, eindringlich darauf hingewiesen, dass selbst der juristisch vorgebildete Kunde aus § 4 AVBGasV sowie § 5 Abs. 2 GasGVV nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen könne, dass der Versorger hiermit ein einseitiges Preisanpassungsrecht zu seinen Gunsten begründen wollte.

Da es hier also schon hinsichtlich der Bedeutung der Klausel erhebliche Zweifel gibt, müsste der VIII. Zivilsenat das deutsche Recht (§ 307 BGB) auch im Lichte dieser Richtlinienbestimmung (richtlinienkonform) auslegen und zugunsten der Verbraucher davon ausgehen, ein einseitiges Preisanpassungsrecht sei der EWE damit vertraglich nicht eingeräumt worden.

Ansonsten müsste der VIII. Zivilsenat in einem Vorabentscheidungsverfahren den EuGH darüber befinden lassen, ob die Klauselrichtlinie einer Senatsentscheidung entgegensteht, die eine Klausel gelten lassen will, obwohl diese ein einseitiges Preisänderungsrecht zugunsten der EWE nicht zweifelsfrei erkennen lässt.

Bedeutung der Gas-RL 2003/55/EG in den EWE-Revisionsverfahren

Zitat
KAPITEL II  
ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN FÜR DIE ORGANISATION DES SEKTORS  
Artikel 3  
Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden    

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen  Verbraucherschutzes [...] Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen  Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren. [...]

Die Gasrichtlinie 2003/55/EG hebt also in Artikel 3 (3) den \"Schutz der Endkunden\", also solcher Kunden, die Erdgas für den Eigenbedarf kaufen, als ein wesentliches Ziel des gemeinschaftlichen Handelns ausdrücklich hervor.

Dabei gibt die Richtlinie den Mitgliedsstaaten vor, bis zur Umsetzungsfrist (01.07.2004) dafür Sorge zu tragen, dass nach den jeweils zur Anwendung kommenden staatlichen Vorschriften sämtliche dem Endkunden vom EVU gestellten Vertragsbedingungen ein \"hohes\" Transparenzniveau aufweisen. Dieses gilt notwendigerweise auch für \"Preisanpassungsklauseln\", die in den Versorgungsvertrag einbezogen werden sollen.

Die Gasrichtlinie wurde schließlich mit dem \"Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005\" in nationales Recht umgesetzt. Darin gehen bis heute neben der besagten Gasrichtlinie auch die Elektrizitätsrichtlinie (2003/54/EG) sowie die Endenergieeffizienz- und Energiedienstleistungsrichtlinie (2006/32/EG) auf.

Das Energiewirtschaftsgesetz macht jedoch keine wesentlichen Vorgaben hinsichtlich des in der Gasrichtlinie besonders hervorgehobenen Transparenzgebots in Bezug auf die allgemeinen Vertragsbedingungen. Dieses war auch überhaupt nicht erforderlich, weil das BGB in den §§ 305 ff. (für Verträge der Gasversorgungswirtschaft mit Sonderabnehmern insbesondere in § 307 BGB) ein in sich geschlossenes Regelwerk aufweist, das darüber Auskunft gibt, welche Anforderungen an die Ausgestaltung von Allgemeine Geschäftsbedingungen zu stellen sind.

Nach der Transparenzrechtsprechung des BGH müssen Preisanpassungsklauseln - wie bereits erwähnt - klare Festlegungen enthalten, bei welchem Anlass, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das einseitige Leistungsbestimmungsrechts zur Preisänderung berechtigen soll. Der Verpflichtete muss also schon im Vorfeld einer Preisänderung aus der Klausel in hinreichendem Maße ableiten können, was auf ihn wann zukommt. Dass die AVBGasV, welche die EWE ja als eigenständige Preisanpassungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen sehen möchte, eine derartige Transparenz vermissen lässt, hat der VIII. Zivilsenat mit seiner Entscheidung vom 15.07.2009 - VIII ZR 225/07 - bemerkenswerterweise auch ausdrücklich festgestellt (vgl. dort Rd.-Nr. 23 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48864&pos=0&anz=1)):

Zitat
\"Eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel genügt allerdings nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, Tz. 25; BGHZ 164, 11, 26 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2). § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV regelt nur, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt und Änderungen der allgemeinen Tarife erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362, Tz. 25). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 26). \"

Damit hat der VIII. Zivilsenat der Preisanpassungsregel aus § 4 AVBGasV im Ergebnis sogar jegliche(!) Transparenz abgesprochen. Aber merke: Intransparenz und § 307 BGB passen nicht zusammen.

Wenn der VIII. Zivilsenat wie in seiner Entscheidung vom 15.07.2009 im Wege einer einschränkenden Auslegung von § 307 BGB zu dem Ergebnis kommt, die Norm stehe entgegen ihrem Wortlaut einer unveränderten Übernahme dieser - wie nun höchstrichterlich festgestellt - völlig intransparenten AVBGasV dennoch nicht im Wege, dann stellt sich natürlich sogleich die entscheidende Frage, wie er eine solche Auslegung eines nationalen Gesetzes (§ 307 BGB) mit der europäischen Gasrichtlinie auch nur in Ansätzen vereinbaren will - einer Vorschrift immerhin, die den europäischen Einzelstaaten nach ihrem klaren Wortlaut doch sogar „ein hohes“ Transparenzniveau der AGB in Gasverträgen vorschreibt. Eine Auseinandersetzung mit dieser europäischen Vorgabe findet sich im Urteil vom 15.07.2009 aber nicht.

Der VIII. Zivilsenat beruft sich zur Stützung seiner Ansicht, die unveränderte Übernahme der Gasverordnung begründe ein wirksames vertragliches Preisanpassungsrecht, auf einen gesetzgeberischen Willen, Tarifkunden und Sondervertragskunden gleich zu behandeln. Er erblickt den Willen des Gesetzgebers, den EVU freizustellen, ihre AGB mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifkunden (AVBGasV) auszugestalten.

Aufgrund der normativen Wirkung der EU-Gasrichtlinie wäre ein solcher gesetzgeberischer Wille, wenn er denn dann tatsächlich bestünde, aber völlig unbeachtlich: Denn selbst, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich per Gesetz vorschreiben würde, ein im Ergebnis „nichtssagender Verordnungstext“ - wie früher § 4 AVBGasV bzw. jetzt § 5 GasGVV - könne als Preisanpassungsklausel in Sonderverträge ohne weiteres wirksam einbezogen werden, wäre damit der Verstoß gegen den Wortlaut der Richtlinie augenfällig. Ein Gericht müsste eine solche nationale Vorschrift wegen der Kollision mit Art. 3 der EU-Richtlinie als höherrangigem Recht ohne Weiteres unbeachtet lassen. Wenn dem so ist, dann kann der VIII. Zivilsenat dem Gesetzgeber auch nicht im Wege der Ermittlung eines mutmaßlichen gesetzgeberischen Willens unterstellen, er wolle es EVU ermöglichen, ihre AGB im Ergebnis richtlinienwidrig und damit gesetzeswidrig auszugestalten.

Mit einer de facto Aussetzung des § 307 BGB im Rahmen von Gassonderverträgen brächte der VIII. Zivilsenat Deutschland daneben aber ohne Not in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht geradezu in „Teufels Küche“:

Wenn doch der Gesetzgeber auf eine fristgemäße Umsetzung des in der Gasrichtlinie enthaltenen Transparenzgebots gerade deshalb verzichtet hat (und auch verzichten durfte), weil mit § 307 BGB und der darauf beruhenden höchstrichterlichen Transparenzrechtsprechung ein entsprechend hohes Transparenzniveau in Deutschland hinsichtlich der Klauselklarheit bereits sichergestellt war, dann muss eine Entscheidung, die § 307 BGB im Rahmen von Erdgassonderverträgen quasi vollständig leerlaufen lässt, eine beachtliche Umsetzungslücke (spätester Umsetzungstermin: 15.07.2004 - s.o.) reißen. Eine endgültige Entscheidung des VIII. Zivilsenats im Sinne seiner Übernahmerechtsprechung setzte Deutschland im Anschluss daran dann also unmittelbar der konkreten Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens aus, mit dem die EU-Kommission Deutschland nötigenfalls vor dem EuGH sogar zwingen müsste, dem Transparenzgebot der Richtlinie (endlich) gesetzlich Ausdruck zu verleihen.

Da der VIII. Zivilsenat dem Gesetzgeber weder einen europarechtswidrigen Willen unterstellen kann - und sicher auch nicht wollte -, deutet hier doch einiges darauf hin, dass er die Wirkungen der Richtlinien bei seiner Rechtsfindung völlig außer Acht gelassen, diese europäischen Regelungen also wohl wahrscheinlich übersehen hat. Dafür spricht zudem der Hinweis in seinem Urteil vom 15.07.2009, ohne dabei die Richtlinie auch nur in Ansätzen in den Blick genommen, geschweige denn auf ihre Relevanz hin überprüft zu haben:

Zitat
„Es ist nicht ersichtlich, dass dafür im Bereich von Sonderverträgen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung gestellt werden müssten, als sie im Bereich der Grundversorgung durch § 5 GasGVV unmittelbar erfüllt werden“ ...

Die EU-RL wirken hier geradezu als Riegel gegen eine derart weitreichende Aushöhlung des § 307 BGB im Rahmen der Normauslegung. Um diese Sperrwirkung im Sinne des mit den Richtlinien beabsichtigten Verbraucherschutzes aber effektiv entfalten zu können, müssen die Richtlinien überhaupt erst einmal vom Gericht in ihrem Bedeutungsgehalt wahrgenommen und nicht - wie sich hier geradezu aufdrängt - völlig übersehen werden.

Zwar ist es eine Selbstverständlichkeit, dass einschlägiges europäisches Recht, das die nationale Rechtslage konkret mitprägt, von den Gerichten bei ihren Entscheidungsfindungen von Amts wegen immer zu berücksichtigen ist. Wenn aber ein Gericht solche übernationalen Vorschrift bei seinen Überlegungen (irrtümlicherweise) erkennbar ausklammert, dann kann es nicht schaden, wenn der Prozessvertreter einer Partei auf eine richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Vorschriften drängt (so dankenswerterweise wohl geschehen durch Rechtsanwalt Peter Wassermann in der mündlichen Verhandlung vor dem VIII. Senat am 17.03.10).

Für den VIII. Zivilsenat sollte nicht zuletzt mit Blick auf die Gasrichtlinie dann wohl auch Diskussions- und Klärungsbedarf bestehen. Darauf, dass dem so ist und dem Senat die europarechtliche Problematik seiner Übernahmerechtsprechung aus dem Urteil vom 15.07.2009 mittlerweile bewusster geworden ist, könnte(?) die relativ lange Zeitspanne hindeuten, die der Senat für eine Entscheidung in Sachen EWE beansprucht (Verhandlungstermin 17.03.10; zunächst angestrebter Verkündungstermin: 16.06.10; jetzt schon 14.07.10).

Wollte der VIII. Zivilsenat also trotz des klaren Regelungsgehalts und Wortlauts der Gasrichtlinie die Übernahme intransparenter Verordnungen in Sonderverträge dennoch zulassen, wäre er gezwungen, vor einer abschließenden Entscheidung in der Sache zunächst den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren anzurufen und von diesem vorab klären zu lassen, ob die besagten Richtlinien einem solchen Ergebnis rechtlich nicht entgegenstehen.

Die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (Grundlagen)

Wenn der VIII. Zivilsenat diese eben angesprochene europarechtliche Dimension des Rechtsstreits trotz alledem nicht hinreichend berücksichtigen „will“, stünde ihm der Weg, insbesondere dem OLG Oldenburg seine Entscheidung unter Berufung auf die eigene Übernahmerechtsprechung quasi um die Ohren zu hauen, dennoch nicht offen. Der Senat müsste in dem Fall nämlich zunächst gem. § 132 GVG wegen der wesentlichen Abweichung von der Rechtsprechung anderer BGH-Senate den beim BGH gebildeten „Großen Senat für Zivilsachen“ anrufen.

§ 132 GVG verfolgt das Ziel, die Rechtsprechung der Senate des BGH zu vereinheitlichen. Es soll im Interesse der Rechtssicherheit - aber auch des Rechtsfriedens - verhindert werden, dass verschiedene Senate im wesentlichen identische Rechtsfragen, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangen können, völlig unterschiedlich beantworten.

Das GVG normiert die Vorlage zum einen unter bestimmten Voraussetzungen als Rechtspflicht, dessen Missachtung durch den erkennenden Senat (wie eingangs schon erwähnt) einen Verstoß gegen Art. 101 GG darstellen kann. Zum anderen „kann“ ein Senat, der dazu im konkreten Einzelfall nicht unbedingt verpflichtet wäre, dem Großen Senat trotzdem eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Beantwortung vorlegen.

Zitat
§ 132 GVG lautet im Wesentlichen:
   
(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. [....]
 
(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat [...] abweichen will.
 
(3) Eine Vorlage an den Großen Senat [...] ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. [...].
 
(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Jeder Senat des BGH muss sich also prinzipiell zu jeder Zeit im Klaren darüber sein (bzw. Klarheit verschaffen), ob er sich im Rahmen eines anhängigen Revisionsverfahrens mit der von ihm „bevorzugten“ Rechtsauslegung einer gesetzlichen Bestimmung, die für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung ist, in einen Widerspruch setzt zu einer von einem anderen Senat bereits getroffenen Entscheidung. Mit § 132 GVG wäre etwa die Haltung eines Senats „Was interessiert mich die Rechtsprechung eines anderen Senats; in meinem Aufgaben-/Zuständigkeitsbereich habe ich das alleinige Sagen“ nicht vereinbar.

Liegt eine entgegenstehende Rechtsprechung vor, muss der erkennende Senat den Großen Senat anrufen. Liegt eine solche zwar noch nicht vor, gibt es aber konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass ein anderer Senat hinsichtlich der zu beantwortenden Rechtsfrage anderer Ansicht ist, so kann (im Sinne von „sollte“) der erkennende Senat den Großen Senat anrufen, um eine „Rechtsprechungsdivergenz“ schon vor ihrer Entstehung zu vermeiden.

Die Bedeutung der Vorlagefrage in den EWE-Verfahren

Der Vorsitzende des VIII. Zivilsenats hat in Sachen EWE in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2010 darauf aufmerksam gemacht, dass der Senat in Erwägung zieht, die bisher nicht streitentscheidende und deshalb nur per „obiter dictum“ getroffenen Feststellungen zur Übernahme einer Verordnung in einen Sondervertrag nun in Blei zu gießen und die dort aufgestellten Grundsätze auch auf die vorliegenden Revisionsverfahren anzuwenden. Insofern wird jetzt auch die Abweichung von der Rechtsprechung anderer BGH-Zivilsenate (erstmalig) virulent.

Die Übernahmerechtsprechung des VIII. Zivilsenats vom 15.07.2009 steht in wesentlichen Punkten in konkretem Widerspruch zur Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH (Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=44010&pos=0&anz=1)) - daneben aber insbesondere zu einer Entscheidung des Bankensenats des BGH (Urteil vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48121&pos=0&anz=1) ). Legt der VIII. Zivilsenat seinen Revisionsentscheidungen in Sachen EWE nun wirklich die Grundsätze der Übernahmeentscheidung vom 15.07.2009 (und zwar dieses Mal nicht lediglich per obiter dictum, sondern in streitentscheidender Weise) zugrunde, dürfte die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen zwingend erforderlich werden.

Die (kritisch zu betrachtende) Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats

Wie man der Übernahmeentscheidung des VIII. Zivilsenats vom 15.07.2009 entnehmen kann, meint er, die Intransparenz der Verordnung führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307, wenn die gesetzliche Regelung unverändert in einen Sonderkundenvertrag übernommen werde. Er stützt sich auf einen gesetzgeberischen Willen, es den EVU zu ermöglichen, ihre AGB mit Sonderabnehmern parallel zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten. Der VIII. Zivilsenat stellt dabei insbesondere auf eine mit der Verordnung untrennbar verbundene Leitbildfunktion ab, wonach der Verordnungsgeber mit dem Erlass der Verordnungen, die eigentlich nur für Kunden in der Grund- und Ersatzversorgung von rechtlicher Bedeutung sind, zugleich implizit zum Ausdruck bringe, was auch außerhalb der Grundversorgung etwa für die Vertragsverhältnisse mit Haushalts(sonder)kunden als angemessen zu betrachten sei. Nach dem gesetzgeberischen Willen solle der Schutz für Sonderabnehmer nicht weitergehen als für Tarifabnehmer. Daraus und insbesondere aus dem Umstand, dass es auch der Sondervertragskunde in der Hand habe, eine Preisänderung nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen, ergebe sich, dass Preisänderungsklauseln, die den Verordnungen nachgezeichnet seien, von diesen nicht zum Nachteil des Kunden abwichen, keine unangemessene Benachteiligung der Sondervertragskunden mit sich brächten. Dieser Rechtfertigung aus § 315 BGB kommt besondere Bedeutung zu (siehe die Abweichung von der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats weiter unten).

Die gegenläufige Rechtsprechung des Kartellsenats

Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, mit der der VIII. Zivilsenat die Inhaltskontrolle von Preisanpassungsklauseln in Gassonderverträgen gem. § 307 BGB weitestgehend ausschließen und damit leerlaufen lassen wollte, lag aber die in wesentlichen Punkten gegensätzliche Entscheidung des Kartellsenats vom 29.04.2008 (KZR 2/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=44010&pos=0&anz=1)) bereits seit über einem Jahr vor! Eine Beschäftigung mit dieser Entscheidung des Kartellsenats bot der VIII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15.07.2009 dennoch nicht.

Der Kartellsenat hob die Bedeutung der Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln in Ergassonderverträgen gem. § 307 BGB ausdrücklich hervor, während der VIII. Zivilsenat mit Blick auf die Leitbildfunktion der Verordnung (AVBGasV) die Inhaltskontrolle in diesem Rahmen unter den eben genannten Voraussetzungen praktisch völlig ausschließen will.

Der Kartellsenat verneinte die Leitbildfunktion der AVBGasV im Hinblick auf die konkret zu beurteilende Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag und griff dabei implizit einen wesentlichen Grundsatz der Transparenzrechtsprechung der BGH-Zivilsenate auf, wonach Preisanpassungsregeln grundsätzlich Auskunft darüber zu geben haben, bei welchem Anlass, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das einseitige Preisänderungsrecht des Verwenders gegeben sein soll. Der Senat hielt das gesetzliche Preisänderungsrecht, wie es in § 4 AVBGasV zu erblicken sei, im Grundversorgungsverhältnis trotz seiner Intransparenz, obwohl darin keinerlei Vorgabe zu „Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen“ enthalten sei, nur deshalb für verbindlich, weil „Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen“. Damit hat der Kartellsenat Versorgern - wie hier der EWE - , die durch eine bloße Bezugnahme auf die GasGVV/AVBGasV ein einseitiges  Preisänderungsrecht begründen wollen, diesen Weg praktisch abgeschnitten. Wenn ein Versorger seinen Sondervertragskunden nämlich Gas nicht zu Sonderkonditionen liefern muss, sondern den zugrundeliegenden Sondervertrag praktisch jederzeit (unter Einhaltung der vorgesehenen Kündigungsfrist selbstverständlich) kündigen und so den Kunden in die Grundversorgung einreihen kann, entfällt nach der Ratio dieses Urteils des Kartellsenats die innere Rechtfertigung für eine (per Gesetzesverweis einbezogene) intransparente Preisänderungsregel in einem Sondervertrag.

Für den VIII. Zivilsenat war diese Vorgabe des Kartellsenats aber wohl nicht weiter der Rede wert. Ohne den Kartellsenat auch nur in Ansätzen zu erwähnen, heißt es in der Entscheidung vom 15.07.2009 lapidar:

Zitat
„Dem steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass den Versorger im Rahmen der Grundversorgung - anders als bei einem Sondervertrag - ein Kontrahierungszwang (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) trifft und er nach § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV zu einer Kündigung des Vertrages nur berechtigt ist, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber bei der angestrebten Gleichbehandlung von Grundversorgungs- und Sonderkunden offensichtlich keine Bedeutung beigemessen“.  

Für die sich hier stellende Frage, ob diese Thematik eine Vorlage an den Großen Senat erfordert, kommt es aber nicht entscheidend darauf an, ob der Gesetzgeber diesem Umstand Bedeutung beigemessen hat, sondern ob eine gegensätzliche Rechtsansicht in entscheidungserheblicher Weise von einem anderen Zivilsenat - hier dem Kartellsenat - bereits geäußert wurde! Da dieses der Fall ist, ist die Vorlage angezeigt.

Der Prozessvertreter der EWE-Gegner - RA Wassermann - hat dann ja auch in der mündlichen Verhandlung vor dem VIII. Zivilsenat auf die entgegenstehende Rechtsprechung des Kartellsenats hingewiesen.

Entgegenstehende Rechtsprechung des Bankensenats

Daneben ist aber auch das zum Zeitpunkt der vom VIII. Zivilsenat getroffenen Übernahmeentscheidung bereits vorliegende Urteil des XI. Zivilsenats vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48121&pos=0&anz=1) - von mindestens gleichwertiger Bedeutung, weil es der Rechtsansicht des VIII. Senats in ganz entscheidender Weise entgegensteht. Leider wurde der VIII. Zivilsenat nach dem Verhandlungsbericht von „ESG-Rebell“ zu urteilen auf die Bedeutung dieser Bankensenatsentscheidung nicht hingewiesen. Dieses ist sehr schade!

Der VIII. Zivilsenat hat in seiner Übernahmeurteil aus Juli 2009 die eben genannte Entscheidung des Bankensenats nicht berücksichtigt, sondern wohl übersehen:

Der VIII. Zivilsenat stellt, wie bereits angesprochen, ausdrücklich klar, dass die Übernahme der unbestimmten Preisanpassungsregelung aus der Verordnung (AVBGasV oder GasGVV) in einen Sondervertrag die Anforderungen an die Verständlichkeit und Klarheit im Sinne der höchstrichterlichen Transparenzrechtsprechung nicht erfüllt.

Gleichwohl hält er eine inhaltsgleiche Einbeziehung in einen Sondervertrag entgegen dem Gesetzeswortlaut für möglich und lässt sie nicht an § 307 BGB scheitern, und zwar insbesondere deshalb, weil dem Sonderkunden ja schließlich genauso wie dem Grundversorgungskunden eine gerichtliche Überprüfung von Preisänderungen gem. § 315 BGB (Billigkeitskontrolle) offen stehe.

Diese Rechtfertigung über § 315 BGB, in den Vertrag einbezogene unklare Preisänderungsklauseln durchgehen zu lassen, wenn der Kunde die auf die Preisänderungsklausel gestützten Preisänderungen nachträglich einer Billigkeitskontrolle unterziehen kann, hat der Bankensenat mit seiner e.g. Entscheidung aber eine klare und unmissverständliche Absage erteilt.

Dem dortigen Verfahren lag eine Klausel zugrunde, die der Bank neben einem Preisfestsetzungsrecht ein einseitiges Preisänderungsrecht zubilligte. Der Preis sollte „nach gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches nachprüfbarem Ermessen [...] geändert“ werden. Die AGB räumten dem Bankkunden also ausdrücklich das Recht ein, eine Preisänderung auf ihre Billigkeit gem. § 315 BGB gerichtlich nachprüfen zu lassen.

Der Bankensenat ließ diese Klausel dennoch an § 307 BGB scheitern und machte deutlich, dass die unangemessene Benachteiligung der Kunden hinsichtlich des Preisänderungsrechts nicht ausgeräumt wird durch die Möglichkeit, die Preisanpassung einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen:

Der XI. Zivilsenat stellt dazu in entscheidungserheblicher Form fest (sehr wichtig Rd.-Nr. 38 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48121&pos=0&anz=1) ):

Zitat
„Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann“.

Diese prinzipiellen Erwägungen, die sich auf sämtliche Vertragstypen, bei denen sich ein Unternehmer per AGB ein einseitiges Preisänderungsrecht vorbehält, eins zu eins übertragen lassen - also insbesondere auch auf Gassonderverträge - steht also der vom VIII. Zivilsenat beschworenen Rechtfertigung einer wirksamen Einbeziehung völlig intransparenter (gesetzlicher) Preisanpassungregeln völlig entgegen.

Dieses erforderte unbedingt die Vorlage an den Großen Senat auch unter Berücksichtigung dieser einschlägigen Rechtsprechung des Bankensenats.

Schlussfolgerungen bei Nichtvorlage an den EuGH/Großen Senat

Legt der VIII. Zivilsenat die angesprochenen Rechtsfragen weder dem EUGH noch dem Großen Senat vor, obwohl dieses nicht nur möglich („kann“-Vorschrift) sondern sogar zwingend erforderlich ist („hat vorzulegen“), und entscheidet den Rechtsstreit in Sachen EWE in eigener „Machtvollkommenheit“ im Sinne seiner Übernahmerechtsprechung, so wäre damit den am Verfahren beteiligten Parteien wegen der Nichtzuständigkeit des VIII. Zivilsenats der gesetzliche Richter entzogen.

Ein solches Vorgehen reihte sich ein in eine Kette von Merkwürdigkeiten, die der VIII. Zivilsenat oder sein bedeutendster Protagonist (Senatsvorsitzender Ball) bisher schon abgeliefert hat,
und wäre geeignet, ernste Zweifel an der Unbefangenheit des VIII. Zivilsenats zu bekräftigen und so das Ansehen des Bundesgerichtshofs als unabhängiges Organ der Rechtsprechung insgesamt nachhaltig zu beschädigen. Aber so weit ist es ja noch nicht! Wir werden sehen ...
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Mai 2010, 02:14:27
Wenn es einen Exzellenz- Award für Forenbeiträge gäbe, dann hätten Sie ihn verdient.

Sie bringen die Probleme ausgezeichnet und vor allem allgemeinverständlich auf den Punkt.

Es gibt veröffentlichte Bestimmeungen der EWE zu den Sonderpreisregelungen, aus denen ausdrücklich hervorgeht, dass es sich bei den Sonderpreisregelungen um \"keine Allgemeinen Tarife im Sinne des Energiewirtschaftsgesetztes\" handelt. Diese liegen wohl auch dem BGH vor.

Damit stellt sich die Frage der Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB.

Soweit ersichtlich hat der VIII.Senat in seinen mittlerweile fünf solcher obiter dicta (VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, zuletzt VIII ZR 326/08 Rn. 41) auch schon die Entscheidung des Bankensenats vom 21.04.2009 (XI ZR 78/08] bereits mitzitiert (siehe VIII ZR 320/07 Rn. 33 !).

Bereits aus der Entscheidung des Kartellsenats vom 13.07.2004 Az. KZR 10/03 unter II.6) ergibt sich, dass der weite Spielraum der Billigkeit nicht den Anforderungen des Transparenzgebotes entsprechen kann.  

Zitat
BGH, Urt. v. 13.07.2004 KZR 10/03 unter II.6)

Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).


Der VIII.Zivilsenat  stützt sich für seine abweichende Auffassung maßgeblich auf einen Willen des Gesetzgebers, den er aus der Gesetzesbegründung zu § 310 Abs. 2 BGB entnehmen möchte. Letztere Vorschrift spielt für die Entscheidungen anderer Senate gerade keine Rolle und deshalb war der VIII. Senat womöglich der Aufassung, dass wegen dieser Besonderheit eine Abweichung zur Rechtsprechung anderer Senate im Eigentlichen nicht vorliege, die die Anrufung des großen Senats erfordert hätte. Natürlich war die Frage auch nie entscheidungserheblich und für obiter dicta wäre die Vorlage an den Großen Senat wohl von Anfang an unzulässig gewesen.

Bemerkenswert ist indes, dass sich die Regelung des § 310 Abs. 2 BGB schon seinem Wortlaut nach überhaupt nicht zu § 307 BGB verhält (!), mithin wohl auch keine Einschränkung des (dem § 307 BGB immanenten) Transparenzgebots rechtfertigen kann.  

Mit dem Problem der Vereinbarkeit mit europäischem Recht wurde der VIII. Senat in diesem Verfahren wohl erstmals konfrontiert.

Nachdem der VIII. Senat sich mittlerweile fünfmal ungefragt obiter dicta (und letztlich unberufen) zu dieser Rechtsfrage in der geschilderten Art  geäußert hatte (zuletzt VIII ZR 326/08 Rn. 41), wird er sich - menschlich verständlich - mit einer Aufgabe derselben schwer tun. Es hat etwas von Gesichtsverlust. Warum sich der Senat allerdings selbst in diese Situation manövriert hat, ist schon nicht nachvollziehbar.  

Selbst wenn eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, ist eine Leitsatzbildung auch nicht in jedem Fall veranlasst.

Zitat
BGH, B. v. 13.04.10 VIII ZR 206/09 Rn. 2

Die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze zur Fortbildung des Rechts ist nur dann veranlasst, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.; vgl. etwa BGHZ 154, 288, 292 m.w.N.).

 


Ich meine mit dem OLG Oldenburg, dass sich das gesetzliche Leistungsbetimmungsrecht nicht erst aus § 4 AVBV/ 5 GVV ergibt, sondern bereits aus § 10 EnWG 1998 bzw. § 36, 38 EnWG (so auch BGH KZR 29/06).


Zitat
BGH Urt. v. 04.03.09 KZR 29/06 Rn. 20

Der jeweilige Netzbetreiber ist hiernach gehalten, nach Art eines Tarifs allgemeine Preise zu bilden, die den in vergleichbaren Fällen tatsächlich oder kalkulatorisch angesetzten internen Leistungsentgelten entsprechen und in den Verträgen mit externen Netznutzern nur unter-, aber nicht überschritten werden dürfen, wobei regelmäßig wegen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch eine Unterschreitung im Einzelfall ausscheidet. Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

§ 4 AVBV/ § 5 GVV stellen in Bezug auf die Ausübung dieses anderweitig bereits bestehenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB lediglich eine Modifizierung gegenüber § 315 Abs. 2 BGB da. Anders als bei § 315 Abs. 2 BGB soll es für die Ausübung des einseitigen Leistungsbetimmungsrechts nicht auf den Zugang einer unwiderruflichen Willenserklärung des bestimmungsberechtigten Versorgers beim Kunden ankommen. Es wäre misslich, wenn der Versorger im Streitfall den Zugang im Sinne des § 130 BGB bei dem betroffenen Kunden beweisen müsste. Das wollte der Verordnungsgeber vermeiden. Um mehr ging es dabei eigentlich gar nicht.

Demnach wäre die Implementierung des Textes des § 4 AVBV/ 5 AVBV in einen Sondervertrag auch keine vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des  § 315 Abs. 1  BGB.  

Die vertragliche Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts würde ja auch grundsätzlich die Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises zur Folge haben (vgl. BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Zutreffend auch die Erwägungen in dem Hinweisbeschluss des LG Frankfurt/ Oder vom 11.05.10, wonach eine entsprechende Klausel bei unveränderter Übernahme des Verordnungstextes sich allenfalls  zur Änderung \"allgemeiner Tarife\", jedoch weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig zur Änderung eines bei Vertragsabschluss zunächst feststehend vereinbarten Sonderpreises verhält.


Zitat
LG Frankfurt/ Oder, B. v. 11.05.10 Az. 14 O 162/09

§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV sprechen von \"allgemeinen Tarife\" und gerade nicht von Sondertarifen. Insofern ist unklar, inwieweit durch den Verweis auf die AVBGasV auch auf die Preisänderungsmöglichkeit Bezug genommen werden sollte. Insofern ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass ein Preisanpassungsrecht nicht vereinbart werden sollte.


Beim gesetzlichen Leistungsbetimmungsrecht, mithin im jetzigen Bereich der Grund- und Ersatzversorgung, wird m.E. bei Vertragsabschluss auch gar kein feststehender Preis vereinbart. Der Allgemeine Tarif ist von Anfang an an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Zitat
BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVB-GasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensen-kungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhö-hungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Ver-sorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).


Im Zeitpunkt der Begründung eines Grundversorgungsverhältnisses kann deshalb bereits gegenüber allen grundversorgten Kunden die Verpflichtung bestehen, die Preise zugunsten der grundversorgten Kunden anzupassen. Jene gesetzliche Verpflichtung kann und soll nicht durch individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen grundversorgten Kunden abbedungen werden, schließlich geht es um die Bestimmung Allgemeiner Preise der Grundversorgung. Die Unterscheidung in einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis und einen einseitig bestimmten Folgepreis ist deshalb bei Preisbestimmungen in Form Allgemeiner Tarife nicht möglich, weil sie bei der Billigkeitskontrolle zwangsläufig zu willkürlichen Zufallsergebnissen führen muss (BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.).  


Zitat
BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 Rn. 10  

Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien ein-seitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird. Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen verein-barten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder still-schweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.



Die Revision des Urteils des OLG Oldenburg wird erwartungsgemäß keine Letztentscheidung sein, wenn der VIII. Senat an seinen bisherigen obiter dicta festhalten wollte. Denn dann bedürfte es zunächst einer Zurückverweisung zur Klärung der Frage der - bestrittenen - wirksamen Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB, die das OLG Oldenburg offen gelassen hatte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Opa Ete am 21. Mai 2010, 10:12:13
Hab ich das richtig verstanden?

Legt der VIII. Zivilsenat die angesprochenen Rechtsfragen weder dem EUGH noch dem Großen Senat vor, obwohl dieses nicht nur möglich („kann“-Vorschrift) sondern sogar zwingend erforderlich ist („hat vorzulegen“), und entscheidet den Rechtsstreit in Sachen EWE für EWE, dann bleibt nur noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht?

Gruß Opa Ete
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Mai 2010, 11:55:31
Zitat
Original von Opa Ete
Hab ich das richtig verstanden?

Wohl eher nicht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: energienetz am 21. Mai 2010, 11:58:38
Der BGH hat die Enscheidung in der EWE Sache nunmehr nochmals verschoben auf den 14. Juli. Das kann als Signal dafür gewertet werden, dass ihm die mit dieser Entscheidung verbundenen Probleme gewärtig sind.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: DieAdmin am 21. Mai 2010, 14:04:19
eine kleine Ergänzung zu den angesprochenen EU-Richtlinien:

diese findet man bsp unter:

EU-Klauselrichtlinie 93/13/EWG (http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Gesetze/EU-Klauselrichtlinie-93-13-EWG__1407/)

EU-Richtlinie für den Elektrizitätsbinnenmarkt 2003/54/EG (http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Gesetze/EU-Richtlinie-Elektrizitaets-binnenmarkt__453/)

EU-Richtlinie Erdgasbinnenmarkt 2003/55/EG (http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Gesetze/EU-Richtlinie-Erdgasbinnenmarkt__447/)

EU-Richtlinie 2006/32/EG zur Endenergieeffizienz und zu Energiedienstleistungen (http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Gesetze/EU-Richtlinie-Energieeffizienz__1326/)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: uwes am 25. Mai 2010, 13:35:56
Zitat
Original von __hp__
„Vor dem VIII. Zivilsenat und auf hoher See ...

Dabei verzichtet die EWE in ihren AGB insbesondere auf den Hinweis, dass als  wesentliches Wirksamkeitserfordernis zeitgleich mit der Veröffentlichung eine briefliche Mitteilung über die Preisänderung an den Kunden zu versenden ist.

Ich sehe das - wohl mit dem Kollegen Fricke - anders. Die briefliche Mitteilung ist gem. § 5 Abs. 2 GasGVV nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Preisanpassung.

Die Lösung dieses Problems, dürfte sich allenfalls im Bereich des Schadenersatzes abspielen, der darin gesehen werden könnte, dass ein Kunde, der wegen unterlassener brieflicher Mitteilung den Vertrag nicht kündigt, so gestellt werden muss, als hätte er die Mitteilung einer  Preiserhöhung erhalten und rechtzeitig gekündigt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Mai 2010, 13:40:48
@uwes

Die briefliche Mitteilung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausübung des gesetzlichen Preisänderungsrechts in der Grundversorgung, sondern - aus oben genannten Gründen - allein die öffentliche Bekanntgabe gem. § 5 II GVV (zuvor § 4 AVBV).

Nach der Rechtsprechung des VIII.Zivilsenats in  BGH VIII ZR 326/08 ist jedoch die Verpflichtung zur vorherigen brieflichen Mitteilung (wie in § 5 Abs. 2 GVV)  innerhalb der Klausel Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel innerhalb von AGB.

Ein kleiner, feiner Unterschied.

Deshalb erweist sich die von EWE seit 01.04.07 verwendete Klausel wohl jedenfalls als unwirksam, ebenso wie darauf gestützte einseitige Preisänderungen.
Um Schadensersatz im oben aufgezeigten Sinne geht es dann gerade nicht.


Zitat
Original von uwes
Die Lösung dieses Problems, dürfte sich allenfalls im Bereich des Schadenersatzes abspielen, der darin gesehen werden könnte, dass ein Kunde, der wegen unterlassener brieflicher Mitteilung den Vertrag nicht kündigt, so gestellt werden muss, als hätte er die Mitteilung einer  Preiserhöhung erhalten und rechtzeitig gekündigt.

Das sehe ich anders. Das ist gerade nicht der Fall.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: uwes am 25. Mai 2010, 15:28:40
@ RR-E-ft

Ich bin in der Regel auf Ihrer Seite, da ich Ihre Argumentationen und die schon legendären Rechtsprechungszitate außerordentlich schätze.

In der von Ihnen zitierten Entscheidung führt der BGH unter Rd.Nr. 36 ab Seite 21 aber ausdrücklich aus:

Zitat
Zwar ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - die Wirksamkeit der Änderung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV nur an die öffentliche Bekanntgabe geknüpft worden und hängt nicht von der Erfüllung der in § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV geregelten weiteren Pflichten des Versorgungsunternehmens ab (BR-Drs. 306/06 (Beschluss) S. 8 f.).
(Hervorhebung von mir!)

D.h. der BGH war sich durchaus der Pflichten des Versorgers bewusst, sah diese - mit Ausnahme der Veröffentlichungspflichten - jedoch nicht als \"Wirksamkeitsvoraussetzung\" für Preisanpassungen an.

Mir scheint, dass dies auch sinnvoll ist vor dem Hintergrund, dass der Zugang der Mitteilung ebenfalls nicht verpflichtend ist, sondern nur deren Versendung.

Die Gesetzesbegründung enthielt dann auch folgenden Text in der Beschlussdrucksache des Bundesrats:

Zitat
Begründung: Der Antrag greift die Zielsetzung der Ziffer 2 der Empfehlungen der Ausschüsse in BR-Drs. 306/1/06 auf. Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Stromentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen/Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. bei Mieterwechsel) abhängig zu machen, wie dies bei Umsetzung des Vorschlags in Ziffer 2 der BR-Drs. 306/1/06 der Fall wäre, sondern an die öffentliche Bekanntgabe zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann.

Wie allerdings die Erhöhung im Sonderkundenvertrag ohne individuelle Mitteilung des Kunden erfolgen soll, bleibt etwas um dunklen; ist jedoch aus der Entscheidung nicht als verpflichtend im Sinne einer Wirksamkeitsvoraussetzung herauszulesen.

Wohl eher so: Verpflichtung ja, aber notwendig, um die Erhöhungen wirksam  herbeizuführen - nein.

Wahrscheinlich will der BGH dann seine Auffassung zu der gesetzlich nicht beabsichtigten unterschiedlichen Behandlung von Tarif und Normsonderkunden heranziehen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Mai 2010, 16:11:46
Es geht u.a. um die Wirksamkeit der von der EWE seit 01.04.07 verwendeten Preisänderungsklausel.

Zitat
aus Pressemitteilung des BGH zum Verkündungstermin am 17.07.10 in dem Verfahren VIII ZR 246/08:

Seit 1. April 2007 verwendet die Beklagte \"Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Lieferung von Energie … außerhalb der Grundversorgung\".

Diese lauten auszugsweise wie folgt:  
\"1. Vertragsgrundlage für die Energielieferung  

Die Lieferung von Erdgas erfolgt auf der Grundlage der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrund-versorgungsverordnung – GasGVV vom 26.10.2006 (BGBl. I S. 2396)), …, sofern in diesen \"Allgemeinen Geschäftsbedingungen…\" sowie in den Ergänzenden Bedingungen der E. AG [= Beklagte] nichts anderes geregelt ist.  …  

3. Vertragslaufzeit und Kündigung  

…  Der Erdgaslieferungsvertrag hat eine Laufzeit von sechs Monaten gerechnet ab Lieferungsbeginn. Er verlängert sich automatisch jeweils um einen Monat, wenn er nicht von einer Vertragspartei gekündigt wird. Es gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des jeweiligen Ablaufs.   …  Die Möglichkeit zur Kündigung anlässlich von Preisanpassungen bzw. im Falle eines Umzugs gemäß … GasGVV bleibt unberührt.  …  

4. Preisänderung  

Der Erdgaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Preise der E. AG für die Grundversorgung eintritt; es ändert sich der Arbeitspreis um den gleichen Betrag in Cent/kWh, der Grundpreis um den gleichen Betrag in Euro/a. Die Preisänderung wird zu dem in der öffentlichen Bekanntgabe über die Änderung der Erdgaspreise genannten Zeitpunkt wirksam.  …  Im Falle einer Preisänderung hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Der Kunde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist zum Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen.\"


Jene wird sich auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats wohl gem. § 307 BGB als unwirksam erweisen (vgl. BGH VIII ZR 326/08 Rn. 36 f., Rnrn. 39 ff. <42!>). Erweist sich aber eine Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB als unwirksam, so können einseitige Preisänderungen nicht darauf gestützt werden, sondern erweisen sich ihrerseits selbst als unwirksam (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08].

Obacht:

BGH VIII ZR 326/08 Rn. 36 f. betrifft nicht Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung außerhalb der Grundversorgung der EMB, sondern sog. Ergänzende Bedingungen der EMB für Gaslieferungen innerhalb der Grundversorgung (\"Ergänzende Bedingungen zur GasGVV\"). Anders jedoch die Entscheidungsgründe in Randnummern 39 ff., die sich zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen der EMB zu Gaslieferungen außerhalb der Grundversorgung (Sonderverträge) verhalten.

Man hat es also bei genauer Betrachtung in der dortigen Entscheidung mit zwei vollkommen unterschiedlichen Fallgestaltungen zu tun, die unterschiedliche rechtliche Konsequenzen zeitigen:

Erweisen sich Bestimmungen für die Grundversorgung im Rahmen Ergänzender Bestimmungen des Grundversorgers zur GasGVV als unwirksam, gelten für die Grundversorgung uneingeschränkt die Bestimmungen der GasGVV.

Erweisen sich hingegen Allgemeine Geschäftsbedingungen für Gaslieferungen außerhalb der Grundversorgung gemessen an § 307 BGB als unwirksam, gelten für die davon betroffenen Vertragsverhältnisse die Bestimmungen der GasGVV gerade nicht (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08].

Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen selbst unterliegen gar keiner Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, weil es sich bei ihnen ja  um zwingende gesetzliche Regelungen für die Grund- und Ersatzversorgung (aber eben nur für diese!!!) handelt, § 1 GVV.

Allgemeine Geschäftsbedingungen für Energielieferungen außerhalb der Grund- und Ersatzversorgung unterliegen hingegen immer der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juni 2010, 19:00:10
A.

Selbst bei einer wirksamen Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV als AGB ergäbe sich daraus kein Recht zur einseitigen Preisänderung für das Gasversorgungsunternehmen.

1.

Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des EVU hinsichtlich der Allgemeinen Tarife ergibt sich nicht aus § 4 AVBGasV (vgl. OLG Oldenburg, RdE 2009, 25). Es folgte vielmehr unmittelbar aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998.


BGH, Urt. v. 04.03.2008 KZR 29/06 Rn. 20, juris:

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

2.

Bezüglich dieses bereits mit der gesetzlichen Versorgungspflicht untrennbar verbundenen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB trifft § 4 Abs. 2 AVBGasV lediglich eine besondere Regelung mit Rücksicht auf §§ 315 Abs. 2, 130 BGB. Für die Wirksamkeit der einseitigen Leistungsbestimmung sollte es nicht auf den Zugang einer entsprechenden unwideruflichen Willenserklärung des EVU gem. § 315 Abs. 2 BGB bei den einzelnen Kunden ankommen. Dies ist auch in § 5 Abs. 2 GasGVV so beibehalten worden.

BGH, Urt. v. 27.01.2010 VIII ZR 326/08 Rn. 36, juris:

Zwar ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - die Wirksamkeit der Änderung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV nur an die öffentliche Bekanntgabe geknüpft worden und hängt nicht von der Erfüllung der in § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV geregelten weiteren Pflichten des Versorgungsunternehmens ab (BR-Drs. 306/06 (Beschluss) S. 8 f.).
 
Somit kann die Implementierung einer Vertragsklausel, die die Bestimmungen der §§ 4 Abs. 2 AVBGasV/ 5 Abs. 2 GasGVV inhaltlich übernimmt, schon kein vertragliches  einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB begründen.

3.

Hinzu tritt, dass eine vertragliche Regelung inhaltsgleich § 4 Abs. 2 AVBGasV/ 5 GasGVV weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig die Anpassung eines vereinbarten Gas- Sonderpreises regelt.

BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07 Rn. 29, juris:

An Stelle der unwirksamen Preisanpassungsklausel tritt entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung auch kein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 AVBGasV. Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (1935) jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV). Die Kläger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch keine Tarif-, sondern Sondervertragskunden. Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in § 2 Abs. 1 des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.

§ 4 VBGasV spricht nur von „Allgemeinen Tarifen“, § 5 GasGVV nur von den „Allgemeinen Preisen“ (der Grund- und Ersatzversorgung.

Nach der Unklarheitenregel des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm.  § 305c Abs. 2 BGB kann bei kundenfeindlichster Auslegung nicht angenommen werden, dass damit eine Regelung in den Vertrag implementiert sei, die zur Anpassung eines vertraglich vereinbarten Sonderabkommen- Preises berechtigt.

So hat auch das LG Frankfurt/ Oder in einem Hinweisbeschluss vom 11.05.2010 zum Aktenzeichen 14 O 162/09 zu einer Zahlungsklage des Gasversorgers gegenüber einem kaufmännischem Gaskunden, bei dem die Bestimmungen der AVBGasV in einen Sondervertrag einbezogen seien, zutreffend auf folgendes hingewiesen:

Ein Preisanpassungsrecht dürften die Parteien wohl nicht wirksam vereinbart haben. Aus der Auftragsbestätigung selbst ergibt sich dies nicht. Auch durch den Verweis auf die Allgemeinen Versorgungsbedingungen dürfte dies nicht erfolgt sein.

§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV sprechen von \"allgemeinen Tarife\" und gerade nicht von Sondertarifen. Insofern ist unklar, inwieweit durch den Verweis auf die AVBGasV auch auf die Preisänderungsmöglichkeit Bezug genommen werden sollte. Insofern ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass ein Preisanpassungsrecht nicht vereinbart werden sollte.

4.

Zwar hat der achte Zivilsenat des BGH beginnend mit Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 56/08  in mehrfach obiter dicta seine Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht, dass eine Preisänderungsklausel in einem Erdgas- Sondervertrag, welches das gesetzliche Preisänderungsrecht inhaltsgleich übernimmt, der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten soll  (BGH, aaO, Rn. 21 ff.)

5.

Dem ist nicht zu folgen. Der Senat sagt selbst, dass eine solche Klausel nicht den Anforderungen genügt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach dem Transparenzgebot gem. § 307 BGB an Preisänderungsklauseln zu stellen sind.

BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 78/08 Rn. 38, juris:

Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).

BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 55/08 Rn. 32, juris:

Danach benachteiligt die angegriffene Klausel die Kunden auch insoweit unangemessen, als sie ein Zinsanpassungsrecht der Beklagten vorsieht. Auch ein solches benachteiligt die Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat (siehe schon BGHZ 97, 212, 217 f.; vgl. auch Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004), § 492 Rn. 30 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB nicht gerecht (siehe schon unter II 3 b cc).

 
6.

Der achte Zivilsenat begründet seine Rechtsauffassungen, die er obiter dicta äußerte, damit, dass sich entsprechendes aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe.

Bei genauer Betrachtung räumt jedoch § 310 Abs. 2 BGB den Versorgungsunternehmen gar keine Privilegierung bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB und somit bei der Beachtung des Transparenzgebotes ein, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats selbst ergibt:

BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 56/08 Rn. 17, juris:

Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Gasgrundversorgungsverordnung getreten ist.

Die beanstandete Preisanpassungsklausel unterliegt aber als Preisnebenabrede (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.) in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG).


7.

Eine entsprechende Auslegung verstößt zudem auch gegen zwingendes EU- Recht, welches transparente und angemessene Preise und Bedingungen für Energielieferungen an Haushaltskunden und Kleinkunden verlangt.

In der Vorb. Nr. 22 der RiLi 2003/55 heißt es ähnlich wie in Nr. 24 der RiLi 2003/54

(22) Es sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Tarife für den Zugang zu Fernleitungen transparent und nichtdiskriminierend sind. Diese Tarife sollten auf alle Benutzer in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

RiLi 2003/54 (24)
„Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass Haushalts-Kunden und, soweit die Mitgliedstaaten dies für angezeigt halten, Kleinunternehmen das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu leicht vergleichbaren, transparenten und angemessenen Preisen haben.“

Weiter heißt es in Art 3 der RiLi 2003/55

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzes und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, wozu auch geeignete Maßnahmen gehören, mit denen diesen Kunden geholfen wird, den Ausschluss von der Versorgung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang können sie Maßnahmen zum Schutz von Kunden in abgelegenen Gebieten treffen, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Sie können für an das Gasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen. Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren.

Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
(2) Die Mitgliedstaaten können die Umsetzung von Artikel 13 Absatz 1 bis zum 1. Juli 2007 zurückstellen. Die Anforderungen des Artikels 13 Absatz 2 bleiben hiervon unberührt.

In dem beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren VIII ZR 246/08 und VIII ZR 327/07 kommt es nunmehr auf all diese Fragen erstmals an, insbesondere wurde der Senat in jenem Verfahren erstmals mit der Problematik des europäischen (Energie-) Verbraucherrechts konfrontiert.

Der Senat  hat die ursprünglich auf den 16.06.2010 anberaumten Verkündungstermine auf den 14.07.2010 verschoben.

In jenen für den 14.07.2010 erwarteten Entscheidungen geht es auch darum, ob die Preisneuvereinbarungsfiktion bei Tarifkunden (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07) auch bei Sondervertragskunden gilt (entgegen BGH, Urt. v. 20.07.2005 VIII ZR 199/04).

B.

Unzutreffend ist die Auffassung des VIII. Zivilsenats des BGH, wonach durch die unbeanstandete Hinnahme einer einseitigen Tarifänderung und unbeanstandeten Zahlung durch den Kunden ein neuer Preis vertraglich vereinbart werde, der keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliege (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07).

1.

Dies folgt schon denknotwendig aus der zeitlich nachfolgenden Rechtsprechung des Senats selbst:

BGH, Urt. v. 18.10.2009 VIII ZR 320/07 Rn. 29, juris:

 Denn aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28 m.w.N.).

Die gesetzliche Verpflichtung zur Tarifabsenkung bei rückläufigen Kosten steht denknotwendig einer vertraglichen Preisvereinbarung mit dem einzelnen Tarifkunden, die eine Billigkeitskontrolle ausschließt, entgegen.

BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 15 f., juris:

Um solche - vereinbarte - Preise handelt es sich im Verhältnis zwischen den Parteien bei den bis zum 30. September 2004 geltenden Tarifen.

Vertraglich vereinbart haben die Parteien hier zunächst den bei Abschluss des Gasversorgungsvertrages von der Beklagten geforderten Preis, auch wenn es sich bei diesem Preis um den allgemeinen Tarif der Beklagten für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas handelte. Soweit die Beklagte in der Folgezeit gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, haben die Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem sie weiterhin Gas bezogen haben, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist entgegen der Auffassung der Revision auch über die von der Beklagten vor dem 1. Oktober 2004 geforderten - gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif er-höhten - Preise konkludent eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36; Senatsurteil vom 19. November 2008, aaO, Tz. 16).

2.

Zudem hat der Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 09.06.2009 Az. 5 StR 394/08, juris zutreffend entschieden, dass ein Betrug vorliege, wenn ein Versorgungsunternehmen entgegen der gesetzlichen Bestimmungen einen unbillig kalkulierten Tarifpreis zur Abrechnung stellt, weil die Abrechnungsempfänger (konkludent) über die Ordnungsgemäßheit der Abrechnungen getäuscht werden und durch die Zahlung auf solche Abrechnungen unmittelbar einen Schaden erleiden.    

Auch damit ist es denknotwendig unvereinbar, dass beanstandungslose Zahlungen des Kunden zu einer Entgeltneuvereinbarung führen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 10. Juni 2010, 19:29:48
@Zitat RR-E-ft
Zitat
Allgemeine Geschäftsbedingungen für Energielieferungen außerhalb der Grund- und Ersatzversorgung unterliegen hingegen immer der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Was aber nicht heißt, dass eine Individualvereinbarung ( § 305b BGB) zu einer einseitigen ermessensgebundenen Leistungsbestimmung durch eine der Parteien und damit zur Billigkeitskontrolle i.S.v. § 315 BGB führt.

Dieser Fall ist aber, wenn der Versorger klauselhaft die AVBGasV/GasGVV in das Sonderkundenverhältnis einbeziehen will (§ 305 Abs.2 BGB) nicht einschlägig, weil dann der Verordnungstext der Klauselkontrolle unterfällt. Diese Klauselkontrolle nimmt, da hat der VIII. Senat richtig fokussiert, keine Rücksicht auf die Bestimmungen gem. §§ 308 u. 309 BGB i.V.m. § 310 Abs. 2 BGB. Dies aber auch wiederum nur, soweit nicht zum Nachteil des Abnehmers (= nicht nur Verbraucher !) abgewichen wird.

Um dies beurteilen zu können, kommt es also nicht nur auf den einbezogenen Verordnungstext an, sondern auf das gesamte \"Vertrags-drum-herum\". Es klingt wie auf Holzstelzen flüssig, wenn man den Sondervertagskunden aus einem Rechtsgedanken gem. § 310 Abs. 2 BGB nicht schlechter und nicht besser stellen wollte, als Grundversorgte. Es stellt sich dann aber die Frage, wie dies beurteilt werden soll, wenn bei dieser Prüfung die in §§ 308 u. 309 BGB geregelten \"Klausel-Todsünden\" ausgeklammert würden.

Schon der \"Soweit-Satz\" in § 310 Abs. 2 S 1 BGB drückt ja schon aus, dass die §§ 308 u. 309 BGB nur dann nicht gelten, wenn nicht zum Nachteil abgewichen wurde. Dass der Gesetzgeber ganz bewußt die \"Klausel-Feinde\", d.h. den Transparenzmangel und die Unangemessenheit, gem. § 307 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB, offen gelassen hat, ist - und da hat @RR-E-ft sicherlich recht - offenkundig.

Schließlich hat der VIII. Senat bei seinen - dogmatisch fraglichen - Überlegungen ein weiteres übersehen. Denn gem. § 310 Abs. 3 Ziff. 3 BGB sind  bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

Dabei kommt es schon mal ergänzend darauf an, weshalb der Kunde zum Sondervertragskunden gewechselt ist. Wenn dem Kunden dabei z.B. ein Nachlaß angeboten wird, wenn er sich für eine bestimmte Laufzeit bände (lassen wir mal z.B. § 309 Ziff. 9 BGB außen vor), dann sieht der Abnehmer diese Vertragsbindung wegen des Nachlasses für gerechtfertigt an.  
Der Umstand, dass ihm als Sonderkunde - wegen einer wesentlich günstigeren Konzessionsabgabe (§ 2 Abs. 3 Ziff. 2 KAV) - ggf. sogar ein noch größerer Rabatt zustehen könnte, der nun nicht ihm, sondern dem Versorger zufließt, ist dabei besonders misslich.

Die etwas verquaste Gleichschaltung innerhalb und außerhalb der Allg. Versorgung ist weder theoretisch noch praktisch nachzuvollziehen.

Und wenn dann beim Sondervertrag auch noch, die bislang nach der zu sichtenden Materie kaum als rechtsstaatlich zu bezeichnden Billigkeits-Prüfungs-Praxis, der Maßstab des § 315 BGB über die \"ganze Suppe\" drüber gestülpt werden soll, dann kann ich mich nur dem XI. Senat (21.04.2009, XI ZR 78/08, Tz. 38 ) anschließen:

Zitat
(2) Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Juni 2010, 01:46:59
D
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: marten am 11. Juni 2010, 11:31:52
@RR-E-ft

Was heisst D?

gruss
marten
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Juni 2010, 13:47:43
D steht synonym für das Unerklärliche, keiner weiteren Erkenntnis Zugängliche.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 11. Juni 2010, 16:00:50
Der BGH, 17.02.2010, VIII ZR 67/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=51340&pos=0&anz=1&Blank=1.pdf) und das Stellen von AGB\'s .

Zitat
Leitsätze

a) Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.

b) Sind Vertragsbedingungen bei einvernehmlicher Verwendung eines bestimmten Formulartextes nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt, finden die §§ 305 ff. BGB auf die Vertragsbeziehung keine Anwendung.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 11. Juni 2010, 16:23:09
Zitat
Original von RR-E-ft
D steht synonym für das Unerklärliche, keiner weiteren Erkenntnis Zugängliche.

\"D\" steht für das griechische \"Delta\".
Und mit Delta\'s beschäftigen wir uns im Energiesektor reichlich  :D
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 11. Juni 2010, 18:29:41
Zitat
Original von tangocharly
\"D\" steht für das griechische \"Delta\".
Und mit Delta\'s beschäftigen wir uns im Energiesektor reichlich  :D
: D und auch noch \"griechisch\"  ;)
Delta?, das will kein Schwein wissen, nicht mal von Blondinen aus dem Energiesektor. (http://www.techniker-forum.de/chemie-41/chemie-freiwerdene-energie-delta-h-2828.html#post11397)  :D
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Juni 2010, 18:54:32
Die Lektüre Palandt, BGB, § 310  Rn. 22 f. deutet auf eine Überlagerung der EU- Richtlinien bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB hin, die von nationalen Gerichten zwingend zu berücksichtigen ist. Damit erscheint die obiter dicta- Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats neben den anderen o. g. Gründen vollkommen unvereinbar.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 11. Juni 2010, 19:54:00
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Lektüre Palandt, BGB, § 310  Rn. 22 f. deutet auf eine Überlagerung der EU- Richtlinien bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB hin, die von nationalen Gerichten zwingend zu berücksichtigen ist. Damit erscheint die obiter dicta- Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats neben den anderen o. g. Gründen vollkommen unvereinbar.

Der Tag wird sicherlich auch noch kommen, wo dies an maßgeblicher Stelle begriffen werden kann. Aber vielleicht sollte man sich wirklich kurzfristig und vorübergehend - anstelle von o.d. - mit der WM beschäftigen.
Also denn, vuvuzela ausgepackt, den Bierkasten neben das Sofa (Nüßgen nicht vergessen - bis zur 45 min.-Spielpause kann da schon leicht eine Unterzuckerung aufkommen, mit der Folge dass die Konzentration abflacht).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Juni 2010, 23:15:43
Zur Überlagerung siehe BGH, Urt. v. 29.04.2010 Xa ZR 101/09 Rn. 33 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=52057&pos=0&anz=158)

Zitat
Die Beantwortung der vorgenannten Rechtsfragen erfordert - entgegen der Revisionserwiderung - keine vorherige Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen setzt lediglich von den Mitgliedstaaten einzuhaltende Mindeststandards. Art. 8 dieser Richtlinie erlaubt dem nationalen Recht eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle. Selbst wenn die beanstandeten Klauseln nicht auch gemäß Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG als missbräuchlich anzusehen wären, stünde dies einer Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB nicht entgegen.

Anders verhält es sich, wenn das nationale Gericht eine Klausel, die nach Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen wegen Verstoß gegen Mindeststandards unwirksam sein kann, für wirksam erachtet. Dann bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 20. Juni 2010, 22:49:26
Zitat
Original von RR-E-ft
6.

Der achte Zivilsenat begründet seine Rechtsauffassungen, die er obiter dicta äußerte, damit, dass sich entsprechendes aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe.

Bei genauer Betrachtung räumt jedoch § 310 Abs. 2 BGB den Versorgungsunternehmen gar keine Privilegierung bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB und somit bei der Beachtung des Transparenzgebotes ein, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats selbst ergibt:

BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 56/08 Rn. 17, juris:

Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Gasgrundversorgungsverordnung getreten ist.

Die beanstandete Preisanpassungsklausel unterliegt aber als Preisnebenabrede (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.) in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG).

I
Bei erster Betrachtung mag die Aussage, dass sich aus § 310 Abs. 2 BGB keine Privilegierung der Versorger hinsichtlich der Inhaltskontrolle ergibt, richtig sein, weil die Inhaltskontrolle nach Rn. 17, Satz 2  gar nicht wegfällt, sondern weiterhin funktioniert, und zwar in jedem Fall. So denke ich, soll der Gedanke  verstanden werden. Die Versorgungsunternehmen haben also nicht das Privileg, von der Inhaltskontrolle befreit zu sein.

Beim zweiten Anlauf  komme ich jedoch zur folgenden Beurteilung:

Wenn der BGH in seiner Rn. 17, Satz 2 sagt, dass „Die beanstandete Preisanpassungsklausel.... als Preisnebenabrede.... in jedem Fall der Inhaltskontrolle ....“ unterliegt, dann meint er damit sicherlich auch nur die „beanstandete“ Klausel, die er letztendlich in seinem Urteil auch verwirft.  Das sagt aber nichts darüber aus, ob die Inhaltskontrolle bei der Klausel, die er als Rechtsvorschrift per obiter dicta implementieren lässt, weiter Bestand hat. M.E. ist dieses Implantat kontrollfrei. Die Versorger sind also doch privilegiert.


II
Der Wegfall der Inhaltskontrolle ist nach meiner Einschätzung nicht der wesentliche Inhalt der  Rechtsauffassung, die sich aus der kritisierten Entscheidung des BGH ergibt. Vielmehr dürfte der in der  Implementierung einer Rechtsvorschrift zu sehen sein, die aus der AVBGasV/GasGVV herübergeholt wird. Diese Implementierung ist es, die so gewaltig stört.  Soll der Fortbestand der Inhaltskontrolle gesichert werden, dann würde ich zunächst den Vorgang der Implementierung in Frage stellen – also untersuchen. Und dazu nehme ich jetzt folgenden Anlauf:

Der § 310 Abs 2 BGB hebt nur die Klauselverbote für Energieversorgungsverträge auf. Er lässt also Ausnahmen zu, z.B. dass eine Vorbehaltsklausel in den  AGB Verwendung finden kann. Er sagt aber nichts darüber aus, welchen Rechtscharakter ein solcher Änderungsvorbehalt haben soll.

Bei erster Betrachtung scheint es somit möglich zu sein, einen Änderungsvorbehalt zu wählen, der den Charakter einer normalen Preisänderungsklausel hat, oder, der eine zwingende Rechtsvorschrift darstellt, die einfach nur noch zu implementieren ist.

Der BGH hat sich für letzteres entschieden. Und deswegen scheint mir das auch der wesentliche Gehalt der  Entscheidung per obiter dicta zu sein. Es ist der Gedanke von der Implementierung einer Rechtsvorschrift mit ihrem ganzen Schweif an Rechtsfolgen.
Damit nimmt die Privilegierung der Versorger ihren Lauf. Dass dabei auch gleichzeitig die Inhaltskontrolle untergeht, ist die Rechtsfolge aus dem sich anknüpfenden § 307 Abs 3, Satz 1.  Denknotwendig, das muss ich nun auch einmal sagen, muss sie bei einer solchen Konstruktion auch untergehen, denn was würde es für einen Sinn machen, eine implementierte, mit dem Segen des Verordnungsgebers ausgestattete Rechtsvorschrift mit der Inhaltskontrolle aus einer anderen Rechtsvorschrift zu überprüfen. Der Transparenzmangel ist jetzt kein Thema mehr.


III
Wie begründet der BGH seine Konstruktion?

Zur Begründung nutzt er den Willen des Gesetzgebers, dass hinter der aus § 23 Abs. 2 Nr.3 AGBG in den  § 310 Abs. 2 BGB übernommenen Ausnahme der Gedanke steht, dass Sonderabnehmer keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den AVBGasV/GasGVV auszugestalten. So kann man den Willen des Gesetzgebers in der BT.-Drs. 14/6040, S 160 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/14/060/1406040.pdf) nachlesen.

Im Rahmen der so eingeräumten Gestaltungsfreiheit für die  Versorger kann es aber nur darum gehen, auch in Sonderverträgen ein einseitiges Preisgestaltungsrecht zu installieren. Das ist es, was der Gesetzgeber meint, wenn er sagt,  dass die Sonderabnehmer keines besseren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.  Es geht dabei  um eine Parallelgestaltung. Die soll der Versorger selbst im Rahmen der Vertragsfreiheit herbeiführen. Das wird ihm auch gelingen, wenn er dazu bereit ist, eine Preisanpassungsklausel zu gestalten, die der Inhaltskontrolle standhält.

Auch der nächste in die Betrachtung drängende Gedanke, nämlich der der Liberalisierung, treibt dieses Bedürfnis nach einer Parallelgestaltung. Das Bedürfnis ist allerdings nicht neu, es besteht „weiterhin“ und nur deswegen hat schon der Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vorgesehen, dass die Ausnahmeregelung im § 310 Abs 2 BGB beibehalten werden soll. Daraus ist aber nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung  vor dem Liberalisierungshintergrund neue Rechtsfolgen herleiten will, die letztlich den Wegfall der Inhaltkontrolle bei Preisanpassungsklauseln bewirken.

Das Bedürfnis nach Parallelgestaltung besteht insbesondere deswegen, weil die Versorger in beiden Vertragssystemen ein  berechtigtes Interesse haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen. Wäre diese Möglichkeit der Parallelgestaltung nicht gegeben, dann könnten die Versorger ihre Kostensteigerungen nur bei Tarifabnehmern unterbringen. Die Sonderabnehmer hätten somit einen stärkeren Schutz, wären besser gestellt, als Tarifkunden. Das sind sie aber nicht, dank wirksamer Parallelgestaltung.

Die Begründung des BGH für seinen Implementierungsgedanken geht letztlich ins Leere. Sie basiert zwar anfangs auf dem Willen des Gesetzgebers, übersteigt dann aber dessen Intention. Der BGH verneint einen stärkeren Schutz der Sonderabnehmer deutlich umfassender als der Gesetzgeber, er verneint ihn so sehr, dass er sogar vor einer Beseitigung der Inhaltskontrolle bei den Preisklauseln der Sonderabnehmer nicht zurückschreckt.
Der Gesetzgeber zielt dagegen mit seiner Vorstellung von einer Parallelgestaltung keineswegs auf den Untergang der Klauselkontrolle, weil er damit  u.a. in eine mächtige Kollision mit dem EU-Recht geraten würde, und in so etwas gerät man eigentlich nur, wenn man sich vergaloppiert.

Ob der BGH so weit über die Vorgaben des Gesetzgebers hinausschießen darf, um geltendes Recht auszulegen, ist zumindest fraglich. Fraglich ist vor allem, zu welchem Zweck und mit welchem Ziel er diese Attacke geritten hat.

Um aber auch noch die Eingangsfrage zu beantworten: M.E sind es eindeutig die Versorger, die per obiter dicta privilegiert wurden.

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Dezember 2010, 20:22:34
Bei den Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen handelt es sich um kein dispositives Recht und deshalb um keine gesetzlichen Regelungen im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB. Sonst würde es des § 310 Abs. 2 BGB nicht bedürfen. Letzterer privilegiert schon seinem Wortlaut nach nur die Inhaltskontrolle in Bezug auf §§ 308, 309 BGB, nicht jedoch in Bezug auf § 307 BGB.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 10. Dezember 2010, 11:45:25
Wenn in Frage gestellt wird, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht überhaupt in einen unter dem Dach der Privatautonomie nach den Regeln der Vertragsfreiheit gestalteten Sondervertrag eingepflanzt  werden kann, dann ist der aufgezeigte Weg sicher ein Ansatz.

Allerdings erscheint er mit sehr filigran.

Der § 307 Abs 3 geht zunächst ganz allgemein von Rechtsvorschriften aus. Der Gedanke, die Rechtsvorschriften nun aufzuspalten in dispositives und zwingendes Recht (Verordnungsrecht) ist bestechend bis verwegen. Die Fortführung des Gedankens führt nämlich dazu, dass in AGB, die sich auf die Verträge der Sonderabnehmer beziehen, niemals zwingendes Recht verwendet werden kann, um eine wirksame Klausel zu begründen.

Ist dieser Denkansatz aber auch gefestigt und belastbar?

Offenbar wird davon ausgegangen, dass es bei zwingendem Recht nicht zu davon abweichenden Regelungen kommen kann und nur bei abweichenden Regelungen lässt  § 307 Abs 3 BGB  die Anwendung  von Abs 1 und 2 gelten. Vor diesem Hintergrund wäre dann auch eine Rechtsvorschrift aus einer Verordnung keine Regelung im Sinne von § 307.

Dem steht nun die neue Rechtsetzung des VIII. Senats entgegen, Er bestimmt einfach, wohl Kraft der ihm zufallenden Kompetenz, dass auch zwingendes Recht, also eine Rechtsvorschrift aus einer Verordnung,  „unverändert“ einbezogen werden kann. Damit setzt er Recht.

Mit dieser Gegensätzlichkeit ist jetzt umzugehen.

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 10. Dezember 2010, 12:47:53
Diese Problematik ist doch recht einfach einzuordnen:

(1) Da die GVV\'s für Sonderabnehmer nicht gelten, stellen sie keine Rechtsvorschriften dar i.S.v. § 307 Abs. 3 S.1 BGB, von denen eine Abweichung die Ampel auf Rot stellt.

(2) Erst wenn die GVV in den Sondervertrag implementiert wird, dann kreiert der Versorger \"Bedingungen, die unter § 310 Abs. 2 BGB fallen können (was aber erst dann wieder die Ampel auf Rot stellt, wenn weiteres Bedingungswerk gestellt wird und dies unter den Anwendungsbereich fällt).

(3) Immerhin gibt es aber auch noch einen § 307 Abs. 3 S. 2 BGB - und dort ist der Wurfanker für die Transparenzkontrolle (Leitbild hin und Leitbild her).

(4) Dass die GVV\'s nicht einfach so mal in der Klauselkontrolle Bedeutung haben zeigt auch § 310 Abs. 4 S. 3 BGB: was zur Leitlinie werden soll, bestimmt der Gesetzgeber und nicht der BGH.

Nota bene: Wenn und weil die Problematik bei § 307 Abs. 3 BGB angesiedelt bleibt, kann sich weder die Judikative noch die Legislative über das Gebot von Transparenz und Rechtsklarheit hinweg setzen; erst recht nicht, wenn das Gemeinschaftsrecht auch noch zwingende Forderungen in dieser Richtung aufgestellt hat.

Und wer immer noch nicht erkannt hat, dass die Regelungen in § 36 EnWG und § 5 GasGVV nichts anderes als Wischi-Waschi-Regelungen sind, der tut mir halt einfach leid.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 12:59:23
@Jagni

Sie haben mich wohl missverstanden.

Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen sind keine gesetzlichen Regelungen für Verträge, die im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossen werden und insoweit keine gesetzlichen Regelungen im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB.

Natürlich können Bestimmungen aus den gesetzlichen Regelungen, die für im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossene Verträge gesetzlich nicht gelten, in solche Verträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen implementiert werden.

Sie unterliegen dann als AGB der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB und genießen bei dieser Inhaltskontrolle gem. § 310 Abs. 2 BGB jedoch dem Gesetzeswortlaut entsprechend nur eine Privilegierung in Bezug auf §§ 308, 309 BGB.

Der vom BGH insoweit entschiedene Ursprungsfall (NJW 1998, 1640= VIII ZR 276/96; NJW 2004, 2161) betraf eine Haftungsregelung in den AGB eines Sondervertrages, die § 6 AVBEltV [Haftung für Versorgungsstörungen] entsprach, die als solche eigentlich gegen das AGBG verstoßen hätte, aber wegen der Privilegierung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBGB wegen des Leitbildes als zulässig erachtet wurden.

Dort lag der Fall entscheidend anders (http://archiv.jura.uni-saarland.de/Entscheidungen/pressem98/BGH/zivil/stromlfg.html) und die Begründung vermochte zu überzeugen.

Zitat
Der Senat hat - entgegen den Vorinstanzen - entschieden, daß diese in den Lieferungsverträgen enthaltenen Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalten. Dies ergibt sich u.a. aus der Leitbildfunktion des § 6 AVBEltV, der eine Wertentscheidung des Verordnungsgebers im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen darstellt. Es ist nicht geboten, die Sonderkunden gegenüber den Tarifabnehmern zu bevorzugen. Einem möglichen höheren Schadensrisiko des Sonderkunden entspricht ein erhöhtes Haftungsrisiko des Energieversorgungsunternehmens. Da die Haftung für diese Vermögensschäden für das Versorgungsunternehmen nicht versicherbar ist, ist zu befürchten, daß das Versorgungsunternehmen sein höheres Haftungsrisiko durch eine Strompreiserhöhung auf die Gesamtheit der Kunden - einschließlich der Tarifkunden - abwälzen muß. Dies würde dem Ziel, eine preisgünstige Energieversorgung zu gewährleisten, entgegenwirken. Demgegenüber kann sich der Sonderkunde durch Vorsorgemaßnahmen, insbesondere durch Abschluß einer Versicherung, selbst absichern.

Diese Erwägungen gelten auch für die summenmäßige Haftungsbegrenzung auf 5.000,-- DM.


Zitat
Original von tangocharly

Und wer immer noch nicht erkannt hat, dass die Regelungen in § 36 EnWG und § 5 GasGVV nichts anderes als Wischi-Waschi-Regelungen sind, der tut mir halt einfach leid.

@tangocharly

Ich habe Ihr Mitleid nicht verdient.

Ich halte - wie andernorts aufgezeigt- die klaren gesetzlichen Regelungen in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG für den Bereich der Grundversorgung als bestmögliche Lösung. Und ich habe auch aufgezeigt, warum insoweit die Regelung des § 5 II GVV gegenüber der Regelung des § 315 Abs. 2 BGB praktikabler und vorzugswürdig ist, weil nämlich ein sonst erforderlicher Zugang von Willenserklärungen im Massengeschäft zu Beweisschwierigkeiten führen würde, zu deren Ausräumung immense Kosten anfallen würden, die jedoch im Widerspruch zu §§ 2, 1 EnWG stünden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 10. Dezember 2010, 16:28:10
@RR-E-ft

Ich werde, wenn Sie gestatten, mir eine Wunderkerze anzünden   =)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 16:30:37
@tangocharly

Ich bitte darum.  =)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 13. Dezember 2010, 04:06:32
Teil 1 von 2

Ich möchte heute an meinen im Frühjahr verfassten Ausgangsbeitrag noch einmal anknüpfen.

Vorab sei gesagt: Bereits mein „Ausgangsbeitrag“ aus Mai dieses Jahres war ja bekanntlich „etwas“ lang geraten und so sah ich mich schon damals (fast) gezwungen, aufrichtig Besserung zu geloben. Doch heute muss ich leider reumütig feststellen, dass dieser neue, an meinen alten Beitrag anknüpfende und weiterführende Beitrag sogar in noch größerem Umfange daherkommt, als schon der erste. Und schon wieder gelobe ich Besserung. Nur - das muss wohl doch bis zu nächsten Mal warten. Und das soll dann aber auch an dieser Stelle hoch und heilig versprochen sein!

Damals im Mai hatte der VIII. Zivilsenats seine am 14. Juli 2010 (VIII ZR 246/08) (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=52957&pos=0&anz=1) verkünde Entscheidung in Sachen EWE ja noch nicht getroffen. Heute wissen wir nun endgültig, wie er zu den Dingen steht - und vor allem, wie er in Streitigkeiten von grundsätzlicher Bedeutung „Recht“ spricht.

Mit diesem neuen Beitrag will ich nicht nur - aber auch - eine Nachbetrachtung zur EWE-Revisionsentscheidung liefern unter einigen aus meiner Sicht wesentlichen und aktuellen Aspekten, die es wert sein könnten, (noch) einmal genauer betrachtet zu werden. Und dieses auch vor dem Hintergrund noch anhängiger Gerichtsverfahren, nicht zuletzt vor dem OLG Oldenburg. Auch die europarechtliche Thematik soll noch einmal zur Sprache kommen - und zwar unter einem vielleicht überraschenden Aspekt.

Meinen obigen Ausgangsbeitrag hatte ich damals mit den Worten geschlossen:


Zitat
\"Ein solches Vorgehen reihte sich ein in eine Kette von Merkwürdigkeiten, die der VIII. Zivilsenat oder sein bedeutendster Protagonist (Senatsvorsitzender Ball) bisher schon abgeliefert hat, und wäre geeignet, ernste Zweifel an der Unbefangenheit des VIII. Zivilsenats zu bekräftigen und so das Ansehen des Bundesgerichtshofs als unabhängiges Organ der Rechtsprechung insgesamt nachhaltig zu beschädigen. Aber so weit ist es ja noch nicht! Wir werden sehen ...“

Und seit dem 14. Juli sehen wir, und zwar klarer:

Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats hat die Rechtsordnung nach meiner in diesem Beitrag genauer begründeten Ansicht in einer Weise auf den Kopf gestellt, wie ich es von einem deutschen Obergericht so noch nicht erlebt habe. Die Behandlung der Revisionen in Sachen EWE durch den VIII. Zivilsenat stellt aus meiner Sicht in wesentlichen Teilen einen Skandal dar, der seinesgleichen sucht. Der VIII. Zivilsenat hat den von mir im Frühjahr beschworen juristischen \"Offenbarungseid\" geleistet, ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken, und dokumentiert, dass wesentliche Vorschriften, die zum Schutze der Verbraucher erlassen worden sind - nebst einer dazu ergangenen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung - in einer Weise „über den Haufen geschmissen“ werden können, die mehr als verblüfft. Sie lässt einen erschaudern!

Jeder, der sein legitimes Recht wahrnimmt, sich gerichtlich gegen womöglich unangemessene oder sogar gänzlich unwirksame Preiserhöhungen zu wehren, hat einen unverzichtbaren Anspruch darauf, dass Recht unabhängig und nur auf Grundlage von „Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG) gesprochen wird. Ein Gericht, das den Anschein erweckt, nicht ausschließlich „Gesetz und Recht“ seien Grundlage für die getroffene Entscheidung, erzwingt es geradezu, dass man ihm mehr als kritisch auf die Finger schaut und sich Klarheit darüber verschafft, was es eigentlich darunter versteht, „im Namen des Volkes“ Recht zu sprechen.

Grundsätzlich - das will ich klarstellen - bin ich weit davon entfernt, demjenigen (symbolisch) auf die Schulter zu klopfen, der Gerichtsentscheidungen (seien es nun letztinstanzliche Urteile oder untergeordnete Instanzentscheidungen) gänzlich unreflektiert in der Luft zerreißt, nur weil jene Entscheidungen nicht das gewünschte Ergebnis hervorgebracht haben. Zu einem demokratischen Konsens sollte es immer gehören, dass man Entscheidungsorganen, denen in einer Demokratie das (Letzt-)Entscheidungsrecht zugewiesen ist und denen dabei wesentliche Bedeutung hinsichtlich einer endgültige Streitbeilegung und umfassenden Befriedung zukommen - den Richterinnen und Richtern - auch dann nicht den menschlichen Respekt entzieht, wenn sich die gefällte Entscheidung im Einzelfall etwa in einer Nachschau als fehlerhaft, vielleicht sogar als untragbar herausstellt. Irren ist bekanntlich menschlich - und Richter sind nun einmal Menschen. Dieses Übereinkommen, dass niemand seine Rechte in die eigene Hand nehmen darf (\"Mittwoch - 9 Uhr an der Dorfeiche - 60 Schritt Abstand\";), sondern die Rechtsfindung bzw. -anwendung in die Hände eines Gerichts zu legen hat, steht aber unter der entscheidenden rechtsstaatlichen Randbedingung, dass Richterinnen und Richter nicht nur den Anschein zu wahren haben, unparteiisch zu sein: Nein - sie MÜSSEN unbefangen sein. Den Gerichten ist das Recht also buchstäblich (nur) treuhänderisch \"anvertraut\" (so Art. 92 GG). Allein der begründete Anschein, ein zur Entscheidung berufener Richter sei in der Sache nicht unbefangen, schließt einen solchen Richter von der Entscheidungsfindung aus, rechtfertigt und begründet zugleich einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag.

Der VIII. Zivilsenat hielt es in seiner Entscheidung aus Juli 2010 aber ganz offensichtlich nicht einmal mehr ansatzweise für erforderlich, den Eindruck zu vermeiden, nicht Gesetz und Recht seien Maßstab für die zu treffende Entscheidung, sondern möglicherweise die wirtschaftlichen Interessen der Versorgungsindustrie. Wer sich der Gasversorgungswirtschaft derart erkennbar verbunden fühlt und gleichzeitig in Gaspreisverfahren \"Recht\" spricht, verspielt aber nicht nur die Reputation des BGH, er stellt die Legitimation des Gerichts gänzlich in Frage. Damit soll hier aber keinesfalls zu einem \"Zurück zur Dorfeiche!\" aufgerufen werden, wenngleich der VIII. Zivilsenat aus meiner Sicht in seiner jetzigen Besetzung in Gaspreisverfahren keine nennenswert höhere Legitimation mehr aufweisen dürfte, als das besagte \"dörfliche Baumgewächs\".

Ich persönlich würde es deshalb nicht mehr hinnehmen, dass der Senat in dieser Besetzung über das Recht „meines“ Versorgers zur Preisänderung entscheidet, ohne zuvor einen begründbaren und begründeten Befangenheitsantrag gegen den Senat insgesamt angebracht zu haben.

Mit meinem Beitrag will ich aufzeigen, welche massiven Eingriffe (inkl. der Missachtung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte) sich der VIII. Zivilsenat gegenüber den Sammelklägern in Sachen EWE geleistet hat.

Ich will daneben die Frage ansprechen, ob das Modell des VIII. Zivilsenats, wonach das Preisänderungsrecht der Gasverordnung - inhaltsgleich in einen Gassondervertrag übernommen - die Anwendbarkeit der Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB ausschließt, überhaupt tragfähig sein kann, oder ob dieses einen unlösbaren - verfassungsrechtlich zu beachtenden, aber vom VIII. Zivilsenat ausgeblendeten - Wertungswiderspruch aufwirft, der nach Korrektur schreit!?

Meine These, die ich im Folgenden belegen will, lautet: Weder der Wille des Gesetzgebers war bzw. ist darauf gerichtet, Gassondervertragskunden im Bereiche der Klauselkontrolle aus dem Anwendungsbereich des § 307 BGB (Transparenzkontrolle) herauszulösen, noch gebietet es die Verordnung unter dem Aspekt der Gleichbehandlung und Schutzbedürftigkeit, das in der Verordnung erblickte unklare und unverständliche Preisänderungsrecht als AGB in Gassonderverträgen gelten zu lassen, und zwar schon deshalb, weil die Verordnung insoweit rechtswidrig ist. Letzteres werde ich in einem rechtsdogmatischen Ansatz - hoffentlich allgemeinverständlich - belegen!

Ich vertrete zudem die Meinung - die ich ja schon in meinem Ausgangsbeitrag dargelegt habe -, dass die „Übernahmerechtsprechung“ des VIII. Zivilsenats aus Juli 2010 nicht zuletzt gegen die Klauselrichtlinie 93/13/EWG verstößt. Meiner Ansicht nach bedarf es aber keines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH mehr, weil der EuGH die Klauselrichtlinie im Hinblick auf die hier interessierende Auslegungsfrage mit Urteil vom 10.05.2001(Rs. C 144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande, NJW 2001, 2244) bereits hinreichend ausgelegt hat und dieses Auslegungsergebnis der Entscheidung des VIII. Zivilsenats in entscheidender Weise entgegensteht (dazu unten unter dem Gliederungspunkt „Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit“)

Daneben werde ich die Frage klären, wie es einzuschätzen wäre, sollte das OLG Oldenburg den EuGH entgegen der von vielen geäußerten Erwartung doch nicht anrufen -, und welche Chancen dann bestünden, die „unsägliche“ Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats aus der Welt zu schaffen.

Eine Einschätzung auf Grundlage meiner nachfolgenden Betrachtungen hier schon mal vorab: Die Energieversorger allgemein - und damit die EWE im Besonderen - werden sich kaum mehr lange auf die EWE-Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 17.Juli 2010 stützen können, um den Verbraucherschutz, wie er in den Versorgungs-AGB regelmäßig zum Ausdruck kommen muss, beharrlich zu unterlaufen.

Die fehlerhafte Vorgehensweise des VIII. Zivilsenats

Was hat der VIII. Zivilsenat denn nun eigentlich falsch gemacht, als es um die Revisionsentscheidung in Sachen OLG Oldenburg ging. Eigentlich, so müsste man fast polemisch sagen, so ziemlich alles. Dieses bedarf in den wesentlichen Punkten aber einer genaueren Nachbetrachtung, weil sich die Entscheidung vom 14.07.2010 für den gesamten Gasversorgungssektor im Sinne eines funktionierenden (Gas-)Marktes, auf dem Wettbewerb auch bzw. gerade im Interesse der Verbraucher herrschen soll, geradezu verheerend auswirken kann. Aber zuvörderst ist eine Nachschau natürlich deshalb erforderlich, weil die Entscheidung des VIII. Senats zeigt, dass und vor allem wie verfassungsmäßig garantierte Rechte der am EWE-Revisionsverfahren Beteiligten vor dem VIII. Zivilsenat \"unter die Räder gekommen\" sind.

Noch einmal die Ausgangsproblematik zur Erinnerung

Um die Methoden, mit denen der VIII. Zivilsenat in Sachen OLG Oldenburg die Verbraucher hinters Licht geführt hat, richtig erfassen zu können, muss man zunächst einmal das Zusammenspiel von vier einschlägigen Vorschriften verstehen, die vor der Schuldrechtsreform im Jahre 2001/2002 in einem eigenständigen Gesetz, dem AGB-Gesetz (Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen), enthalten waren und mit der Reform weitestgehend in identischer Form in das BGB übernommen wurden.

Das AGB-Gesetz als Vorläufer der §§ 305 bis 310 BGB

Dieser kleine historische Rückgriff auf das AGB-Gesetz ist hier hilfreich, um dem VIII. Zivilsenat bei der gleich dargestellten Gesetzesauslegung, wie er sie (methodisch fehlerhaft) in seiner Revisionsentscheidung vorgenommen hat, nicht „auf den Leim“ zu gehen.

Es geht um den aktuellen § 307 BGB (ehem. § 9 AGB-Gesetz), daneben um § 308 BGB (ehem. § 10 AGB-Gesetz), § 309 BGB (ehem. § 11 AGB-Gesetz) und schließlich um § 310 BGB (ehem. § 23 AGB-Gesetz). In den §§ 10 und 11 des AGB-Gesetzes war damals in einem nicht abschließenden \"Beispiels-Katalog\" geregelt, welche Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam anzusehen seien. Eine Besonderheit bestand nun darin, dass in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz geregelt war, dass dieser Katalog - also die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz - keine Anwendung fände auf Verträge der Gasversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von den auf Grund des § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes erlassenen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas (AVBGasV - so hieß diese Verordnung damals) aus dem Versorgungsnetz abwichen. Was gesetzestechnisch etwas sperrig klingt, meinte nichts anderes, als dass sich auch Sondervertragskunden, bei denen vertraglich einbezogene AGB nicht nachteilig von der AVBGasV abwichen, nicht auf die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz berufen können sollten, wenn sie meinten, eine entsprechende Vertragsbedingung sei im Einzelfall unwirksam.

Die Gasverordnungen (AVBGasV/GasGVV) als Vertragsbedingungen mit angemessenem Interessenausgleich

Die Logik, die sich dahinter verbarg: In § 7 EnWG, später § 11 Abs. 2 des bis zum 31.12.2001 geltenden Energiewirtschaftsgesetzes war geregelt, dass das Bundeswirtschaftsministerium durch Erlass entsprechender Rechtsverordnungen die Rechte und Pflichten der (Tarif-)Vertragspartner festsetzen durfte, dabei aber die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen hatte.

Der dem zugrunde liegende Grundsatz lautete vereinfacht also: Wenn doch schon der Bundeswirtschaftsminister von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Vertragsinhalt zwischen Tarifvertragskunden und Energieversorger inhaltlich zu regeln und dabei die nach dem Energiewirtschaftsgesetz gebotene Interessenabwägung (den Interessenausgleich) umfassend vorgenommen - die Vertragsinhalte also quasi gerecht austariert - hat, dann kann dieses Abwägungsergebnis doch eigentlich im Endeffekt auch für praktisch gleichlautende Klauseln in Sonderverträgen zu Grunde gelegt werden. Eine Überprüfung anhand der §§ 10 und 11 AGB-Gesetz wurde deshalb als nicht erforderlich angesehen und dementsprechend diese beiden Vorschriften unter den genannten Bedingungen als \"unanwendbar\" erklärt. Dieses - zumal die Interessenlage von Sondervertrags- und Tarifkunden - auch unter dem Aspekt der Schutzbedürftigkeit (zumindest wenn es sich bei den zugrundeliegenden Vertragsverhältnissen jeweils um Verbraucher handelt) nicht so wesensverschieden ist, dass sich eine Differenzierung geradezu aufdrängte. So weit, so gut!

„Einhellig“ anerkannt - und dieses ist von entscheidender Bedeutung - war aber schon nach altem (AGB-)Recht, dass § 23 AGB-Gesetz die Geltung der Generalklausel - § 9 AGB-Gesetz -, die unangemessene Vertragsbestimmungen für unwirksam erklärte, im Rahmen von Sonderabnehmerverträgen keinesfalls ausschließen wollte (vgl. zu dieser recht alten aber immer noch äußerst aktuellen AGB-Thematik etwa Ebel, Betriebsberater 1980, 477; oder ders. in DB 1979. 1829).

§ 9 AGB-Gesetz war immer die zentrale Auffangvorschrift, die heranzuziehen war, wenn bei der Beurteilung von Vertragsklauseln die Regelbeispiele der §§ 10 oder 11 AGB-Gesetz nicht eingriffen.

Als der Gesetzgeber dann sehr viel später im Jahre 2001 im Rahmen der vieldiskutierten Schuldrechtsreform das gesamte Schuldrecht umkrempelte und sämtliche Vorschriften einer genaueren Betrachtung unterzog, stellte sich für ihn fast zwangsläufig die Frage: \"Sollte es zukünftig eigentlich dabei bleiben, dass Vertragsbedingungen in Gassonderverträgen nicht an den §§ 10 und 11 AGB-Gesetz zu messen seien, wenn derartige Vertragsbedingungen nicht wesentlich von einer Gasverordnung, die die Vertragsverhältnisse der EVU mit Kunden in der Grundversorgung regeln, zum Nachteil der Sonderkunden abwichen?\"

Der Gesetzgeber beantwortete diese Frage mit einem klaren JA!

Die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz sollten also bei entsprechender Konstellation auch weiterhin unanwendbar sein, lediglich die „Hausnummern“ mussten sich natürlich ändern, denn das AGB-Recht sollte schließlich von nun an im BGB weiterleben. Und so stellte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2001 (in Kraft seit 1. Januar 2002) die etwas modifizierte Frage, die er - wie eben gesagt - mit dem klaren „JA“ beantwortete: \"Soll § 310 BGB die Anwendung der §§ 308 und 309 BGB (auch weiterhin) ausschließen?

Bei der Begründung, die der Gesetzgeber zu seinen Änderungsvorschlägen abgegeben hat, und wie sie sich in den das Gesetzgebungsverfahren begleitenden Gesetzesmaterialien widerspiegelt, setzte der VIII. Zivilsenat des BGH schließlich an, um die überzeugenden Überlegungen des OLG Oldenburg im Revisionsverfahren mal so eben „mir nichts, dir nichts“ vom Tisch zu wischen und den Gasverbrauchern (Sondervertragskunden) den Schutz des AGB-Rechts endgültig zu entziehen:

Der Wille des Gesetzgebers - Auslegungshilfe aus der Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform

Um den Verbraucherschutz in einem derart wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge wie dem Gasbezug durch Gasendverbraucher „ad absurdum“ zu führen, bediente sich der VIII. Zivilsenat (zur Stützung bzw. Rechtfertigung seines „Sündenfalls“) bei dem fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf „eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ (Bundestagsdrucksache 14/6040 (http://dip.bundestag.de/btd/14/060/1406040.pdf)), in dem die Begründung zum eben angesprochenen „Ja-Wort“ dokumentiert ist.

Der VIII. Zivilsenat entdeckte in dieser Drucksache den unbedingten Willen des Gesetzgebers, Gas-Sondervertragskunden mit solchen Kunden gleich zu stellen, die ihr Gas auf Grundlage der Gas-Verordnung (AVBGasV bzw. GasGVV) in der Grundversorgung beziehen. Wenn - so die Ratio des VIII. Zivilsenats - doch der Wille des Gesetzgebers dahin gehe, beide Vertragstypen (Sondervertragskunde/Kunde der Grundversorgung) gleich zu behandeln, dann wolle er auch ein in der Verordnung vorhandenes - wenn auch intransparentes und völlig verstecktes Preisanpassungsrecht - das als AGB in Sonderverträge einbezogen worden ist, gelten und dieses nicht an der AGB-Kontrolle scheitern lassen, sofern es nicht von dem Preisanpassungsrecht, wie es in der Verordnung enthalten ist, abweiche.

Wie stellt sich das Ganze gesetzestechnisch dar?

Dazu zunächst ein kurzer Blick auf die §§ 310 und 307 BGB (Fettdruck von mir zur Veranschaulichung hinzugefügt):

Zitat
§ 310 Abs. 2 BGB

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen.



Zitat
§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Die Regelbeispiele der §§ 308 und 309 BGB („In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam ...“ bzw. „Auch“ ... „ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ...“) sollen also nach dieser klaren gesetzlichen Regelung unter den genannten Randbedingungen nicht gelten, wohl aber der § 307, der - noch einmal zur Erinnerung - im Wesentlichen dem alten § 9 AGB-Gesetz entspricht, welcher durch § 23 AGB-Gesetz bei Gassonderverträgen eben NICHT generell ausgeschlossen war.

Ausschluss des § 307 BGB in Gassonderverträgen für Endverbraucher

Der BGH hat nun aber (zumindest) für Verbraucher, die mit EVU zunehmend und mittlerweile massenhaft Sonderverträge abschließen, auch die bedeutsame Verbraucherschutzvorschrift § 307 BGB von vornherein für unanwendbar erklärt, wenn - wie eben gesagt - eine nachteilige Abweichung der einbezogenen Versorger-AGB in den Versorgungssondervertrag nicht nachteilig von der Verordnung abweicht.

Die Voraussetzung, die der VIII. Zivilsenat hier heranzog, um § 307 BGB im Sonderkundenbereich für Verbraucher endgültig leer laufen zu lassen (die nicht nachteilige Abweichung von der Verordnung also), entspricht erkennbar exakt derjenigen, die der Gesetzgeber in § 310 Abs. 2 BGB für den Ausschluss lediglich der §§ 308 und 309 BGB aufstellt hat.

§ 310 Abs. 2 BGB ist seit der Revisionsentscheidung des VIII. Zivilsenats nun also so zu lesen: „Die §§ 307, 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge mit Endverbrauchern ...“

Analoge Ausweitung des Gesetzestatbestands

Die Frage, die sich vor diesem Hintergrund nun zunächst fast von allein aufdrängen dürfte: Geht das eigentlich, dass ein Gericht - hier der VIII. Zivilsenat - sich derart als Gesetzgeber betätigt, indem er eine Norm - hier den § 310 BGB - einfach um ein Tatbestandsmerkmal („§ 307“) erweitert, um so diese Vorschrift, die ihrem klaren Wortlaut nach dem Verbraucherschutz unmittelbar dienen soll, aus der Anwendbarkeit vollständig „hinauszukatapultieren“!?

In der heutigen juristischen Methodenlehre klebt man im Rahmen der Bedeutungserfassung einer Norm tatsächlich nicht mehr allzu fest am Wortlaut der Vorschrift. Mindestens gleichbedeutend ist der Normzweck.

Und so kann es durchaus einmal passieren, dass es der Normzweck erfordert, eine (planwidrig) begrifflich zu eng gefasste Norm im Rahmen einer sogenannten Analogie auch auf Fälle anzuwenden (auszudehnen), die nach dem Normwortlaut nicht erfasst sind. Ein solches Vorgehen rechtfertigt sich auch aus Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichbehandlungsgrundsatz), der bestimmt, dass Sachverhalte, die im Wesentlichen gleich gelagert sind, auch gleich behandelt werden müssen.

Die planwidrige Regelungslücke?

Die Frage lautet hier also, hat der Gesetzgeber eine Gesetzeslücke planwidrig nicht geschlossen und gebietet es deshalb - quasi ersatzweise für gesetzgeberisches Unterlassen - der Normzweck des § 310 BGB, diese Vorschrift tatbestandlich um den § 307 BGB zu erweitern, um so die Anwendbarkeit des § 307 BGB im Verhältnis zwischen EVU und Sondervertragskunden (Endverbrauchern) gänzlich auszuschließen.

Um diese Frage widerspruchfrei beantworten zu können, muss man notwendigerweise den Zweck von zwei(!) Normen hinreichend genau erfassen. Zum einen ist natürlich das Augenmerk zu richten auf § 310 Abs. 2 BGB; den man ja (analog) erweitern möchte. Zum anderen machte es keinen Sinn, dabei den Bedeutungsgehalt von § 307 BGB, der ja in seiner konkreten Anwendbarkeit in Gassondervertragsverhältnissen ausgeschlossen werden soll, völlig auszublenden.

Und so hat der VIII. Zivilsenat auf die besagte Begründung des fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurfs (Bundestagsdrucksache 14/6040) zurückgegriffen, als er den § 310 BGB erweitern und Verbrauchern, die Gas-Sonderverträge mit „ihren“ EVU abgeschlossen haben, den Schutz des § 307 BGB vollständig entziehen wollte.

Wer sich nun einmal die Mühe macht, die entsprechenden Gedankengänge des VIII. Zivilsenat, orientiert an den Materialien, die das Gericht herangezogen (vor allem aber nicht herangezogen) hat, Schritt für Schritt nachzuvollziehen, wird aus dem Staunen kaum mehr herauskommen. Hierbei - nicht unbedingt beim Staunen selbst, so aber doch beim genauen Hinsehen - will ich dem interessierten Leser mit meinem Beitrag ein wenig zur Seite stehen und aufzeigen, wo der VIII. Senat den grundgesetzlich vorgegebenen Weg endgültig verlassen hat:

Der VIII. Zivilsenat hat bekanntlich das, was er schon zuvor in mehreren Entscheidungen per „Obiter Dictum“ ungefragt „zum Besten“ gegeben hatte, in seiner EWE-Revisionsentscheidung aus Juli 2010 in diesmal streitentscheidender Form bekräftigt. Nicht nur die beteiligte EWE, auch in Aufsätzen von Autoren, die den EVU nahe stehen, wurde die „Klarstellung“ begrüßt - um nicht zu sagen: geradezu bejubelt.

Übernahme der intransparenten Preisanpassungsregelung in der EWE-Revisionsentscheidung

In der EWE-Revisionsentscheidung (VIII ZR 246/08) heißt es:

Zitat
33
(1) Eine Preisanpassungsklausel, die das gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar. Zwar genügt eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt. Dies steht der unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in einen Sonderkundenvertrag unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteilung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes nicht entgegen (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 19, 23 f. m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der teilweise im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Markert, RdE 2009, 291, 293 f.; zustimmend hingegen Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129; Rottnauer, EWiR 2009, 765, 766; Zabel, BB 2009, 2281 f.) fest. Sie steht (entgegen Markert, aaO) nicht in Widerspruch zu § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB.

34
a) Mit der Regelung des § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifabnehmer auszugestalten. Dahinter steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer (BT-Drs. 14/6040, S. 160). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden kommt deshalb ebenso wie denjenigen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie und den Nachfolgeregelungen der GasGVV für Sonderkundenverträge \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten (BGHZ 138, 118, 126 f.) [...]
Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonderkundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen (BGHZ 176, 244, Tz. 25). Für das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist sie zu bejahen (dazu im Einzelnen Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 20 ff., und - für § 5 Abs. 2 GasGVV - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 22 ff.).

35
Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Stimmt die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24 m.w.N.).

Diese Ansichten verdienen im Rahmen meines Beitrags eine nähere Betrachtung:
Zunächst einmal stellt sich in methodischer Hinsicht bei einer vermeintlich vorzunehmenden Analogie immer die Frage, ob es überhaupt eine Regelungslücke gibt, die der Gesetzgeber planwidrig ungeregelt gelassen hat, also geregelt hätte, wenn er sein „Versäumnis“ im Gesetzgebungsverfahren erkannt hätte. Dass eine solche Konstellation hier tatsächlich vorgelegen haben kann, ist im höchsten Maße zweifelhaft. Ohne eine solche planwidrige Regelungslücke jedoch wäre der VIII. Zivilsenat nicht berufen gewesen, die Ausnahmen der AGB-Kontrolle gem. § 310 BGB auch auf § 307 BGB auszudehnen. Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie - Ein Blick in die Bundestags-Drucksache 14/6040
Ein Blick in die Drucksache 14/6040 verdeutlicht das. Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber wollte im Zuge der Schuldrechtsreform lediglich die Frage klären, ob es bei den Ausnahmen von §§ 308 und 309 BGB, wie sie bis dahin in den §§ 10 und 11 AGB-Gesetz geregelt waren, gem. § 310 BGB verbleiben sollte.

Auf Seite 160 der Drucksache 14/6040, auf die sich der VIII. Zivilsenat zuvörderst stützt, um § 307 BGB im Ergebnis auszuhebeln, heißt es dazu:

Zitat
„Absatz 2 übernimmt die bisherige Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 3 AGBG. Danach gelten die bisherigen §§ 10, 11 AGBG (= §§ 308, 309 RE) nicht für Verträge mit Sonderabnehmern von Strom und Gas, es sei denn, dass die Verträge Abweichungen von den Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas, die für den Regelfall der typisierten Vertragsbeziehungen der Versorgungsunternehmen zu Tarifkunden den Inhalt der Versorgungsverträge bestimmen, vorsehen. Hinter dieser Ausnahme steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten.

Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist durch die zunehmende Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt gestiegen. Daraus folgt nämlich, dass zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen, und insoweit zu „Sonderabnehmern“ werden. Das Bedürfnis für eine Parallelgestaltung der Vertragsbedingungen der Versorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern besteht mithin weiterhin, so dass der Entwurf die Ausnahmeregelung beibehält.“

Hier bezieht sich die Begründung des Gesetzgebers hinsichtlich des von ihm hervorgehobenen Bedürfnisses, die Vertragsbedingungen zwischen Tarifkunden (Kunden der Grundversorgung) und solchen Kunden, die auf Grundlage eines Sonderkundenverhältnisses mit Energie (Gas) beliefert werden, parallel zu gestalten, für jeden erkennbar ausdrücklich und ausschließlich auf eine Nichtanwendbarkeit des Beispielkatalogs gem. der neuen §§ 308 BGB sowie 309 BGB. Der Gesetzgeber stellt damit zugleich implizit klar, dass - wie bisher nach altem AGB-Recht - weiterhin an der Generalklausel gem. § 307 BGB festzuhalten sei.

Von einer planwidrigen Gesetzeslücke, die durch Richterrecht auszufüllen gewesen wäre, konnte und kann also schon von daher überhaupt keine Rede sein.

Da es der Gesetzgeber also bewusst nicht in Angriff genommen hat, den § 307 BGB im Anwendungsbereich von AGB in Gassonderverträgen auszuschließen, musste der VIII. Zivilsenat also einen anderen Weg einschlagen, um genau zu seinem (wohl gewünschten) Ergebnis zu gelangen.

Das Leitbildmotiv aus dem ehemaligen AGB-Gesetz - Maßstab vom „Gesetzgeber“ gesetzt

Der VIII. Zivilsenat bemühte dazu - wie oben zitiert - die juristische Figur der „Leitbildfunktion“, die von der Verordnung ausgehe und so eine darin enthaltene intransparente Preisänderungsvorschrift trotz des § 307 BGB auch im Sonderkundenverhältnis zulasse. Der „Gesetzgeber“(?) habe doch selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen sei, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Stimme die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liege eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor.

Das Leitbildmotiv, auf das der VIII. Zivilsenat in dem hier diskutierten Zusammenhang - zu Unrecht - abstellt, geht wieder einmal zurück auf das alte AGB-Recht:

Bereits damals wurde hervorgehoben, dass die gerechte Interessenabwägung, die der Verordnungsgeber - nämlich der Wirtschaftsminister - für den Tarifabnehmerbereich vorgenommen habe, gewisse Anhaltspunkte dafür liefern könne, ob gleichlautende Vertragsbedingungen, die in Sonderverträge einbezogen wurden, wirksam seien. Die Verordnung wurde dabei aufgefasst als ein modellhafter „Lösungsversuch“ für einen Bereich, der bei vergleichbarer Interessenlage sowie ähnlichem Sachverhalt auch auf andere Bereiche indiziell ausstrahlen könne. Die indizielle Wirkung, die eine solche Verordnung für die Wirksamkeit entsprechender Vertragsbedingungen entfalten konnte, sollte aber nur „eine erste Annäherung“ sein für die Frage, ob die vom Verordnungsgeber vorgenommene Interessenabwägung für den vorliegenden Regelungsbereich angemessen und richtig sei (vgl. zur Thematik wiederum Ebel, BB 1980, 477 (478).

Also nur eine „erste Annäherung“!

Die „erste Annäherung“, die zumindest vordergründig zu dem Ergebnis kommt, die Verordnung sei auch im Hinblick auf das darin enthaltene einseitige Preisänderungsrecht durch das EVU richtungsweisend und schließe als Leitbild für Sonderkunden die Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel in den AVB zwingend aus, darf sich - um Gewicht zu erlangen und so über eine „erste Annäherung“ hinauszukommen - aber nicht in einen unauflösbaren Widerspruch setzen zu den Vorgaben, die sich aus dem übergeordnetes Recht (seien es die Vorschriften des BGB oder sogar das materielle Verfassungsrechts oder die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts) ergeben.

Ein solcher Widerspruch liegt hier nun aber ohne jeden Zweifel vor. Und dieses, ohne dass der VIII. Zivilsenat bei seiner „Rechtsfindung“ darauf gestoßen wäre, weil er bei der Ermittlung des angeblichen gesetzgeberischen Willens ausschließlich die Gesetzesmotiven zu § 310 BGB (Drucksache 14/6040 - Seite 160) betrachtet hat, ohne diese Begründungen inhaltlich einzuordnen und an den Begründungen, die derselbe Gesetzgeber in derselben Drucksache nur wenige Seiten zuvor auf Seite 154 zu § 307 BGB abgegeben hat - der Norm also, die immerhin das Transparenzgebot enthält und aus seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden soll -, „gegenzuprüfen“.

Der VIII. Zivilsenat hat sich bis heute erkennbar um die Frage „herumgedrückt“, welche Auswirkungen insbesondere die einhellige Transparenz-Rechtsprechung der BGH-Senate und das darauf beruhende, aber erst sehr viel später - mit der Schuldrechtsreform - ins BGB aufgenommene Transparenzgebot, wie es sich nun in § 307 BGB wiederfindet, für die Wirksamkeit einer intransparenten Preisanpassungsklausel aus einer Rechtsverordnung haben könnte. Und insbesondere: Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Transparenzgebot inkl. der dazu ergangenen einhelligen Rechtsprechung der BGH-Senate beimisst!

Selektive Auswahl der Gesetzesmaterien zur Bestimmung der Reichweite des gesetzgeberischen Willens

Hätte der VIII. Zivilsenat die Gesetzesmotive (Bundestagsdrucksache 14/6040), die er herangezogen hat, um den gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Sondervertragskunden und Grundversorgten zu ermitteln, also im eben genannten Sinne nicht selektiv (Begründung nur zu § 310 BGB), sondern vollständig (Erwägungen auch zu § 307 BGB) ausgewertet, wäre er auf eine gewichtige Unstimmigkeit in seinem Auslegungsergebnis aufmerksam geworden:

Grundsätzlich schließt der § 307 BGB eine Klauselkontrolle für Bestimmungen aus, die das Preis-/Leistungsverhältnis betreffen, weil Abreden unmittelbar über den Gegenstand des Vertrags der Vertragsfreiheit unterliegen (sollen). Von diesem Grundsatz, der nach altem AGB-Recht aus § 8 AGB-Gesetz folgte und so in den § 307 BGB übernommen wurde, ließ die einhellige Rechtsprechung der BGH-Senate aber bereits während der Geltung des AGB-Gesetzes eine gewichtige Ausnahme zu. War eine Klausel, aus der der Preis für die Gegenleistung abzuleiten war - also die „Preisabrede“ -, undurchsichtig, unklar bzw. unverständlich, so scheiterten solche Klauseln am „Transparenzgebot“, das von der besagten höchstrichterlichen Rechtsprechung in den damaligen § 9 AGB-Gesetz „hineininterpretiert“ wurde.

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot wurde also von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als derart gewichtig gewertet, dass selbst eine Klausel, die eigentlich der Klauselkontrolle nicht unterliegen sollte, entgegen dieses Grundsatzes doch als unwirksam zu verwerfen war.

Die bereits mehrfach angesprochene europäische Klauselrichtlinie 93/13/EWG (http://rsw.beck.de/rsw/upload/Beck_Aktuell/6_KlauselRL.pdf), die am 5. April 1993 erlassen wurde, insbesondere um Verbraucher vor missbräuchlichen Vertragsbedingungen zu schützen, schreibt in ihrem Art. 4 Abs. 2 vor, was zu dem Zeitpunkt im deutschen Recht auf Grundlage der besagten Transparenzrechtsprechung - wie eben beschrieben - bereits Rechtslage war: Eigentlich „kontrollfreie“ Klauseln - wie etwa die Preisabrede, die ja das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betrifft - , unterliegen doch der Klauselkontrolle, sofern diese Klauseln unklar bzw. unverständlich sind. Aber - nach der Klauselrichtlinie soll sich das Transparenzgebot nicht bloß auf die in Art 4 angesprochenen und an sich kontrollfreien Klauseln erstrecken. In unmittelbarem Regelungszusammenhang schreibt die Richtlinie in ihrem Art. 5 vor, dass sämtliche niedergelegten Klauseln klar und verständlich abgefasst sein müssen, um Wirksamkeit zu erlangen. Da sich die höchstrichterliche Transparenzrechtsprechung bereits zum damaligen Zeitpunkt der Bedeutung transparenter Klauseln für den Verbraucherschutz bewusst war, war auch das in Art. 5 der Klauselrichtlinie normierte Transparenzgebot zum Zeitpunkt des Richtlinienerlasses im Jahre 1993 quasi Rechtslage in Deutschland.

Da sich das Transparenzgebot im eben genannten Umfange aber „nur“ in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederfand, nicht jedoch im (AGB-)Gesetz ausdrücklich verankert war, war zumindest zweifelhaft, ob die Bundesrepublik die Richtlinie ausreichend umgesetzt hatte. Denn die Regelungen des nationalen Rechts müssen nach der Klauselrichtlinie gewährleisten, dass der darin verbürgte Verbraucherschutz auch tatsächlich zum Tragen kommt. Ob das gesichert sei, wenn die Rechtsprechung das nationale Recht lediglich richtlinienkonform auslegen würde, ohne dass der Einzelne auf eine klare und verständliche Anspruchsnorm des nationalen Rechts zurückgreifen kann, war zunächst unklar.

In einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Niederlande wurde dann vom EuGH mit Urteil vom 10.05.2001 (http://www.jura.uni-augsburg.de/fakultaet/lehrstuehle/moellers/materialien/materialdateien/050_eugh_entscheidungen_en/eugh_1999_144_agb_richtlinie/) (Rs. C-144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande) - das weiter unten noch eine wichtige Rolle spielen soll - Klarheit geschaffen. Der Gesetzesentwurf, auf dessen Begründung sich der VIII. Zivilsenat im Rahmen seiner Rechtsfindung selektiv stützte, wartete die eben genannte Entscheidung es EuGH noch ab, und nahm unmittelbar danach das Transparenzgebot (endlich) in Übereinstimmung mit der EuGH-Entscheidung in den Gesetzesentwurf zur Änderung des Schuldrechts auf. In seiner Entwurfsbegründung zu § 307 BGB, die vom VIII. Zivilsenat leider völlig ausgeblendet wurde, betonte der Gesetzgeber die besondere Bedeutung, die dem Transparenzgebot für den Verbraucherschutz beizumessen sei.

Die gesetzgeberische Begründung zu § 307 BGB - insbesondere zur Bedeutung des Transparenzgebots

In Drucksache 14/6040 auf Seite 154 heißt es in der Begründung zu § 307 BGB mit Blick auf die Bedeutung des Transparenzgebots für die Wirksamkeit von Vertragsbedingungen:

Zitat
„Damit wird der Zweck des bisherigen § 8 AGBG, der lediglich der Inhaltskontrolle, nicht aber der Transparenzkontrolle in bestimmten Fällen Grenzen setzen wollte, verdeutlicht und eine bislang bestehende Lücke bei der Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG geschlossen. Danach sind nämlich sog. preisbestimmende und leistungsbestimmende Klauseln lediglich dann von der Inhaltskontrolle befreit, wenn sie „klar und verständlich“ abgefasst sind, also den Anforderungen des Transparenzgebots genügen. Diese Vorbedingung der Kontrollfreiheit entspricht zwar im Ergebnis der gegenwärtigen Rechtsprechung des BGH, in der dieser Grundsatz freilich nicht immer so deutlich wird. Im Übrigen sollte sich das Richtlinienerfordernis auch aus dem Wortlaut des Gesetzes entnehmen lassen, was derzeit nicht der Fall ist. Denn § 8 AGBG schloss bislang die Anwendung des § 9 AGBG insgesamt und damit auch die darin enthaltene Transparenzkontrolle für preisbestimmende, leistungsbeschreibende und deklaratorische, den Rechtsvorschriften entsprechende Klauseln aus.

Die vorgeschlagene Neufassung des bisherigen § 8 AGBG macht nunmehr deutlich, dass das Transparenzgebot auch bei derartigen Klauseln gilt, wenn es auch bei deklaratorischen Klauseln nur äußerst selten zur Anwendung kommen dürfte. Umso bedeutsamer ist die Klarstellung für preisbestimmende und leistungsbeschreibende Vertragsklauseln, weil das Gebot einer klaren, verständlichen, insbesondere nicht irreführende Regelung hier besonders wichtig ist. Nur wenn der Verbraucher die Preis- und Leistungsbestimmung im Einzelnen verstehen und nachvollziehen kann, hat er die Möglichkeit, eine „informierte“ Auswahl unter den verschiedenen Angeboten zu treffen.“

Hervorhebung der zentralen Bedeutung des Transparenzgebots in der Gesetzesbegründung

Hier verdeutlicht der Gesetzgeber, dass er sich den Vorgaben der Binnenmarktsrichtlinie 93/13 EWG (Klauselrichtlinie) unbedingt stellen wollte, insbesondere im Hinblick auf das darin als so bedeutend hervorgehobene Transparenzgebot. Er musste aber nach der e.g. Entscheidung des EuGH davon ausgehen, dass er noch nicht alles getan hatte, um das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie ins deutsche Recht umzusetzen. Insbesondere bei den bisher kontrollfreien Klauseln, wie sie in Art 4 Abs. 2 der Klauselrichtlinie bezeichnet waren, die nur auf Grundlage einer richtlinienkonformen Auslegung durch den BGH im Falle der Intransparenz einer Klauselkontrolle unterworfen wurden, bestand offensichtlicher Nachbesserungsbedarf.

Und so machte der Gesetzgeber deutlich, dass er mit der Aufnahme des Transparenzgebotes in § 307 BGB erreichen wollte, dass damit „auch“ die nach Art. 4 Abs. 2 eigentlich kontrollfreien Bestimmungen als unwirksam zu verwerfen seien, sofern diese dem Transparenzgebot nicht gerecht werden sollten.

Aber was heißt in dem Zusammenhang „auch“? Während Abreden unmittelbar über den Vertragsgegenstand, den Leistungsinhalt oder das zu zahlende Entgelt dem Grundsatz nach nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, sieht dieses für alle sonstigen Klauseln, mit denen von Rechtsvorschriften abgewichen wird oder die solche ergänzen sollen, anders aus. Sie waren immer von vornherein an den Regelungen des AGB-Rechts zu messen und der Klauselkontrolle unterworfen. Der Gesetzgeber machte in seiner Gesetzesbegründung (mit dem „auch“) deutlich, dass er im Rahmen des Transparenzgebotes keinen Unterschied zwischen Klauseln zulassen wollte, die ohnehin der AGB-Kontrolle - wie etwa Preisnebenabreden in Form von Preisänderungsklauseln - unterworfen sind und solchen, die prinzipiell nicht kontrollfähig sind. Und damit befindet sich die Gesetzesbegründung zu 307 BGB in völligem Einklang mit der Klauselrichtlinie, die das Transparenzgebot zur zentralen Messlatte für Klauseln welcher Art auch immer erhebt.

Der VIII. Zivilsenat hingegen kommt bei Betrachtung der Gesetzesmaterien nur zu § 310 BGB zu einem Ergebnis, das, konsequent zu Ende gedacht, absurd erscheint:

Eine intransparente Klausel, die den Leistungsinhalt oder das vertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betrifft, und eigentlich der AGB-Kontrolle völlig entzogen wäre, wird wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot verworfen, während eine AGB-Regelung, die ihrer Rechtsnatur folgend von vornherein am AGB-Recht zu messen ist (wie etwa eine Preisänderungsklauseln als Preisnebenabrede), trotz eines solchen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unter Ausschluss des § 307 BGB in ihrer Geltung erhalten wird!

Aber - hätte der VIII. Senat wenigstens einmal einen Blick in die Gesetzesbegründung zu § 307 geworfen, so wäre er zumindest auf die europarechtliche Dimension der Fragestellung gestoßen (worden) und hätte unschwer erkannt - nein: erkennen müssen -, dass die Klauselrichtlinie das Transparenzgebot auf sämtliche Vertragsklauseln ausdehnt hat und sich der nationale Gesetzgeber - ob er nun will oder nicht - und hier wollte der Gesetzgeber - sich dem zu stellen hatte. Und dem hat er sich dann auch - wie gezeigt - gestellt.

„Transparente Preisbestimmungsklauseln“ als notwendige Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb/Binnenmarkt

Aber der Gesetzgeber geht ja in seiner eben zitierten Gesetzesbegründung noch viel weiter. Er hebt die Bedeutung besonders hervor, die der Preistransparenz für einen funktionsfähigen Markt beizumessen ist:

Zitat
„Umso bedeutsamer ist die Klarstellung für preisbestimmende und leistungsbeschreibende Vertragsklauseln, weil das Gebot einer klaren, verständlichen, insbesondere nicht irreführende Regelung hier besonders wichtig ist. Nur wenn der Verbraucher die Preis- und Leistungsbestimmung im Einzelnen verstehen und nachvollziehen kann, hat er die Möglichkeit, eine „informierte“ Auswahl unter den verschiedenen Angeboten zu treffen.“

In der Vorstellung, dass Preisnebenabreden (Preisanpassungsklauseln) ohnehin schon dem Transparenzgebot unterfielen und durch eine gesetzgeberische Anpassung des § 307 BGB nun klargestellt sei, dass auch Preisabreden (anfängliche Preisvereinbarungen) dem Transparenzgebot zu entsprechen haben, sollen sie Wirksamkeit entfalten, hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zu § 307 BGB auf die überragende Bedeutung der „Preistransparenz“ für eine bewusste Auswahlentscheidung unter den verschiedenen Anbietern hingewiesen. Da Preisnebenabreden sich - wenn auch nur mittelbar - ebenso auf den Preis, der für eine Leistung zu entrichten ist, auswirken, wie die unmittelbare Preisvereinbarung selbst, sind die Erwägungen, die der Gesetzgeber zur Bedeutung der Preistransparenz anstellt, umfassend aufzufassen - bezogen auf Preisabreden wie Preisnebenabreden.

Nur wer im „Einzelnen“ verstehen und nachvollziehen kann, welcher Preis, für die Lieferung von Erdgas zu bezahlen ist und unter welchen Bedingungen sich dieser Preis in die eine oder andere Richtung (nach oben oder unten) durch einseitige Erklärung des Versorgers ändern können soll, kann eine bewusste Auswahlentscheidung zwischen mehreren Anbietern treffen.

Ohne transparente Preisregeln, die sich (gem. der vom Gesetzgeber bekräftigten BGH-Rechtsprechung) danach also auch darauf zu erstrecken haben, ob, wann und wie Leistungspreise einseitig angepasst werden dürfen, kann der Einzelne überhaupt keine hinreichend bewusste Auswahl unter mehreren Anbietern treffen. Er wird dann eher dazu neigen, bei seinem bisherigen Versorger zu bleiben. Eine Auswahlentscheidung bzw. Wechselbereitschaft ist aber auf dem Energiesektor von allerhöchster Bedeutung und gerade dort unverzichtbar, wo Wettbewerb zwischen den Anbietern noch nicht einmal ansatzweise in Gang gekommen ist: auf dem Gassektor. Dort stehen sich bekanntermaßen immer noch nur einige wenige große „Markt“-Teilnehmer gegenüber, haben den „Markt“ unter sich aufgeteilt und hoffen, dass diese für sie paradiesischen „oligopolistischen“ Zustände noch möglichst lange anhalten mögen. Wenn sich nun die Bundesrepublik - nicht zuletzt wegen der europäischen Vorgaben - auf die Fahnen geschrieben hat, dass auf dem Energiesektor im Allgemeinen und so auf dem Gassektor im Besonderen gerade zugunsten der Verbraucher Wettbewerb herrschen soll, dann mutet das Ergebnis des VIII. Zivilsenats geradezu absurd an, Verbraucherschutzvorschriften (§ 307 BGB) bei der Beurteilung von Vertragsklauseln unbeachtet zu lassen und so im Endeffekt einen Wettbewerb schon im Keime zu ersticken, der doch gerade im Interesse der Verbraucher an bezahlbarer Energie erst noch in Gang kommen soll. Die Verbraucher werden hier vom VIII. Zivilsenat also in doppelter Hinsicht „geprügelt“ - und (ich kann mich da gar nicht oft genug wiederholen) das auch noch zu Unrecht!

Diesem Umstand, dass auf dem Gassektor der Wettbewerb aus naheliegenden Gründen nur schwer in Gang kommt, will übrigens nicht zuletzt die wesentlich aktuellere Gasrichtlinie 2003/55/EG Rechnung tragen und entgegenwirken, indem sie mit ihrem von mir bereits angesprochenen Artikel 3 Abs. 3 noch einmal ausdrücklich ausschließt, dass Verbraucher über eine intransparente Gestaltung von Vertragsbedingungen in ihrer Auswahlentscheidung nachhaltig behindert werden. Der Gesetzgeber wird - wie festgestellt - erneut aufgefordert, wirksame Maßnahmen zum Schutze der Endkunden zu ergreifen, um Transparenz diesbezüglich zu gewährleisten!


Von einer Leitbildfunktion kann also schon vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Der Gedanke der Leitbildfunktion kommt über die besagte „erste Annäherung“ nicht hinaus.

Die Unwirksamkeit des Preisänderungsrechts aus der Gas-Verordnung unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes

Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen EWE verletzt die Kläger des Ausgangsverfahrens in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG, und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Sondervertragskunden handelt oder sie ihr Gas im Rahmen der Grundversorgung auf Grundlage der Gasverordnung (AVBGasV bzw. GasGVV) von der EWE bezogen haben oder beziehen.

Damit ist die Entscheidung, die eine Gleichbehandlung von Sondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung auf niedrigstem (Transparenz-)Niveau, soweit es um die Preisanpassungsregeln in den EWE-AGB geht, grundrechtswidrig und damit unhaltbar.

Eine Leitbildfunktion der Gasverordnung, die es rechtfertigen könnte, Sondervertragskunden wie „Grundversorgten“ den Schutz des Transparenzgebots des BGB nicht zuzugestehen, lässt sich unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht feststellen. Nur die sachwidrige Missachtung dieses Grundrechts lässt es zu, dass der VIII. Zivilsenat aus einem umfassenden gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Sondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung in Verbindung mit der besagten Leitbildfunktion der Gasverordnung meint ableiten zu können, (auch) die nicht schutzbedürftigeren Sondervertragskunden bedürften keines Schutzes nach § 307 BGB.

Ein Widerspruch, auf den man stößt, besteht doch zuvörderst schon darin, dass es tatsächlich nicht einsichtig erscheint, warum der grundversorgte Gaskunde eigentlich eine intransparente Preisanpassungsklausel aus der Gasverordnung gegen sich gelten lassen sollte - die in der Verordnung immerhin so unklar formuliert ist, dass selbst das OLG Oldenburg Schwierigkeiten hatte, in der Verordnung selbst eine solche Preisanpassungsklausel überhaupt zu entdecken, während man gleichzeitig dem Sondervertragskunden für eine gleichlautende Klausel den vollen Schutz des § 307 BGB zugestehen möchte.

Der Kartellsenat hat sich mit dieser Frage in seiner zitierten Entscheidung nicht vertieft auseinandergesetzt.

Wie bereits zitiert, meinte der Kartellsenat:

Zitat
„Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.“

Es ist aber überhaupt nicht einzusehen, warum dieser Unterschied zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden quasi zwangsläufig („als unmittelbare Folge“) dazu führen müsste, dass den Verbrauchern aus der Grundversorgung eine klare und nachvollziehbare Preisanpassungsregel, nötigenfalls durch eine die Verordnung ergänzende Vertragsklausel, die dann natürlich der Inhaltskontrolle des AGB-Rechts unterliegen würde, vorenthalten wird. Unterscheiden sich Grundversorgte und Sondervertragskunden, die gleichzeitig Haushaltsendverbraucher sind, lediglich im Verbrauchsvolumen, so lassen sich keine so wesentlichen Unterschiede erkennen, dass eine Differenzierung nach Endverbraucher oder Sondervertragskunden im Hinblick auf Preisanpassungsregeln gerechtfertigt wäre. Art. 3 Abs. 1 GG schreibt immerhin vor, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches auch sachgerecht ungleich behandelt wird.

Das gefundene Ergebnis des VIII. Zivilsenats, aus „Gleichbehandlungsgründen“ dann (auch) Sondervertragskunden intransparente Preisanpassungsklauseln zuzumuten, stellt aber in nicht hinnehmbarer Weise das AGB-Recht in seinen wesentlichen Zügen in Frage.

Die Legende von einer in der Gasverordnung enthaltenen wirksamen Preisanpassungsregel

Grundsätzlich setzt die Übernahme der in der Gasverordnung - sei es nun die AVBGasV oder die GasGVV - angeblich vorhandenen intransparenten Preisänderungsregelung zunächst zwingend voraus, dass dieses normierte Preisänderungsrecht überhaupt Wirksamkeit für sich beanspruchen kann, also rechtmäßig ist. Wäre nämlich die intransparente Preisregel aus der Gas-Verordnung unwirksam, könnte sie nicht zugleich als Leitbild für eine gleichlautende Preisänderungsklausel in einem Gassondervertrag fungieren. Eine Gleichbehandlung von Gassondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung hinsichtlich der (unwirksamen) Preisänderungsvorschrift aus der Gas-Verordnung schiede also aus.

Genau so liegt der Fall hier. Der VIII. Zivilsenat unterstellt in seiner EWE-Entscheidung lediglich die Wirksamkeit der in der Gasverordnung erblickten Preisänderungsvorschrift, ohne dieses auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen.

Ein wirksames Preisänderungsrecht ergibt sich jedoch für Gasversorgungsunternehmen aus der Gas-Verordnung auch gegenüber den ihr direkt unterfallenden Kunden der Grundversorgung gerade nicht, wie sich aus dem Folgenden zwingend ergibt:

Die Gasverordnungen

Die Gasverordnungen, in denen der VIII. Zivilsenat ein einseitiges Preisänderungsrecht der EVU erblickt nebst einer entsprechenden Leitbildfunktion für die Angemessenheit von entsprechenden Regeln in Gassonderverträgen sind zum Einen die

AVBGasV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden), wie sie im Jahre 1979 erlassen worden ist und bis zum 07.11.2006 galt sowie die

GasGVV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung) die seit dem 08.11.2006 in Kraft ist und die AVBGasV ersetzt hat.

Die Rechtsnatur von Verordnungen im Vergleich zu formellen Gesetzen

Um die nachfolgende dogmatischen „Beweisführung“ einigermaßen nachvollziehen zu können, insbesondere aber wegen der wesentlichen Bedeutung, die der Unterscheidung von Verordnung zu formellem Gesetz für die weitere Argumentation zukommt, soll an dieser Stelle einmal die Rechtsnatur der beiden „Vorschriftstypen“ etwas genauer unter die Lupe genommen werden:

Grundsätzlich ist es in einer parlamentarischen Demokratie die Aufgabe der „Legislative“, also des gewählten Parlaments, Gesetze zu erlassen. Gesetze, die vom Bundestag oder einem Landtag verabschiedet worden sind, nennen sich „formelle Gesetze“, weil sie in einem streng förmlichen Gesetzgebungsverfahren entstanden sind.

Die Exekutive - die vollziehende Gewalt - hat mit der Gesetzgebung zunächst einmal wenig zu tun. Ihre Aufgabe besteht im Sinne der klaren Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative in erster Linie darin, die vom „parlamentarischen Gesetzgeber“ erlassenen formellen Gesetze auszuführen (deshalb spricht man bei der Exekutive auch von der „ausführenden Gewalt“). Der Exekutive ist neben der öffentlichen Verwaltung auch die Bundesregierung inkl. der Bundesminister zugeordnet.

Aber keine Regel ohne Ausnahme: Aus praktischen Gründen kann es durchaus sinnvoll sein, dass nicht der „parlamentarische Gesetzgeber“ selbst in einem formellen Gesetz alle wesentlichen Festlegungen trifft, sondern dieses in die Hände der fachkompetenten Ministerien legt, wo der fachliche Sachverstand ja konzentriert ist und damit ausgeprägter vorhanden sein dürfte, als im Parlament. Das Problem dabei ist aber, dass der „parlamentarische Gesetzgeber“ - die Legislative also - damit die ihm zugeordnete Gesetzgebungskompetenz einfach an die Exekutive weiterreicht. Das geht nur, weil mit Art. 80 GG eine Regelung vorhanden ist, die ein solches Vorgehen unter bestimmten Voraussetzungen zulässt:

Zitat
Art 80 Abs. 1 GG

Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. [...]

Der Gesetzgeber muss also - will er die Bundesregierung oder einen einzelnen Bundesminister ermächtigen, ein Gesetz zu erlassen - eine klare gesetzliche „Ermächtigungsgrundlage“ schaffen, aus der sich eindeutig ablesen lässt, in welcher Weise und in welchem Umfange der Bundesminister von der Ermächtigung Gebrauch machen darf.

In dieser Konstellation haben wir es also praktisch mit zwei Gesetzgebern zu tun: dem parlamentarischen, der ein „formelles Gesetz“ erlassen muss - die Ermächtigungsgrundlage - sowie dem Verordnungsgeber - quasi dem kleinen Gesetzgeber - , der mit der Verordnung aber kein formelles, sondern „lediglich“ ein materielles Gesetz erlässt.

Die Unterscheidung nach formellen Parlamentsgesetzen und solchen, die „nur“ auf Grundlage einer Ermächtigungsgrundlage durch die Exekutive (den kleinen Gesetzgeber) erlassen worden sind, hat im Sinne einer Gesetzeshierarchie für die vorliegende Fragestellung höchste Bedeutung:

Während das parlamentarische Gesetz in erster Linie an der Verfassung zu messen ist (Übereinstimmung mit dem Grundgesetz), stehen Verordnungen als rein materielle Gesetze im Stufenaufbau unterhalb der formellen Gesetze und müssen deshalb nicht nur mit dem Grundgesetz im Einklang stehen, sondern darüber hinaus sämtliche formellen Gesetze (etwa die Vorschriften des BGB) beachten, um nicht als rechtswidrig verworfen zu werden und so buchstäblich im „Reißwolf“ zu landen. Verordnungen sind schon von daher völlig ungeeignet, das Recht eigenständig abzuändern. Sie können nur den Rahmen ausfüllen, der ihnen von der Rechtsordnung gelassen wird, und zwar auch nur so weit, wie die Ermächtigungsgrundlage reicht.

Wer aber befindet denn nun darüber, ob ein Parlamentsgesetz oder eine Verordnung rechtswirksam ist, wenn Zweifel angebracht erscheinen? Das kommt darauf an. Hält ein Gericht ein Parlamentsgesetz, auf das es für die Entscheidung ankommt, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, darf es das Gesetz nicht einfach unangewendet lassen, sondern muss das Bundesverfassungsgericht einschalten und ein sog. Normenkontrollverfahren einleiten (Art. 100 GG). Über die Frage der Verfassungsmäßigkeit entscheidet dann das BVerfG.

Ganz anders sieht es aber bei Verordnungen aus: Ein Gericht, das über einen Rechtsstreit zu entscheiden hat, bei dem es auf die Wirksamkeit einer einschlägigen Verordnung ankommt, muss nebenbei - man könnte auch sagen: vorab - („inzidenterweise“) selbständig die Verordnung auf ihre Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage überprüfen und sich vor allem überlegen, ob die Verordnung nicht etwa mit Vorschriften des materiellen Rechts - wie sie ja u.a. im BGB enthalten sind - kollidiert, was die Verordnung insoweit unwirksam machen würde. Die Feststellungen dazu trifft das Gericht, das den zugrundeliegenden Rechtsstreit zu entscheiden hat, selbständig. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre bei einem rein materiellen Gesetz wie einer Rechtsverordnung nicht zulässig.

Kommt das Gericht bei einer solchen inzidenten Überprüfung einer Verordnung zu dem Ergebnis, diese sei rechtswidrig, muss es die betroffenen Regelungen der Verordnung unangewendet lassen und den Rechtsstreit anhand der sonstigen zur Verfügung stehenden formellen wie materiellen Vorschriften entscheiden.

Die Ermächtigungsgrundlage für die Verordnungen

Die AVBGasV

Der formelle Gesetzgeber (der Bundestag) hatte mit § 26 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9.12.1976 (BGBl I S 3317) eine Änderung von § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13.12.35 herbeigeführt und den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt, eine entsprechende Gas-Verordnung zu erlassen.

Die in § 7 Abs. 2 EnWG aufgenommene Ermächtigungsgrundlage lautete von da ab (Fettdruck von mir hinzugefügt):

Zitat
„Der Bundesminister für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die allgemeinen Bedingungen der Energieversorgungsunternehmen (§ 6 Abs. 1) ausgewogen gestalten. Er kann dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluß, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie die Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen; hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Versorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens.“

Die AVBGasV trat dann am 01.04.1980 in Kraft.

Die GasGVV

Die am 08.11.2006 an die Stelle der AVBGasV getretene neue Gas-Verordnung, die GasGVV, beruht auf dem vom Gesetzgeber, dem Deutschen Bundestag, in § 39 Abs. 2 EnWG vom 07.07.2005 aufgenommen Ermächtigungsgrundlage:

Die in § 39 Abs. 2 EnWG enthaltene Ermächtigungsgrundlage lautet:

Zitat
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die allgemeinen Bedingungen für die Belieferung von Haushaltskunden in Niederspannung oder Niederdruck mit Energie im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung angemessen gestalten und dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluss, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Versorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens.“

Der Gerechtigkeitsgehalt der Gas-Verordnung und des AGB-Rechts

Diese Ermächtigungsgrundlagen schreiben also übereinstimmend zwingend vor, der Bundeswirtschaftsminister solle die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner angemessen berücksichtigen, sofern er von der Ermächtigung Gebrauch machen möchte.

Die Ausgangslage stellt sich also so dar, dass es der formelle Gesetzgeber (der Deutsche Bundestag) der Exekutive - hier dem Bundeswirtschaftsminister - erlaubt, mittels einer Gas-Verordnung die vertraglichen Beziehungen der Normadressaten zu regeln, ihm aber gleichzeitig ausdrücklich aufgibt, dabei unbedingt die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

Nun stellt sich hier die entscheidende Frage, was der „Verordnungsgeber“ im Sinne einer „angemessenen Interessenabwägung“ alles zu beachten hat, damit sein Abwägungsergebnis - und damit die Verordnung selbst - vor den Gerichten, die ja eigentlich in jedem Einzelfall die Verordnung auf ihre Rechtswirksamkeit (inzident - s.o.) zu überprüfen haben, Bestand hat.

Grundsätzlich gibt es zwischen der Gas-Verordnung und dem A
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 13. Dezember 2010, 04:27:09
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Die Benachteiligung (Ungleichbehandlung) von Gassondervertragskunden gegenüber anderen Vertragsverhältnissen

Legt man hier zudem zugrunde, dass es sich bei einem Gassondervertrag um keinen spezielleren oder ungewöhnlichen Vertragstypus handelt, der es rechtfertigen könnte, andere - nämlich niedrigere - Maßstäbe an die Transparenz von Preisanpassungsklauseln anzulegen als in vergleichbaren Vertragsverhältnissen (Kaufverträgen etc.), so stellt sich die Frage, mit welchem Recht Gassondervertragskunden der Schutz des § 307 BGB vollständig genommen wird, während er in anderen (vergleichbaren) Vertragsverhältnissen voll durchgreift. Und so ist auch der Hinweis von Markert („Die Kontrolle der Haushaltspreise für Strom und Gas nach den §§ 307, 315 BGB“, ZMR 2009, 898 [901]) nicht nur berechtigt, sondern geradezu von verfassungsrechtlicher Bedeutung, soweit dieser nicht nachvollziehen kann, warum für „die Gestaltung formularmäßiger Preisanpassungsklauseln in Normsonderkundenverträgen beim Bezug von Strom und Gas andere Maßstäbe gelten sollen als z.B. beim Bezug von Flüssiggas oder Pay-TV oder der Aufnahme eines Kredits bei einer Bank oder Sparkasse“. Hier ist die Frage aufgeworfen nach der willkürlichen Ungleichbehandlung nicht wesensverschiedener Vertragstypen, die Art. 3 Abs. 1 GG zwingend ausschließt. Die Gerichte im Allgemeinen - und so der BGH im Besonderen - sind bei der Rechtsfindung gehalten, die sich aus den Grundrechten ergebenden Wertentscheidungen, die der Verfassungsgesetzgeber getroffen hat, von Amts wegen zu beachten. Eine Benachteiligung von Gassondervertragskunden, denen intransparente Preisanpassungsklauseln zugemutet werden, während Flüssiggasbezieher, Kabel-TV-Kunden, Kreditnehmer von Banken und Sparkassen oder die Abnehmer von Telekommunikationsleistungen wie selbstverständlich unter den Schutzschild der Transparenzkontrolle aus § 307 BGB kriechen können, wirft die Frage nach der prinzipiellen Unterschiedlichkeit von Gassonderverträgen auf, die eine solche Differenzierung erlauben könnte. Der VIII. Zivilsenat trägt dazu aber in all seinen Entscheidungen nichts Erhellendes bei, sondern meint wohl (unausgesprochen), zu einer solchen gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gassondervertragskunden im Vergleich zu anderen Vertragstypen allein deshalb berechtigt zu sein, weil es dem von ihm beschworenen Willen des Gesetzgebers entspräche, die nicht schutzbedürftigeren Gassondervertragskunden denen aus der Grundversorgung gleichzustellen, welche auch nicht den Schutz des § 307 BGB genössen.

Es drängt sich hier also ein schon von daher krasser Verstoß der Revisions-Entscheidung gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch der Kläger der Ausgangsverfahren auf Gleichbehandlung mit anderen, nicht wesensverschiedenen Vertragsformen geradezu auf.

Unterstellt man nun einmal, Kunden der Grundversorgung seien „ihrem“ EVU bei Preisanpassungen wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Gasverordnung ausgeliefert und hätten keinen Anspruch auf eine transparente Preisänderungsregel (was nach dem e.g. Grundsätzen aber keinesfalls der Fall ist), so bliebe doch der eben aufgeworfene Wertungswiderspruch qualitativ bestehen, wenn man Sonderkunden mit denen gleichstellte, die ihr Gas in der Grundversorgung beziehen. Die Frage lautete dann doch lediglich, warum Sondervertragskunden und Kunden der Grundversorgung eigentlich anders zu behandeln - hinsichtlich der Klarheit und Verständlichkeit von Preisanpassungsregeln weniger schutzbedürftig sind -, als etwa Bankkunden, Pay-TV-Kunden oder andere!?

Der VIII. Zivilsenat hatte die Aufgabe, sich diesem erkennbaren Wertungswiderspruch zu stellen und ihn in rechtsstaatlich einwandfreier Form aufzulösen. Dem ist er aber nicht im Mindesten nachgekommen. Statt dessen hat er es vorgezogen, den festgestellten Wertungswiderspruch noch zu vertiefen, indem er der Gruppe der auf Grundlage einer Verordnung ohnehin schon sachwidrig (rechtswidrig) benachteiligten Kunden aus der Grundversorgung quasi aus übergeordneten „Gerechtigkeitsgesichtspunkten“ die Sondervertragskunden zur Seite stellte und im Ergebnis so beiden Vertragsgruppen die Segnungen des § 307 BGB vorenthielt.

Bis heute hat sich der VIII. Zivilsenat also der Frage verschlossen, wie sich sein Ergebnis vor dem Hintergrund rechtfertigt, dass eine Reihe von Kundengruppen, die keinesfalls schutzbedürftiger sind als Gaskunden (seien es nun welche aus der Grundversorgung oder mit Gassondervertrag) den Schutz des § 307 BGB wie selbstverständlich in Anspruch nehmen können, während das für leitungsgebunden mit Erdgas belieferte generell nicht gelten soll. Der verengende Blickwinkel, den der VIII. Zivilsenat hier an den Tag legt, mutet schon deshalb mehr als merkwürdig an, als er doch in seiner EWE-Revisionsentscheidung den Aufsatz von Markert (RdE 2009, 291) selbst erwähnt , in dem dieser u.a. auf die Notwendigkeit ausdrücklich hinweist, Gaskunden im Regelungsbereich des § 307 BGB sachlich gegenüber anderen vergleichbaren Verbrauchergruppen nicht zu benachteiligen, sondern sie diesen gleichzustellen.

Zur Veranschaulichung: Markert stellte in dem vom VIII. Zivilsenat angeführten Aufsatz fest:

Zitat
Vgl. RDE 2009, 291 (293):

„Damit wird in der Strom- und Gasversorgung den Normsonderkunden entgegen dem klaren Wortlaut des § 310 Abs. 2 BGB der Schutz, der auf formularmäßige Preisanpassungsklauseln anwendbaren Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB generell entzogen mit der Folge, dass diese Kunden im Verhältnis zu allen anderen mit solchen Klauseln konfrontierten Sondervertragskunden diskriminiert werden. Weshalb z.B. den mit Flüssiggas belieferten Haushaltskunden, die vielfach ebenfalls Normsonderkunden sind, nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats dieser Schutz zusteht, den mit Erdgas belieferten Normsonderkunden jedoch nicht, ist nicht nachvollziehbar. Mit dem Senatsurteil vom 25. Februar 1986 lässt sich dies jedenfalls nicht begründen, denn die darin beurteilte AGB-Bestimmung war absolut klar und verständlich und daher vollkommen transparent. Gerade daran fehlt es aber bei einer bloßen unveränderten Übernahme des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bzw. des § 5 Abs. 2 GasGVV in Verträge mit Gassonderkunden, wie der Senat selbst einräumt.“
Zitat
Oder unter RDE 2009, 291 (294):

„Damit aber ist es nicht vereinbar, dass für die Gestaltung formularmäßiger Preisanpassungsklauseln in Normsonderverträgen mit Haushaltskunden beim Bezug von Strom und Gas andere Maßstäbe gelten sollen als z.B. beim Bezug von Flüssiggas oder Pay-TV oder der Aufnahme eines Kredits bei einer Bank oder Sparkasse.“
Dem Senat hätte sich angesichts dieser Hinweise Markerts geradezu aufdrängen müssen, dass wegen der sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden und der von ihm unbedingt zu beachtenden Pflicht zur Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte es nicht angehen kann, dass zumindest Normsonderkunden aus der Gasversorgung gegenüber sonstigen Sondervertragskunden diskriminiert werden.

Indem sich der VIII. Zivilsenat dem aber nicht einmal ansatzweise stellte, ignorierte er das Grundrecht der Kläger auf sachliche Gleichbehandlung, als gäbe es ein solches gar nicht!

Dass Verordnungen von den Gerichten im Einzelfällen womöglich nicht hinreichend auf ihre Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage, mit höherrangigem einfachen Recht oder sogar mit dem Verfassungsrecht überprüft, sondern statt dessen der zu treffenden Entscheidung regelmäßig als rechtsgültig zugrunde gelegt werden, mag mit einem „juristischen Grundsatz“ zu tun haben, der einer materiell fehlerfreien Entscheidung immer mal wieder im Wege stehen kann. Der „Grundsatz“ lautet: „Das war schon immer so!“. Eine Regelung, die - wie die Gasverordnungen AVBGasV oder die GasGVV - schon seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, unwidersprochen Gültigkeit für sich beanspruchen konnte, erzeugt in den Köpfen vieler Menschen - auch bei Richtern - die Vorstellung, dass eine solche Vorschrift schon längst „über den Haufen“ geworfen worden wäre, wenn sie mit höherrangigem Recht (Richterrecht, bürgerlich-rechtliche Vorschriften (etwa aus dem BGB), im einfachen Gesetz umgesetzte „Europäische Binnenmarktsrichtlinien“ oder dem Grundgesetz) nicht vereinbar wäre. Zumal ja jedes Gericht eine Rechtsverordnung unangewendet lassen muss, soweit sie als rechtswidrig erkannt ist. Insofern besteht immer die Gefahr, dass sich Richter auch einer „nur“ materiellen Vorschrift, um die es sich bei einer Verordnung ja handelt, eher unter dem Aspekt nähern, mit dieser sei schon alles in Ordnung.

Dass ein solches Vorgehen (nur, aber immerhin) in Einzelfällen aber in die Irre führen kann, zeigt ein Beispiel, das im Straßenverkehrsrecht erst kürzlich für Furore gesorgt hat: Das OLG Oldenburg hat einmal genauer hingesehen, ob eine jahrelang für rechtswirksam erachtete Verordnung (hier die Straßenverkehrsordnung) mit höherrangigem Recht vereinbar sei und dieses im Ergebnis verneint: Eine Winterreifenpflicht in der verordneten Form hielt das OLG Oldenburg für verfassungswidrig und damit rechtswidrig.

Nach alledem kommt der VIII. Zivilsenat nur unter Missachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit tragenden rechtsstaatlichen Grundprinzipien (Gewaltenteilungsprinzip) zu dem unhaltbaren Ergebnis, Gassondervertragskunden hätten keinen Anspruch auf einen Schutz gem. § 307 BGB wegen intransparenter Preisanpassungsklauseln, sofern solche nicht von den (intransparenten) Preisänderungsregeln der Verordnungen abwichen.

Aber das Urteil des VIII. Zivilsenats steht auch wegen der offensichtlichen Missachtung des (ebenfalls) auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden „Willkürverbots“ in Misskredit, ebenso drängt sich ein Verstoß gegen den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf „rechtliches Gehör“ (Art. 103 GG) auf und schließlich dürfte die Entscheidung den Anspruch der Kläger auf den „gesetzlichen Richter“ (Art. 101 Abs. 1 GG) in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt haben.

Das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weist in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass ein Richterspruch erst dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass er auf sachfremden Erwägungen beruhe, willkürlich sei.

„Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird“ - so das BVerfG noch kürzlich in einer Entscheidung vom 12.10.2009 (1 BvR 735/09 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20091012_1bvr073509.html?Suchbegriff=1+BvR+735%2F09)).

Gemessen daran spricht hier vieles - wenn nicht sogar alles - tatsächlich für Willkür als Maßstab für die im letzten Sommer vom VIII. Zivilsenat zu treffende Entscheidung in Sachen EWE:

Es ist schon kaum vorstellbar, dass der VIII. Zivilsenat die Gesetzesbegründung im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung nur mit Blick auf § 310 BGB zur Kenntnis genommen haben könnte, um den besagten zielgerichteten gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Grund- und Sondervertragskunden unter Ausschluss des in § 307 BGB bürgerlich-rechtlich verankerten Transparenzgebots zu ermitteln. Wer eine Norm wie § 310 BGB über ihren Wortlauf hinaus ausdehnen will, um so den Anwendungsbereich des § 307 BGB im Rahmen von Gassonderverträgen quasi auf NULL zu reduzieren, wird sich bei unbefangener Herangehensweise kaum den Überlegungen verschließen (können), die der Gesetzgeber zur Bedeutung des § 307 BGB, insbesondere aber zum darin verkörperten Transparenzgebot, abgegeben hat.

Hätte der Senat diese Gesetzesbegründung zum § 307 BGB nicht ausgeblendet, quasi davor die Augen verschlossen, so hätten sich aus den in der Gesetzesbegründung zum § 307 BGB enthaltenen Gründen nicht nur Zweifel an dem von ihm unterstellten gesetzgeberischen Willen zu einer so umfassenden Gleichbehandlung (im Unrecht) aufdrängen müssen: Der Senat wäre dann auch zwingend auf die ausdrücklichen Anmerkungen des Gesetzgebers, die für eine äußerst enge Verzahnung des § 307 BGB mit den europarechtlichen Vorgaben (insbesondere der Klauselrichtlinie) sprechen, gestoßen, und er hätte sich infolge dessen der Frage nach der Auslegung der Klauselrichtlinie auch unter dem Kompetenzaspekt (Zuständigkeit des EuGH, nicht des VIII. Zivilsenats) konsequent stellen müssen (=> Vorlageverfahren zum EuGH).

Nach alledem ist also davon auszugehen, dass der Senat sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Transparenzgebot einräumt und der VIII. Zivilsenat es lediglich deshalb unterlassen hat, dieses zu würdigen, weil es ihm dann äußerst schwer gefallen wäre, das Preisanpassungsrecht in Sondervertragsverhältnissen auf Grundlage des Verordnungstextes nicht an § 307 BGB scheitern zu lassen. Ein solches Vorgehen ist aber verbotene „Willkür“!

Nun mag man ja dem „Club der Freunde des VIII. Zivilsenats“ angehören und entgegnen, Willkür sei in derartigen Fällen trotzdem nicht unbedingt anzunehmen. Der VIII. Zivilsenat habe hier lediglich Aspekte übersehen, die die Entscheidung materiell fehlerhaft, aber nicht unbedingt verfassungswidrig dastehen lassen: Denen sei mit Blick auf die eben zitierte Entscheidung des BVerfG gesagt: Es ist Aufgabe des Gerichts, Recht zu sprechen auf Grundlage von Gesetz und Recht. Die „Rechtsblindheit“ - nicht zu erkennen, dass europarechtliche Vorschriften und ihre Umsetzung ins deutsche Recht heranzuziehen sind - und infolgedessen bei der Rechtsfindung einschlägige Normen gar nicht bzw. entgegen ihrer europarechtlichen Zweckrichtung anzuwenden bzw. nicht richtlinienkonform auszulegen, deutet an, dass die Bedeutung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB mit seinen europarechtlichen Bezügen in krasser Weise missverstanden und so in nicht mehr nachvollziehbarer Weise von der Anwendung ausgeschlossen wird. Ergo: Es liegt auch danach „Willkür“ vor. Die Grundrechte der Kläger des Ausgangsverfahrens aus Art. 3 Abs. 1 GG werden vom VIII. Zivilsenat verletzt.

Aber auch eine verfahrensbezogene Gesamtschau spricht hier für Willkür: Wenn der Rechtsvertreter der am Revisionsverfahren beteiligten Sammelkläger - wie vom Terminsbeobachter „ESG-Rebell“ damals mitgeteilt - ausdrücklich in den Raum stellt, dass hier möglicherweise auch europarechtliche Vorschriften (die Gasrichtlinie) zu beachten seien, sich ein solch wichtiger Aspekt aber in den Entscheidungsgründen mit keiner Silbe wiederfindet und in der Entscheidung so völlig unberücksichtigt bleibt, dann kann sich das Gericht zu seiner Ehrenrettung nicht darauf berufen, es habe diesen Aspekt schlicht übersehen. Ist das Gericht ohnehin schon verpflichtet, die Rechtslage umfassend zu beachten und die einschlägigen Normen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, will es dem Willkürvorwurf entgehen, dann gilt das erst recht, wenn auf solche übernationalen Regelungsmaterien, die der schließlich getroffenen Entscheidung konkret im Wege stehen könnten, ausdrücklich hingewiesen worden ist. Die Ausblendung von einschlägigen europarechtlichen Vorschriften im Rahmen der Auslegung der §§ 310 und 307 BGB, insbesondere die Nichtbeachtung der Klauselrichtlinie sowie der Gasrichtlinie stellt einen Akt der Willkür dar, der das Urteil in Sachen EWE wegen eines Verstoßes gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG unheilbar verfassungswidrig und damit untragbar macht.

Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt - Hinweis auf EuGH-Zuständigkeit übergangen

Der Umstand, dass das Gericht in der EWE-Revisionsentscheidung mit keiner Silbe auf den Vorhalt des Klägervertreters RA Wassermann eingeht, der Übernahme einer intransparenten Preisanpassungsregelung aus der Gasverordnung in einen Sondervertrag stehe europäisches Recht entgegen, indiziert zudem einen bedeutenden Verstoß gegen den Klägeranspruch auf rechtliches Gehör. Der Einwand ist immerhin nicht unerheblich, wurde aber vom VIII. Zivilsenat überhaupt nicht weiter verfolgt, worauf nicht nur das völlige Fehlen dieses Aspektes in den Entscheidungsgründen des Urteils hindeutet. In einem neuerlichen Verfahren vor dem VIII. Zivilsenat (RWE - VIII ZR 162/09 (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14551&sid=)), wo erst vor wenigen Tagen die mündliche Verhandlung stattfand, hat der VIII. Senat (dem Verhandlungsbericht von „ESG-Rebell“ zufolge) signalisiert, der auch dort wesentlichen Rechtsfrage nachgehen zu wollen, ob nicht ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH einzuleiten sei. Wäre diese Vorfrage inhaltlich (also bewusst) bereits im EWE-Verfahren, wo diese Frage von höchster Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits war, hinreichend geklärt worden, wie es RA Wassermann erbeten hatte, hätte das Gericht auf die dazu angestellte Erwägungen jetzt in dem RWE-Verfahren zurückgreifen können. Da der Senat aber dem Hinweis von RA Wassermann diesbezüglich keinerlei Bedeutung beimessen wollte, blieb diese Frage im EWE-Verfahren völlig ungeklärt und verkürzt somit den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör.

Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt - Hinweis auf Zuständigkeit des „Großen Senats für Zivilsachen“ übergangen

Der Gehörsverstoß ergibt sich hier zudem aus dem übergangenen Vorhalt des Klägervertreters RA Wassermann, die einschlägige Rechtsprechung des Kartellsenats stehe einer Entscheidung des VIII. Zivilsenats im Sinne seiner Obiter Dictum-Entscheidungen entgegen, wonach die intransparente Preisänderungsregel der Gas-Verordnung in den Sondervertrag übernommen werden könne, ohne dass das dem Transparenzgebot des § 307 BGB widerspräche. Wie sich aus dem Terminsbericht von „ESG-Rebell“ ergibt, hat RA Wassermann damit also auf die Unzuständigkeit des VIII. Zivilsenats und der daraus folgenden Notwendigkeit, wegen der abweichenden Rechtsprechung verschiedener Senate (hier des Kartellsenats) den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen.

Den Entscheidungsgründen im EWE-Revisionsurteil lässt sich entnehmen, dass der VIII. Zivilsenat nicht einen einzigen Gedanken daran verschwenden wollte, ob die Kartellsenatsrechtsprechung zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln tatsächlich der eigenen Entscheidung, wie der Senat sie schließlich am 14.07.2010 fällte, entgegensteht - und (vor allem) warum er eine Vorlage an den Großen Senat nicht für erforderlich hielt. Die Thematik „Großer Senat“ wurde vom VIII. Zivilsenat trotz des darauf bezogenen Hinweises des Klägervertreters völlig ausgeklammert!

Das Fehlen dieser „Zuständigkeitsfrage“ im Urteilstatbestand bzw. den Entscheidungsgründen deutet darauf hin, dass der VIII. Zivilsenat den Hinweis von Prozessvertreter RA Wassermann nicht zur Kenntnis genommen hat. Da der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aber nicht nur verbürgt, dass jede Partei sich in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht äußern darf, sondern zudem, dass wesentlicher Vortrag bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist, liegt hier auch unter dem Aspekt „Zuständigkeit des ‚Großen Senats’ “ ein Gehörsverstoß nahe, womit das grundrechtsgleiche Recht der Kläger des Ausgangsverfahrens auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wäre.

Die Pflicht zur Anrufung des Großen Senats wg. der entgegenstehenden Rechtsprechung des Kartellsenats (Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=44010&pos=0&anz=1))

Darüber, ob allein die einschlägige Rechtsprechung des Kartellsenats die Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen unbedingt erzwungen hätte, ließe sich vielleicht noch streiten:

Der Kartellsenat hatte über eine Preisanpassungsklausel zu befinden, die dem Versorgungsunternehmen ein Preisanpassungsrecht einräumte, wenn eine Preisänderung durch dessen Vorlieferanten erfolgte („ ... ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch die Vorlieferanten [...] erfolgt“), während im Übrigen die Gasverordnung (GasGVV) gelten sollte.

Mit Blick auf die Frage, ob § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel zukomme, hebt der Kartellsenat ausdrücklich einen wesentlichen Unterschied zwischen Kunden hervor, die Gas in der Grundversorgung beziehen und solchen, die auf Grundlage eines Sondervertrags beliefert werden. Die Verordnung (GasGVV) mache lediglich deshalb keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen (sei also intransparent), weil Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Kartellsenat für Sondervertragskunden ein solches „Bedürfnis“ nach einer intransparenten Preisänderungsklausel schon deshalb nicht sieht, weil Sondervertragskunden zu den vereinbarten Konditionen dauerhaft nicht beliefert werden müssen. Der Versorger war und ist zur Beendigungskündigung berechtigt, will er den Kunden nicht mehr zu Sonderkonditionen beliefern. Dieser fiele dann automatisch in die Grundversorgung zurück.

Der Kartellsenat stellt daneben darauf ab, dass der „allgemeine Tarif“, der das Verhältnis des Versorgungsunternehmens zum Kunden der Grundversorgung regelt, schon von Gesetzes wegen an den Maßstab der Billigkeit (§ 315 BGB) gebunden ist, woraus sich nicht nur das Recht zur Preiserhöhung ergebe, sondern zugleich die Pflicht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und (durch richtige Wahl des Zeitpunkts der jeweiligen Preisänderung) dafür Sorge zu tragen, dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen. Der Kartellsenat sah in dieser sich aus § 315 BGB ergebenden Pflicht ein notwendiges Element, das der vom Versorgungsunternehmen gestellten Preisänderungsklausel gerade fehlte.

Hier wäre zumindest denkbar, dass der VIII. Zivilsenat trotz des klaren Hinweises des Kartellsenats auf den wesentlichen Unterschied, der zwischen grundversorgten Gaskunden hier und Sondervertragskunden dort besteht, davon ausgeht, die Rechtsprechung des Kartellsenats stehe seiner eigenen deshalb nicht im Wege, weil doch auch er - der VIII. Zivilsenat - bei Abweichung einer Preisänderungsklausel von der Gasverordnung (keine unveränderte Übernahme der Preisänderungsregelung aus der Verordnung in den Versorgungssondervertrag) die Klausel regelmäßig als eine den Verbraucher benachteiligende verwirft und gleichzeitig die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB als Korrektiv beschwört:

Zitat
„Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden oder dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen“ (vgl. VIII ZR 246/08, Abs-Nr. 36).
Die Pflicht zur Anrufung des Großen Senats wg. entgegenstehender Rechtsprechung des XI. Zivilsenats - Bankensenat - (Urteil vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=48121&pos=0&anz=1))

Nicht streiten lässt sich aber über die Frage, ob nicht zumindest die einschlägige Rechtsprechung des Bankensenats in Sachen EWE die Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen zwingend erfordert hätte. Diese Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten:

Der VIII. Zivilsenat rechtfertigt die wirksame Übernahme (in den Gassondervertrag ) der intransparenten Preisanpassungsregelung, wie sie in der Gasverordnung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ja enthalten sein soll, insbesondere damit, dass es doch jeder einzelne Sondervertragskunde (ebenso wie der Kunde aus der Grundversorgung) in der Hand habe, eine vom Versorger vorgenommene Preisänderung gem. § 315 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen.

Dabei geht der VIII. Senat also im Ergebnis davon aus, die Bindung eines dem Versorger womöglich eingeräumten einseitigen Preisfestsetzungsrechts an den Maßstab von § 315 BGB relativiere die Notwendigkeit klarer und verständlicher Preisänderungsklauseln in Gassonderverträgen, es käme darauf wegen des sich aus § 315 BGB ergebenden Korrektivs auf Transparenz nicht mehr entscheidend an.

Dieser Überlegung (ich habe darauf in meinem Ausgangbeitrag bereits hingewiesen) hatte aber der Bankensenat bereits zu einem Zeitpunkt, als die EWE-Revisionsentscheidung noch gar nicht gefällt war, einen unüberwindbaren Riegel vorgeschoben:

An dieser Stelle will ich wegen der Bedeutung der Entscheidung des Bankensenats für die Anrufung des Großen Senats in Sachen EWE die entsprechende Urteilspassage aus dem Urteil noch einmal zitieren:

Zitat
„Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann“.
Der Bankensenat nimmt bei dieser Argumentation also nicht etwa brachentypische (bankenspezifische) Besonderheiten in den Blick, die es rechtfertigen könnten, Preis- oder Zinsänderungsklauseln im Bankenbereich im Einzelfall vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes anders zu beurteilen, als solche, die das Preisänderungsrecht in Gassonderverträgen regeln. Der Bankensenat setzt hier ausschließlich an der Funktion des § 315 BGB an und beschreibt aus dieser Perspektive, was eine nachträgliche gerichtliche Billigkeitsüberprüfung intransparenter Preisanpassungsreglungen gem. § 315 BGB leisten kann - und vor allem was nicht!

Die dabei zum Ausdruck gebrachten Überlegungen des Bankensenats betreffen grundlegend und umfassend die von ihm abgelehnte Eignung des § 315 BGB in seiner Funktion als Korrektiv im oben genannten Sinne. Der Bankensenat verneint hier ausdrücklich, dass die Möglichkeit des Verbrauchers, eine Preisanpassung nach § 315 BGB zu verlangen, es rechtfertigen könnte, auf klare und verständliche, „transparente“ Preisänderungsklauseln eben, zu verzichten.

Und der VIII. Zivilsenat durfte die Übertragbarkeit dieser Entscheidung des Bankensenats auch nicht etwa mit Blick auf eine im Bankenvertrag von vornherein vereinbarte Variabilität der Zinsvereinbarung (zumindest implizit, denn die Entscheidungsgründe verhalten sich dazu ja nicht) ablehnen, während es in Gassonderverträgen regelmäßig um die Befugnis zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises geht (vgl. zu dieser Überlegung die in einem anderen Sachzusammenhang unter Rd.-Nr. 53 getätigten Äußerungen des VIII. Zivilsenats in seiner EWE-Revisionsentscheidung).

Denn die Entscheidung des Bankensenats bezieht sich - wie man der oben wiedergegebenen Begründungspassage des Urteils zweifelsfrei entnehmen kann - nicht nur auf Zinsänderungsklauseln, sondern schließt das in der Klausel enthaltene einseitige Preisänderungsrecht ausdrücklich in seine Überlegungen mit ein.

Im Ergebnis greift der Bankensenat mit seiner Entscheidung die Überlegungen des Kartellsenats auf und stellt lediglich klar - was in der Kartellrechtsentscheidung wohl eher undeutlich geblieben ist - , dass sich nämlich schon aus der in den Sondervertrag einbezogenen Preisänderungsklausel mit hinreichender Sicherheit ergeben müsse, dass und vor allem in welchem Umfang der Verwender von Preisanpassungsklauseln zu einer Anpassung berechtigt oder zugunsten des Kunden verpflichtet sei. Der XI. Zivilsenat hat damit also lediglich das bekräftigt, was sich dem Gesetzgeber seiner Gesetzes-Begründung zu § 307 BGB zufolge in der Rechtsprechung der BGH-Senate oft zu undeutlich wiederspiegelt: das Transparenzgebot!

Der VIII. Zivilsenat stellt also im Ergebnis fest, die Unklarheit der aus der Gasverordnung übernommenen Preisänderungsregel wiege deshalb nicht schwer, weil der Kunde doch die vorgenommen Preisänderung auf ihre Billigkeit gem. § 315 BGB überprüfen lassen könne. Der Bankensenat stellt hingegen fest, dass die Möglichkeit eines Verbrauchers, die erfolgte Preisänderung gem. § 315 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zu unterziehen, ihm im Hinblick auf den Zweck des Transparenzgebots, dem einzelnen mit hinreichender Sicherheit schon im Vorfeld eines etwaigen Prozesses Klarheit über die Notwendigkeit sowie Angemessenheit einer Preisänderung zu verschaffen, überhaupt nicht weiterhilft und deshalb als Rechtfertigung der Verwendung unklarer Klauseln nicht taugt.

Gerade einen Widerspruch der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der genannten Art hatte der Gesetzgeber im Blick, als er mit § 132 Abs. 2 GVG die von den Senaten des BGH zwingend zu beachtende Vorschrift erließ:

Zitat
„ Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat [...] abweichen will.“
Sofern der XI. Zivilsenat auf Nachfrage (das Gesetz spricht von „Anfrage“ - vgl. § 132 Abs. 3 GVG) des VIII. Zivilsenat seine gerade erst auf Grundlage der Transparenzrechtsprechung aller übrigen Senate getroffenen Feststellungen zum Verhältnis des Transparenzgebots gem. § 307 BGB zur Unbilligkeitseinrede nach § 315 BGB nicht gleich wieder „über den Haufen geschmissen“ haben sollte, wofür nichts spricht, war eine von Amts wegen zu beachtende Vorlagepflicht an den Großen Senat in den EWE-Revisionsverfahren gegeben, deren Missachtung den Anspruch der Kläger auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 GG verkürzt.

Da aber ein vom VIII. Zivilsenat unbeabsichtigtes „Unbeachtetlassen“ (ein irrtümliches Übersehen) der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bankensenats für sich genommen eher einem einfachen Rechtsanwendungsfehler gleichzusetzen wäre als einem Verfassungsverstoß, wie er im Falle des vorsätzlichen oder leichtfertigen „Entzugs seines gesetzlichen Richters“ gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG anzunehmen ist, ist es immer hilfreich, in Revisionsverfahren auf die möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung anderer Senate konkret hinzuweisen. So würde dann zumindest ein irrtümliches „Übersehen der möglicherweise entgegenstehenden Rechtsprechung anderer Senate des BGH“ ausscheiden, und die völlige Nichtberücksichtigung einer entgegenstehenden Entscheidung - wie die angesprochene des Banken-Senats - zu Lasten eines Verfahrensbeteiligten wäre schon von daher geeignet, den Verfassungsverstoß gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (Entzug des gesetzlichen Richters) zu implizieren.

Da die Entscheidung des VIII. Zivilsenat in Sachen EWE aber schon unter Missachtung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) sowie unter der beschriebenen willkürlichen Ausblendung entgegenstehender Rechtssätze zustande gekommen ist (Verstoß gegen das Willkürverbot - Art 3 Abs. 1 GG), liegt hier auch der Schluss nahe, dass dem Senat die seiner Entscheidung entgegenstehende Rechtsprechung des Bankensenats bekannt war, er sie aber in seiner EWE-Entscheidung lediglich deshalb nicht berücksichtigen wollte, weil diese (wiederum) mit der eigenen Rechtsansicht so gar nicht kompatibel war und ist.

Wenn der VIII. Zivilsenat aus den genannten Gründen die Entscheidung nicht aus den Händen gibt, obwohl § 132 GVG das zwingend gebietet, so stellt sich die Frage, ob es dem VIII. Senat nicht doch eher darum geht, einer seiner Rechtsansicht evtl. entgegenstehenden endgültigen Entscheidung des Großen Senats zu Lasten der EVU durch selbstherrliche Nichtvorlage schon im Vorfeld den Boden zu entziehen.

Dieser Eindruck ergibt sich auch wohl zwingend daraus, dass der VIII. Zivilsenat wie erwähnt die im Verhandlungstermin seiner Rechtsansicht ausdrücklich entgegengehaltene Rechtsprechung des Kartellsenats in seiner Entscheidung völlig ignoriert hat und so verdeutlicht, dass er die Vorlagefrage an den Großen Senat offenbar so scheut wie der „Teufel das Weihwasser“.

Warum keine Verfassungsbeschwerde, sondern zurück zum OLG Oldenburg

Sieht man sich die eben aufgelisteten und geradezu aufdrängenden Verfassungsverstöße an, die sich der VIII. Zivilsenat in den EWE-Revisionsverfahren meinte leisten zu können, so stellt sich natürlich die Frage, wie es angehen kann, dass immer noch nicht das Bundesverfassungsgericht mit der Sache betraut wurde, um ggf. so die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen oder den EuGH als die zuständigen gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu erzwingen.

Der Grund, dass die Verfahren (auf eine den Klägern natürlich völlig freigestellte Verfassungsbeschwerde) bisher noch nicht vor dem BVerfG gelandet sind, statt dessen auf eine neuerliche Entscheidung des OLG Oldenburg in der Sache warten, liegt vor allem darin begründet, dass die Verfassungsbeschwerde quasi die „Ultima Ratio“ darstellt, mit der jeder Betroffene seine verfassungsmäßigen Rechte vor dem BVerfG durchzusetzen kann. Der VIII. Zivilsenat hat die Sache aber ja bekanntlich an das OLG Oldenburg zurückverwiesen und so die Berufungsinstanz neu eröffnet. Damit besteht für die vor dem VIII. Zivilsenat teilweise übergangenen Kläger in dem wieder aufgenommenen Berufungsverfahren die realistische Chance, ihre Rechtspositionen ohne Inanspruchnahme des BVerfG durchzusetzen. Und solange eine solche Chance besteht, „sein Recht“ auf dem Instanzenweg zu erlangen, ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig. Sollte das OLG in den anstehenden Verfahren feststellen, dass die Verordnungen (AVBGasV oder GasGVV) gar nicht wirksam in die Sonderverträge einbezogen worden sind, wovon wohl in der überwiegenden Zahl der Fälle auszugehen ist, so fehlte es der EWE an einem Preisänderungsrecht und das Unternehmen würde antragsgemäß verurteilt. Den bedenklichen und hier beschriebenen Verfassungsverstößen und materiellen Fehlvorstellungen, denen sich der VIII. Zivilsenat in der Revisionsinstanz hingegeben hat und die er sich auf jeden Fall vorhalten lassen muss, könnten sich für diejenigen Kläger, die den Prozess vor dem OLG Oldenburg endgültig gewinnen würden, aber nicht mehr nachteilig auswirken. Und so wird für diese (erfolgreichen) Kläger mit dem Urteil des OLG das Verfahren wohl beendet sein (Ich rechne nicht damit, dass das OLG die Revision erneut zulassen wird und auch eine etwaige Nichtzulassungsbeschwerde der EWE dürfte für das Unternehmen kaum mehr erfolgreich verlaufen). Für eine Entscheidung des BVerfG bliebe dann insoweit kein Raum mehr.

Dieses hat natürlich den bitteren Beigeschmack, dass die aus den genannten Gründen unhaltbare Revisionsentscheidung des VIII. Zivilsenats inkl. der Missachtung der europäischen Rechtsmaterie so wohl vorerst noch eine Weile im Raume stehen bleibt und weitläufig als Präzedenzentscheidung wahrgenommen wird, an der sich das eine oder andere Gericht bei seiner Rechtsfindung orientieren dürfte. Den EVU soll’s sicher recht sein. Für den Verbraucherschutz und einen Wettbewerb, der auf dem Gassektor erst noch richtig Fahrt aufnehmen soll, ist das sicherlich ein Worst-Case-Szenario. Insofern hatte Markert wohl Recht, als er in seinem Aufsatz „Die Kontrolle der Haushaltspreise für Strom und Gas nach §§ 307, 315 BGB“ (ZMR 2009, 898 (901)) feststellte: „Trotz dieser Einwände muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der VIII. Zivilsenat erst einmal auf längere Sicht bei seiner als amtliche Leitsätze formulierten Position bleibt und die Praxis sich darauf einstellen muss“.

Das OLG Oldenburg als Hoffnungsträger für eine Vorlage an den EuGH?

Es wurde ja auch hier im Forum bereits die Hoffnung geäußert, das OLG Oldenburg werde womöglich wegen der europarechtlichen Dimension (wie ich sie in meinem Ausgangsbeitrag näher beschrieben habe) die Sache dem EuGH in Luxemburg in einem Vorabentscheidungsverfahren vorlegen.

Ein Vorabentscheidungsverfahren hat im Jahre 2009 im Durchschnitt 17,1 Monate in Anspruch genommen, so dass nach einer solchen Entscheidung durch den EuGH das Berufungsverfahren vor dem OLG Oldenburg dann in etwa 1 ½ Jahren fortgesetzt werden könnte.

Nun - zugegebenermaßen - ein wenig Spekulation:

Auch wenn sich ein solches Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH eigentlich jetzt geradezu aufdrängt, so bin ich nicht zuletzt aus prozessualen Gründen aber doch eher skeptisch, ob es zu einer Vorlageentscheidung durch das OLG Oldenburg zum EuGH tatsächlich kommen wird. Und zwar nicht etwa, weil das OLG die erhebliche europarechtliche Bedeutung nun plötzlich wieder anders einschätzte, als wohl noch in der mündlichen Verhandlung vor wenigen Wochen, wo das Gericht ja die Bereitschaft zur Vorlage deutlich zu erkennen gegeben haben soll. Nein - eine Vorlage könnte daran scheitern, dass es auf die besagte europarechtliche Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits möglicherweise gar nicht mehr ankommt.

Wenn das OLG in einer Vielzahl von Fällen - wie zu hören war - von der beklagten EWE tatsächlich gar keinen konsistenten und widerspruchsfreien - erheblichen - Vortrag erhalten hat, aus dem sich ergeben könnte, dass die Gas-Verordnung zweifelsfrei und wirksam in den jeweiligen Gassondervertrag einbezogen worden ist, dann kann das OLG im Endeffekt auch nicht von einer wirksamen Einbeziehung ausgehen. Die EWE dürfte also insoweit mangels Einbeziehung der Gas-Verordnung den Prozess ohne weiteres verlieren.

Nur in den paar wenigen Verfahren, die dann noch übrig sind und wo die Einbeziehungsthematik eher ungeklärt erscheint und deshalb vom OLG eine Beweisaufnahme/Vorlage an den EuGH in Aussicht gestellt worden ist, könnte es spannend werden. Soweit es das OLG vorzieht, vor einer Vorlage an den EuGH zunächst eine Beweisaufnahme durchzuführen (weniger aufwändig, als einen Vorlagebeschluss an den EuGH zu verfassen), kann der EWE kaum daran gelegen sein, die Einbeziehung der Verordnung in den Sondervertrag nachzuweisen.

Denn dann stellte sich doch sofort wieder die zwingende Frage, ob eine aus der Verordnung unverändert übernommene intransparente Preisänderungsregel, wie sie ja der VIII. Zivilsenat für rechtlich unproblematisch hält, nicht gegen europäisches Recht (Stichwort: Klauselrichtlinie bzw. Gasrichtlinie - siehe dazu meinen Ausgangsbeitrag weiter oben) verstößt. Und da hat das OLG ja schon seine Absicht bekundet, nötigenfalls den EuGH anzurufen.

Setzen sich aber auch in diesen Zweifelsfällen die Kläger durch, weil es der EWE einfach nicht gelingen „will“, das OLG davon zu überzeugen, dass die Gas-Verordnung wirksam einbezogen worden ist, gewinnen auch diese Kläger ihren Rechstreit, und das OLG kann Endurteile schreiben, statt eine nicht mehr erforderliche Vorlage an den EuGH zu formulieren.

Und jetzt mal ehrlich: Wie hoch dürfte die Motivation der EWE eigentlich einzuschätzen sein, die paar Verfahren, um die noch ernsthaft gestritten wird, unbedingt zu gewinnen, um dann als Belohnung vor dem EuGH zu landen und wirklich zu riskieren, dass ihr dieses noch verbleibende Pfund (die vom VIII. Zivilsenat vorgegebene Rechtsposition), mit dem sie zumindest gegenüber ihren „nicht aufsässigen Kunden“ noch wuchern kann (und diese sollen immerhin einen Anteil von über 90 % der EWE-Kundschaft ausmachen), vom EuGH geradezu aus der Hand geschlagen wird.

Ich glaube, diese Motivation wird bei der EWE alles andere als hoch einzuschätzen sein. Die EWE steckt also in einer erheblichen Zwickmühle. Den Prozess zu verlieren ist schlimm, den Versuch zu unternehmen, ihn zu gewinnen, fast noch schlimmer: Weist das Unternehmen vor dem OLG in nur einem einzigen Fall nach, dass es zu der Einbeziehung der Verordnung in den Sondervertrag gekommen ist, ist Luxemburg am Zuge. Deshalb glaube ich eher, dass die EWE diese (wohl nur) sehr kleine Zahl an Verfahren auch noch „sausen lassen“ wird, sollte es der beklagten EWE nicht gelingt, gerade mit diesen Klägern eine einvernehmliche Regelung - einen Vergleich - zu schließen.

Der EuGH ohne ein vom OLG eingeleitetes Vorabentscheidungsverfahren?

Leitet das OLG Oldenburg kein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH ein, so stellt sich natürlich die Frage, welche Chancen es gibt, die grundsätzlich bedeutsame Frage, ob die besagte Übernahme einer völlig intransparenten Preisanpassungsregel, wie sie in der Verordnung stecken soll, gegen europäisches Recht verstößt, auf sonstigen Gleisen vor den EuGH zu bringen!?

Wie ich in meinem Ausgangsbeitrag bereits gesagt habe, besteht für einen einzelnen Verfahrensbeteiligten keine Möglichkeit, den EuGH selbständig - quasi wie ein ordentliches deutsches Gericht - anzurufen mit der Bitte, eine bestimmte Richtlinie ihrem Sinngehalt nach auszulegen.

Deshalb macht es für Verfahrensbeteiligte, die in einem Revisionsverfahren vor dem VIII. Zivilsenat landen (wie jetzt in Sachen VIII ZR 162/09 - RWE), unbedingt Sinn, den VIII. Zivilsenat verstärkt dazu zu bewegen, den Großen Senat für Zivilsachen des BGH bzw. den EuGH anzurufen. Bezüglich der Vorlage an den Großen Senat wäre natürlich auf die grundsätzlichen Widersprüche hinzuweisen, die zu den Entscheidungen etwa des Kartellsenats, aber insbesondere des Bankensenats bestehen (s.o.), was eine Vorlage durch den VIII. Zivilsenat nach § 132 GVG unbedingt erzwingt.

Eine erfolgte Vorlage an den Großen Senat würde dann entweder dazu führen, dass dieser die Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats unter Bekräftigung der gefestigten Transparenz-Rechtsprechung praktisch aller BGH-Zivilsenate verwirft und eine widerspruchsfreie Grundsatzentscheidung trifft, die dem Verbraucherschutzaspekt des AGB-Rechts - insbesondere § 307 BGB - endlich wieder den Raum einräumt, der ihm auch in Gaslieferungsverträgen zukommt. An eine solche Entscheidung wäre der VIII. Zivilsenat dann gebunden. Der EuGH müsste nicht mehr angerufen werden.

Oder - was jedoch sehr unwahrscheinlich sein dürfte, weil ein solches Ergebnis nur im Falle der krasser Missachtung wesentlicher Rechtssätze, insbesondere von Grundrechten der Verfahrensbeteiligten zustande kommen könnte - der Große Senat möchte sich der „verbraucherfeindlichen“ Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats anschließen und das AGB-Recht ebenso „über den Haufen werfen“. Dann aber stellte sich auch für den Großen Senat die Frage nach der Bedeutung und Reichweite der europäischen Regelungen, die auf das deutsche Recht einwirken. In dem Falle müsste dann eben der Große Senat ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten und die Frage zunächst dem EuGH vorlegen.

Das Problem dürfte aber zur Zeit wohl eher darin zu sehen sein, dass sich der VIII. Zivilsenat ja standhaft weigert anzuerkennen, dass er hier keine Alleinzuständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Man wird sehen, ob er diese Linie in den anstehenden Verfahren durchhält. Anscheinend steigt er ja - ERST JETZT!?, aber immerhin - in eine entsprechende Prüfung der europäischen Rechtsfragen ein. Man darf durchaus skeptisch sein, was das Ergebnis dieser Prüfung angeht. Und so dürften nötigenfalls über kurz oder lang verfassungsrechtliche Konsequenzen (Verfassungsbeschwerden) dort zu ziehen sein, wo diese nicht von vornherein an der Zulässigkeitsschranke scheitern müssten.

Das EU-Recht und die vom VIII. Zivilsenat gerissene Umsetzungslücke

Mit seiner grundsätzlichen Rechtsprechung hat der VIII. Zivilsenat „Deutschland“ - wie ich es in meinem Ausgangsbeitrag bezeichnet habe - tatsächlich in „Teufels Küche“ gebracht, weil er die nationalen Vorschriften, insbesondere §§ 310 und 307 BGB entgegen der besagten höchstrichterlichen AGB-Rechtsprechung zum Transparenzgebot derart „richtlinienkonträr“ interpretiert, dass die bisher sicher gerechtfertigte Vorstellung des Gesetzgebers, insbesondere die Klauselrichtlinie und die Gasrichtlinie seinen hinreichend ins deutsche Recht umgesetzt worden, nun nicht mehr mit der Realität übereinstimmt.

Damit liegt seit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen EWE aus Juli 2010 eine beachtliche Umsetzungslücke vor.

Eine nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig umgesetzte Richtlinie stellt für sich genommen aber einen erheblichen Verstoß gegen die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Pflichten eines Mitgliedsstaates dar, europäische Vorgaben in nationales Recht umzusetzen, was dazu führen kann, dass wegen dieses Verstoßes gegen den betreffenden Staat durch die Europäische Kommission ein sog. „Vertragsverletzungsverfahren“ eingeleitet werden muss.

Dabei sind die Anforderungen, die der EuGH an die jeweiligen Umsetzungsakte in inhaltlicher Hinsicht stellt, bemerkenswert hoch, wie eine wichtige Grundsatzentscheidung des EuGH ausgerechnet im Anwendungsbereich der besagten Klauselrichtlinie 93/13/EWG zeigt (Urteil des EuGH vom 10.05.2001, Rs. C-144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande (http://www.jura.uni-augsburg.de/fakultaet/lehrstuehle/moellers/materialien/materialdateien/050_eugh_entscheidungen_en/eugh_1999_144_agb_richtlinie/)).

Um die Bedeutung dieser Entscheidung für die hier vorliegende Rechtsfrage - für die Entscheidungsfindung des VIII. Zivilsenats insgesamt - aber auch für die anstehende Entscheidung des OLG Oldenburg zu verstehen bzw. richtig einordnen zu können, soll an dieser Stelle ein kurzer Blick gerichtet werden auf das dem EuGH-Urteil zugrunde liegende „Vertragsverletzungsverfahren“, das die EU-Kommission gegen die Niederlande vor dem EuGH angestrengt hatte. Dass der VIII. Zivilsenat diese Entscheidung des EuGH in seiner EWE-Revisionsentscheidung nicht herangezogen und gewichtet hat, ist geradezu ein unverzeihlicher Kardinalfehler. Insoweit wird interessant sein, ob der Senat in den zur Zeit bei ihm anhängigen weiteren Revisionsverfahren, wo er seine Übernahmerechtsprechung unter dem europäischen Blickwinkel erneut einer kritischen Würdigung zu unterziehen hat, neben der Gas- und Klauselrichtlinie gerade dieses EuGH-Urteil nun doch noch verwerten und dabei dann dessen Bedeutung für die von ihm einfach in den Raum geworfene „Übernahmerechtsprechung“ erkennen wird.

An der Entscheidung des EuGH zeigt sich noch einmal sehr deutlich, inwiefern in Deutschland durch die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ein Umsetzungsdefizit zumindest in Bezug auf die Klauselrichtlinie entstanden ist.

Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit (http://www.jura.uni-augsburg.de/fakultaet/lehrstuehle/moellers/materialien/materialdateien/050_eugh_entscheidungen_en/eugh_1999_144_agb_richtlinie/)

In den Niederlanden besteht ein dem deutschen BGB entsprechendes „Burgerlijk Wetboek“ (BW). Darin finden sich auch Regelungen, unter welchen Bedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam („anfechtbar“) sind.

Die EU-Kommission konnte in diesem niederländischen BW aber keine Regelungen erkennen, die Art. 4 Abs. 2 sowie Art. 5 der Klauselrichtlinie entsprachen. In diesen EU-Vorschriften ist - noch einmal zur Erinnerung - das Transparenzgebot geregelt und wie zu verfahren ist, wenn die niedergelegten Klauseln dem Transparenzgebot nicht entsprechen. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass sich die Missbrauchskontrolle sogar auf die Angemessenheit des Preises, der für Güter zu entrichten ist (Preisvereinbarung), zu erstrecken hat, sofern die darauf bezogenen Klauseln unklar und unverständlich abgefasst sind. Dieses gilt also erst recht für hier interessierende „Preisnebenabreden“ (Preisänderungsklauseln) - die nur mittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben und an deren Stelle, sofern eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives (also vertraglich abänderbares) Recht treten kann. Art. 5 der Klauselrichtlinie hebt dann noch einmal ausdrücklich hervor, dass alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten schriftlich niedergelegten Klauseln immer klar und verständlich abgefasst sein müssen und dass bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel die für den Verbraucher günstigste Auslegung zu gelten habe.

Wegen der sich der Kommission aufdrängenden nicht vollständig erfolgten Umsetzung der genannten Bestimmungen aus der Klauselrichtlinie leitete sie schließlich vor dem EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Niederlande ein.

Die Niederlande, die nach Erlass der Klausel-Richtlinie meinten, auf eine gesetzgeberische Anpassung ihres BW gänzlich verzichten zu können, weil sie die in der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsätze und Regelungen in ihrem BW bereits hinreichend berücksichtigt sahen, „verteidigten“ sich vor dem EuGH mit dem Hinweis, zumindest aber könnten die von der Richtlinie verfolgten Ziele durch eine systematische Auslegung der niederländischen Vorschriften erreicht werden. Damit war die richtlinienkonforme Auslegung des niederländischen Rechts angesprochen.

Dem folgte der EuGH aber nicht und stellte mit Blick auf den Verbraucherschutz Grundsätzliches fest (vgl. Rd-Nr. 17-18 und 21 der Entscheidung):

Zitat
17
„Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Umsetzung einer Richtlinie zwar nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers, es ist jedoch unerlässlich, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationalen Behörden gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (Urteil vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-365/93, Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499, Randnr. 9)\".

18
\"Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, ist diese letzte Voraussetzung besonders wichtig, wenn die Richtlinie darauf abzielt, den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten Ansprüche zu verleihen (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 9). Gerade das ist hier jedoch der Fall, denn die Richtlinie bezweckt nach ihrer sechsten Begründungserwägung u. a., den Bürger in seiner Rolle als Verbraucher beim Kauf von Waren und Dienstleistungen mittels Verträgen zu schützen, für die die Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten gelten\".

21
\"Zu dem Vorbringen der niederländischen Regierung, der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung der niederländischen Regelung, der vom Hoge Raad der Nederlanden bestätigt worden sei, erlaube es jedenfalls, Unterschiede zwischen den Bestimmungen des niederländischen Rechts und denen der Richtlinie zu beheben, genügt der Hinweis, dass - wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - eine etwa bestehende nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften in einem Sinn auslegt, der als den Anforderungen einer Richtlinie entsprechend angesehen wird, nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen kann, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen. Dies gilt ganz besonders im Bereich des Verbraucherschutzes“.

Der EuGH macht hier also deutlich,
Auf die deutsche Rechtslage übertragen, haben wir eine fast absurd zu nennende Konstellation, auf die sich diese Grundsätze der EuGH-Entscheidung dennoch leicht anwenden lassen: Der § 307 BGB enthält mit eindeutiger Klarheit und Bestimmtheit das Transparenzgebot, das der EuGH in seiner eben genannten Entscheidung in seiner Bedeutung für den Verbraucherschutz herausgestellt hat. Die vom VIII. Zivilsenats vorgenommene Auslegung der §§ 310 und 307 BGB - über den Umweg eines unterstellten gesetzgeberischen Willens zu einer Gleichbehandlung (im Unrecht) und eines vom „Gesetzgeber“ angeblich gesetzten Maßstabs, wie Sondervertragskunden behandelt werden dürfen - nimmt einer klaren und bestimmten Norm, die Rechtssicherheit vermittelt, dem § 307 Abs. 1 S. 2 BGB , die Normklarheit und führt so erst zu einer vollendeten Rechtsunsicherheit.
Damit reißt der VIII. Zivilsenat ohne Not - wenn auch aus naheliegenden Gründen - nachträglich eine Umsetzungslücke, die Deutschland von der Kommission vorgehalten werden dürfte und bei Untätigkeit des Gesetzgebers zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik führen sollte.

Dem Gesetzgeber ist hier sicherlich kein direkter Vorwurf zu machen, wenn ein BGH-Senat derart aus dem Ruder läuft und in der beschriebenen Weise eine Umsetzungslücke aufreißt. Aber - der Gesetzgeber kann sich hier nicht zurücklehnen. Wenn sich der VIII. Zivilsenat nicht doch noch eines Besseren besinnt und seine „Übernahmerechsprechung“ dorthin wirft, wo sie eigentlich hingehört, so ist der Gesetzgeber nach der eben zitierten Rechtsprechung des EuGH aufgerufen, die vom VIII. Zivilsenat geschaffene Unklarheit zu beseitigen. Er hat dazu nötigenfalls durch gesetzgeberische Maßnahmen zu „gewährleisten“ (siehe die vorgenannte EuGH-Entscheidung), dass sowohl die Klauselrichtlinie als auch die Gas-Richtlinie vollständig zur Anwendung kommen und nicht etwa Gas-Sondervertragskunden aus ihrem Schutzbereich ausgegrenzt werden, wie es der VIII. Zivilsenat gerne hätte. Der Gesetzgeber hat also nötigenfalls durch eine Klarstellung im Gesetz selbst dafür Sorge zu tragen , dass eine Auslegung des Gesetzes, wie sie der VIII. Zivilsenat für angezeigt hält, nicht weiterhin möglich ist.

Das OLG Oldenburg und die zu beachtende Entscheidung des EuGH vom 10.05.2001

Sollte sich die eben zitierte Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2001 denn nicht eigentlich auch auf die nach der Zurückverweisung durch den BGH wieder beim OLG Oldenburg anhängigen Berufungsverfahren auswirken? - Eigentlich schon!

Soweit das OLG ohne Beweisaufnahme feststellen kann, dass eine Einbeziehung der Gas-Verordnung in den Versorgungsvertrag nicht gegeben ist, wird es den Klagen gegen die EWE ohne weiteres stattgeben.

Ist aber eine Beweisaufnahme tatsächlich erforderlich, um die Einbeziehungsfrage zu klären, wird das OLG sicher überlegen, ob es eine solche Beweisaufnahme sofort durchführen oder die Einbeziehung wiederum unterstellen sollte, um die Sache dann dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen mit der Frage, ob die (unterstellte) Einbeziehung einer unklaren gesetzlichen Bestimmung (Preisanpassungsrecht aus der Gas-Verordnung (AVBGasV)) nicht gegen europäisches Recht, insbesondere die Klausel- sowie die Gasrichtlinie verstößt!?

In diesem Zusammenhang spricht aber einiges dafür, dass der EuGH mit dem eben genannten Urteil zumindest die Klauselrichtlinie in einem auch hier bedeutenden Reglungszusammenhang bereits hinreichend klar ausgelegt hat. Dieses Auslegungsergebnis könnte dann aber auch der Entscheidung des OLG Oldenburg unmittelbar zugrunde gelegt werden:

Wenn der EuGH in der zitierten Entscheidung betont, dass es die (auch hier zu berücksichtigenden) Vorschriften der Klauselrichtlinie (Art 4 Abs. 2 und Art. 5) erfordern, dass der Gesetzgeber durch klare und bestimmte gesetzliche Regeln gewährleistet - also zwingend sicherzustellen hat - , dass die in der Richtlinie verkörperten und den Verbrauchern zugedachten Schutzansprüche in einer Form, die dem Erfordernis der Rechtssicherheit Rechnung trägt, zum Tragen kommen, so steht einer BGH-Entscheidung, die die gesetzliche Klarheit und Bestimmtheit des § 307 BGB in ihr Gegenteil verkehrt, europäisches Recht in der durch den EuGH vorgenommenen Auslegung entgegen.

Da der Gesetzesvorrang europäischer Vorschriften (wie in meinem Ausgangsbeitrag bereits erklärt) die Anwendung nationaler Regelungen ausschließt, die dem europäischen Recht entgegenstehen, könnte bzw. müsste das OLG Oldenburg sogar eine Auslegung des VIII. Zivilsenats und damit die Entscheidung selbst unbeachtet lassen, soweit diese der durch die Klausel-Richtlinie zwingend vorgegebenen und vom EuGH bestätigten Normklarheit, Normbestimmtheit und dem Schutzniveau (Verbraucherschutz) den Boden entzieht.

Wenn schon eine unklare und unbestimmte gesetzliche Vorschrift, die von den nationalen Gerichten tatsächlich richtlinienkonform ausgelegt werden, nach dem eben bezeichneten Urteil des EuGH nicht mit dem europäischen Recht vereinbar ist, so muss das erst recht für eine nationalstaatliche Gerichtsentscheidung (VIII. Zivilsenat) gelten, die durch Ausblendung europarechtlicher Vorgaben einer klaren und bestimmten Norm - dem § 307 BGB - ihren gesetzgeberisch definierten Anwendungsbereich nimmt und so der Rechtsunsicherheit zu Lasten des Verbraucherschutzes geradezu Vorschub leistet.

Auf die Bedeutung, die der Gesetzgeber der Klarstellung gem. § 307 BGB gerade mit Blick auf die Klauselrichtlinie beigemessen hat, habe ich ja unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu § 307 BGB (BT-Drs 14/6040, S. 154) weiter oben schon hingewiesen.

Es bleibt also festzuhalten: Da die Grundsatzentscheidung, die der VIII. Zivilsenat am 17. Juli 2010 getroffen hat, in entscheidenden Punkten gegen die konkrete Auslegung der Klauselrichtlinie, wie diese sie durch das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 erfahren hat, verstößt, könnte das OLG wohl sämtlichen Klagen, die ihr in Sachen EWE nach der Zurückverweisung wieder zur Entscheidung vorliegen, ohne vorherige Beweisaufnahme und ohne Vorabentscheidungsverfahren stattgeben. Es könnte den Rechtsstreit nämlich auf Grundlage der Transparenzrechtsprechung der BGH-Senate und des Rechtsverständnisses, wie es der Gesetzgeber in seiner Begründung zu § 307 BGB geäußert hat, gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB selbständig zugunsten der Kläger entscheiden.

Sollte daraufhin der VIII. Zivilsenat in einem womöglich sich anschließenden neuerlichen Revisionsverfahren in gleicher Sache erneut die einschlägigen europäischen Regelungsmaterien (Richtlinien, EuGH-Entscheidungen etc.) missachten oder sich eine entgegenstehende Auslegung der Richtlinie(n) selbst anmaßen, wäre der Weg zum Bundesverfassungsgericht wohl endgültig frei.

Eine bevorstehende „Bürgerbeschwerde“

Mit einer Entscheidung in der Sache durch das OLG (ohne etwaige „Einschaltung“ des EuGH) wäre die Umsetzungslücke, die der VIII. Zivilsenat hinsichtlich der Klausel- sowie der Gasrichtlinie gerissen hat, aber noch keinesfalls geschlossen. Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats mit seiner „Vorbildwirkung“ bliebe in der Welt. Wie kann man nun eigentlich den deutschen Gesetzgeber dazu animieren, entsprechend tätig zu werden? Denn dass dieser tätig werden muss, steht ja nach dem oben Gesagten (vgl. oben „Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit“) völlig außer Frage!?

Es gibt den mittelbaren Weg über die Europäische Kommission, die darüber wacht und zu wachen hat, dass europäische Binnenmarktsrichtlinien vollständig ins nationale Recht umgesetzt werden. Dazu ist die Kommission aber natürlich in Einzelfällen auf Hinweise aus der Bevölkerung auf einen Umsetzungsverstoß angewiesen.

Und so ist es möglicherweise noch gar nicht so recht ins Bewusstsein der Bevölkerung vorgedrungen, dass dazu jeder EU-Bürger die Möglichkeit hat, sich mit einer sog. „Bürgerbeschwerde“ direkt an die EU-Kommission zu wenden.

Mit einer solchen „Bürgerbeschwerde“ kann der EU-Bürger gegenüber der Kommission rügen bzw. auch nur die Vermutung äußern, dass eine innerstaatliche Regelung (Rechts- oder Verwaltungsvorschrift) oder Verwaltungspraxis einen Verstoß gegen eine Bestimmung oder einen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt. Eine solche allgemeine Beschwerde hat also nicht etwa zum Ziel, den zugrunde liegenden Einzelfall zu klären („EWE will zu viel Geld von mir, muss ich zahlen ...!?“), sondern dient in erster Linie der Überprüfung der Umsetzung von EU-Rechtsakten und damit der Vereinheitlichung des Rechts in den Mitgliedsstaaten.

Sofern eine solche Beschwerde nicht ohne jegliche Substanz ist, prüfen die Dienststellen der Kommission (regelmäßig innerhalb eines Jahres) nach Eingang der Beschwerde anhand der einschlägigen Bestimmungen des europäischen Rechts und der Gewichtigkeit des potenziellen Verstoßes, der mit der Beschwerde gerügt wird, ob ein „Vertragsverletzungsverfahren“ eingeleitet werden muss.

Hält die Kommission den mit der Beschwerde verbundenen Vorwurf für berechtigt und erheblich, verfolgt sie die Sache weiter und gibt dem betroffenen Mitgliedsstaat in einem sog. „Mahnschreiben“ auf, sich zu der aufgeworfenen Frage zu äußern. Eine solche Äußerung des Mitgliedsstaates auf die Anfrage der Kommission sollte im Allgemeinen nicht länger als zwei Monate auf sich warten lassen. Die Kommission setzt dazu eine entsprechende Frist.

Verstreicht die Frist fruchtlos - oder hilft der Mitgliedsstaat dem von der Kommission erkannten Missstand nicht alsbald ab, kann die Kommission den EuGH anrufen und gegen den Mitgliedsstaat die sog. „Vertragsverletzungsklage“ erheben.

Die Entscheidung liegt dann - wie bei einem Vorabentscheidungsverfahren - beim EuGH.

Die voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Bürgerbeschwerde

Ob die „Bürgerbeschwerde“ Erfolgsaussichten haben kann, hängt natürlich immer sehr stark vom Einzelfall ab. Vorliegend würde es dann aber doch mehr als überraschen, wenn die EU-Kommission hier nicht dringenden Handlungsbedarf sehen würde. Dieses aus zwei Gründen:

Die Europäische Kommission betont zum Einen regelmäßig den großen Stellenwert, den sie dem Verbraucherschutz einräumt und wie er ja auch in verschiedenen Richtlinien zu Ausdruck kommt. Auf der anderen Seite will sie den Wettbewerb fördern - und dieses ebenfalls zugunsten der EU-Verbraucher. Wettbewerb kann aber nun einmal ohne Transparenz nicht funktionieren, was - wie beschrieben - auch der deutsche Gesetzgeber so sieht. Und (auch) aus diesem Grund hebt die Klauselrichtlinie im Interesse des Verbraucherschutzes ja das Transparenzgebot ausdrücklich hervor und erhöht mit der Gasrichtlinie - wie schon beschrieben - noch einmal dessen Gewicht.

Dass der von der Kommission hochgehaltene Verbraucherschutz sowie ein funktionsfähiger Wettbewerb, der zugunsten der Verbraucher zumindest auf dem Energiesektor ja erst noch in Gang gesetzt werden soll, keine „Fata Morgana“ darstellen, zeigt etwa schon der erste Absatz der Begründung eines Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 19.09.2007, wo es heißt:

Zitat
„Strom und Gas sind für eine gedeihliche Entwicklung Europas von zentraler Bedeutung. Ohne einen wettbewerbsorientierten und effizienten europäischen Strom- und Gasmarkt werden die europäischen Bürger stark überhöhte Preise zahlen müssen für Produkte, die der Befriedigung ihrer ganz alltäglichen Grundbedürfnisse dienen. Strom- und Gasmarkt sind auch für Europas Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung, da Energie ein wichtiger Faktor für die europäische Wirtschaft ist“.

Wenn Umsetzungsakte des nationalen Gesetzgebers (Deutscher Bundestag), die gerade diese Kernpunkte des Wettbewerbsrechts und Verbraucherschutzes vor
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 13. Dezember 2010, 09:53:22
Habe diesen bemerkenswerten Beitrag mal als PDF (http://www.kayhausen.de/forum/101212_Beitrag_HP.pdf) eingestellt (270 KB).

Ich frage mich seit geraumer Zeit, warum die Verbände (Verbraucherzentralen Bundesverband , Bund der Energieverbraucher) in diesen grundsätzlichen Fragen nicht längst beim EuGH vorstellig geworden sind.

Für morgen früh ist die Urteilsverkündung des OLG Oldenburg terminiert. Dann werden wir ein Stückchen schlauer sein. Hoffentlich!  :)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 10:19:28
@hp

Exzellent.

Der Beitrag verdient Veröffentlichung im Schrifttum.
RdE, ZNER, VuR, WuM erscheinen als geeignete Medien.

Per Mail kann man auch eine Weihnachts- Epistel an die Mitglieder des bestreffenden BGH- Senats versenden, nämlich an die Poststelle des BGH mit der Bitte um Weiterleitung an die Senatsmitglieder.
Das kommt dort erfahrungsgemäß auch an und wird im Herzen erwogen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 13. Dezember 2010, 14:15:54
@hp

Es ist eine Lust und keine Last, Ihren Beitrag zu lesen!

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 13. Dezember 2010, 16:49:47
@hp, jetzt habe ich mir Ihren Beitrag durchgelesen und ich schliesse mich an: Exzellent!  Keine Frage, er sollte einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere den einschlägigen Juristen. Folgen Sie der Empfehlung von @RR-E-ft.  

Klar wurde mir wieder, Europa ist unverzichtbar. Viel Erfolg mit der \"Bürgerbeschwerde\" (http://www.eu-info.de/europa-punkt/rechtsschutz/beschwerde-kommission/) bei der Europäischen Kommission.

Welche hohen Hürden schon bei einem Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene zu überwinden sind zeigt ein Blick in die Gemeindeordnungen der Bundesländer. Wenn man hier liest, bekommt man fast den Eindruck, der Weg über Europa ist einfacher.   Aber abwarten \"Man wird sehen ...\". Auf jeden Fall viel Erfolg!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 18:56:42
@hp

Ich verfolge einen anderen Ansatz (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76909&sid=#post76909), der uns wohl (möglicherweise einfacher) zum selben Ergebnis führt.

Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen.
Dies mag einige irritieren.

Ich gehe davon aus, dass es im Bereich der Grund- und Ersatzversorgung keine vertraglichen Preisvereinbarungen gibt, solche sogar von Anfang an unzulässig sind, die vertragliche Preishauptabrede vielmehr von Anfang an in einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht zu Gunsten des Versorger in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise besteht (bzw. in einer Preisbestimmungspflicht hierauf).

Konkreter lässt sich die Preishauptabrede m.E. dabei schon deshalb nicht fassen, weil die maßgeblichen Kostenstrukturen und deren zwischenzeitliche Entwicklung von Versorger zu Versorger zu verschieden sind (so auch BGH KZR 2/07).

Ich halte deshalb schon nicht dafür, dass die gesetzlichen Regelungen überhaupt eine Preisänderungsklausel im Sinne einer Preisnebenabrede beinhalten.

Wegen der vertraglichen Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Grundversorgers in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise betrachte ich insbesondere § 5 GVV nicht als Preisänderungsbestimmung (Preisnebenabrede), sondern als eine Bestimmung, welche die Ausübung eines anderwärts bereits bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB besonders ausformt.

Ferner bin ich nicht der Auffassung, dass man § 307 BGB gegen § 315 BGB ausspeilen kann und darf, et vice versa.

Kurzum:


Möglicherweise haben wir es bei der vielfach kritisierten Senatsrechtsprechung einfach nur mit ständig sich perpetuierenden Denkfehlern zu tun.
Man sollte diese Möglichkeit bei seinen Betrachtungen wohl jedenfalls ins Auge fassen.

Die materielle Rechtslage im Sinne der geltenden Gesetze ist in sich konsistent und zutreffend. Zu kritisieren steht m.E. allein die Rechtsanwendungspraxis derjenigen, denen das Recht treuhänderisch in die Hände gelegt ist. Natürlich stellt sich die Frage, was die besten Parlamentsgesetze nutzen, wenn die Rechtsprechung sie nicht zutreffend anwendet.

Aber es stellt sich auch die Frage, wer dann die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Verletzung von EU- Richtlinien repräsentiert. Der Gesetzgeber (Bundestag, Bundesrat) oder aber unser höchstes Zivilgericht (besser ein konkreter Senat mit zuweilen eigenwilligen Gesetzesinterpretationen), welches von Verfassungs wegen selbst an Recht und Gesetz gebunden ist, sich und seine bisherige Rechtsprechung folglich nicht selbst zum Maßstab für das Recht nehmen und nicht aus sich heraus Recht schöpfen darf?    

Man sollte behutsam vorgehen, um nicht etwa anderen einen Dienst zu erweisen... Mit der Dampframme ist selten etwas ins rechte Lot zu bringen.

Nichts wäre nachteiliger, als wenn uns die in sich konsistente und zutreffende materielle Gesetzeslage über Luxemburg \"aufgebohrt\" würde.

Wir haben bei genauer Betrachtung hinsichtlich der Grund- und Ersatzversorgung so klare gesetzliche Regelungen wie nie zuvor. Eine genauere Regelung ist in diesem Bereich aus genannten Gründen auch gar nicht möglich (BGH KZR 2/07), aber bei zutreffender Anwendung des § 315 BGB (BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff., KZR 29/06 Rn. 20) auch nicht notwendig.

Für Sonderverträge - und da sind wir uns einig - muss es auch bei Energielieferungsverträgen wegen der uneingeschränkten Anwendung des § 307 BGB bei den Anforderungen verbleiben, welche die Rechtsprechung des BGH sonst an die Transparenz von Preisänderungsklauseln stellt.  Eine Ausnahme insoweit ist- wie zutreffend herausgearbeitet -  bereits vom deutschen Gesetzgeber überhaupt nicht vorgesehen.

Wir haben viel zur gesetzlichen Neuregelung des EnWG 2005 beisteuern können. Wenn nun eine Gesetzesnovellierung in dem uns interessierenden Bereich anstünde, müssten wir damit rechnen, dass sogleich wieder die Lobby der Versorgungswirtschaft Morgenluft wittert.

Erinnert sei etwa an den kruden ersten Gesetzesentwurf zu § 17 Abs. 1 GVV in Bezug auf § 315 BGB, der wohl maßgeblich von dort eingebracht wurde, und der erheblichen Anstrengungen, derer es unsererseits für den Wortlaut bedurfte, wie wir ihn nun vorfinden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: uwes am 13. Dezember 2010, 21:43:40
@HP

Ich habe erst ein Drittel des Beitrages gelesen und bin begeistert. Ich gehöre (noch) zu den Rechtsanwendern, die sich mit dem Recht der AGB, als es noch außerhalb des BGB geregelt war, ausgiebig beschäftigen mussten.
Ich werde jetzt heute nacht mit erhöhter Spannung auch die beiden letzten Drittel Ihres Beitrages lesen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RuRo am 14. Dezember 2010, 09:31:47
Zitat
Original von RR-E-ft
...
Erinnert sei etwa an den kruden ersten Gesetzesentwurf zu § 17 Abs. 1 BGB in Bezug auf § 315 BGB, der wohl maßgeblich von dort eingebracht wurde, und der erheblichen Anstrengungen, derer es unsererseits für den Wortlaut bedurfte, wie wir ihn nun vorfinden.

Nachdem §§ 15 bis 20 BGB entfallen sind, meinten Sie wohl § 17 (Gas-/Strom-)GVV, siehe hier: § 17 GasGVV (http://www.gesetze-im-internet.de/gasgvv/__17.html) und hier: § 17 StromGVV (http://www.gesetze-im-internet.de/stromgvv/__17.html) mit Satz 3: \"§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.\"
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Dezember 2010, 09:43:27
@RuRo

Richtig erkannt. Es geht um § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV.

Dieser lautete im Entwurf bis zur Änderung über den Bundesrat noch sinngemäß \"Die Einrede aus § 315 BGB ist kein Einwand nach Satz  2.\"

Wie Richter (zumal in Bayern) eine solche Regelung verstanden hätten, kann man sich leicht vorstellen. Fast wäre Kollegen Dr. Hempel als Vertreter des VDEW/ BGW- Arbeitskreises zur Verordnungsnovellierung ein Husarenstreich gelungen.  

Man muss da gehörig auf der Hut sein.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 27. Dezember 2010, 22:31:34
So kurz vor dem Jahresende will ich noch auf das vorgehende „Posting“ von „RR-E-ft“ inhaltlich eingehen, weil ich Anlass sehe, hier einige Punkte noch einmal sehr grundsätzlich geradezurücken.

Ich habe den leisen Verdacht, dass Sie - „RR-E-ft“ - meinen letzten Beitrag in einem Sinne interpretieren, den ich diesem nicht beigemessen habe, zumindest nicht beimessen wollte. Ich habe mich dann doch wohl nicht so eindeutig geäußert, wie ich dachte und wie es eigentlich meinem Selbstverständnis entspricht, wenn ich in dieses Forum poste. Um zu verhindern, dass wir auf mehr oder weniger hohem Niveau aneinander vorbeireden, will ich zu Ihren Überlegungen eine Stellungnahme keinesfalls schuldig bleiben.

Zuvor aber noch ein kurzes Wort zu meinem eben erwähnten Selbstverständnis.

Mein Anspruch besteht darin, nicht allein dem Juristen (quasi) unter Ausschluss der breiten interessierten (Mit-)Leserschaft, die sicherlich nicht unbedingt juristisch vorgebildet ist, meine Gedanken plausibel zu vermitteln. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur hier im Forum der bessere Weg ist, den „Nichtjuristen“ als Messlatte zu begreifen, wenn es darum geht, juristische Inhalte nachvollziehbar mitzuteilen. Denn was der „Nichtjurist“ versteht, versteht auch der Jurist. Und so ist von vornherein niemand ausgeschlossen. Das soll auch in diesem Beitrag nach Möglichkeit so bleiben. Aber - dieses will ich in diesem Zusammenhang nebenbei betonen: Alles, was „der Jurist“ sagt, erschließt sich auch mir nicht immer. Das kann im Einzelfall fachliche Gründe haben, muss es aber nicht unbedingt.

Aber trotz meines Anspruchs, Transparenz in meine Beiträge zu bringen, weiß ich natürlich, dass meine bisherigen „Artikel“ keine „leicht verdauliche“ Kost waren, angesichts der Materie vielleicht auch nicht sein konnten. Wer Verständnisschwierigkeiten hatte, sollte schon deshalb auf keinen Fall an sich verzweifeln. Das dürfte dann wohl eher daran gelegen haben, dass das „juristische“ Pferd, das ich versucht hatte, ganz fest im Zaume zu halten, mit mir das eine oder andere Mal doch „durchgegangen“ ist.

Das positive Feedback, das ich hier im Forum, per E-Mail und darüber hinaus erhalten habe, zeigt mir aber, dass Leserinnen und Leser im eben genannten Sinne etwas mit meinen Beiträgen anfangen konnten. Die erhaltenen Rückmeldungen freuen mich deshalb sehr. Ich bedanke mich auch auf diesem Wege ganz herzlich dafür.

Soweit die Frage hier an mich herangetragen wurde, ob ich die im Rahmen meiner Forums-Beiträge geäußerten Gedanken nicht auch einer breiteren Fachöffentlichkeit durch Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift zugänglich machen und damit zugleich zur Diskussion stellen möchte, versteht es sich sicherlich von selbst, dass ich mit den angestellten (und auch noch nicht ausgebreiteten) grundlegenderen Überlegungen nicht das Ziel verfolge, ungehört zu bleiben. Da ein juristischer Fachaufsatz aber nicht den Anspruch erheben kann, die juristischen Fragestellungen „allgemeinverständlich“ auch für den „Nichtjuristen“ herzuleiten, dürfte ein solcher - evtl. von mir verfasster Fachaufsatz - nicht unbedingt auf das Interesse bei den juristisch nicht „vorbelasteten“ Forumsmitgliedern treffen. Was aber natürlich keinesfalls bedeuten soll, dass ein solcher von mir verfasster Aufsatz für den „Nichtjuristen“ uninteressant oder völlig unverständlich wäre.

Ich werde - dazu nur so viel - ausloten, unter welchen thematischen Aspekten und mit welcher Zielrichtung die aus meiner Sicht notwendige Fachdiskussion am effektivsten vorangetrieben werden kann. Gespräche dazu werde ich noch führen. Dazu war aber bislang noch keine Zeit. In diesem Zusammenhang grüße ich übrigens auch das Forums-Mitglied „jroettges“ ganz herzlich.

So! Lange Vorrede, kurzer Sinn. Jetzt komme ich fast zum eigentlichen Grund meines heutigen „Postings“. Aber - wie sagte ich nicht schon sinngemäß: „Ich wäre nicht Oldenburger, wenn ich nicht auch einen kurzen Blick auf die vor knapp zwei Wochen ergangene Vorlageentscheidung des OLG Oldenburg werfen würde“, mit der das Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH eingeleitet hat. Dieses zumal der Vorlagebeschluss des OLG Oldenburg ja in einem markanten thematischen Zusammenhang mit diesem von mir im Mai d.J. gestarteten Thread steht:

Die Vorlageentscheidung des OLG Oldenburg

Ich begrüße es sehr, dass mit dem OLG Oldenburg nun ein „Obergericht“ Nägel mit Köpfen macht und dem EuGH die entsprechenden Rechtsfragen vorlegt. Dieses wäre vom VIII. Zivilsenat zwingend zu erledigen gewesen. Und so muss nun also Oldenburg Karlsruhe vormachen, wie es geht. Diesem Vorabentscheidungsverfahren könnte sicherlich bedeutende „Vorbildfunktion“ in anderen ähnlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen EVU und Sondervertragskunden zukommen, bevor jene Verfahren ggf. wieder in die „treuen“ Hände des VIII. Zivilsenats gelangen und dort - wie beschrieben - „unter die Räder“ kommen.

Ob es die EWE aber auf eine Entscheidung des EuGH letztendlich tatsächlich ankommen lassen wird, halte ich angesichts der bereits dargelegten Gründe und der sicherlich längst auch dem EVU bewussten Unhaltbarkeit seiner Rechtsposition vor dem EuGH noch längst nicht für ausgemacht.

So müsste das OLG Oldenburg nach einem - jederzeit möglichen - „Anerkenntnis“ (einem de facto Nachgeben) der EWE in der Sache das Unternehmen antragsgemäß und ohne Weiteres verurteilen („Anerkenntnisurteil\" gem. § 307 ZPO). Damit wäre dann aber zugleich dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH die Grundlage entzogen, weil „Luxemburg“ nicht über Vorlagen zu entscheiden hat und entscheidet, denen kein Ausgangsverfahren (mehr) zugrunde liegt.

Dass ein Unternehmen wie die EWE sich wirtschaftlich nicht völlig unvernünftig verhält und für die paar hunderttausend Euro, die dem OLG Rechtsstreit als Streitwert zugrunde liegen mögen, riskiert, nach einer für sie klar zu erwartenden negativen EuGH-Entscheidung Rückforderungsansprüchen ihrer Kunden in Milliardenhöhe ausgesetzt zu sein, darf man - glaube ich - mehr als erwarten. Man rechne sich nur einmal den Betrag aus, der bei einer lediglich 1%-igen Verzinsung des realistischen potenziellen Rückforderungsbetrages (mind. 1 Mrd. Euro) anfallen würde: 10 Mio. Euro! Da wäre bereits der Monatszins wohl schon höher anzusetzen als der Gesamt-Streitwert des OLG-Berufungsverfahrens. Diesen Betrag wird die EWE sicherlich verschmerzen können und abschreiben.

Würde sich ein Vorstand in einer solchen Situation anders verhalten, könnte man sich gut vorstellen, was ihm auf der dem EuGH-Urteil folgenden Hauptversammlung von „seinen“ Aktionären blühen würde. „Teeren und Federn“ wäre im Vergleich dazu sicherlich mehr als human. Das Unternehmen wird sich meiner Einschätzung nach also rational verhalten und sich darauf konzentrieren, den prozessualen Rückzug “marketing-technisch“ geschickt zu verpacken. Die Frage ist nur, wann das geschehen wird. Je später, desto besser für die EWE. Aber auf ein Urteil darf es eben nicht hinauslaufen. Ab dem kommenden Winter sollte man aber schon mal die Ohren spitzen, wenn die „EWE AG“ eine Erklärung in Sachen Berufungsverfahren OLG Oldenburg abgeben will.

Und so sehe ich es kommen, wie von der EWE ein solches „Manöver“ werbewirksam verkauft wird: „EWE gibt als vertrauensbildende Maßnahme den Sammelklägern nach und will nun die Vertragsverhältnisse auf neue - vertrauensvolle - Füße stellen“. Auf diesen Satz erhebe ich übrigens keine urheberrechtlichen Ansprüche!

Also - „vertrauensvolle Füße“. Sei’s drum - wer\'s dann glaubt!? Nur, dass das Unternehmen im „Kleingedruckten“ betonen wird, von ihrem Anerkenntnis seien natürlich alle anderen Vertragsverhältnisse nicht betroffen. Überrascht wäre ich, wenn\'s anders käme. Dummerweise ist aber gerade jetzt meine „Wahrsagerkugel“ in Reparatur ...

Soweit also mein nur „ein ganz klein wenig“ spekulativer Blick in die Zukunft. Aber Spekulation bleibt Spekulation! Schluss damit!

Die „Kraft“ der Vorlageentscheidung sehe ich - wie eben erwähnt - schon jetzt in ihrem „symbolischen Wert“ begründet. Und dieser ist sicher nicht zu unterschätzen. Wenn dann der EuGH in anderthalb bis zwei Jahren entgegen meiner „Prognose“ doch über die Vorlage des OLG entscheiden sollte, so kann es allen Verbrauchern nur recht sein. Spätestens dann dürfte die „Übernahmerechtsprechung“ des VIII. Zivilsenats „Schnee von gestern“ sein.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage durch das OLG Oldenburg (im Parallel-Thread geäußert) brauchen einen übrigens nicht zu überkommen. Ich hatte in meinem Beitrag aus Mai d. J. auf die Aufgabenverteilung zwischen dem EuGH und einem nationalem Gericht bereits hingewiesen. Die Vorlage ist zulässig, daran bestehen aus meiner Sicht schon deshalb keine Zweifel, weil das OLG Oldenburg nicht versucht, seine ausschließlich ihm obliegenden Aufgaben (Auslegung des nationalen Rechts) an den EuGH abzugeben, sondern lediglich wissen will, ob der vertraglichen Übernahme einer (von ihm bereits festgestellten) völlig intransparenten gesetzlichen Regel in einen Sondervertrag das Transparenzgebot der Richtlinie entgegensteht.

Der EuGH muss also nicht erst deutsches Recht auslegen (von dem er überhaupt keine hinreichende Ahnung haben kann), um die Vorlagefrage zu beantworten, sondern kann sich ausschließlich um die Bedeutung und Reichweite von Klausel- sowie Gas-RL kümmern. Und dieses ist seine originäre Aufgabe! Dabei darf man sich nicht davon irritieren lassen, dass das OLG Oldenburg die Regelungsmaterien, insbesondere die GasGVV näher beschreibt. Der EuGH ist auf derartige Angaben essenziell angewiesen, weil er nur auf deren Grundlage die Intention der Fragestellung richtig beurteilen und eine vollumfassende Beantwortung der Vorlagefrage sicherstellen kann. Damit entgeht das OLG Oldenburg der „Gefahr“, vom EuGH nur eine halbwegs „passende“ Antwort zu bekommen, was es dann ggf. für das OLG erforderlich machen könnte, noch einmal beim EuGH „nachzufragen“. Aber grundsätzlich wäre nach der Entscheidung des EuGH auch eine ergänzende Nachfrage möglich, so dass die beiden Gerichte (EuGH/OLG) tatsächlich im Sinne des Wortes in einen Dialog eintreten würden. Das wäre natürlich zeitaufwendig und müsste das Verfahren weiter verzögern. Zu einer solchen Befürchtung einer Zeitverzögerung besteht aber kaum Anlass, weil die Vorlage des OLG Oldenburg ja - wie gesagt und von jedem auch nachlesbar - klar und verständlich die richtlinienbezogenen Fragen formuliert und den Regelungszusammenhang des fraglichen nationalen (deutschen) Rechts deutlich beschreibt.

Also - kurzum: Es zeigt sich an diesem Vorlagebeschluss einmal mehr, dass der Verbraucherschutz beim 12. Senat des OLG Oldenburg in guten - nein: in allerbesten Händen ist.

Nun endlich zum eigentlichen Anlass meines heutigen „Postings“, der Antwort auf den Beitrag von „RR-E-ft“.

Soweit Sie konkreten Anlass zu der Befürchtung sehen, meine Position würde im Ergebnis § 307 BGB gegen § 315 BGB ausspielen und umgekehrt, muss ich mich doch einigermaßen verwundert fragen, wie Sie meinen im Einzelnen begründeten Beitrag eigentlich in diesem Sinne so missinterpretiert haben können! War ich da so uneindeutig? Zu dem Thema will ich unter diesem Vorzeichen dann gleich auf jeden Fall inhaltlich Stellung beziehen.

Ihre in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die in der Grundversorgung auf §§ 36, 2, 1 EnWG i.V.m. der Gasverordnung (GasGVV) beruhenden gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigten die beiderseitigen Interessen bestmöglich , „irritiert“ mich übrigens keinesfalls. Ich respektiere Ihre Ansicht voll und ganz, teile sie aber nicht! Eine Ergänzung meiner dazu bereits mitgeteilten Überlegungen folgt im Weiteren.

Verwundert bin ich dann aber schon ein wenig, soweit Sie in der von mir unter den unterschiedlichsten (insbesondere grundgesetzlichen) Aspekten kritisierten Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats - zur Ehrenrettung des Senats quasi(?) - „nur“ sich ständig wiederholende Denkfehler erblicken wollen. In diesem Punkt ist es mir besonders wichtig, dass meine Positionen klar zum Ausdruck gekommen ist. Um dieses sicherzustellen, beginne ich auch mit diesem Aspekt und will mit einigen grundsätzlichen Anmerkungen dazu antworten:

Der VIII. Zivilsenat und „nur Denkfehler“?

Sich ständig perpetuierende Denkfehler, die zu materiell fehlerhaften Entscheidungen führen und diese quasi zementieren, mögen immer mal wieder vorkommen. Auch die höchsten Gerichte sind davor sicher nicht gefeit. Mein Anliegen war es dann ja auch erklärtermaßen nicht, derartige „Fehlentwicklungen“ als den „Untergang des Abendlandes“ zu brandmarken: „Menschen begehen nun einmal Denkfehler, und Richter sind bekanntlich Menschen ...“ Diesem Aspekt hatte ich meine Betrachtung ausdrücklich unterstellt.

Das Problem ist hier aber, dass nicht wenige Fachjuristen vergeblich versucht haben, den VIII. Zivilsenat geradezu mit der Nase auf die von Anfang an erkennbaren „Abwege“ zu stoßen, auf denen er seit seiner ersten per Obiter-Dictum gefassten Übernahmeentscheidung aus Juli 2009 wandelte. Ich denke da exemplarisch etwa an die Fachaufsätze von Markert, der sogar die „Obiter-Dictum-Methodik“ des Senats kritisierte, wesentliche Rechtsfragen lediglich ganz beiläufig - aber grundsätzlich - vorab zu entscheiden, ohne dass es auf diese damals auch nur ansatzweise angekommen wäre.

Aber auch die Entscheidung des OLG Oldenburg, die vom VIII. Zivilsenat schließlich im Juli dieses Jahres aufgehoben worden ist, war so angelegt, dass der Ball’sche Senat geradezu gezwungen gewesen wäre, sich mit den zugrundeliegenden Fragestellungen einmal intensiver zu beschäftigen, statt für den Verbraucherschutz wesentliche Rechtsfragen unter Ausblendung aller erkennbaren entgegenstehenden Ansätze beharrlich zu ignorieren. Und man darf sich sicher auch fragen, wieso in Sachen EWE vor dem VIII. Zivilsenat überhaupt (mündlich) verhandelt wurde, wo es doch der VIII. Zivilsenat offenbar nicht einmal für erforderlich hält (bzw. hielt), die ihm dort von RA Wassermann mündlich vorgehaltene Thematik (Auswirkung der Richtlinien auf das Auslegungsergebnis, Zuständigkeit des EuGH für die EU-Richtlinienauslegung, Zuständigkeit des Großen Senats wegen einschlägiger Abweichung der Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats von der des Kartellsenats) auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu nehmen.

Alleine die Gehörsverstöße (Art. 103 GG) und daneben der Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) als wesentliche Prozessgrundrechte durch den VIII. Zivilsenat lassen geradezu den zwingenden Schluss zu, dieser Senat sei in der Sache nicht unbefangen.

Ein Phänomen, dass mir im Anschluss an die Entscheidung aufgefallen war und worauf ich an dieser Stelle kurz den Blick richten will, bestand darin, dass der VIII. Zivilsenat, nachdem er seine Entscheidung unter der erkennbaren und von mir dargelegten Missachtung der prozessualen (Grund-)Rechte der verfahrensbeteiligten Kläger getroffen hatte, relativ schnell wieder aus dem Focus der Aufmerksamkeit verschwunden war. Was verständlich und auch richtig ist: Man überlegte, wie man denn nun mit dieser Entscheidung umzugehen habe und - vor allem - wie es in Sachen EWE sowie vor dem OLG Oldenburg weitergehen könne. Markert etwa stellte schon im Vorfeld der Entscheidung (auf Grundlage der Obiter-Dictum-Rechtsprechung des Senats) bekanntlich fest, nun müsse man sich wohl auf längere Sicht auf diese neue, vom VIII. Zivilsenat geprägte Rechtslage einstellen.

Aber das alleine ist mir zu wenig. Das suggeriert nämlich, ein BGH-Senat dürfe machen, was er wolle. Ist er einmal nicht so disponiert, Recht ausschließlich auf Grundlage des Gesetzes zu sprechen, habe man eben Pech gehabt. Und das erscheint mir dann doch etwas kurzsichtig. Denn für einen Rechtsstaat ist es der GAU, wenn sich ein Senat des höchsten deutschen Zivilgerichts, der die grundsätzlichen Leitlinien für die Anwendung des Zivilrechts in Deutschland vorgibt, mal so eben herausnimmt, die Rechtslage unter völliger Ausblendung der materiellen Rechtslage (Transparenzgebot) und unter Missachtung wesentlicher Verfahrensgrundrechte der Beteiligten zu prägen, um nicht zu sagen: zu diktieren. Und das in so krasser Weise, wie ich sie beschrieben, aber bislang selten bis nie erlebt habe.

Die Tatsache, dass Gerichte unabhängig und nur auf Grundlage von Gesetz und Recht (Gerechtigkeit) Recht zu sprechen haben (Art 20 Abs. 3 HS 2 GG), ist immerhin ein Pfund, mit dem der deutsche Rechtsstaat bisher wirklich wuchern konnte. Lässt man dem VIII. Zivilsenat ein Verhalten, das Zweifel an seiner Unbefangenheit nicht im Keime erstickt, sondern über mehrere Verfahren hinweg in jeder Hinsicht geradezu bestärkt, als lässliche Sünde „durchgehen“, dann werden wir uns vielleicht irgendwann auf Zeiten einzustellen haben, wo das „Recht des Stärken“ über das kodifizierte, also in Gesetzbüchern niedergelegte triumphiert.

So weit sind wir ja aber Gott sei dank noch nicht. Generelle Empörung in den abgeschlossenen Verfahren und Skepsis in den noch vor dem VIII. Zivilsenat zur Entscheidung anstehenden ist dann angesichts der bekannten Umstände durchaus bedeutungsangemessen, - aber - aus meiner Sicht - weniger eine „Verniedlichung“ im Sinne von: „Der Senat hat ja möglicherweise „nur“ Denkfehler perpetuiert“.

Nun mag es ja sein, dass Sie - „RR-E-ft“ - mit Ihrem Hinweis darauf, der Senat perpetuiere möglicherweise „einfach nur“ seine Denkfehler, lediglich darauf hinweisen wollten, dieser finde bloß nicht die Kraft, sich zu seinen Fehlern aus der Vergangenheit zu bekennen und habe so schließlich in der EWE-Revisionsentscheidung nicht mehr aus dem Schlamassel, den er mit seiner Obiter-Dictum-Rechtsprechung bereits angereichtet hatte, herausgefunden. Aber auch in dem Falle wäre wenig Anlass zur Beruhigung. Denn das würde doch bedeuten, der Senat hätte seine Fehler bemerkt und bliebe lediglich deshalb bei seiner als fehlerhaft erkannten Linie, um ggf. dem „Gesichtverlust“ zu entgehen. In einem solchen Fall würde seine Rechtsprechung ebenfalls auf sachfremden Erwägungen beruhen, nicht aber auf Gesetz und Recht im Sinne von Art. 20 GG. Derartiges rechtfertigte in jedem Fall den von mir angesprochenen Ablehnungsantrag. Ein solches Gericht hätte sich ohne Wenn und Aber disqualifiziert. Und es hat sich in diesem Sinne aus meiner Sicht disqualifiziert.

Warum der VIII. Senat tatsächlich so handelt, wie er handelt, wird sich im Endeffekt nicht erforschen lassen. Ich vermute eine vielleicht nur unterbewusste „Beißhemmung“, die aus der dokumentierten übergroßen Nähe des Senatsvorsitzenden Ball zur Versorgungsindustrie herrührt. Ich zumindest möchte es im Rahmen eines Rechtsstreits nicht mit einem Senat zu tun bekommen, der der Versorgungsindustrie womöglich erklärt, wie man Vertragsbedingungen gerichtsfest gestalten kann, um dann einige Zeit später in einem „unabhängigen“ Gerichtsverfahren selbst darüber zu befinden, ob die konkreten Vertragsbedingungen von der Versorgungsindustrie tatsächlich gerichtsfest gestaltet worden sind.

Vgl. nur zur Erinnerung meinen Ausgangsbeitrag unter Bezugnahme auf die Vortragstätigkeit des Senatsvorsitzenden Wolfgang Ball im Jahre 2007 auf dem „Euroforum - The Conference Company“.

Mitorganisator lt. der Themenbroschüre: „In Kooperation mit: CLIFFORD CHANCE“ (Mittlerweile wohl keine Unbekannten mehr; die Kanzlei \"CC\" vertritt heute die rechtlichen Interessen der EWE)!

Tagungsthema: „§ 315 BGB und Gaspreise - Auswirkung des BGH-Urteils auf die Praxis“. Tagungsmotto: „Gute Chancen für Gasversorger bei Gaspreiserhöhungen!“.

Auf dieser Tagung standen die Referenten (zuvörderst der auf Seite 1 der Broschüre mit Foto vorgestellte Senatsvorsitzende des VIII. Zivilsenats: Wolfgang Ball) lt. dem Programmheft für Tipps zur Verfügung, etwa auch zur Frage „Wie können Preisanpassungsklauseln rechtssicher formuliert werden?“

§ 307 BGB von mir gegen § 315 ausgespielt(?) - wohl kaum!

In meinem jüngsten Beitrag ging es mir nicht zuletzt um die aus meiner Sicht sehr zentrale Frage, ob ein „Preisanpassungsrecht“, wenn es denn dann tatsächlich in den Verordnungen zu erblicken sein sollte, wie es der VIII. Zivilsenat ja ausdrücklich sogar per Leitsatz bekräftigt (VIII ZR 56/08) - und so sieht der Kartellsenat in den Verordnungen immerhin ein Leistungsbestimmungsrecht normiert (KZR 2/07) - überhaupt den Ansprüchen, die die Rechtsordnung an die Transparenz von Vertragsbedingungen stellt, genügen kann!

Die eben genannte Rechtsprechung als Ausgangspunkt, habe ich in meinem Beitrag zuvörderst untersucht, ob der Verordnungsgeber - der Bundeswirtschaftsminister -, der ja danach das Preisbestimmungsrecht für den Bereich der Grundversorgung festgelegt hat, überhaupt berechtigt sein kann, intransparente (Preis-)Regeln aufzustellen, die dem Grundversorger ja immerhin nicht nur die Pflicht, sondern zugleich das Recht einräumen sollen, den Gaspreis einseitig festzusetzen.

Meine These lautete, wenn auch im Rahmen der Grundversorgung - in der der Gesetzgeber (sei es nun der Verordnungsgeber oder der parlamentarische Gesetzgeber mit Erlass des EnWG) bezüglich des zu zahlenden Preises die Leistungsbestimmungspflicht durch den Grundversorger regelt - der Grundsatz der (Preis-)Transparenz zu gelten hat, dann könnte sich die Frage, ob eine als intransparent erkannte Regelung in der Grundversorgung als wirksame Preisänderungsvorschrift in einem Gassondervertrag überhaupt taugt, schnell erledigt haben.

Ich bin im Rahmen der von mir angestellten Betrachtungen zu dem Ergebnis gekommen, dass - und vor allem auch warum - der Verordnungsgeber die Wertentscheidungen, wie sie im AGB-Recht zum Ausdruck kommen, bei seiner Interessenabwägung, die ihm mit der Ermächtigungsgrundlage vom parlamentarischen Gesetzgeber aufgegeben worden ist, zu berücksichtigen hat. Dass der Gesetzgeber die Gerechtigkeitsgesichtspunkte, wie sie im AGB-Recht verkörpert sind, auch über die Generalklausel der Ermächtigungsgrundlage („beiderseitigen Interessen „angemessen“ berücksichtigen) auch zum Maßstab der Verordnung machen wollte, zeigt sich - wie erwähnt - ja u.a. auch daran, dass in Gassonderverträgen die Anwendbarkeit der §§ 308 und 309 BGB gerade mit Blick auf die Gasverordnung und die dort vom Wirtschaftsminister vorgenommen Abwägung ausgeschlossen sein sollen.

Von einem „Ausspielen“ des § 307 BGB gegen § 315 BGB kann schon von daher bezogen auf meinem gesamten Beitrag überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil - wie sich gleich noch einmal deutlich zeigen wird. Da müssten Sie dann schon „Ross und Reiter“ klar benennen, wo Sie derartige Anhaltspunkte erblickt haben wollen. Ich denke aber, auf Grundlage meiner folgenden Stellungnahme wird sich ihre dahingehende Befürchtung wohl erledigen.

Ich habe hier eher den Eindruck, wenn ich auf die in diesem Zusammenhang von Ihnen zitierte Rechtsprechung des Kartellsenats blicke (KZR 29/06 und KZR 36/04), dass Sie davon ausgehen, ich wollte den § 315 BGB vollständig und grundsätzlich aus der Anwendung herausnehmen, wenn es um die Gas-Grundversorgungsverhältnisse geht. Denn die beiden besagten BGH-Entscheidungen bekräftigen ja insbesondere die Anwendbarkeit von § 315 BGB im Rahmen eines einseitigen Preisänderungsrechts. Einer solchen Anwendbarkeit des § 315 BGB habe ich mich aber an keiner Stelle prinzipiell entgegengestellt.

Zu beachten ist aber: Wenn das Preisbestimmungsrecht bzw. die dem Versorger obliegende Preisbestimmungspflicht, wie sie aus der Gasverordnung (bzw. dem EnWG) hervorgeht, wegen Fehlens jeglicher Anhaltspunkte hinsichtlich der preisbestimmenden Faktoren die Grundrechte der Grundversorgten verletzt (insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, den ich in meinem Beitrag, auf den Sie ja hier antworten, in erster Linie betrachtet hatte), dann stellte sich auch in der Grundversorgung die Frage nach § 315 BGB nicht. Denn ohne ein wirksames Preisbestimmungsrecht kommt es auf die Billigkeit der Preisbestimmung im Sinne von § 315 BGB nicht mehr an.

Meine Intention war deshalb eine ganz andere. Nämlich die Einforderung eines gleichberechtigt (hohen) Transparenzniveaus in der Grundversorgung wie im Sonderkundenverhältnis, um so den § 315 BGB im Interesse des Verbraucherschutzes im gesamten Gasbezugsbereich für Endverbraucher überhaupt erst effektiv zur Anwendung kommen zu lassen. Falls Sie also im Sinn hatten, ich träte quasi für die Eliminierung des § 315 BGB im Grundversorgungsverhältnis ein, so sage ich Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Ich versuche zu verdeutlichen, dass der § 315 BGB zur Zeit aufgrund der vorherrschenden Intransparenz im Sonder- wie im Grundversorgungsverhältnis de facto eliminiert ist und er endlich bedeutungsangemessen zur Geltung gebracht werden muss. Dazu werde ich noch einige verfassungsrechtlich geprägte Gedanken nachschieben, die meinen Standpunkt noch einmal endgültig veranschaulichen mögen.

Dem Grundversorgungsverhältnis hatte ich mich aus drei Gründen gewidmet, die eigentlich auch für alle Sondervertragsabnehmer von Interesse sein sollten:

auch die Sonderkundenverhältnisse im Rahmen einer Gas-Verordnung zu regeln. Insofern haben wir es mit einer „Tretmine“ zu tun. Denn was läge eigentlich aus „Verordnungsgebersicht“ näher, als die Verordnung im Sonderkundenbereich an der aus der Grundversorgung auszurichten, wenn er (der Wirtschaftsminister) dann tatsächlich von der ihm eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen wollte. Und da kann es aus meiner Sicht kaum schaden, wenn sich bereits im Vorfeld eines solchen potenziellen und damit vorerst nur zu befürchtenden gesetzgeberischen Fehlgriffs die Erkenntnis durchsetzen würde, dass nicht zuletzt der Gleichbehandlungsgrundsatz „transparente Vertragsverhältnisse“ vorschreibt - im Sondervertragsverhältnis wie in der Grundversorgung.
[/list] Die Notwendigkeit transparenter Preisanpassungsregeln erfasst auch das Grundversorgungsverhältnis Mir ging es in meinem letzten Beitrag darum aufzuzeigen, dass sich sofort Wertungswidersprüche auftun, wenn man Sondervertragskunden, die ja anders als die Kunden der Grundversorgung den Schutz des AGB-Rechts für sich in Anspruch nehmen und sich zudem auf die Wertentscheidungen der Klausel-RL (siehe den OLG-Vorlagebeschluss) stützen können (sollten), preistransparente Klauseln zugesteht - andernfalls die Unwirksamkeit der Klausel annimmt, den Kunden der Grundversorgung aber trotz völliger Intransparenz der Preisanpassungsregel sagt: „Lasst doch die Preisbestimmung eures Versorgers gem. § 315 BGB vom Gericht auf ihre Billigkeit überprüfen“. Die Frage, die hier mitschwingt, lautet doch so einfach wie klar: Warum sollen eigentlich Verbraucher mit einem Gassondervertrag den Schutz transparenter Vertragsbestimmungen für sich reklamieren können (dafür kämpfen wir hier ja wohl - und um diese Frage dreht sich doch auch die Vorlage des OLG Oldenburg an den EuGH)!? Grundversorgten mutet man aber unter sonst vergleichbaren Bedingungen ein völlig intransparentes Preisbestimmungsrecht durch den Grundversorger zu, so dass diesem Kunden ein vergleichbares Schutzniveau wie dem Sondervertragskunden nicht zur Verfügung steht! Ihr Hinweis, „RR-E-ft“, dass das Preisfestsetzungsrecht - anders als der VIII. Zivilsenat meint - nicht aus der Verordnung hervorgeht, sondern vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in § 36 EnWG normiert worden sei (wofür ja sogar tatsächlich einiges sprechen könnte), führt aber nicht weiter, taugt insbesondere nicht, um die materielle Ungleichbehandlung zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden im Gasbereich (keine Preistransparenz hier/Preistransparenz dort) zu rechtfertigen.

Natürlich sind wir uns darüber einig, dass der Gesetzgeber die Preisgestaltung im Grundversorgungsverhältnis als Leistungsbestimmungspflicht ausgestaltet hat. Dieses ist sicher auch zu unterscheiden von einer Preis(haupt)abrede, auf die sich dann ein Preisänderungsrecht als Preisnebenabrede in einem Sonderkundenverhältnis bezieht.

Hat die im Sonderkundenverhältnis regelmäßig per AGB einbezogene Preisnebenabrede - das Preisänderungsrecht - aber erst einmal die Einbeziehungshürde des § 305 Abs. 2 BGB übersprungen und die Klauselkontrolle heile überstanden, so ergibt sich daraus doch der weitere - identische - Fahrplan: Das Leistungsbestimmungsrecht (Sondervertrag) hier und die Leistungsbestimmungspflicht (Grundversorgung) dort sind - sofern Zweifel an der Angemessenheit der Ausübung der jeweiligen Preisanpassung aufgetreten sind - an ein und derselben Norm zu messen, nämlich an § 315 BGB.

Für den Kunden aus der Grundversorgung wie für den aus dem Sonderkundenbereich dürfte es im Allgemeinen nun aber nicht so entscheidend darauf ankommen, ob er von seinem Versorger eine „Preiserhöhung“ serviert bekommt, weil dieser als Grundversorger seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht ordentlich nachkommen oder im Rahmen eines Sondervertragsverhältnisses das (per AGB) vereinbarte Preisänderungsrecht ausüben wollte. Der Verbraucher fragt sich wohl eher: „Wieso soll ich mehr bezahlen, obwohl die Energiepreise an den Spotmärkten doch gefallen sind, die Grenzübergangspreise in der Abrechnungsperiode und davor eher eine Tendenz nach unten aufwiesen oder mein Versorger doch auf dem relativen Preistiefpunkt seine Erdgaslager vollgepumpt hatte etc.?“

Beide Verbrauchergruppen müsste man unter der eben genannten Vorbedingung natürlich auf § 315 BGB verweisen: „Lass das Gericht prüfen, ob die Bestimmung angemessen ist“. Das ist die Rechtslage und die will wohl keiner - zumindest nicht ich - ändern!

Diese von mir eben aufgestellte Randbedingung ging aber ja ausdrücklich davon aus, dass das per AGB einbezogene Preisänderungsrecht im Sonderkundenverhältnis die AGB-Hürden tatsächlich übersprungen hatte, weil es nichts an Transparenz hat fehlen lassen, also transparent war. Die Realität sieht aber sowohl in Sondervertragsverhältnissen als auch im Grundversorgungsverhältnis bekanntermaßen anders aus:

Was passiert denn nun in diesem uns hier in erster Linie interessierenden und die Realität sehr viel exakter abbildenden Fall, dass die Preisänderungsregel, wie sie in den Sondervertrag aufgenommen werden sollte, unklar und unverständlich ist. Wenn sie keinerlei tatbestandliche Angaben nach Anlass, Voraussetzung und Umfang einer Preisänderung enthält, wie sie die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln unbedingt stellt. Die Antwort steckt ja schon in der Frage und wird von Ihnen, „RR-E-ft“, sicherlich - ohne zu zögern - in diesem Sinne beantwortet: Eine solche intransparente Klausel scheiterte immer am Transparenzgebot (wenn man mal die „sonderbare“ Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ausklammert). Das OLG Oldenburg weist mit Recht sogar darauf hin, dass eine solche intransparente Klausel noch nicht einmal die Einbeziehungskontrolle gem. § 305 Abs. 2 BGB überstehen würde.

Wie geht es in einem solchen Fall im Sondervertragsverhältnis dann aber weiter, wenn die Preisänderungsregel im e.g. Sinne im AGB-Netz hängen geblieben ist? Ganz einfach: Das EVU hat zwar ggf. Anspruch auf den per Preishauptabrede - evtl. per AGB - vereinbarten Preis, kann diesen aber mangels eines vertraglichen Preisänderungsrechts nicht anpassen (erhöhen). Für den Sondervertragskunden stellte sich in einem solchen („Intransparenz“-)Fall - und das ist äußerst bedeutend - die Frage nach einer angemessenen Preisbestimmung im Rahmen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB von Anfang an nicht:

Eine Preisänderung wäre nicht billig oder unbillig gem. § 315 BGB, sie wäre mangels eines wirksamen Preisänderungsrechts unzulässig und damit rechtswidrig.

Der gesetzlich verordnete „Blindflug“ in der Grundversorgung

Und hier zeigt sich nun auch der bedeutsame Unterschied zum Grundversorgten:

Der Grundversorgte, der aus der gesetzlichen Regelung, aus der sich die Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers herleitet, keinerlei Anhaltspunkte entnehmen kann dafür, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die für eine Veränderung des Preises (nach oben oder unten) in einem bestimmten Umfange im Einzelnen vorliegen, muss sich trotz der (vom VIII. Zivilsenat sogar zugegebenen) Intransparenz des Leistungsbestimmungsrechts sagen lassen, „Lass doch die vorgenommene Leistungsbestimmung deines EVU anhand von § 315 BGB vom Richter auf ihre Angemessenheit (Billigkeit) überprüfen“.

Dem Grundversorgten wird damit also im wahrsten Sinne des Wortes eine Variante des „Russisch Roulette“ aufgezwungen, aus dem er möglicherweise nicht heile herauskommt. Er muss - selbst ohne einen einzigen konkreten Anhaltspunkt dafür in der Hand zu haben, dass die Preisbestimmung nicht der Billigkeit entspricht, die Zahlung verweigern - sich also vom EVU verklagen lassen - oder Feststellungsklage erheben, sobald er eine Preiserhöhung erhält, um seine (zunächst nur vermuteten) Ansprüche durchzusetzen. Streng genommen müsste er aber auch bei einer Preissenkung klagen mit dem Antrag, doch bitte festzustellen, dass die vom Grundversorger vorgenommene Preissenkung das dem Versorger vom Gesetz zwingend abverlangte Niveau (möglichst günstig - § 1 EnWG i.V.m. § 315 BGB) nicht vollständig umgesetzt hat. Und zwischendurch müsste er eigentlich auch noch die Gerichte bemühen, weil das EVU es möglicherweise unerkannt - nein: unerkennbar - ganz unterlassen hat, Preissenkungspotenziale - wie ihm vom Gesetz sehr umfassend aufgegeben - zeitnah an die Kunden weiterzugeben.

Dieser „Blindflug“ ist schon deshalb höchst unwürdig, weil er dem grundversorgten Gaskunden Rechtsstreitigkeiten geradezu aufzwingt, den diese vielfach ohne jegliche Anhaltspunkte, in der Sache wirklich Recht zu haben, führen müssten. Dem Grundversorgten fehlt es also schon an jeglichem Anhaltspunkt dafür, ob er gegen die Preisänderung (oder unterlassene Preisänderung) vorgehen soll, kann nicht erkennen, ob der Versorger seinen aus den gesetzlichen Vorschriften hervorgehenden Pflichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachgekommen ist. Und ohne eine hinreichende Tatsachengrundlage, auf der eine umfassende rechtliche Bewertung möglich wäre, fällt zugleich die für den Grundversorgten so wichtige Prozessrisikoanalyse unter den Tisch inkl. der Frage, in welchem Umfange mit einem Obsiegen in einem Rechtsstreit konkret zu rechnen sei. Die Risikoanalyse stellt aber ein wesentliches Element des Rechtsschutzgedankens im Rahmen der Prozessvorbereitung dar. Und damit unterschiede sich ein solches Gerichtsverfahren schon von vornherein in einem wesentlichen Punkt von allen Rechtsstreitigkeiten, denen ja trotz hinreichender Tatsachengrundlage, die die Einschätzung des Prozessrisikos ermöglicht, immer auch ein gewisses Risiko des Prozessverlustes innewohnt.

So wären die subjektiven Rechte der Grundversorgungskunden auf möglichst preisgünstiges Gas gem. § 1 EnWG, dessen Preis unter Beachtung billigen Ermessens gem. § 315 BGB vom Versorger festzusetzen war, seiner Kontrolle de facto völlig entzogen.

Und so wäre auch ein zusätzlicher wesentlicher Punkt angesprochen, der die Grundrechte des Grundversorgten unmittelbar betrifft:

Die Preiserhöhungen oder ausgebliebenen Preissenkungen, die der Grundversorger im Rahmen der ihn treffenden Preisbestimmungspflicht im Einzelfall vorgenommen oder eben nicht vorgenommen hat, mag regelmäßig nur wenige hundert Euro ausmachen, das Prozessrisiko damit vielleicht noch beherrschbar erscheinen. Wenngleich es für viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die jeden Euro umdrehen müssen, durchaus auf jeden Cent ankommen kann.

Aber - um es mit den Worten des allseits beliebten und hochverehrten Herrn „HSH-Nordbank-Aufsichtrats-Chef“ Hilmar Kopper zu sagen: „Wir reden hier eigentlich von Peanuts“ im Vergleich zu den Kosten, die anfallen könnten, wenn ein vom Gericht zu bestellender unabhängiger Sachverständiger auf gerichtliches Geheiß in ein Unternehmen von der Größe der EWE hineinspaziert, um die wirtschaftlichen Eckdaten genauer unter die Lupe zu nehmen. Eckdaten, ohne deren Ermittlung und Bewertung nun einmal eine gerichtliche Billigkeitsentscheidung nicht möglich ist. Das Verfahren, in dem eine Entscheidung nach § 315 BGB ergehen soll, kann dann bei einem Streitwert von gerade mal 300,00 Euro Gutachterkosten in fünfstelliger Höhe - 10.000,00 Euro aufwärts - auslösen.

Diese regelmäßig drohenden Gerichtskosten stellen aber im Ergebnis nichts anderes dar als eine faktische Zugangshürde zu den Gerichten, wenn nicht hinreichend abschätzbar ist, wie hoch das Prozessrisiko eigentlich ist. Und zwar nicht in erster Linie für die Ärmsten der Armen (denn diese wären sogar „privilegiert“, weil die Kosten des gerichtlichen Sachverständigen als Teil der Gerichtskosten von der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung abgedeckt würden).

Betroffen davon wären - um nicht zu sagen: sind - weite Bevölkerungskreise mit mittleren Einkommen, die ihr wirtschaftliches Wohlergehen riskieren müssten, um etwa der ja nur vermuteten ungerechtfertigten Preiserhöhung von vielleicht gerade mal 300 Euro im Einzelfall zu entgehen. Unter solchen Umständen - ohne das Prozessrisiko hinreichend genau abschätzen zu können - kann kein Anwalt seinem Mandanten raten, den „Schuss ins Blaue“ hinein zu riskieren, wenn er sich nicht mit seinem Berufshaftpflichtversicherer anlegen will oder kein Rechtsschutzversicherer das unkalkulierbare Prozessrisiko trägt (Eher wäre einem solchen Mandanten wohl zu raten, mit den 10.000,00 Euro in die Spielbank zu marschieren. Die Chancen wären dort besser zu kalkulieren. Aber das ist wahrscheinlich ein Thema, das besser von den Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus Bad Zwischenahn beurteilt werden kann ...)

Und so dürfte nach dem eben Gesagten kaum ein Verbraucher, der sich wirtschaftlich vernünftig verhält, in derartigen Fällen die Karte des § 315 BGB ernsthaft ausspielen (können).

Es kommt hinzu, dass im Rahmen der besagten Feststellungsklagen gegen die EVU wegen der Beweislastregeln (die hier aber nicht weiter betrachtet werden müssen) regelmäßig die klagenden Verbraucher vorschusspflichtig sind, wenn sie sich auf den Sachverständigen(gegen)beweis berufen wollen. Das heißt, das Gericht wird erst dann einen Gutachter einsetzen, wenn der Verbraucher den Sachverständigen-Vorschuss eingezahlt hat (vgl. zum angeforderten Vorschuss in Höhe von 10.000,00 Euro im damaligen Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (http://www.vzb.de/UNIQ129266451124784/link555051A) (Oder) in Sachen EWE).

Im Klartext: Will ein Endverbraucher aus der Grundversorgung das völlig unkalkulierbare Risiko, mal so eben 10.000,00 Euro „Sachverständigenkosten“ in den Sand zu setzen, nicht eingehen, ist ihm als Feststellungskläger das Instrument der Feststellungsklage oft schon aus der Hand geschlagen, bevor der Prozess überhaupt richtig losgegangen ist.

Dieses insbesondere in den Fällen, wo - aus welchen Gründen auch immer - für ihn keine Möglichkeit besteht, sich mit anderen Personen zusammenzutun („Sammelklage“), um die in einem krassen Missverhältnis zum Streitwert (Beispiel: 300,00 Euro) stehenden und im „Verlustfalle“ von ihm zu tragenden horrenden Gutachterkosten (> 10.000,00 Euro) auf viele Schultern zu verteilen.

Der § 315 BGB lauft also im Grundversorgungsverhältnis mit Endverbrauchern (und gegenwärtig ja aufgrund derselben Problematik wegen der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats auch im Sondervertragsverhältnis zumindest noch vorübergehend) tatsächlich überwiegend leer, solange für eine vom Grundversorger vorgenommene Preisbestimmung kein gesetzlich hinreichender klar umschriebener inhaltlicher Begründungszwang unter dem Aspekt der Preistransparenz besteht.

Soweit lediglich die Beschreibung der Ausgangsproblematik.

Der Ansatz von „RR-E-ft“: Bestmögliche Interessenberücksichtigung durch das Gesetz!?

Vor diesem tatsächlichen, aber auch bekannten Hintergrund sagen Sie nun - „RR-E-ft“:

Zitat
„Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen“.

Damit stellen Sie zwei Thesen auf:
1. Die Regelung sei das Beste, was erreicht werden könne; 2. die Regelung sei rechtlich nicht zu beanstanden.
[/list] Ihre Auffassung begründen Sie damit: Zitat: „Konkreter lässt sich die Preishauptabrede m. E. dabei schon deshalb nicht fassen, weil die maßgeblichen Kostenstrukturen und deren zwischenzeitliche Entwicklung von Versorger zu Versorger zu verschieden sind“. Beiden Thesen widerspreche ich. Zunächst will ich kurz auf die rechtlichen Aspekte der eben ja nur tatsächlich beschriebenen Ausgangsproblematik unter einem weiteren wesentlichen rechtlichen Aspekt eingehen: Die Ausgangsproblematik

Wir haben hier also - noch einmal - eine Konstellation vorliegen, wonach ein Sondervertragskunde im Anwendungsbereich des AGB-Rechts gem. der §§ 305 ff. BGB, auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung aller Zivilsenate des BGH (mit Ausnahme des VIII. Zivilsenats) sowie der europäischen Regelungsmaterien (Klausel-/Gas-RL) einen Anspruch auf klare, transparente Preisregeln hat, die es dem Verbraucher ermöglichen müssen, die Preisbestimmung seines Versorgers - ohne das Risiko eines Prozesses auf sich nehmen zu müssen - hinreichend auf ihre Plausibilität zu überprüfen.

Der Kunde aus der Grundversorgung kann diese Schutzfunktion, wie sie sich aus einer klaren, verständlichen Preisbestimmungsregelung, die den Kunden in die Lage versetzt, die Preisbestimmung im Einzelnen nachzuvollziehen und auf solcher Grundlage darüber zu befinden, ob er den Rechtsweg beschreiten soll, um die Preisfestlegung des Versorgers vom Gericht an § 315 BGB messen zu lassen, aber nicht in Anspruch nehmen.

Die Frage, die ich in meinem letzten Beitrag ja bereits angesprochen hatte, wie sich eine solche Ungleichbehandlung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 Abs. 1 GG vertrage, der ja eine solche Differenzierung nur erlaubt, wenn die Vergleichsgruppen - Grundversorgte gegenüber Sondervertragskunden - wesentlich unterschiedliche berücksichtigungsfähige Merkmale aufweisen, beantworten Sie - „RR-E-ft“ - nicht. Diesen Aspekt (Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz), der einer intransparenten Preisbestimmungsvorschrift im Rahmen der Grundversorgung aus meiner Sicht aber zwingend entgegensteht, bekräftige ich hier noch einmal, will ihn an dieser Stelle aber nicht im Einzelnen wiederholen. Man kann im Bedarfsfalle meine Überlegungen dazu an entsprechender Stelle meines letzten Beitrags noch einmal nachlesen.

Intransparente Preisanpassungsregeln als gesetzgeberischer Verstoß gegen prozessuale Grundrechte

Ich will hier vielmehr die Rechtswidrigkeit (Verfassungswidrigkeit) intransparenter gesetzlicher Preisanpassungsvorschriften im Grundversorgungsverhältnis unter Heranziehung anderer (zusätzlicher) und zugleich sehr wesentlicher Verfassungsgrundsätze herleiten, die an die eben dargelegte Ausgangsproblematik („Der gesetzlich verordnete Blindflug in der Grundversorgung“ - siehe oben) unmittelbar anknüpfen.

Das Grundgesetz hat nicht nur die klassischen „Prozessgrundrechte“ etabliert, die sich unmittelbar auf das gerichtliche Verfahren beziehen und schließlich vom VIII. Zivilsenat in Sachen EWE in der beschriebenen Weise sogar verletzt wurden - den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art 101 GG) sowie auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG). Aus dem Grundgesetz lassen sich weitere „Grundrechtspositionen“ unmittelbar und mittelbar ableiten, die die Gerichte innerhalb der Verfahren, aber auch der Gesetzgeber zu beachten hat, wenn er Regeln schafft, die sich auf das gerichtliche Verfahren auswirken können.

Der Justizgewährungsanspruch aus Art. 80 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG

Das im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wesentliche Grundrecht ist die „Justizgewähr“. Den Justizgewährungsanspruch hat das BVerfG aus Art. 80 Abs. 3 GG i.V.m.. Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet und erhebt ihn so zum Grundrecht.

Diesem Grundrecht lassen sich eine ganze Reihe von Grundrechtspositionen entnehmen, die wohl sämtlich eines gemeinsam haben: Sie stehen intransparenten Preisänderungsvorschriften im Grundversorgungsverhältnis (und darüber hinaus auch im Sondervertragsverhältnis) als unüberwindliche Barriere entgegen.

Der ungehinderte Zugang zu den Gerichten und die Gerichtskosten als Zugangshürde

Der „Justizgewährungsanspruch“ garantiert zunächst einmal den einen Rechtsstaat geradezu erst mitbegründenden ungehinderten Zugang zum Verfahren. Der Gesetzgeber hat danach alles ihm Mögliche und Erforderliche zu tun, um sicherzustellen, dass der Einzelne in die Lage versetzt wird, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen bzw. nicht durch unüberwindliche Hürden daran gehindert zu werden, seine Rechte vor Gericht zu verfolgen.

Dabei kommt den Prozesskosten als Zugangshürde wesentliche Bedeutung zu, wie schon ein Blick auf die Grundlagen der Prozesskostenhilfe zeigt: Im Rahmen der PKH ist anerkannt, wenn die Rechtsordnung die eigenmächtige Durchsetzung von Rechten grundsätzlich verbietet und die Rechtsinhaber dazu ggf. an die Gerichte verweist, so muss sie auch jedermann in gleicher Weise den Zugang zu den Gerichten eröffnen. Während wirtschaftlich schwache wegen ihres wirtschaftlichen Unvermögens von vornherein ohne staatliche Hilfe - PKH - gar nicht in der Lage sind, einen Prozess zu führen und ihnen so der Zugang zum Gericht - aus wirtschaftlichen Gründen - verwehrt wäre, trifft dieses auf Personen, die etwa bei einem mittleren Einkommensniveau nicht mittellos sind, zwar nicht unmittelbar zu. Kann der Einzelne aber nicht einmal ansatzweise erkennen, ob und ggf. in welchem Maße er in einem Rechtsstreit mit seinem Versorger obsiegen kann, so wirken sich gerade die zu erwartenden außerordentlich hohen Gerichtskosten, die durch den Vergütungsanspruch des gerichtlich bestellten Sachverständigen in die Höhe getrieben werden (können), gerade auch für sie als unkalkulierbare wirtschaftliche Zugangshürde aus.

Der gem. Art. 80 Abs. 3 GG i.V.m. Art 2 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgte Anspruch eines jeden Einzelnen auf ungehinderten Zugang zu den Gerichten wird also verletzt, wenn eine intransparente Preisfestsetzungsregel in der Grundversorgung zur Anwendung kommt, die dem Verbraucher keinerlei Chance gibt, die vom Versorger vorgenommene Leistungsbestimmung auch nur in ihren Grenzen auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und damit auf ihre Angemessenheit selbst zu überprüfen.

Das Recht als Waffe

Bei einem weiteren Aspekt will ich einmal auf einen Punkt hinweisen, der sicherlich vielen hier Mitlesenden bekannt sein dürfte, der aber einmal einer näheren Einordnung hinsichtlich des Grundrechts auf „Justizgewähr“ zu unterziehen wäre:

Die EVU sind sich durchaus ihrer Macht bewusst, die sich für sie praktisch zwangsläufig daraus ergibt, dass der einzelne Verbraucher aus der Grundversorgung mangels näherer Angaben zu den preisbildenden Eckdaten keine hinreichende „Prozessrisikoanalyse“ durchführen kann und infolgedessen vor Gericht nicht besser aufgehoben ist, als im Ruderboot auf hoher See oder in der Spielbank Bad Zwischenahn - wo er ausschließlich vom Glück abhängig ist.

Ich hatte vor ca. einem Jahr einen Link im Internet aufgespürt (der mir aber leider wieder abhanden gekommen ist! Vielleicht hat da ja jemand einen Tipp für mich?), der sehr schön veranschaulichte, wie Versorgeranwälte diesen Sachverhalt für sich und damit für die Versorgungsindustrie gewinnbringend nutzen (können). Der Link führte mich auf die Internetseite eines (ich bin mir ziemlich sicher) Berliner Anwaltsbüros, das für seine Klientel - die Versorgungswirtschaft - einen Katalog von Tipps verfasst hatte, wie zu verfahren sei, wenn sich die mit Energie versorgten Verbraucher einer Preisänderung unter Berufung auf § 315 BGB entgegenstellen und die gerichtliche Billigkeitskontrolle verlangen sollten. Möglichst frühzeitig, so der Ratschlag sinngemäß, sollten die widerspenstigen Kunden auf das extreme Kostenrisiko - Stichwort: „gerichtlich bestellter Sachverständiger“ - „hingewiesen“ werden, das ihnen drohte, sollten sie ihre Rechte aus § 315 BGB vor Gericht wahrnehmen wollen. Und so - das schwang deutlich mit, wurde aber meiner Erinnerung nach sogar ausdrücklich betont - würden die meisten Verbraucher sich einen solchen Schritt ins unkalkulierbare Risiko lieber zweimal überlegen und wohl davon Abstand nehmen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Kein Vorwurf gegen das Berliner (?) Anwaltsbüro. Dieses geht so vor, wie man es von ordentlichen Anwälten verlangen kann, nämlich als Interessenvertreter die Interessen ihrer Mandanten unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Methoden zum Tragen zu bringen.

Aber - den EVU ist (darauf kommt es mir hier an) klar bewusst, dass sie das Kostenrisiko angesichts des völligen Transparenzmangels der Preisänderungsregeln fast in nötigender Weise nutzen, wenn nicht sogar ausnutzen können, um den Verbraucher zu motivieren (oder ist „zu zwingen“ der richtigere Begriff?), sein Recht, das ihm § 315 zugesteht, nicht in Anspruch zu nehmen.

So wird Recht zur „Waffe“. Das ist zunächst einmal aber noch nicht weiter verwerflich. Denn eigentlich soll in einem Rechtsstaat ja das „Duell an der Dorfeiche“ auch nur in zivilisierter Form in den Gerichtssaal verlagert werden, bei dem der alte „Vorderlader“ durch das Recht ersetzt ist, und der Unterlegene den Ort des Geschehens maximal mit gesenktem Haupte - nicht aber mit einem Loch in demselben - verlässt.

Bedenklich ist es aber, wenn die Regeln des materiellen - also Ansprüche vermittelnden - Rechts derart ausgestaltet sind, dass nur einem der Vertragsparteien eine solche Waffe in die Hand gegeben wird, während die andere Seite mit bloßen Händen kämpfen soll. Während der Verbraucher die Karte § 315 BGB nur um den Preis des persönlichen wirtschaftlichen Untergangs ausspielen kann und ihm dieses Mittel damit „de facto“ aus der Hand geschlagen ist, kann sich der Versorger zurücklehnen und abwarten. Er kennt alle wirtschaftlichen Eckdaten aus eigener Anschauung aus dem FF und kann so - anders als der „widerspenstige“ Verbraucher - seine vorprozessualen und prozessualen Schritte sachbezogen und auf Grundlage einer profunden Prozessrisikoanalyse ausrichten.

Die Waffengleichheit vor Gericht

Damit ist, um einmal im Jargon des Duell-Zeitalters zu bleiben, der auch zum „Terminus technicus“ (zum Fachbegriff) des heutigen Verfassungsrechts geworden ist, ein tragendes Prinzip des Rechtsstaates, nämlich die „Waffengleichheit vor Gericht“ angesprochen.

Eine Regelung, die (unmittelbar oder mittelbar) auf einen Zivilprozess einwirkt, (nur) einer Seite quasi ein prozessuales Handicap auferlegt und damit die Waffen- bzw. Chancengleichheit vor Gericht von Anfang an ungleich verteilt, ist mit dem grundrechtlich verankerten „Grundsatz prozessualer Waffengleichheit“ nicht vereinbar.

Dieses Prinzip der Waffengleichheit hat seinen vom BVerfG anerkannten und in einer Vielzahl von Entscheidungen bestätigten Ursprung im rechtsstaatlichen Anspruch auf Justizgewährung (Art 80 Abs.3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), entspringt zudem dem grundrechtlich verankerten und auf sachgerechte Gleichbehandlung ausgerichteten Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem rechtsstaatlichen Fairnessgebot sowie dem vom BVerfG ausdrücklich hervorgehobenen Gebot effektiven Rechtsschutzes.

Mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung ist es keinesfalls vereinbar, wenn dem Einzelnen - wie vorliegend - zugemutet wird, einen Rechtsstreit nur deshalb aufzunehmen, um sich so unter Hinnahme eines extremen Kostenrisikos die Grundlagen zu beschaffen, die schon benötigt werden, um die kardinale Frage beantworten zu können, ob der Rechtsstreit und ggf. in welchem Umfange denn überhaupt aufgenommen werden soll.

Es geht im engeren Sinne also um die Vorhersehbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, die von derartiger Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist, dass das BVerfG diesem Aspekt neben den „klassischen“ Prozessgrundrechten (Art. 101, 103 GG) sowie dem effektiven Rechtsschutz, dem fairen Prozess sowie dem Justizgewährungsanspruch sogar eigenständige Bedeutung zugemessen hat.

An dieser Stelle - das will ich noch betonen - habe ich - entgegen der wissenschaftlichen Redlichkeit - darauf verzichtet, die einschlägigen Entscheidungen des BVerfG im Einzelnen zu benennen. Dieses würde den Nichtjuristen unter den Lesern vollends erschlagen. Aber diejenigen, die die angesprochenen Fragestellungen - vielleicht sogar aus wissenschaftlichem Interesse - vertiefen oder der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG in dieser Hinsicht einmal näher nachgehen möchten, sei das „Handbuch des Staatsrechts“ (C.F. Müller, Band V, Herausgeber: Isensee/Kirchhof, 3. Auflage, 2007) ans Herz gelegt, das insbesondere auf den Seiten 774 ff. eine umfassende Judikatur zur Thematik, also eine Kennzeichnung der richtungsweisenden Rechtsprechung des BVerfG, wie ich sie hier vorgetragen habe, nebst vielfältigen Fundstellennachweisen, enthält.

Ich will dieses kleine verfassungsrechtliche „Kompendium“ nun abschließen mit der auf dem Vorgesagten beruhenden Feststellung:

Das nationale Recht ist vom Gesetzgeber so auszugestalten, dass jeder Verfahrensbeteiligte in die Lage versetzt wird, seine Rechte wirksam wahrzunehmen. Da dieser beachtliche verfassungsrechtliche Grundsatz des sog. „effektiven Rechtsschutzes“ durch eine Regelung nicht gewahrt wird, die Verbraucher völlig im Unklaren darüber lässt, ob sie sich gegen die Preisfestsetzungen ihrer Versorger evtl. erfolgreich zu Wehr setzen können und ihnen im Streitfalle sogar eine „Kostenfalle“ erheblichen Ausmaßes androht, denen die Verbraucher auch bei gewissenhaftester Vorbereitung des Rechtsstreites nicht entgehen könnten, sind die intransparenten Preisfestsetzungsvorschriften, wie sie im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung auf Grundlage des EnWG i.V.m. der GasGVV Anwendung finden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und scheiden so als Preisänderungsregel aus.

Eine Übernahme einer solchen intransparenten Preisänderungsvorschrift aus der Verordnung - wie sie der VIII. Zivilsenat mit seiner EWE-Revisionsentscheidung vorgenommen hat - muss also schon an ihrer erkennbaren Grundrechtswidrigkeit scheitern.

Es geht mir hier also insbesondere darum, den § 315 BGB als Kontrollinstanz im Rahmen des Gasbezugs überhaupt erst einmal effektiv zur Geltung zu bringen. Eine Verbraucherschutzvorschrift, die aus den genannten Gründen (zumindest gegenwärtig noch) selbst im Gassondervertragsbereich - vom Grundversorgungsverhältnis ganz zu schweigen - eher einer „normierten Glückspielregel“ gleichkommt als einem wirksamen Kontrollinstrument im Sinne des Verbraucherschutzes. Effektivität im Interesse des Verbraucherschutzes kann § 315 BGB auf dem Gasenergiesektor aus meiner Sicht nur auf Grundlage von verlässlichen Informationen erlangen, die die Preisgestaltung schon im Vorfeld einer etwaigen Preisänderung (oder eben einer unterlassenen Änderung des Versorgungspreises) nachvollziehbar macht. Und damit ist nichts anderes umschrieben als „Transparenz“ auch auf dem Sektor der Grund- und Ersatzversorgung.

Aus meinen Erwägungen sollte jetzt eigentlich deutlich hervorgegangen sein, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, einem völlig intransparenten Preisregelungsniveau, wie es in der Grundversorgung vorliegt, seinen Segen zu erteilen - im Gassonderverhältnis aber alle Hebel in Gang zu setzen und unter Berufung auf die Transparenzrechtsprechung der BGH-Senate bei gleichzeitiger Ablehnung der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats sowie unter Heranziehung der europäischen Regelungsmaterien transparente Preisänderungsregeln zu fordern.

Ihre „These 2“, die ich Ihren Worten - „RR-E-ft“ - entnommen habe, die von Ihnen aus dem EnWG abgeleitete Preisänderungsregel in der Gasgrundversorgung sei rechtlich nicht zu beanstanden, ist deshalb aus den dargelegten (übrigens nicht nur verfassungsrechtlich bedeutsamen - doch dazu gleich noch einige Worte) Gründen aus meiner entschiedenen Sicht nicht zutreffend.

Die Beweisführung, mit der Sie Ihre oben bezeichnete „These 1“ zu belegen versuchen, dass nämlich die Regelung das Beste sei, was erreicht werden könne, überzeugt mich nicht!

Eine Regelung, die wegen ihrer Preisundurchsichtigkeit aus Verfassungsgründen nicht haltbar ist, ist rechtswidrig und kann schon von daher nicht als „das Beste, was erreicht werden kann“ angesehen werden.

Wenn der Gesetzgeber im Rahmen des EnWG (§§ 36, 2, 1 EnWG) in Verbindung mit der Rechtsverordnung (GasGVV) tatsächlich nicht mehr tun kann, um dem Transparenzgebot, das - wie gezeigt - auch in der Grundversorgung unbedingt zu herrschen hat, zu entsprechen, dann (aber auch nur dann) müsste er sich überlegen, ob er einen anderen, effektiveren Weg zu beschreiten hätte, um die dringend erforderliche Preistransparenz auch in der Grundversorgung sicherzustellen.

Und ich bin gar nicht mal so skeptisch, dass das Preistransparenzniveau in der Grundversorgung auf ein hinreichendes Maß gesteigert werden könnte, während wir heute sowohl im Sondervertragsverhältnis wie in der Grundversorgung - immer noch den Zustand „Null-Transparenz“ zu beklagen haben.

Hat der Gesetzgeber also im aktuell hier vorliegenden Regelungszusammenhang wirklich alles ihm Mögliche getan, um eine möglichst weitgehende Preistransparenz im Grundversorgungsverhältnis zu erreichen und damit die Interessen der Beteiligten angemessen zu „berücksichtigen“? Mit Sicherheit nicht. Er hat diesbezüglich nämlich gar nichts getan.

Wäre im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung aber nicht schon viel gewonnen, wenn der Gesetzgeber dem Grundversorger (gesetzlich normierte) Informationspflichten auferlegte, denen dieser - konkretisiert nach Art und Inhalt der mitzuteilenden Kostenstrukturen - regelmäßig nachkommen müsste? Informationspflichten, die Kostenelemente betreffen, die den Preis zumindest mitbestimmen?

Sie - RR-E-ft“ -„zeigen doch an anderer Stelle (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14469&threadview=0&hilight=Die+preistransparenz+kann+freilich+erh%F6ht&hilightuser=0&page=7) selbst auf, welche Informationen für die Nachvollziehbarkeit einer Preisgestaltung von Bedeutung sein könnten bzw. sind. Ohne dass derartige Informationspflichten den Grundversorgern aber bis heute gesetzlich zwingend auferlegt worden wären. Und der von Ihnen beschriebene Weg könnte sogar in die richtige Richtung weisen, weil das Risiko, das der Verbraucher mit einer Überprüfung der Preisbestimmung nach § 315 BGB einginge, umso geringer ist, je mehr Informationen ihm zu den preisbestimmenden Faktoren konkret vorliegen (und nicht nur irgendwie in den Untiefen des Internets aufzuspüren sein mögen).

Sie sagen also Folgendes - und daraus ergibt sich ein gehöriger Widerspruch zu Ihrer mir entgegengehaltenen These 1. Denn Sie sehen ja ggf. einen gesetzgeberischen Nachbesserungsbedarf(!), um zu einer hinreichenden Preistransparenz gerade auch auf dem Grundversorgungssektor zu gelangen:

Zitat
Die Preistransparenz kann freilich erhöht werden, etwa indem die Netzentgelte, wie sie auf Grund- und Arbeitspreis entfallen, ferner die Kosten des Messstellenbetriebs, der Messung und Abrechnung sowie alle staatlich vorgegebenen preisbildenden Kostenbestandteile (EEG, KWKG, Energiesteuer, Konzessionsabgabe, ... Mehrwertsteuer) bereits in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und auch auf allen Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letztverbrauchern detailliert unter der Angabe aufgeführt werden, wie diese in Grund- und Arbeitspreise einfließen, bisher nur ansatzweise § 40 EnWG, 4 KAV...

Zu den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV könnte zudem verlangt werden, dass alle Änderungen preisbildender Kostenfaktoren durch entsprechende detaillierte Auf- und Gegenüberstellung aufgezeigt werden müssen, welche sämtliche Veränderungen einzelner preisbildender Kostenbestandteile gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung enthalten müssen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Die Versorger (allen voran BDEW) sagen zu Recht, dass wesentliche preisbildende Kostenfaktoren staatlich reguliert und deshalb ihrem Einfluss entzogen seien. Dann müssen zumindest diese detailliert sowohl in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG als auch deren zwischenzeitliche Veränderung gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung detailliert in den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV ausgewiesen werden.

Schließlich kann die Preisbestimmungspflicht im engeren Sinne nur die vom Grundversorger beeinflussbaren preisbildenden Kostenfaktoren betreffen.

Die seinem Einfluss entzogenen preisbildenden Kostenfaktoren sind schließlich auch für alle Wettbewerber gleich. Alle Versorger kennen sie, nur die betroffenen Verbraucher nicht.

Und das ist doch genau der Punkt: Die Verbraucher kennen diese Eckdaten eben nicht, müssten sie aber detailliert kennen, um die einseitige Preisfestsetzung (auch die Nichtabsenkung des Preises ist übrigens eine Ausübung der dem Grundversorger obliegenden Preisfestsetzungspflicht, wenn auch nur eine negative) auf ihre Gesetzmäßigkeit, ihre Billigkeit überprüfen zu können.

Zitat
Die Billigkeitskontrolle kann zugleich erheblich erleichtert werden.

Sie muss erheblich erleichtert werden, um sie überhaupt erst zu ermöglichen und so nicht weiterhin völlig ins Leere laufen zu lassen.

Zitat
Es ist das selbe Prüfungsraster, dass Verbraucheranwälte heute schon bei der Billigkeitskontrolle abzuarbeiten haben ...

Nur dass Verbraucheranwälte ihrerseits für eine inhaltstiefe und von ihnen zu verantwortende Prüfung im Vorfeld eines Prozesses (Prozessrisikoanalyse - s.o.), alle wesentlichen preisbildenden Faktoren kennen müssen, die aber für Verbraucheranwälte regelmäßig ebenso im Dunkeln liegen, wie für deren Mandanten selbst. Zu der von Ihnen so bezeichneten „Abarbeitung“ kann es oft erst auf Grundlage der vom gerichtlichen Sachverständigen zu Tage geförderten Kostenstrukturen kommen. Für eine Prüfung der Angem
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 28. Dezember 2010, 12:03:24
Zitat
Original von __hp__
Der BGH hat nun aber (zumindest) für Verbraucher, die mit EVU zunehmend und mittlerweile massenhaft Sonderverträge abschließen, auch die bedeutsame Verbraucherschutzvorschrift § 307 BGB von vornherein für unanwendbar erklärt, wenn - wie eben gesagt - eine nachteilige Abweichung der einbezogenen Versorger-AGB in den Versorgungssondervertrag nicht nachteilig von der Verordnung abweicht.

Die Voraussetzung, die der VIII. Zivilsenat hier heranzog, um § 307 BGB im Sonderkundenbereich für Verbraucher endgültig leer laufen zu lassen (die nicht nachteilige Abweichung von der Verordnung also), entspricht erkennbar exakt derjenigen, die der Gesetzgeber in § 310 Abs. 2 BGB für den Ausschluss lediglich der §§ 308 und 309 BGB aufstellt hat.

§ 310 Abs. 2 BGB ist seit der Revisionsentscheidung des VIII. Zivilsenats nun also so zu lesen: „Die §§ 307, 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge mit Endverbrauchern ...“

Hier liegt der Fehler Ihrer Argumentation.

Betrachten wir doch einmal den § 307 BGB:

§ 307
Inhaltskontrolle.(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

 1.  mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
 2.  wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
.

Dort steht wörtlich (erst einmal) nichts über Preisanpassungsklauseln. Der § 307 BGB legt fest, dass eine Klausel in AGB nichtig ist, wenn sie den Vertragspartner \"unangemessen benachteiligt\". Eine solche unangemessene Benachteiligung kann sich laut § 307 BGB auch daraus ergeben, dass die Regelung \"nicht klar und verständlich ist\".Die Frage, ob eine solche \"unangemessene Benachteiligung\" vorliegt, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.

Wann eine Preisanpassungsklausel aber i.S.d. § 307 BGB \"klar und verständlich\" ist und wann nicht, liegt in der Beurteilung des Gerichtes.

Der BGH hatte nun in der Vergangenheit in eigener Rechtsprechung bestimmte Richtlinien aufgestellt, nach denen die Transparenz einer Preisanpassungsklausel zu messen ist. In der von Ihnen kritisierten Entscheidung zur Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechtes in Sonderverträge ist der BGH von eben diesen Richtlinien abgewichen und hat dies auch offen in der Urteilsbegründung bekannt.

Der BGH begründet diese Abweichung mit dem Hinweis auf die gleichgelagerte Transparenz in § 5 Strom/GasGVV. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des § 307 BGB kann eine Regelung, die der Gesetzgeber selbst den Tarifkunden \"zumutet\" für Sonderkunden nicht plötzlich unzumutbar sein. Denn Sonderkunden müssen (laut BGH) hinsichtlich der Transparenz des Preisanpassungsrechtes nicht besser gestellt werden als Taifkunden.

Insoweit hat der BGH den § 307 BGB eben nicht etwa für \"unanwendbar erklärt\", sondern nur im dort betrachteten Einzelfall eine Angemessenheitsprüfung vorgenommen (deren Ergebnis jetzt nicht ihre zustimmung findet)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Januar 2011, 19:38:35
@_hp_

Wir scheinen in einem zentralen Punkt diametral auseinander zu liegen.

Eine Gleichbehandlung von Sondervertragkunden und grundversorgten Kunden verstößt selbst gegen Art. 3 GG.

Bei Sonderverträgen wird bei Vertragsabschluss ein Preis vereinbart.
Dies ist dort die Preishauptabrede.
Die Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.
Und an dieser Stelle ist für die Anwendung des § 315 BGB keinerlei Platz (zutreffend BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

In der Grundversorgung sind - wie andernorts von mir herausgearbeitet - Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Auch Grundversorgungsverträge kennen eine Preishauptabrede.
Diese besteht jedoch gerade nicht in einer (dort unzulässigen) Preisvereinbarung, sondern von Anfang an in einer Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Eine Preisnebenabrede, die überhaupt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen könnte, gibt es hingegen in der Grundversorgung  überhaupt nicht.
In der Grundversorgung ist deshalb für eine Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB keinerlei Platz.

Deshalb ist es unzutreffend, dass eine gem. § 307 BGB zulässige Preisänderungsklausel überhaupt noch Platz für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB beließe (nochmals BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

Eine Preisänderungsklausel muss um wirksam zu sein selbst bereits die Preiskalkulation offen legen und die Gewichtung der preisbildenden Kostenfaktoren am vereinbarten Vertragspreis wie auch Anlass und Richtlinien für nachträgliche Preisänderungen benennen und in hohem Maße konkretisieren.

Wo dies aber der Fall ist, ist gar kein Platz mehr für den weiten Spielraum der Billigkeit des § 315 BGB.

Bereits aus § 315 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Norm nicht auf sämtliche Leistungsbestimmungsrechte Anwendung findet, sondern nur auf solche, für die vertraglich keine genaueren Richtlinien vereinbart sind (\"im Zweifel\").  Ein hohes Maß an Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlienien ist jedoch gerade Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Ich halte auch dafür, dass in der Grundversorgung die Transparenz ohne weiteres erhöht werden kann und habe dazu auch eigene Vorschläge aufgezeigt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 10. Januar 2011, 20:29:01
Zitat
@black
Der BGH begründet diese Abweichung mit dem Hinweis auf die gleichgelagerte Transparenz in § 5 Strom/GasGVV. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des § 307 BGB kann eine Regelung, die der Gesetzgeber selbst den Tarifkunden \"zumutet\" für Sonderkunden nicht plötzlich unzumutbar sein. Denn Sonderkunden müssen (laut BGH) hinsichtlich der Transparenz des Preisanpassungsrechtes nicht besser gestellt werden als Taifkunden.

Ein klassicher Fall von Zirkelschluss !

Es ist nur die Farbe des Wortes, welches die Scheinheiligkeit der Argumentation des BGH entlarvt:
\"Nicht besser gestellt\" kann, in einer anderen Farbe zum Ausdruck gebracht, darstellen worum es (m.E. auch @____hp___) in der Sache und im Endeffekt geht, nämlich : \"Gleich schlecht gestellt\".

Ferner haben die Überlegungen von @___hp___  zur Frage der Waffengleichheit der Prozessbeteiligten eine überaus aktuelle und greifbare Bedeutung für alle Verbraucher in der Grundversorgung.

Der Hinweis in der Entscheidung vom 19.11.2008 , VIII ZR 137/08 , wonach es für die Billigkeitsprüfung grundsätzlich nicht der Vorlage von Kalkulationsunterlagen, Bezugsverträgen, etc. bedürfe, wird in den allermeisten Fällen von den unteren Instanzen als Verbot aufgefaßt, solche Unterlagen der klagenden Partei zur Vorlage aufzugeben.

Was nützt es dem Verbraucher, wenn man seine Interessen unter Anwendung des § 315 BGB gewahrt sehen und dem Versorger die Darlegungs- und Beweislast für die Kriterien der Billigkeit auferlegt sehen will, wenn man ihm dann im Prozess hierüber \"die Türe wieder zuschlägt\".

Die verfassungsrechtlichen Brennpunkte hierbei (welche ja auch der VIII.Senat beleuchtet) sind ja hinlänglich bekannt. Wieviel Wert dabei aber dem Gebot des rechtlichen Gehörs auf Beklagtenseite beigemessen wird, läßt sich in der Regel schon daran ablesen, dass in den unteren Instanzen (gestützt auf eben das zitierte \"Grundsätzlichkeits-Postulat\" vom 19.11.2008 ) nicht einmal beanstandet wird, dass der Versorger keinen Vortrag dazu hält, welche Nachteile ihm durch die Vorlage dieser Kalkulationsunterlagen, etc. entstehen können.

Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz, stehen sich wie Feuer und Wasser gegenüber, seit die Daseinsvorsorge in die Hände der Privatwirtschaft gelangte. Nur so konnte man auf die Idee kommen, dass der Schutz von Berufs-/Geschäftsgeheimnissen und das Recht auf Eigentum einerseits dem Recht des Verbrauchers auf rechtliches Gehör vor Gericht andererseits in die Quere gelangen soll.

Wenn es schon im Wortlaut der GVV\'s keine Transparenz gibt, dann gehört diese wenigstens in das Prozessgeschehen. Der VIII. Senat hätte genauso gut sagen können (so wie schon am 02.10.1991, VIII ZR 240/90): \"Grundsätzlich obliegt es dem Versorger seine Kalkulationsunterlagen vorzulegen; nur im vorliegend Falle, aus den Gründen x,y,z, gerade eben nicht\".

@___hp___ steht auf dem richtigen Weg, weil er sagt, was er denkt und insbesondere über die Haltung des VIII. Senats denkt, welche lautet: \"Du hast keine Chance, nutze sie !\"
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Januar 2011, 21:44:38
Der Weg der Inhalts- und Transparenzkontrolle einer Preisnebenabrede gem. § 307 BGB ist wie aufgezeigt ein vollkommen anderer als der Weg der Angemessenheits- und Vertragsgerechtigkeitskontrolle gem. § 315 BGB in dem Bereich, in welchem eine Preisbestimmungspflicht eines Vertragteils besteht und es deshalb gilt, den von diesem einseitig festgesetzten Preis gerichtlich zu kontrollieren.

Es war gerade der Fehler des VIII. Zivilsenats hinsichtlich dieser zwei vollständig verschiedenen Rechtsinstitute, welche vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalten bestreffen, zu einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen (unzulässigen) Chimäre verbastelt zu haben.

Wenn man daran Kritik üben will, darf man nicht den gleichen Denkfehler begehen, sondern musss seinen eigenen Weg gehen und darauf achten, dass nicht jemand auf diesem Weg rumsteht, ihn also versperrt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Januar 2011, 21:58:22
Wer nur der Allgemeinen Teil zum Schuldrecht des BGB zutreffend gelesen, gehört und verstanden hat, wird um die Feststellung nicht herumkommen, dass die Erwägung des VIII. Zivilsenats des BGH vollkommen rechtsfehlerhaft ist, wonach die gesetzliche Preisbestimmungspflicht und § 315 BGB auf den gleichen Erwägungen beruhen, wie eine Preisänderungsklausel, die ein (aus einer Preisvereinbarung folgendes) bestehendes Äquivalenzverhältnis wahren soll.

Diese Auffassung ist mit der materiellen Gesetzeslage vollkommen unvereinbar.
Sie ist falsch, falsch, falsch!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Januar 2011, 23:52:04
@_hp_

Bei Ihrer Prozeskostenanalyse fällt auf, dass Sie als Streitwert den Umfang einer Preisänderung annehmen. Warum eigentlich?

Wenn jedoch die Billigkeitskontrolle aus von mir genannten Gründen den gesamten Preis betrifft, könnte man wohl für eine Feststellungsklage auch den 3,5fachen Jahresbetrag  für Energielieferungen als Streitwert annehmen.

Dann sieht die Sache schon deutlich anders aus.

Die Sache sieht ebenso anders aus, wenn jemand sich vollständig auf die Unverbindlichkeit des einseitig festgesetzten Preises beruft.

Da war mal ein Kunde, der stritt mit seinem kommunalen Versorger seit 2004 um die Angemessenheit der einseitig festgestzten Strompreise und kürzte auf anwaltlichen Rat sogar auf null. Er berief sich u.a. auf BGH X ZR 60/04 und VIII ZR 240/90.

Insgesamt waren dadurch 19.000 € \"Außenstände\" bis 2007 aufgelaufen. Der Vesrorger verlangte Zinsen, Mahnauslagen, vorgerichtliche Anwaltskosten .. Das Übliche eben und klagte sodann.

Versorger und Kunde hatten für ihren Streit ausgewiesene Spezialisten in diesem Bereich als Prozessbevollmächtigte aufgeboten, die teilweise von weither anreisten.
 
Vor Gericht einigte man sich nach Erörterung der Billigkeitsproblematik Ende 2007 recht zügig auf eine Zahlung des Beklagten in Höhe  von EUR 10.600 in zwei Raten ohne Zinsen sowie auf Kostenaufhebung.

In einen solchen Vergleich wurde durch den Kunden eingewilligt, weil nichts dafür sprach, dass nur die Hälfte des Strompreises immer noch unangemessen hoch gewesen wäre, eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu einer niedrigeren Forderung geführt hätte. Dieser beklagte Kunde hatte durch den Vergleich also EUR 8.400 Hauptforderung, dazu geforderte Zinsen, Mahnauslagen, vorgerichtliche Anwaltskosten des Versorgers eingespart. Auf Preiserhöhungen beruhten von den EUR 19.000 Hauptforderung dabei nur etwa  EUR 2.000.

Bemerkenswert daran war, dass auch der betreffende Versorger mit dieser vergleichsweisen Regelung zufrieden war und deshalb in diese eingewilligt hatte.

Zum Ende waren deshalb sowohl der Kunde als auch  der Versorger zufrieden, die Anwälte bei RVG- Gebühren ebenso.

Hätte der betroffene Kunde also die Preisforderungen des Versorgers nur um EUR 2.000 gekürzt, hätte man sich wohl am Ende niemals auf einen alle Seiten ebenso zufrieden stellenden Vergleich einigen können. Bei einem geringen Streitwert hätte man wohl länger erbittert gerungen, weil ein Vergleich in Anbetracht der Einigungsgebühr dann keinen rechten Sinn gemacht hätte.

Auch so etwas will in der Praxis ja bedacht sein.

Unterliegt der gesamte Preis der Billigkeitskontrolle und zahlte der Kunde nach Unbilligkeitseinrede ausschließlich unter Vorbehalt, kann er mit einer Rückforderungsklage dergestalt Erfolg haben, dass er alle Zahlungen zurückerhält.

OLG Celle, Urt. v. 17.06.10 Az. 13 U 155/09 (Kart) Vollständige Rückzahlung bei Unbilligkeit (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14268)

Da muss man ja auch mal dran denken.

Und wenn man so daran denkt, wird man sich wohl vorstellen können, dass die Aussicht darauf die Energieversorger bei Preisbestimmungen infolge der Preisbestimmungspflicht sehr effektiv disziplinieren könnte.

Die Erfahrung lehrt deshalb, dass die Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Energiepreise durchaus zu zufrieden stellenden Ergebnissen für alle Beteiligten führen kann.

Wie jeder Prozess bieten sich die Chancen dabei nur demjenigen, der auch die damit verbundenen Risiken mutig eingeht.
Alles kann, nichts muss.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 13. Januar 2011, 11:02:56
RR-E-ft - Ihre mir erteilte Lehrstunde in Sachen \"Deutsches Schuldrecht\" hat den Adressaten erreicht! Woraus Sie ableiten, ich hätte eine solche nötig, werden wir ggf. noch zu klären haben!

Aber: Ist Ihre im Gewande der Unfehlbarkeit und Absolutheit daherkommende \"Belehrung\" tatsächlich über jeden fachlichen Zweifel erhaben?

Oder stecken in ihr vielmehr krasseste elementare Fehler, die Ihnen Anlass bieten sollten, Ihre Rechtsposition noch einmal einer gehörigen Revision zu unterziehen?

Die Antwort steckt eigentlich schon in der Frage.

Insofern sollten Sie jetzt nicht zu sehr darauf setzen, ich hätte ob Ihres nicht erbetenen Nachhilfeunterrichts nunmehr die weiße Fahne auf Halbmast gesetzt.

Die von mir ausgehende Stille geht dann auch keinesfalls von einer wie auch immer gearteten \"Sprachlosigkeit\" aus, sondern ist dem Umstand geschuldet, dass ich mich zur Zeit im mehr oder weniger verdienten \"Winter-viel-zu-kurz-Urlaub\" befinde.

Sie werden von mir aber in Kürze eine angemessene Antwort auf Ihre letzten Beiträge erhalten - worauf Sie sich verlassen können!

Es besteht - dieses schon einmal vorweg - kein Anlass, auch nur einen \"Millimeter\" von meiner begründeten Position, wie sie in meinen Beiträgen zum Ausdruck gekommen ist, abzurücken!

In ca. 10 Tagen werden Sie an dieser Stelle von mir hören, und zwar dann noch einmal in sehr grundsätzlicher Form
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Januar 2011, 11:20:53
Zitat
Original von __hp__
RR-E-ft - Ihre mir erteilte Lehrstunde in Sachen \"Deutsches Schuldrecht\" hat den Adressaten erreicht! Woraus Sie ableiten, ich hätte eine solche nötig, werden wir ggf. noch zu klären haben!

Aber: Ist Ihre im Gewande der Unfehlbarkeit und Absolutheit daherkommende \"Belehrung\" tatsächlich über jeden fachlichen Zweifel erhaben?

Oder stecken in ihr vielmehr krasseste elementare Fehler, die Ihnen Anlass bieten sollten, Ihre Rechtsposition noch einmal einer gehörigen Revision zu unterziehen?

Die Antwort steckt eigentlich schon in der Frage.

Insofern sollten Sie jetzt nicht zu sehr darauf setzen, ich hätte ob Ihres nicht erbetenen Nachhilfeunterrichts nunmehr die weiße Fahne auf Halbmast gesetzt.

Die von mir ausgehende Stille geht dann auch keinesfalls von einer wie auch immer gearteten \"Sprachlosigkeit\" aus, sondern ist dem Umstand geschuldet, dass ich mich zur Zeit im mehr oder weniger verdienten \"Winter-viel-zu-kurz-Urlaub\" befinde.

Sie werden von mir aber in Kürze eine angemessene Antwort auf Ihre letzten Beiträge erhalten - worauf Sie sich verlassen können!

Es besteht - dieses schon einmal vorweg - kein Anlass, auch nur einen \"Millimeter\" von meiner begründeten Position, wie sie in meinen Beiträgen zum Ausdruck gekommen ist, abzurücken!

In ca. 10 Tagen werden Sie an dieser Stelle von mir hören, und zwar dann noch einmal in sehr grundsätzlicher Form


@_hp_

Entspannen Sie sich bitte getrost.  

Ich habe Ihnen ganz bestimmt in persönlicher Ansprache keine Lehrstunde in deutschem Schuldrecht zuteil kommen lassen (wollen), schon gar nicht um mir damit Lehrgeld zu verdienen.  ;)

An Ihrer geschätzten Meinung bin im Übrigen nicht nur ich  sehr interessiert.

Ausgesprochen gern lese ich wieder von Ihnen. Werde mir aber deshalb den avisierten Termin nicht gleich im Kalender vermerken.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 13. Januar 2011, 11:22:11
@_____hp_____

Spannend   :  D
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 13. Januar 2011, 11:53:07
RR-E-ft kanns nicht lassen ...

Wirklich spannend!  :)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Januar 2011, 11:57:35
Herr jroettgen ist wohl auch nicht in der Lage, Nutzernamen hier im Forum richtig zu schreiben.  ;)
Sein Senf ist wenig spannend.
Seine Thesen werden wohl eindrucksvoll widerlegt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 13. Januar 2011, 15:35:08
Billigkeitskontrolle in der Praxis mit zufrieden stellenden Ergebnissen

@RR-E-ft
Zitat
Vor Gericht einigte man sich nach Erörterung der Billigkeitsproblematik Ende
2007 recht zügig auf eine Zahlung des Beklagten in Höhe von EUR 10.600 in zwei
Raten ohne Zinsen sowie auf Kostenaufhebung.

Potzblitz, welch ein Highlight der Prozessökonomie ;) ; wie hoch waren denn die
Anwaltskosten des Beklagten, wenn die Frage erlaubt ist.
Gehe ich fehl in der Annahme, dass nicht auf Basis Vergleichsgebühr, Prozessgebühr,
Geschäftsgebühr ....... abgerechnet wurde, sondern auf einem \"angemessenen\";)
Stundensatz von 800,-- € (angesichts der zuvor von Ihnen erwähnten Koryphäen,
die es auf diesem zu beackerndem Feld angeblich gibt, doch nicht so abwegig oder??).

Erst danach sollte man dann \"bilanzieren\" was die Kostenseite des Beklagten anbetrifft.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Januar 2011, 15:37:30
Wenn nach RVG abgerechnet wurde und der Streitwert 19.000 € betrug, kann doch jeder selbst unter http://www.prozesskostenrechner.de ermitteln, wie hoch die Kosten für jede Partei bei gegenseitiger Kostenaufhebung waren.

Zitat
Anwaltsgebühren         4.242,00 €
Auslagenpauschalen            40,00 €
MWSt 19%                   813,58 €
Gerichtsgebühren           265,00 €
                   ---------------
Gesamtkosten             5.360,58 €

Davon hatten dann bei Kostenaufhebung Kläger und Beklagter je 1/2 zu trage, also jeder seine Kosten selbst und die Gerichtskosten je zur Hälfte.
Das ging so flott, da hätte ein vereinbarter Stundensatz für den Beklagtenvertreter auch nicht mehr erbracht.
Möglicherweise hatte der Klägervertreter einen Stundensatz vereinbart, mehr Zeit gebraucht, und allein mit seinen - von der Klägerin zu zahlenden Honoraren - wurden die vom Beklagten an diese gezahlten 10.600 EUR vollständig wieder aufgezehrt. Möglicherweise musste der Versorger für seinen Anwalt sogar noch etwas oben drauf legen. Ging aber alles. Da braucht sich keiner sorgen. ;)

Hätte man sich im selben Fall nur um 2.000 EUR gestritten, hätte es gewiss Probleme gegeben.

Vielleicht war es sogar so, dass der Versorger an seinen Anwalt ein so hohes Honorar zu zahlen hatte, dass am Ende von der Zahlung des beklagten Kunden nichts für den Versorger übrig blieb. In nachfolgenden Billigkeitsprozessen hat sich der selbe Versorger soweit ersichtlich nie wieder dieser Anwaltskanzlei aus Hamburg bedient. Man wählte einmal eine spezialisierte  Berliner Kanzlei und hat sich auch dabei vortrefflich verglichen. Dann wählte man eine Kanzlei aus der Landeshauptstadt und verglich sich wiederum vor dem Landgericht in erster Instanz mehrmals vortrefflich, nämlich 30/70 mit entsprechender Kostentragung, also 70 Prozent der Kosten beim Versorger. Und selbst bei Abrechnung nach RVG hatte der Versorger dabei mehr an Kosten zu tragen, als er von den verklagten  Kunden an Zahlung aufgrund des geschlossenen Vergleichs schlussendlich je rein bekam. Und die beklagten Kunden zeigten sich hiernach mit dem Ergebnis ihres Billigkeitsprozesses immer zufrieden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Elohim.Vista am 14. Januar 2011, 18:07:18
Liebe Mitstreiter,

dieser Thread lässt mir keine Ruhe ...

Zitat
Original von RR-E-ft
@_hp_
Unterliegt der gesamte Preis der Billigkeitskontrolle und zahlte der Kunde nach Unbilligkeitseinrede ausschließlich unter Vorbehalt, kann er mit einer Rückforderungsklage dergestalt Erfolg haben, dass er alle Zahlungen zurückerhält.

OLG Celle, Urt. v. 17.06.10 Az. 13 U 155/09 (Kart) Vollständige Rückzahlung bei Unbilligkeit (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14268)

Meine Frage:

Lassen sich die in diesem Thread behandelten Netzbetreiber-Beispiele prinzipiell auf grundversorgte Stromkunden anwenden?

Wenn ja, vielleicht nach dem Motto:
Die Vereinbarung eines Anfangspreises (Sondervertrag) gezielt vermeiden und gleich in die (teurere) Grundversorgung gehen. Dann sofort kürzen, je nach Temperament auf 0€. Klage abwarten, Preisfeststellungsverfahren durchziehen und den gerichtlich ermittelten Preis nachzahlen (vielleicht sogar 0€). Eine hoffentlich nicht zu hoch ausfallende Prozesskostenbeteiligung nebst RA-Kosten investieren (womöglich muss EWE alles übernehmen)

Vorteile:
- Man muss nicht \"Besitzer\" eines möglichst alten Vertrages mit niedrigem Anfangspreis sein und kommt schon als Neueinsteiger in den Genuss der Kürzung
- In die Grundversorgung abgeschobene Protestler könnten \"jetzt erst richtig\" kürzen, wenn der zuvor gekündigte Sondervertrag noch \"jung\" war und wegen dem bereits hohen Anfangspreis nur wenig Spielraum für eine Kürzung bot (mein Fall).
- Druck für die EWE´s, Transparenz zu schaffen

Nachteile? Natürlich keine  :D

Chancen?
Mir schwant: Amtsgericht -> OLG und schlieißlich BGH mit dem \"EWE-BallAmigo\" und seinen obiter dicta als Prellbock. Was für eine Herausforderung!

Herzliche Grüße
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 15. Januar 2011, 02:39:25
\"Netzbetreiber als Grundversorger?\" - für viele sicherlich ein sehr interessantes Thema. Gerade deshalb sollte man nicht diejenigen von der Diskussion ausschließen, die hinter dem von mir gestarteten Thread \"Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH?\" zu Recht etwas ganz anderes erwarten!

\"RR-E-ft\" hatte dazu den Vorschlag unterbreitet, die \"nicht so ganz\" das Thema \"meines\" Threads treffenden Beiträge - also diejenigen zum Thema \"Netzbetreiber <=> Grundversorger\" - in den schon bestehenden Thread mit genau diesem Themenschwerpunkt und genau diesem Namen zu verschieben.

Ich weiß zwar nicht, wie da (\"verschiebetechnisch\" sozusagen) der letzte Stand der Dinge ist!? Passiert ist es aber bisher wohl noch nicht.

Ich habe in dieser Frage dann aus dem genannten Grund auch nicht nur nichts dagegen, so zu verfahren, sondern bin von dem Vorschlag RR-E-fts - nur zur Klarstellung: \"Genitiv-S\"  :)  - regelrecht begeistert, weil es unter \"meinem\" Thread ja in Kürze \"streng themenbezogen\" weitergehen soll (wofür ich natürlich keine Garantie abgeben mag, aber wie hieß der Kalauer doch so schön: \"Die Hoffnung stirbt …\" Ich krieg\' das jetzt leider nicht mehr so ganz zusammen; einfach schon zu spät …). Und um auch denjenigen, denen am Thema \"Der VIII. Zivilsenat, der EuGH …\" in seiner etwas modifizierten Thematik von vor dem \"Netzbetreiber-Grundversorger-Exkurs\" gelegen ist, nicht völlig im Regen stehen zu lassen, sollte verschoben werden.

\"Evitel2004\" - ich habe kurz eine Liste mit den Beiträgen erstellt, die mit dem vorliegenden Thread themenmäßig so gar nicht kompatibel sind. Deshalb sollten diese Beiträge \"umgehangen\" werden, wenn die Autoren nichts dagegen einzuwenden haben:

28.12. 15:51 (jroettges)
28.12. 16:14 (RR-E-ft)
13.01. 13:10 (jroettges)
13.01. 13:26 (RR-E-ft)
13.01. 13:56 (jroettges)
13.01. 14:07 (RR-E-ft)
13.01. 15:13 (jroettges)
13.01. 15:26 (RR-E-ft)
13.01. 15:49 (tangocharly)
13.01. 15:52 (RR-E-ft)
13.01. 16:01 (PLUS)
13.01. 16:37 (Black)
13.01. 16:53 (jroettges)
13.01. 18:50 (Black)
13.01. 20:51 (RR-E-ft)
14.01. 09:02 (Evitel2004)
14.01. 18:49 (Netznutzer)
14.01. 19:37 (jroettges)


Die hier nicht näher aufgelisteten Beiträge von RR-E-ft und jroettges, wo sich die beiden nach \"Herzenslust\" in die Haare kriegen, legen ein beredtes Zeugnis darüber ab, dass man beide nach Möglichkeit nicht \"in persona\" aufeinandertreffen lassen sollte. Denn ansonsten müsste man befürchten, dass die Sache mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren enden würde.

Für die entsprechenden Beiträge der beiden Streithähne müsste wohl erst noch ein passender Thementhread zwecks Verschiebung erfunden werden. Ich schlage im Bedarfsfall vor: \"Sodom und Gomorra\". Bis dahin können sie gerne auch dort bleiben, wo sie jetzt stehen: Im Thread \"Der VIII. Zivilsenat …\", dessen Rechtsprechung ja auch irgendwie an … Aber das hatten wir ja schon!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: DieAdmin am 15. Januar 2011, 12:22:21
die aufgelisteten Beiträge sind nun im anderen Thread zu finden:

Grundversorger <-> Netzbetreiber (http://forum.bdev.de/thread.php?threadid=14870)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: bolli am 17. Januar 2011, 09:24:10
Zitat
Original von Elohim.Vista
Meine Frage:

Lassen sich die in diesem Thread behandelten Netzbetreiber-Beispiele prinzipiell auf grundversorgte Stromkunden anwenden?

Wenn ja, vielleicht nach dem Motto:
Die Vereinbarung eines Anfangspreises (Sondervertrag) gezielt vermeiden und gleich in die (teurere) Grundversorgung gehen. Dann sofort kürzen, je nach Temperament auf 0€. Klage abwarten, Preisfeststellungsverfahren durchziehen und den gerichtlich ermittelten Preis nachzahlen (vielleicht sogar 0€). Eine hoffentlich nicht zu hoch ausfallende Prozesskostenbeteiligung nebst RA-Kosten investieren (womöglich muss EWE alles übernehmen)
...
Nachteile? Natürlich keine  :D

Herrn RR-E-ft\'s Betrachtungsweise für die Grundversorgung und die Billigkeit der dortigen Preise scheint MIR schlüssig, jedoch , zumindest bisher, dem VIII. Senat nicht (wobei RR-E-ft ja immer noch die Hoffnung hat, dass man es ihm nur gut genug erläutern muss, nur darf ER da ja meines Wissens nicht als Verfahrtensanwalt zur Erklärung hin  ;)), der von seiner Preissockeltheorie aus seinem Urteil vom 13.06.2007 VIII ZR 36/06 bisher wohl noch  nicht abgerückt ist und daher der Billigkeitsprüfung des GESAMTEN Preises im Weg steht.

Inwieweit hier national überhaupt noch eine Änderung zu erreichen ist, scheint mir fraglich, da man beim BGH in letzter Zeit zunehmend auch Urteile aus dem Kartellgerichtsbereich (also Urteile der Kartellsenate der OLGs, für die normalerweise der Kartellsenat des BGH zuständig wäre, der eine andere Meinung als der VIII. Senat bezgl. der Billigkeitsprüfung vertritt) an den VIII. Senat zwecks Entscheidung übergibt.

Da auch fraglich scheint, inwieweit eine personelle Änderung im Vorsitz des VIII. Senats irgendwann eine inhaltliche Änderung dieses Punktes mit sich bringt und aus meiner Sicht diese Frage auch nicht von den EU-Richtlinien betroffen ist (die preisgünstige Versorgung taucht ja im nationalen Gesetz EnWG auf) kommt aus meiner Sicht wohl langfristig nur eine weitere Konkretisierung des Gesetzes in Frage, die aber weder mit der jetzigen Regierung zu machen sein dürfte noch ganz risikolos ist (RR-E-ft erläuterte ja schon mal, dass die Änderung des EnWG auch \"nach hinten\" losgehen kann, da in solchen Verfahren immer divergierende Interessen einfließen und manchmal am Ende nicht das rauskommt, was man zunächst bei der Änderung erreichen wollte  X( ).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 17. Januar 2011, 19:27:33
@ _hp_

Zitat
Denn ansonsten müsste man befürchten, dass die Sache mit
Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren enden würde.

Auch auf die Gefahr hin, dass die \"off-topic\"-Fahne in Jena hochgeht:

Diese Gefahr sehe ich zumindest im Augenblick nicht, da RR-E-ft mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zunächst prüfen wird, ob
Forenmitglied jroettges überhaupt satisfactionsfähig ist; immerhin hat
er uns und dem von mir wg. seiner sachlichen Beiträge sehr geschätzten
Forenmitglied Dr. Lothar Gutsche mit erhobenenem Zeigefinger mitgeteilt,
dass er schließlich eine Ausbildung als Jurist mit 2. Staatsexamen
erfolgreich abgeschlossen und damit automatisch die Befähigung zum
Richteramt erworben habe. Er erwarte daher von Dr. Lothar Gutsche
eine \"gehörige Entschuldigung\" dafür, dass dieser es gewagt habe, ihm,
dem Forengott, zudem einem \"Organ der Rechtspflege\", sinngemäß die
schlichte Frage zu stellen, wessen Wort er eigentlich redet:D.

Die Antwort auf diese Frage von Dr. Lothar Gutsche hat Prof. Dr. Torsten
Tristan Straub allerdings schon am 6. Oktober 2001 in der Süddeutschen
Zeitung gegeben:

\"Der deutsche Jurist ist das Produkt einer Ausbildung, die ihn so gesinnungstüchtig
macht, dass er jedwedem Regime dienen kann und deshalb auch dessen Wechsel
übersteht.\"

Es bedurfte m.E. auch keiner weiteren, sehr umfangreichen Beiträge und
auszutragenden \"Duelle\", den der von Dr. Gutsche gestartete Thread war
vom OLG Koblenz, wie immer im vorauseilenden Gehorsam, schon 2004 entschieden,
siehe hier: OLG Koblenz Az.: 1 U 1554/02.

Der deutsche Rechtsgrundsatz, dass der Staat nicht für falsche Urteile
haften muss, ist mit europäischem Recht vereinbar. Das hat das Oberlandesgericht
Koblenz entschieden. Nach Überzeugung der Richter ist das so genannte richterliche
Haftungsprivileg ein Bestandteil der europäischen \"Rechtsordnung\", da es in den
meisten EU-Mitgliedsstaaten anerkannt sei (Az.: 1 U 1554/02).

Was Dr. Gutsche mit dem vorzitierten Beitrag eigentlich wollte, so drängt es sich
mir auf, ist sinngemäß folgende schlichte Fragestellung in einem Diskussionsforum:

Wie komme ich dem Tiefschlaf richterlicher Selbstzufriedenheit und der für einen
Bürger mit gesundem Menschenverstand nicht ganz selbstverständlichen Tatsache
bei, dass fundierte Kritik von Prozeßparteien, RAen und redlichen Politikern (soll
es angeblich auch noch geben) an einem Wall gut organisierter und funktionierender
Selbstimmunisierungsmechanismen in der BRD-Justiz regelmäßig abprallt ( so der
ehem. Richter am BGH Wolfgang Neskovic in: ZAPHeft 14/1990, S. 625).

Das sind doch die vordringlichen Probleme für eine nicht unerhebliche Anzahl von
Foren- und BDEV-Mitgliedern, die sich mit der \"Energierechtsprechung\" des Herrn
Ball und dessen gleich gesinnten \"Organen der Rechtspflege\" in den Unterinstanzen
verfahrens- und materiell-rechtlich auseinanderzusetzen haben und da müssen -auch
nach meiner unmaßgeblichen Meinung- diskussionswürdige, in realiter umsetzbare
Lösungsansätze gefunden werden.

Was habe ich als betroffenes Forenmitglied von den zugegebenermaßen teils s.g.
Beiträgen von RR-E-ft, wenn diese in der Umsetzung schon an der Tatsache
scheitern, dass mir nicht nur am höchsten BRD-Fachgericht der gesetzliche Richter,
ein elementares Grundrecht, systematisch verweigert wird, mit dem Ergebnis, dass
dann Herr Ball mit den Entscheidungen der unteren Handelsgerichtsbarkeit nach
eigenem Gutdünken verfahren kann. Sehr aufschlussreich wäre es bspw., aus Jena
mal eine Stellungnahme zu den Äußerungen von BGH-Richter Dr. Wiebel zum Thema
\"Geschäftsverteilung am BGH\" per Forumsbeitrag oder meinetwegen auch per Funk-/
Flaggen- / und Rauchzeichen zu bekommen und vor allen Dingen Möglichkeiten
aufzuzeigen, wie man diesem verfassungswidrigen Treiben eines Teils des BGH
ein Ende setzen kann ?

Als der Richter am BGH Dr. Wiebel die jahrzehntelange verfassungswidrig praktizierte
Geschäftsverteilung bei überbesetzten Senaten kritisierte, wurde er von vielen seiner
Kollegen am höchsten deutschen ordentlichen Gericht mit einer Fülle emotionaler
Reaktionen bedacht, die man nur als Mobbing bezeichnen konnte.

Wie das \"Duell\" i.S. \"Staatshaftung bei gerichtlicher Auseinandersetzung in der
Grundversorgung\" zwischen Dr. Gutsche u. RR-E-ft schließlich ausgegangen ist,
ob dieses nun draussen oder auf dem Paukboden ausgetragen wurde oder eine
diesbezügliche Auseinandersetzung noch ansteht, entzieht sich meiner Kenntnis.
Es ist aber reine Zeitvergeudung, da hier die Justiz schon endgültige Fakten -
wiedermal, wie sollte es auch anders sein- zum Nachteil des Bürgers geschaffen
hat.

Grüße aus der deutschen Toscana
und einen schönen Abend noch von
Stubafü
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 17. Januar 2011, 20:39:40
„Gedanken sind nicht stets parat, man schreibt auch, wenn man keine hat.“ (Wilhelm Busch).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 17. Januar 2011, 21:14:26
\"Wir glauben euch nicht mehr und eurer Waage-
Das Ding hängt schief! Das sehn wir alle Tage.
Die Binde der Justitia - welch ein Bruch!
Steht auf! Und dies sei euer Urteilsspruch:
Sehn wir euch an, packt uns ein tiefes Graun -
Wir haben zu euch Richtern* kein Vertraun!

(Kurt Tucholsky, Spottlied \"Zu einigen dieser Prozesse)

*Juristen mit Befähigung zum Richteramt :)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Lothar Gutsche am 21. Januar 2011, 21:47:45
@ __hp__

Zitat
Original von __hp__ vom 27.12.2010 21:31 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77495#post77495)
Ich hatte vor ca. einem Jahr einen Link im Internet aufgespürt (der mir aber leider wieder abhanden gekommen ist! Vielleicht hat da ja jemand einen Tipp für mich?), der sehr schön veranschaulichte, wie Versorgeranwälte diesen Sachverhalt für sich und damit für die Versorgungsindustrie gewinnbringend nutzen (können). Der Link führte mich auf die Internetseite eines (ich bin mir ziemlich sicher) Berliner Anwaltsbüros, das für seine Klientel - die Versorgungswirtschaft - einen Katalog von Tipps verfasst hatte, wie zu verfahren sei, wenn sich die mit Energie versorgten Verbraucher einer Preisänderung unter Berufung auf § 315 BGB entgegenstellen und die gerichtliche Billigkeitskontrolle verlangen sollten. Möglichst frühzeitig, so der Ratschlag sinngemäß, sollten die widerspenstigen Kunden auf das extreme Kostenrisiko - Stichwort: „gerichtlich bestellter Sachverständiger“ - „hingewiesen“ werden, das ihnen drohte, sollten sie ihre Rechte aus § 315 BGB vor Gericht wahrnehmen wollen. Und so - das schwang deutlich mit, wurde aber meiner Erinnerung nach sogar ausdrücklich betont - würden die meisten Verbraucher sich einen solchen Schritt ins unkalkulierbare Risiko lieber zweimal überlegen und wohl davon Abstand nehmen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Kein Vorwurf gegen das Berliner (?) Anwaltsbüro. Dieses geht so vor, wie man es von ordentlichen Anwälten verlangen kann, nämlich als Interessenvertreter die Interessen ihrer Mandanten unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Methoden zum Tragen zu bringen.

Meinten Sie vielleicht die Kanzlei
BETHGE.REIMANN.STARI
Rechtsanwälte
Kurfürstendamm 67
10707 Berlin ?

Diese Kanzlei hat am 18. Juni 2009 eine \"KURZINFO ZUM ENERGIERECHT\" mit dem Thema \"Update - Billigkeitskontrolle\" veröffentlicht, siehe http://www.brs-rechtsanwaelte.de/energierecht_2009_06_nr_4.html (http://www.brs-rechtsanwaelte.de/energierecht_2009_06_nr_4.html). Dort heißt es im Abschnitt 4 \"Wie erfolgt der praktische Billigkeitsnachweis im Gerichtsverfahren?\":

Zitat
Die Kosten für ein gerichtliches Sachverständigengutachten bewegen sich im Rahmen zwischen 2.500,- bis zu 10.000 Euro (bei großen Versorgern mit vielen Vorlieferantenverträgen). Diese Kosten sind im Regelfall zunächst vom beweispflichtigen Versorger vorzustrecken, müssen aber im Falle des gerichtlichen Obsiegens des Energieversorgers grundsätzlich vom Kunden im Rahmen der Kostenlast nach § 91 ZPO ersetzt werden.

Die hohen Kosten solcher Gutachten stehen häufig in keinem Verhältnis zum Wert der eigentlich streitigen Außenstände des Kunden. Einige Gericht haben dies erkannt und daher auf die Einholung eines Gutachtens bewusst verzichtet (AG Rotenburg (Wümme), Urteil vom 11.11.2008, Az: 8 C 238/08 ) oder im Rahmen einer gestuften Beweisführung ein Gutachten nur als Gegenbeweis des Kunden für eine bereits vermutete Billigkeit zugelassen (AG Bersenbrück, Beweisbeschluss vom 06.10.2008, 4 C 244/08 ). Dies ist jedoch noch nicht der Regelfall.

Für Kunden die eine gerichtliche Feststellung der Billigkeit verlangen, besteht aufgrund der Gutachterkosten ein hohes Prozessrisiko. Dies dürfte den meisten Kunden jedoch nicht bewusst sein und sollte daher in künftigen Musterschreiben ausdrücklich erwähnt werden.


Mit diesem Tipp werden die hohen Kosten des Sachverständigen als Teil der Prozesskosten zu einer echten Waffe im Verfahren, wie Sie es beschrieben haben. Als privater Verbraucher würde ich die Drohung mit den Prozesskosten als Nötigung empfinden, ob es das auch strafrechtlich im Sinne des § 240 StGB (http://dejure.org/gesetze/StGB/240.html) ist, ist fraglich. Der Volljurist RR-E-ft sieht auch kein Versagen des Gesetzgebers, weil der beklagte Energieverbraucher im Billigkeitsprozess nur im richtigen Zeitpunkt ein Anerkenntnis nach § 93 ZPO aussprechen muss, so ist es im Thread \"Preisintransparenz begründet Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenen Billigkeitsprozessen (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14996)\" nachzulesen. Ich sehe das zwar anders als der Volljurist RR-E-ft, aber die Argumente sind ausgetauscht.


Versorgeranwälte wie Bethge-Reimann-Stari fürchten offenbar die Gesetzestreue des Kartellsenats am BGH in Billigkeitsprozessen. Wie sonst ist das folgende Zitat aus Abschnitt 3 \"Welches Gericht ist zuständig?\" in dem Newsletter der Kanzlei (http://www.brs-rechtsanwaelte.de/energierecht_2009_06_nr_4.html) vom 18.6.2009 zu verstehen:

Zitat
Einige Gerichte verneinen eine Zuständigkeit des Landgerichts nach § 102 EnWG, solange nur die Billigkeit von Preisanpassungen streitig ist, da es hierfür am EnWG-Bezug fehle (LG Osnabrück, Beschluss vom 27.10.2008, Az: 1 O 2092/08; LG Potsdam, Hinweisbeschluss vom 16.01.2009, Az: 51 O 161/08 ).

Zunehmend wird jedoch eine Zuständigkeit der Landgerichte nach § 102 EnWG bejaht und zur Begründung z.B. darauf verwiesen, dass auch die Preisgestaltung im Rahmen der Grundversorgung dem Grundsatz der Preisgünstigkeit nach § 1 EnWG entsprechen müsse und damit ein ausreichender EnWG-Bezug gegeben sei (OLG Koblenz, Beschluss vom 09.02.2007,Az:W 50/07 Kart; LG Lüneburg, Beschluss vom 14.10.2008, Az: 3 O 71/08; AG Erfurt, Beschluss vom 12.03.2008, 5 C 1938/07; AG Erding, Beschluss vom 08.01.2009, 3 C 792/08 ). Auch wir halten die Zuständigkeit des Landgerichts gem. § 102 EnWG für gegeben. Aus strategischen Gründen könnte aber im Einzelfall die Prozessführung vor dem Amtsgericht – sofern die Streitwerthöhe von 5.000,00 EUR nicht überschritten ist – anzuraten sein, um eine Letztentscheidung des Kartellsenats beim BGH zu vermeiden.

Es freut mich, dass Sie eine Bürgerbeschwerde bei der EU-Kommission auf den Weg bringen wollen, um ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzufordern. Hoffentlich ergeht Ihnen nicht wie mir: meine Beschwerde zur Abschottung der Energiemärkte durch Stadtwerke-Beteiligungen E.ONs wurde von Herrn Lars Kjølbye, Referatsleiter „Antritrust: Energie, Umwelt“ in der Generaldirektion Wettbewerb, mit Bescheid vom 28.9.2007 unter Geschäftszeichen SYB-AA1760 abgelehnt. Dagegen legte ich am 29.10.2007 Beschwerde ein und stellte schon damals mit ausführlicher Begründung fest: „Inhaltlich erweckt das Schreiben des Herrn Kjolbye den Eindruck, als ob das Referat „Antritrust: Energie, Umwelt“ die Anwendung der Wettbewerbsregeln aus den EG-Verträgen vermeiden will. Ihre von den EG-Verträgen vorgesehene Rolle als Hüterin des Wettbewerbs erfüllt die EU-Kommission jedoch mit solchen Schreiben nicht. Die grob fehlerhafte Würdigung des von mir angezeigten Sachverhaltes nährt den Verdacht, dass das von Herrn Kjolbye unterzeichnete Schreiben nicht von ihm als Referatsleiter der EU-Kommission erstellt worden ist.

Über ein Jahr später fand ich unter http://www.worstlobby.eu/2008/vote/info/9/lang/_de (http://unter [URL)]http://www.worstlobby.eu/2008/vote/info/9/lang/_de[/URL] per Zufall den Namen Kjølbye in dem Artikel „Die ehemaligen EU-Kommissionsbeamten Michel Petite, Robert Klotz und Lars Kjølbye - Nominiert für ihren fliegenden Wechsel zu Anwaltskanzleien, die für ihre Klienten aus der Industrie Lobbyarbeit machen.“ Darin heißt es: „Kjølbye saß der „Energie und Umwelt Kartellabteilung“ der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission vor. Er wechselte im April ins Brüsseler Büro der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Howrey, wo er sich auf die Beratung von skandinavischen Firmen spezialisiert.


Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Januar 2011, 23:57:10
In einem Verfahren gegen EWE ist man mittlerweile bei Sachverständigenkosten für ein gerichtliches Sachverständigengutachten in Höhe von 15.000 EUR, verteilt auf 184 Kläger einer Sammelklage.
Die klagenden Verbraucher leisten den entsprechenden Vorschuss dann auch gern. Es gilt tatsächlich auch viel zu prüfen [2003 - 2008 komplett einschließlich aller Lieferantenrechnungen].

Allgemein lässt sich folgendes feststellen:

Ein einzelner Beklagter oder Kläger, der das hohe Prozesskostenrisiko scheut, kann fast jederzeit seine Vertreidigung bzw. seinen Angriff in einem fairen Verfahren um- oder einstellen. Als Beklagter kann er vor einem Urteil immer noch die streitigen Beträge zahlen, er kann auch noch anerkennen (allerdings selten noch \"sofort\" im Sinne von § 93 ZPO), er kann einzelne beweisbedürftige Tatsachen noch unstreitig stellen bzw. zugestehen....    

Der Verbraucher hat es selbst in der Hand, ob er für seine eigenen Behauptungen im Prozess für den Bestreitensfall  ein gerichtliches Sachverständigengutachten anbietet oder nicht.

Selten liegen die Voraussetzungen für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, welches vom Versorger für streitige Tatsachenbehauptungen aufgeboten wird,  tatsächlich vor, weil zumeist  schon die Anknüpfungstatsachen nicht hinreichend vorgetragen wurden und deshalb ein vom Versorger als Beweis aufgebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausliefe, was man jedoch aufzeigen muss.

Will heißen:

Man hat als betroffener Verbraucher auch in einem Billigkeitsprozess das Prozesskostenrisiko durchaus selbst in der Hand. Man muss freilich im Prozess taktisch klug agieren.

Insbesondere wer mit dem Versorger um wenige hundert Euro streitet, wird stets zu erwägen haben, wie weit er im Prozess mitgeht.

Wahr ist auch:

Wer als Verbraucher einen Billigkeitsprozess führt, tut dies deshalb, weil er sich bewusst dafür entschieden hat.
Gegen seinen Willen kann kein Verbraucher in solch einen Prozess hineingezogen werden.

Ferner:

Es wäre schon zu begrüßen, wenn es in Deutschland auch für die Billigkeitskontrolle von aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht einseitig festgesetzter Energiepreise endlich ein eigenes Klagerecht für Verbraucherverbände gäbe.

Rechte einfacher erstreiten (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/wirtschaft/Rechte-einfacher-erstreiten;art4325,795010)

Verbraucher haben aber auch schon seit Jahren die Möglichkeit, sich zu organisieren und mit Sammelklagen unter Beteiligung mehrerer hundert Verbraucher einen Billigkeitsprozess in Gang zu bringen.

Statt sich entsprechend zu organisieren, um Kostenrisiken für den einzelnen zu minimieren, ist zuweilen zu beobachten, dass sich einige nur aufs Jammern und Lamentieren verlegen, wie schlecht doch die Welt geworden sei.  

Andere wiederum wie auch Lothar Gutsche gehen beharrlich und fest entschlossen konsequent ihren eigenen Weg und man wünscht ihnen dabei Erfolg.

Wenn es aber bei diesen unentwegten Einzelstreitern zu einem hohen Prozesskostenrisiko kommt, fragt von den interessierten Lesern der enstprechenden Berichte keiner nach, ob diese Streiter vielleicht finanzielle Unterstützung brauchen und wie man diese ggf. unterstützen kann.

Einzelne labern (ich drücke das getrost mal so salopp aus)  die ganze Zeit nur rum, man sei fast eine verschworene Gemeinschaft im Widerstandkampf  gegen hohe Energiepreise und Solidarität sei wichtig.

Ist sie auch, aber vor allem, wenn es um konkrete Soli- Beiträge geht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 22. Januar 2011, 12:47:16
Lieber Herr Gutsche,

JA - genau das ist der Link, den ich diesem Forum im Rahmen meines Beitrags so gerne präsentieren wollte und nach dem ich deshalb so intensiv gesucht hatte, insbesondere weil der dahinter stehende Text so eindrucksvoll veranschaulicht, was ich in Bezug auf die potenziellen Kosten des Sachverständigen, die für den einzelnen kaum tragbar sein dürften, unter dem Aspekt \"Recht als Waffe\" mitteilen.

Meine (schließlich erfolglose) Suche danach war eigentlich am besten beschrieben mit: \"Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel in Heuhaufen\". Umso erstaunlicher, dass Sie den Link tatsächlich allein aufgrund der wenigen Anhaltspunkte, die ich in meinem Beitrag zum Inhalt geliefert habe, aufspüren konnten. Das ist mehr als \"findig\"! Zudem ist es äußerst kooperativ, dass Sie sich auf die Suche begeben haben! Vielen herzlichen Dank dafür.

Ihr Beitrag zu der \"haftungsrechtlichen Frage\" (Preisintransparenz begründet Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenen Billigkeitsprozessen (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14996&sid=)), den ich erst kürzlich zur Kenntnis genommen habe, zeugt übrigens von Ihrem sehr klaren Verständnis der zugrundeliegenden und von mir angesprochenen Rechtsfragen. Da Sie nach eigenen Angaben kein Jurist sind, halte ich Ihren Beitrag nach Form, Gedankenführung UND Inhalt für beachtlich. Er stellt dann auch alles andere dar, als das \"Hirngespinst\" eines über das Ziel hinausschießenden Betroffenen, der sich dem Gasversorger auf \"Biegen und Brechen\" einfach nicht beugen will!

Ich sehe Ihren Beitrag dann auch eindeutig als Bereicherung dieses Forums sowie als bemerkenswerten Ansatz, meine Gedanken aufzunehmen und in einem etwas anderen Sachzusammenhang fortzuführen. Lassen Sie sich niemals entmutigen, eigene Gedanken zu denken, selbst wenn Ihnen da hin und wieder erheblicher Gegenwind entgegenblasen mag, wobei natürlich nicht unbedingt jedes \"laue Lüftchen\" gleichzusetzen wäre mit \"erheblichem\" Gegenwind.

Ich habe in diesem Zusammenhang bei Ihnen allerdings weniger Befürchtungen, sehe nur bei anderen von Gaspreiserhöhungen Betroffenen, die nicht eine so entschiedene Position haben bzw. zum Ausdruck bringen können wie Sie, die Gefahr, dass sie sich hier nicht mehr trauen, sich zu Wort zu melden, obwohl ihnen eine Frage auf dem Herzen liegt. Ich meine, keine Frage kann so dumm sein, dass sie es nicht wert wäre, hier gestellt zu werden.

Ihre Anmerkungen zum Bürgerbeschwerdeverfahren habe ich gelesen; vielen Dank für das Daumendrücken.

Es ist nun so, dass man sich natürlich nicht der Illusion hingeben darf, auf dem Weg der Bürgerbeschwerde, der dem EU-Bürger gegen Umsetzungsakte der Nationalstaaten eben kein vollwertiges Rechtsmittel im Sinne eines einklagbaren Individualrechtschutzes an die Hand gibt, unbedingt zu \"seinem\" Recht zu kommen, sofern man dort nur die \"richtige\" Rechtsposition präsentierte. Ob sich die EU-Gremien im Endeffekt sperren werden, werden wir sehen. Das - so glaube ich - muss man wohl \"sportlich\" sehen.

Dass die langen Arme der demokratisch nicht legitimierten Lobby-Gruppen - wie von Ihnen beschrieben - bis an die Schalthebel der EU-Kommission reichen, ist bekannt und bedauerlich zugleich. Da ich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür habe, inwieweit heute in Bezug auf die von mir einzureichende Bürgerbeschwerde mit derartigen Widerständen konkret zu rechnen ist - oder ob damit meine Bürgerbeschwerde sogar in jedem Falle von vornherein als aussichtslos erscheinen kann -, muss ich diese Gefahr wohl einfach entspannt hinnehmen. Wir werden also auch hier sehen!

Ich finde es aber in diesem Zusammenhang sehr richtig, dass Sie schon im Vorfeld der von mir angekündigten Bürgerbeschwerde mit Ihrem letzten Beitrag allgemein etwaig entstehende überzogene Erwartungen, die man in eine solche Bürgerbeschwerde nach Möglichkeit nicht hineinlegen sollte, angesichts selbst gemachter Erfahrungen ein wenig dämpfen. Denn es hat natürlich nur wenig Sinn, vor den Realitäten die Augen zu verschließen, um dann am Ende des Verfahrens \"aus allen Wolken zu fallen\".

Die Bürgerbeschwerde stellt dann auch nur ein Mosaiksteinchen dar auf dem Weg zu transparenten Preisverhältnissen auf dem Gasversorgungssektor für Endkunden. Das andere Steinchen ist dann auch eher auf der prozessualen Ebene vor den deutschen Gerichten (nebst dem Vorlageverfahren des OLG Oldenburg vor dem EuGH) zu finden, wo über kurz oder lang wohl das Bundesverfassungsgericht mit der Sache betraut werden dürfte, wenn beim Gesetzgeber nicht endlich die Einsicht einkehrt, dass die vorhandenen Regelungen nicht ausreichen, um die Grundrechte der Verbraucher zum Tragen zu bringen.

Es sei an dieser Stelle übrigens erwähnt, dass jeder Jurist das \"Phänomen\" kennen dürfte, dass ein vor Gericht vertretener Fall, der eigentlich gar nicht zu gewinnen war, plötzlich zur eigenen Verwunderung auf der Habenseite verbucht werden konnte, während ein schon fast voreilig als gewonnen \"erfasstes\" Verfahren doch noch verloren ging. Insofern sollte man natürlich auch die von mir in Angriff genommene Bürgerbeschwerde aber keinesfalls beerdigen, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt hat.

Ärgerlich finde ich - ganz allgemein gesprochen -, dass meine Beiträge, mit denen ich die Unhaltbarkeit der Preisintransparenz auf dem Sektor der Sondervertragsverhältnisse UND der Grundversorgung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten dezidiert und haarklein nachgewiesen habe, nicht dazu beitragen konnten, hier die aus meiner Sicht WESENTLICHE Frage zu diskutieren, wie wir denn nun zu einer umfassenden Preistransparenz im Interesse der Verbraucher hier wie dort gelangen können.

Statt einer angemessenen (argumentativen) Unterstützung meiner legitimen Bürgerbeschwerde durch den \"Bund der Energieverbraucher\" ist hier die aus meiner Sicht abwegige Diskussion angelaufen, dass die völlig intransparenten Preisänderungsregeln, die alle Verbrauchern aus der Grundversorgung in der gezeigten verfassungswidrigen Weise zum bloßen Objekt in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit ihren Versorgern machen müssen, das Beste wären, was Verbrauchern passieren kann.

Da hätte ich aus dem Munde eines exponierten Vertreters des BdEV, der doch die Verbraucherinteressen immer im Blick zu behalten und umfassend zu vertreten haben sollte, doch etwas mehr erwartet. Aber die (sinnlose) Diskussion ist ja noch nicht ganz zu Ende geführt. Denn meine Hoffnung - etwa RR-E-ft - unter Berücksichtigung des materiellen wie prozessualen Rechts doch noch zurück auf die Schiene des Verbraucherschutzes zu bringen, habe ich noch nicht beerdigt. Auch ihm steht das Recht auf Irrtum bzw. \"sich perpetuierende Denkfehler\" zu!

Ich werde mir (erst) jetzt am Wochenende noch einmal die verschiedenen Beiträge, die in Ihrem Thread - aber auch in diesem hier - in den vergangenen beiden Wochen eingelaufen sind, noch einmal genauer ansehen und dann - wie angekündigt - inhaltlich sehr entschieden Stellung beziehen.


Bis dahin allen Mitlesenden ein schönes Wochenende!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 13:31:27
Um etwaigen Missverständnissen entgegenzutreten:

Ich bin kein Vertreter des Bundes der Energieverbraucher e.V., soweit ich nicht im Einzelfall mit einer Vertretung besonders beauftragt werde.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 22. Januar 2011, 13:44:34
@RR-E-ft
Würde ich den hier in Ihrem Beitrag ausgesprochenen \"Empfehlungen\" als
ein in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit einem Versorger stehender
Verbraucher folgen, könnte ich gleich \"Prozess-Harikiri\" begehen.

Im Einzelnen:

Zitat
In einem Verfahren gegen EWE ist man mittlerweile bei
Sachverständigenkosten für ein gerichtliches Sachverständigengutachten in Höhe
von 15.000 EUR, verteilt auf 184 Kläger einer Sammelklage.
Die klagenden Verbraucher leisten den entsprechenden Vorschuss dann auch gern.
Es gilt tatsächlich auch viel zu prüfen [2003 - 2008 komplett einschließlich aller
Lieferantenrechnungen].

Das ist die Ausnahme, die Regel ist die:
Ich als einzelner Beklagter in einer energierechtlichen Auseinandersetzung vor dem
LG Frankenthal, 2. HK, wurde, nachdem in 30 km Entfernung bei absolut
identischem Sondervertrag und fast auf Punkt und Komma gleichem Sachverhalt das
LG Landau,1. HK, die Klage der Pfalzgas in 3 Fällen abgewiesen hat, mit einem
Kostenvorschuss i.H.v. 3.000,-- € überzogen, weil meine Zusatzfragen, so das hohe
Gericht, zum -auch von einem Rechtsbeistand sogesehenen- unvollständigen
\"Gutachten\" des SV mich angeblich \"Beweis belasten\" würden.
Ich möchte gleich vorweg schicken, dass ich alles bis auf Punkt, Doppelpunkt,Komma,
Strichpunkt, Apostroph (Englisch u. Deutsch) und Bindestrich bestritten habe, was zu
bestreiten war und nur

\"hilfsweise, für den Fall das die Kammer zu der diesseitig nicht nachvollziehbaren
Erkenntnis gelangen sollte, es läge ein Tarifvertrag der Grundversorgung vor\",

den § 315 BGB geltend gemacht habe. Ich möchte noch hinzufügen, dass mich bei
dieser Auseinandersetzung zusätzlich noch eine hier aus dem vorderpfälzischen Raum
renommierte Wiprüf-Kanzlei beratend begleitet. Zu den oben genannten mich
belasteten 3.000,-- € kommt noch der Vorschuss des Versorgers i.H.v. 10.000,-- €
hinzu und meine Akten füllen bereits 3 DIN A4 Leitz-Ordner, geleistet habe ich
allerdings den von mir abgepressten, gleich wohl von der Zivilprozessordnung nicht
gedeckten, \"eigenen Vorschussbeitrag\" entgegen der frohen Botschaft von RR-E-ft
nicht gern!

Ich möchte an dieser Stelle zusätzlich vorwegschicken, dass ich als BDEV-Mitglied
ohne \"Solibetrag\" mit diesem Beitrag keine Rechtsberatung vom \"Forengott\"
und Juristen mit 2. Staatsexamen und Befähigung zu Richteramt \"für lau\" erwarte,
denn meine Prozesskosten machen z.Z. das Architektenhonorar eines Bv aus, das
meine Bauherren an mich zu zahlen haben und ich von daher meine zivilrechtliche
Auseinandersetzung aus eigener Kraft zudem mit Hilfe meiner Rechtschutzvers.
stemmen kann. Dies einmal grundsätzlich.

All dies vorausgeschickt kommen wir nun zu den weiteren Thesen von RR-E-ft:

Zitat
Allgemein lässt sich folgendes feststellen:
Ein einzelner Beklagter oder Kläger, der das hohe Prozesskostenrisiko scheut, kann
fast jederzeit seine Verteidigung bzw. seinen Angriff in einem fairen Verfahren um-
oder einstellen. Als Beklagter kann er vor einem Urteil immer noch die streitigen
Beträge zahlen, er kann auch noch anerkennen (allerdings selten noch \"sofort\" im
Sinne von § 93 ZPO), er kann einzelne beweisbedürftige Tatsachen noch unstreitig
stellen bzw. zugestehen....

Wenn ich mir das, was RR-E-ft da von sich gibt, vergegenwärtige, dann frage ich
mich mit Fug und Recht, weswegen der BDEV den eigentlich gegründet wurde und
kann gleich mit dem Füllhorn meinen finanziellen Beitrag zu der mit den Maßstäben
einer effizienten Versorgung nicht in Einklang zu bringenden Wertschöpfungskette
des Versorgers ausschütten, zumal faire Verfahren vor deutschen Gerichten die
Ausnahme und nicht die Regel sind.
Eine \"rechtszeitige Um- oder Einstellung\" in einem Gerichtsverfahren wird sie niemals
vor den vom Prozessverlierer zu tragenden Kosten befreien, dass ist die \"BRD-
Rechtswirklichkeit\", so hat es ein RA und Schulfreund des Beitragsverfassers einmal
-wohl zutreffend- formuliert. Hat man sich einmal für diesen Weg entschieden, eine
streitige Sache auszufechten, dann stehste in manchen Situationen sehr einsam da,
und da muss man sein Ding konsequent durchziehen und von den \"tödlichen\"
Weicheier-Tendenzen konsequent Abstand nehmen. Denn nachfolgendes scheint in
der Mehrzahl der \"Organe der Rechtspflege\" die Regel und nicht die Ausnahme zu sein:
Im Zuge der Mandantenaquise werden diesem 99,99 % Erfolgsaussichten suggeriert
und danach -sobald im Verlauf des Prozesses einem der Gegenwind (=die Kostenkeule)
ins Gesicht bläst- sofort die für den Mandanten prozessuale und finanziell desastreuse
Prozessniederlage als einer seiner möglichen Ausgänge in Aussicht gestellt (die
anwaltlich vorhergesagten restlichen 0,01 Prozessrisiko), die es zu bedenken gibt.
Na, dann kannste nur sagen, vielen Dank Hr. Anwalt, ich ziehe jetzt mein Ding selbst
durch, wenn es da nicht noch das alte Reichgesetz (Anwaltszwang ab LG) gäbe ... .

Zitat
Selten liegen die Voraussetzungen für die Einholung eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens, welches vom Versorger für streitige
Tatsachenbehauptungen aufgeboten wird, tatsächlich vor, weil zumeist schon die
Anknüpfungstatsachen nicht hinreichend vorgetragen wurden und deshalb ein vom
Versorger als Beweis aufgebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten auf
einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausliefe, was man jedoch aufzeigen muss.

Wenn sie, RR-E-ft, sich da mal nicht gewaltig täuschen; anscheinend haben Sie sich
den Beitrag von Forenmitglied Dr. Gutsche zu den prozessualen Verhaltens-
empfehlungen Ihrer Kollegen aus Berlin im Billigkeitsprozess nicht so richtig vergegenwärtigt. Diese Verhaltensempfehlungen kannste auch in einem schlichten
\"Sondervertrags-Prozess\" (streitige Prozess haupt und -Nebenabrede) anwenden, wenn man, wie der Beitragsverfasser, vor einer Handelsrichter-Kammervorsitzenden
steht, die auch jetzt noch - trotz der oben zitierten Landgerichtsentscheidungen des
LG Landau - von einem Tarifvertrag der Grundversorgung ausgeht und dies trotz
Eingeständnisses der Pfalzgas GmbH (immerhin nach fast 4 Prozessjahren und nach
den LG Entscheidungen in Landau), das sie mit dem Beitragsverfasser einen
Sondervertrag abgeschlossen habe.
Erst jetzt -auf massiven Vorhalt des Beitragsverfassers- fühlt sich die
Kammervorsitzende bemüßigt, die diesen Monat terminierte
weiter mündliche Verhandlung auszusetzen und dies deshalb, weil vom Beitrags-
verfasser das Gericht \"hilfsweise\" darauf hingewiesen worden ist, dass beide Gutachten (Haupt- und Ergänzungsgutachten für 13.000,-- €) überhaupt nichts
zu der vom BGH geforderten Darlegung der Kostenbestandteile des Lieferpreises
des Versorgers aussagt und noch nicht einmal korrekt die jährlichen Gasbezugs-
sowie Gasabsatzmengen wiedergibt (wohlverstanden geht es hier darum, die unzulässige Preisspaltung zu verheimlichen).
Der ganzen Gutachter Wischi-Waschi Kram (25 Seiten einschl. Ergänzung für
13.000,-- €) ist nicht anderes als der breitgetretene nichtsaussagende \"Einheitsbrei\"
der von der Pfalzgas zuvor vorgelegten PWC-Gefälligkeitstestate (so die interne fachliche Kritik meines mich beratenden Wiprüf).
Guter Rat ist nun teuer: Lehnste die Handelskammer (sprich die einzelnen Richter
derselben) ab, was zu 99% im Zivilrecht in die Hosen geht, ist die Kammervorsitzende
beleidigt und schmiert dich ab. Tut man es nicht, kommt das gleiche Ergebnis heraus.
Alle Signale sind also - prozessökonomisch völlig widersinnig- auf Berufungsverfahren
vor dem OLG Zw gestellt ( und die haben noch nicht mal einen Kartellsenat).
Das, hochverehrter RR-E-ft, sind die wahren Probleme vor Gericht, denen man
alltäglich als Rechtssuchender ausgesetzt ist und nicht diejenigen in Ihrer Schönwetteranalyse aufgezeigten.
Wie wollen Sie in der oben aufgezeigten Verfahrenssituation

\"das Prozesskostenrisiko durchaus selbst in der Hand haben und im Prozess taktisch
klug agieren.\"

Das müssen Sie mir, RR-E-ft, einmal fundiert erläutern, wie ihre Vorgehensweise denn
wäre, wenn Sie und Ihr Mandant von der Kammervorsitzenden in ein Billigkeitsver-
fahren hineingezwungen werden, obgleich die Voraussetzungen hierfür schon in tatsächlicher Hinsicht nicht gegeben sind und die Kammervorsitzende aufgrund
Bekl.-Sachvortrag nebst vorgelegter Beweisschriftstücke definitiv weiss, dass der
von ihr beauftragte \"Gutachter\" vor Abfassung des Gutachtens hier bei mir ums Eck
herum noch als GF der SW Heidelberg tätig war.

Schönes Wochende und Grüsse
aus der germanischen Toscana
wünscht

Stubafü
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 14:09:54
@Stubafü

Sie interessieren sich dafür, wann und wofür der Bund der Energieverbraucher gegründet wurde?

Das lässt sich womöglich der Vereinssatzung entnehmen.

Ihre Anwürfe auf meine Person zielend, halte ich für nicht gerechtfertigt.

In Ihrem Prozess wird es wohl allein deshalb um die Billigkeit gehen, weil Sie sich irgendwie auch auf die fehlende Billigkeit gem. § 315 BGB berufen haben werden und zudem die Tatsachen, die der Versorger im Prozess für die Billigkeit angeführt hat, dergestalt geschickt bestritten haben, dass das Gericht zu der Auffassung gelangt ist, dass die beweisbedürftigen Tatsachenfeststellungen deshalb ein von einer Partei angebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten erfordern, um zu erbringen, ob die bestrittenen Tatsachenbehauptungen zutreffen oder nicht.

Sie konnten im Prozess  sowohl die Unbilligkeitseinrede aufgeben als auch die beweisbedürftigen Tatsachenfeststellungen unstreitig stellen, insbesondere wenn Sie sich absolut sicher sind, dass es für die Streitentscheidung gar nicht auf die Billigkeit ankommen kann.

Es konnte Sie also wohl  niemand zu Ihrer eigenen konkreten Prozesstaktik zwingen und es wird Sie wohl auch niemend dazu gezwungen haben, insbesondere nicht das Gericht.

Das Gericht hat Sie insbesondere auch nicht gezwungen, einen eigenen  Kostenvorschuss einzuzahlen. Hätten Sie ihn nicht gezahlt, wären die Kosten nicht angefallen, der Gutachter aber auch nicht (weiter) tätig geworden.

Als bekannt vorausgesetzt wird, dass Gerichte auch in der Beweiswürdigung frei sind, jedes Gericht nach der von ihm selbst im konkreten Prozess gewonnenen Überzeugung entscheidet.

Es kommt deshalb immer wieder neu darauf an, nicht nur selbst von etwas überzeugt zu sein, sondern auch das Gericht zu überzeugen. Dem Gericht sollte man zunächst unbefangen gegenübertreten, so wie man dies ja auch vom Gericht selbst gegenüber den Parteien erwarten kann und muss.

Die Gerichtspraxis ist mir umfassend bekannt, da ich selbst in vielen Verfahren mitwirke. Und wenn ich zu Verfahren schreibe, dann aus meiner Erfahrung dabei.

Hatten Sie schon einmal hier im Forum wegen der  hohen Prozesskosten um Hilfe gepostet und wie sind dabei ggf. Ihre Erfahrungen mit tauglicher solidarischer (=finanzieller) Unterstütung durch die unzähligen Mitstreiter (im Geiste)?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 22. Januar 2011, 14:13:32
@RR-E-ft

Zitat
Um etwaigen Missverständnissen entgegenzutreten:

Ich bin kein Vertreter des Bundes der Energieverbraucher e.V., soweit ich nicht im
Einzelfall mit einer Vertretung besonders beauftragt werde.

Lt Ihrer Antwort hier im Forum auf die von \"Black\" gemutmaßte BDEV-Mandatierung
im Hinblick auf die von Ihnen erzeugten Foren-Beiträge arbeiten auch Sie
nicht für ein \"Butterbrot\", woraus ich schließen möchte, dass Sie vom BDEV
nicht nur im Einzelfall mandatiert sind, mithin sehr wohl auch für die Interessen des
BDEV eintreten (was ja an sich nichts schlechtes ist, wenn man einmal von den
manchmal nicht nachvollziehbaren Rechtsauffassungen absieht), oder irre ich mich da ?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 14:24:16
@Stubafü

Ihre Mutmaßungen und Ihre Folgerungen daraus sind Ihre  höchstpersönliche Angelegenheit, über die es sich nicht zu diskutieren lohnt.

Auch Sie haben ein Recht auf Irrtum.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 22. Januar 2011, 15:21:29
@RR-E-ft

Zitat
Ihre Anwürfe auf meine Person zielend, halte ich für nicht gerechtfertigt.
Für aktive Trauerarbeit, so meine ich, ist dieses Forum denkbar ungeeignet;
wenn Sie meinen , Sie seien diesseits von \"Anwürfen auf Ihre Person\"
überzogen worden, so ist das Ihre persönliche Auffassung, die von mir
nicht mitgetragen wird. Aber kommen wir zum Kern Ihres letzten, leider mal
wieder völlig neben der Sache liegendem Beitrags.

Wenn ein \"Gutachter\" die im gerichtlichen Beweisbeschluss konkret niedergelegten
Beweisthemen für vom Versorger eingezahlte 10.000,-- € nicht beantwortet, sie
als Beklagter, diese Beantwortung schriftsätzlich beim Gericht hilfsweise unter
Berufung auf den Beweisbeschluss einfordern mit der zutreffenden Begründung, der
Gutachter habe ersichtlich seinen Auftrag nicht erfüllt, sie daraufhin von der
Kammervorsitzenden ohne Begründung, qua per ordre mufti, mit einem nunmehr sie
belastendem Gutachtervorschuss i.H.v. 3.000,-- € überzieht, dann dürfte die
praktizierte Rechtswillkür erwiesen sein.

Zumal auch das Ergänzungsgutachten, dessen Kostenvorschuss das Gericht mir
ohne Rechtsgrund abgepresst hat (es gibt ja schließlich noch den Begriff
der Beweislastregeln) sich von der gleichen Qualität wie das Hauptgutachten
erwiesen hat, es ist wiederum nicht auf die im Beweisbeschluss festgehaltenen
Themen eingegangen. So, jetzt kommen Sie mit Ihrer -mit Verlaub- völlig daneben
liegenden Theorie daher, das Gericht habe absolut korrekt gehandelt.

Aufgrund des tatbestandswidrigen Festhaltens der Kammer am angeblich
vorhandenem Grundversorgungsvertrag (obgleich zu Beginn des Prozesses
obgleich ein -auch von der Kl. nach fast 4 Prozessjahren eingestandener-
Sondervertrag vorliegt, wäre es verfahrensrechtlich \"tödlich\" gewesen, nicht
in die Billigkeitsprüfung hilfsweise einzusteigen.

Zitat
Hatten Sie schon einmal hier im Forum wegen der hohen Prozesskosten um
Hilfe gepostet und wie sind dabei ggf. Ihre Erfahrungen mit tauglicher solidarischer
(=finanzieller) Unterstütung durch die unzähligen Mitstreiter (im Geiste)?

Sie haben - wie so oft- den diesseitigen Beitrag nicht mit der Aufmerksamkeit gelesen,
mit der Sie die Ihnen nicht genehmen (wohl in Ihr Weltbild nicht passenden) Beiträge
diverser Forenmitglieder abbügeln, denn manche sind auch nicht \"gentlemanlike\"
und dieserhalben kann ich Ihr wehleidges Forenklagen überhaupt nicht nachvollziehen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 15:25:18
@Stubafü

Ich erspare mir, Ihre Beiträge überhaupt noch zu lesen.
Die erbringen einfach nichts.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Stubafü am 22. Januar 2011, 16:53:39
@RR-E-ft

Ob Sie\'s glauben oder nicht: mir geht es ebenso.
Belassen wir es dabei.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 17:26:42
Wenn man sich in einem Prozess auf Unbilligkeit beruft, muss man im Prozess mit der Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle rechnen, gerade deshalb und dafür hatte man sich ja auf Unbilligkeit berufen.

Und wenn man die Behauptungen des Versorgers über Tatsachen, welche die Billigkeit belegen sollen, so erfolgreich  bestreitet, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass hierüber ein von einer Partei angebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, gibt es einen Beweisbeschluss zur Einholung eines solchen.

Und dann wird ein Kostenvorschuss für die Einholung fällig, weil der Sachverständige nun einmal nur gegen angemessenen Vorschuss tätig wird. Die Stundensätze der Sachverständigen belaufen sich dabei auf ca. 100 EUR.

Wird der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss vom Beweisführer nicht fristgerecht geleistet, unterbleibt die Einholung des Gutachtens, die Kosten fallen ncht an,  und der Beweisführer bleibt beweisfällig.

Der Vorschuss entsteht deshalb, weil die Staatskasse für die Parteien auch hinsichtlich von Sachverständigenkosten nicht in Vorleistung tritt. Schließlich ist der Zivilprozess eine Privatangelegenheit der Parteien.

Alle Verfahrenskosten haben deshalb von Anfang an die Parteien des Prozesses vorzuschießen, also auch der Kläger die Gerichtskosten, die Beweisführer die Kostenvorschüsse für Zeugen und Sachverständige.

Klar ist, dass am Ende des Prozesses die unterlegene Partei die Verfahrenskosten insgesamt zu tragen hat.

Wer also zutreffend davon überzeugt ist, dass das angebotene gerichtliche Sachverständigengutachten die bestrittenen Tatsachen erbringt bzw. nicht erbringt, für den stellt selbst ein von ihm zu zahlender Kostenvorschuss nur eine vorübergehende finanzielle Belastung dar, weil es im Obsiegensfalle, von dem man hinreichend überzeugt sein sollte, die Kosten vom Gegner wieder erstattet gibt.

Wer hingegen nicht davon überzeugt ist, der sollte tunlichst sein Bestreiten bzw. seine weitere Prozesstaktik (s.o) darauf einstellen.

So nüchtern sollte man es von Anfang an betrachten, um im Falle eines solchen Beweisbeschlusses nicht darauf angewiesen zu sein, dass jemand tröstend über den Kopf streichelt:


Wenn das Gericht in einem solchen Prozess die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens anordnet, dann immer nur deshalb, weil der Verbraucher zuvor mit seiner eigenen Prozesstaktik erfolgreich darauf hingearbeitet hatte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 18:15:27
Soll ein angebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten erbringen, dass der Versorger einen Bezugskostenanstieg zu verzeichnen hatte, der unter Berücksichtigung aller preisbildender Kostenbestandteile des konkreten Vertragspreises nich kompensiert werden konnte (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39), kann man ein solches dadurch erübrigen, wenn man zuvor erfolgreich nachweisen kann, dass der behauptete Bezugskostenanstieg jedenfalls nicht  zur Anpassung an die Marktverhältnisse auf der Vorlieferantenebene erforderlich und angemessen war (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, BGH VIII ZR 178/08 Rn. 31).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 22. Januar 2011, 19:04:15
Zitat
Original von RR-E-ft
Klar ist, dass am Ende des Prozesses die unterlegene Partei die Verfahrenskosten insgesamt zu tragen hat.
Mein Rechtsempfinden ist da erheblich gestört und ich sehe da einen Regelungsbedarf was den § 315 BGB angeht.  

Der Verbraucher kann nicht wissen ob die einseitig bestimmte Leistung nach billigem Ermessen erfolgt ist. Er kennt die Fakten nicht und sie werden ihm in aller Regel verweigert. Er kann so auch nicht wissen, ob die getroffene Bestimmung billig ist. Solange der hinreichende Nachweis fehlt, auf den der Verbraucher einen Anspruch hat, ist das für ihn eine offene Frage.

Den Nachweis der Billigkeit ist Sache des Versorgers, warum sollte der Verbraucher dafür zahlen. Der Gesetzgeber hat geregelt, dass wenn die Bestimmung nicht der Billigkeit entspricht, sie durch Urteil getroffen wird. Stellt das Gericht fest, dass die Billigkeit ohne Gutachten nicht nachgewiesen ist und ohne Gutachten kein Urteil gefällt werden kann, warum sollten dann die Kosten zu Lasten des Verbrauchers gehen, selbst wenn das Gutachten dann die Billigkeit bestätigt und das Verfahren zu Gunsten des Versorgers ausgeht. Den Mangel, der in der nicht hinreichend nachgewiesenen Billigkeit besteht, hat der Versorger zu vertreten und dieser ist so oder so erst nach Vorlage des Gutachtens beseitigt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 21:27:53
Für Billigkeitsprozesse gibt es bei den ZPO- Vorschriften über die Kostentragung keine Sonderregelungen.
Ungerecht muss das nicht sein.

Dass der Unterlegene die Verfahrenskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus § 91 ZPO. Eine Ausnahme bildet § 93 ZPO.

Auch bei einseitiger Leistungsbestimmung aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht, ist die Bestimmung nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Daraus ergibt sich auch, dass sie von Anfang an verbindlich war, wenn sie der Billigkeit entspricht.

Den Versorger trifft als denjenigen, der die Leistungsbestimmung getroffen hat, die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit. Da es dabei um die Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preises geht (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39), der Kunde diese nicht kennen kann, kann er sich regelmäßig auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken (BGH VIII ZR 6/08 Rn. 20).

Klagt der Versorger auf Zahlung, hatte der Kunde vorprozessual die Unbilligkeitseinrede erhoben und einen Billigkeitsnachweis gefordert, erfolgen entsprechende Darlegungen jedoch erstmals im Prozess, hat der verklagte Kunde die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO. Infolge auch  eines solchen Anerkenntnisses muss der beklagte Kunde dann die anerkannte  Forderung zahlen (Anerkenntnisurteil).
Bei einem sofortigen Anerkenntnis trägt jedoch gem. § 93 ZPO  der Kläger die Verfahrenskosten.

Umstritten ist, bis wann im Billigkeitsprozess ein sofortiges Anerkenntnis erfolgen kann bzw. muss.
Nach erfolgter Beweisaufnahme wird es dafür zu spät sein.

M.E. muss der Versorger nachvollziehbar die zwischenzeitliche Entwicklung der aller preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Vertragspreises dargelegt haben (VIII ZR 138/07 Rn. 39), zudem die voranngigen Tatsachen dazu, dass es einen Bezugskostenanstieg gab und dieser zur Anpassung an die Marktverhältnisse auf der Vorlieferantenebene erforderlich und agemessen war (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, VIII ZR 178/08 Rn. 31) und seine Beweisangebote dazu aufzeigen.

Auch für die Zulässigkeit eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist - bei Meidung der Unzulässigkeit als Ausforschungsbeweis- notwendig, dass die beweisbelastete Partei die Anknüpfungstatsachen hinreichend vorträgt.


Hat der Versorger dies trotz vorprozessualer Aufforderung erstmals im Prozess getan, kann der Kunde entweder \"sofort\" anerkennen oder aber diesen unter Beweis gestellten Vortrag des Versorgers bestreiten und es deshalb auf eine Beweisaufnahme ankommen lassen.
Das ist m. E. der entscheidende Punkt.

Kann der Versorger im Zahlungsprozess die Billigkeit nicht nachweisen, wird dessen Zahlungsklage abgewiesen (BGH VIII ZR 240/90).

Wenn der Versorger nicht nur die Billigkeit nicht nachweisen kann, sondern das Gericht sogar feststellt, dass die Leistungsbestimmung nicht der Billigkeit entspricht, kommt auf Antrag einer Partei eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht, wenn das Gericht über die entsprechenden Daten dafür  verfügt. Ist die Frage der Billigkeit offen geblieben oder stehen die Daten nicht zur Verfügung, kann eine Ersatzbestimmung nicht erfolgen und der darauf gerichtete Antrag ist abzuweisen (BGH VIII ZR 240/90).

Im Falle einer gerichtlichen Ersatzbestimmung entteht erst mit der Rechtskraft des Urteil eine fällige, gerichtlich durchsetzbare  Forderung des Versorgers (BGH X ZR 60/04 Unter II. 1). Bis dahin war die Klage unbegründet.  Deshalb muss m.E.  auch an dieser Stelle noch vor der Rechtskraft die Möglichkeit eines \"sofortigen\" Anerkenntnisses bestehen (strittig).

Klagt hingegen der Kunde, hat er als Kläger keine Möglichkeit zum sofortigen Anerkenntnis. Wer selbst klagt, geht das Kostenrisiko bewusst ein, kann jedoch bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Beklagten die Klage zurücknehmen und hat dann die bis dahin angefallen Kosten zu tragen, § 269 Abs. 3 ZPO.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2011, 22:27:30
@PLUS

Die Problemlösung besteht in dem sofortigen Anerkenntnis gem. § 93 ZPO.
Dieses muss vor der Beweisaufnahme erfolgen.

Ihre Auffassung kann nicht geteilt werden.

Sonst müsste der Versorger wohl jeden einzelnen Kunden, der sich auf Unbilligkeit beruft, jedenfalls verklagen. Im Prozess müsste jedenfalls ein teures gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Und der Versorger hätte jedenfalls die Kosten zu tragen, insbesondere auch dann, wenn seine einseitige Leistungsbestimmung von Anfang an der Billigkeit entsprach.

Das wäre offensichtlich nicht gerecht.

Es würde auch die Forderung nach Preisen, die dem Kunden eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten, konterkarieren.

Ein vom Versorger beauftragtes Privatgutachten bleibt immer das was es ist, eine Darlegung ohne eigenen Beweisert.

Die entscheidenden Fragen (s. o.) werden darin zumeist schon nicht tangiert, an der Nachvollziehbarkeit mangelt es, es besteht die Möglichkeit, dass es sich um Fließbandbescheinigungen handelt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 23. Januar 2011, 10:11:32
Zitat
Original von RR-E-ft
Umstritten ist, bis wann im Billigkeitsprozess ein sofortiges Anerkenntnis erfolgen kann bzw. muss. Nach erfolgter Beweisaufnahme wird es dafür zu spät sein.
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Problemlösung besteht in dem sofortigen Anerkenntnis gem. § 93 ZPO. Dieses muss vor der Beweisaufnahme erfolgen. Ihre Auffassung kann nicht geteilt werden.
@RR-E-ft, das sieht mir allenfalls nach einer unbefriedigenden Notlösung aus. Ich bleibe da bei meiner Meinung. Was in den Paragraphen steht ist bekannt und wiederholt dargestellt. Es ist mangelhaft, es reicht nicht. Ich sehe da eine unzureichende Regelung zu Lasten der Verbraucher.

Der Gesetzgeber könnte die Bestimmung der Billigkeit allgemeinverbindlich regeln. Das sehe ich mindestens beim Grundbedarf als geboten. Dazu gehören zweifelsfrei Strom, Gas und Wasser.

Gerade damit könnte dem Gebot der möglichst preisgünstigen Versorgung auf die Sprünge geholfen werden. Es mag Juristen zu gutekommen, aber dass sich jeder einzelne grundversorgte Kunde vor Gericht mit den Versorgern wegen der Billigkeit der einseitigen Preisbestimmung auseinandersetzen muss ist keine Lösung. Das Kostenargument spricht gerade gegen die Vielzahl und Vielfalt der unterschiedlichen Verfahren, vor Gericht und in den EVU! Die Kosten tragen hier in jedem Fall immer die Verbraucher, entweder direkt oder über die Preise. Das ist offensichtlich nicht gerecht. Ich kann da Ihrer Meinung nicht folgen, auch wenn sie juristisch dem Zustand entsprechen sollte. Selbst da habe ich meine Zweifel. Ich vermisse hier immer noch entsprechende Aktivitäten der Verbraucherorganisationen und nicht zuletzt der Politik.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 23. Januar 2011, 12:06:53
@PLUS
Sie haben recht. Die augenblicklichen Rechtslage eröffnet den grundversorgten Kunden nur den Klageweg über die Frage der Billigkeit nach §315 BGB. Dabei ist es egal, ob ein Kunde kürzt und sich verklagen lässt oder aber selbst klagt.

Dabei ist die Möglichkeit, durch Kürzung der Zahlungen den Grundversorger zur Klage zu bringen, auch noch, sozusagen auf den letzten Drücker, durch den Bundesrat in die §§17 der Grundversorgungsverordnungen eingebracht worden. Ohne diese Initiative wäre auch der Weg ziemlich verbaut gewesen. Es wäre nur eine Klage des Kunden gegen den Grundversorger übrig geblieben.

Zitat
Bundesratsdrucksache 306/06 (Beschluss) v. 22.09.06

6. Zu Artikel 1 (§ 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV)
In Artikel 1 ist § 17 Abs. 1 Satz 3 wie folgt zu fassen:
\"§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.\"

Begründung:
Der Einwendungsausschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV soll nach der Begründung der Verordnung zu den §§ 17 und 19 StromGVV nicht die Fälle des § 315 BGB erfassen. Die sprachlich veränderte Fassung soll diesen Regelungszweck für alle Rechtsanwender unmissverständlich klarstellen. Ein Einwand nach § 315 BGB bleibt danach von § 17 StromGVV unberührt. Mit der Regelung soll die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30. April 2003 (VIII ZR 279/02, S. 8 f.) zu der Auslegung der entsprechenden Regelung des § 30 Nr. 1 AVBWasserV klarstellend aufgenommen werden.
Gleiches erfolgte damals für die GasGVV.

Wir haben also die seltsame Situation, dass sich jeder Grundversorger ständig oder regelmäßig mindestens einem laufenden Billigkeitsverfahren ausgesetzt sehen müsste. Bei jeder Preiserhöhung sowieso. Er hat ja die Pflicht zur Preisfestsetzung in der Grundversorgung und zwar unter Wahrung des ursprünglichen \"Äquivalenzverhältnisses\", wie immer man dies definieren und parametrisieren mag.

Die Kunden können ja nicht wissen, ob der Versorger nicht längst hätte die Preise senken müssen. Also bliebe ihnen nur immer wieder ein neues Verfahren, um die Prüfung der Billigkeit zu erzwingen.

Diese Rechtslage kann eigenlich nicht den Richtlinien der EU und auch nicht unserer Verfassung entsprechen. Wenn ich mir die Kesselflickerdiskussionen über Gutachterkosten  und Zutrittsrechte hier im Forum ansehe, bin ich davon umso mehr überzeugt.

Wer hat endlich mal den Mut, diese Frage laut genug zu stellen?

Ich bleibe daher auch dabei, dass die Bereiche in denen es prinzipiell keinen Markt geben kann und wird (Netzbetrieb und Grundversorgung), zusammengefasst und gleichermaßen reguliert werden, ohne dass die Kunden ständig klagen müssen.

Alle anderen Vertragsverhältnisse (außerhalb der Grundversorgung) sollte man dem Markt überlassen. Wem die Bedingungen eines Anbieters nicht (mehr) passen, der geht da nicht hin bzw. geht wo anders hin!

So einfach könnte die Energiewelt sein!  :)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 23. Januar 2011, 12:33:40
Zitat
Original von jroettges
Wir haben also die seltsame Situation, dass sich jeder Grundversorger ständig oder regelmäßig mindestens einem laufenden Billigkeitsverfahren ausgesetzt sehen müsste. Bei jeder Preiserhöhung sowieso. Er hat ja die Pflicht zur Preisfestsetzung in der Grundversorgung und zwar unter Wahrung des ursprünglichen \"Äquivalenzverhältnisses\", wie immer man dies definieren und parametrisieren mag.
@jroettges, wir sind uns im Kern einig, nur das Billigkeitsverfahren an sich ist nicht das Problem. Es ist die fehlende Regelung per Gesetz oder Verordnung, wie die Billigkeit verbindlich festgestellt und nachgewiesen wird. Der Jahresabschluss wird ja auch von vereidigten Wirtschaftsprüfern nach vom Staat vorgegebenen Regeln geprüft und testiert. Es gibt Erklärungs- und Meldepflichten. Steuerprüfer und mehr. Behörden haben wir viele, für welchen Sinn und Zweck denn? Sie haben Recht, die Energiewelt könnte einfach sein (und gerechter), wenn der Gesetzgeber seinen Pflichten nachkommen würde.

In früheren Zeiten hat der Kaiser die Zweifel beseitigt. In der Republik sind die Volksvertreter dafür zuständig. Wenn sie ihrer Pflicht nicht nachkommen, sollte ihnen das Volk Beine machen! Wo bleiben die Verbraucherorganisationen und Vertreter? Von AG zum BGH und wieder zurück, wie lange soll das teuere und ungute \"Billigekeits-Spiel\" noch betrieben werden.

Constantinus: \"Den Zweifel zu beheben, welcher zwischen Billigkeit und strengem Recht eintritt, sind nur Wir berechtigt und berufen.\" (http://www.opera-platonis.de/B1_T14-25.htm)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 23. Januar 2011, 14:18:19
@PLUS
Zitat
... nur das Billigkeitsverfahren an sich ist nicht das Problem

Natürlich nicht! Wohl aber seine Anwendung in Grundversorgungsverhältnissen.

Wenn der BGH davon ausgeht, dass ein Grundversorger das \"Äquivalenzverhältnis\" nicht nennenswert und nicht auf Dauer verletzen darf, dann ist er eigentlich auch verpflichtet, dafür eine Definition zu liefern und die Parameter zu nennen, die dazu offen gelegt werden müssen. Das hat er nicht getan.

Wird man ihn in weiteren Verfahren dazu zwingen können?

Wird der Gesetzgeber tätig und schafft Klarheit?

Was tun die Verbraucherschützer und auch der BdEV dazu?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 23. Januar 2011, 14:31:04
@jroettges, einig! Die richtigen Fragen sind gestellt. Jetzt braucht es  Antworten und Taten.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2011, 19:16:15
Es gab im Strombereich bis 01.06.07 eine behördliche Tarfgenehmigungspflicht gem. § 12 BTOElt.

Diese  staatlichen Preisgenehmigungsverfahren wurden deshalb eingestellt, weil sie ineffiezient und nicht geeignet waren, eine möglichst preisgünstige Versorgung für die Kunden zu bewerkstelligen. Die Margen der Stromversorger durch Preiserhöhungen stiegen auch in der Zeit von 1998 bis 2007.

Immer anerkannt war, dass auch das staatliche Tarifgenehmigungsverfahren die gerichtliche Billigkeitskontrolle nicht ausschließt (BGH X ZR 60/04 unter II. 1, BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Die Rechtsprechung gründet darauf, dass selbst im Falle der behördlichen Tarifgenehmigung eine gerichtliche Billigkeitskontrolle eine Unbilligkeit im konkreten betroffenen Fall erbringen kann. Mit anderen Worten:

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle ist aus Sicht des Kunden effektiver.

Bei einer gestzlichen Preisbestimmungspflicht sind Preisvereinbarungen mit Einzelkunden unzulässig und deshalb können solche Preisvereinbarungen auch nicht ein zu wahrendes Äquivalenzverhältnis bilden (a.A. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25, bisher st.Rspr).

Aufgabe der Billigkeitskontrolle bei bestehender Preisbestimmungspflicht einer Partei ist es gerade, dass vertragsgemäße Äquivalenzverhältnis erst zu ermitteln.
Sie kann deshalb nicht dazu dienen, ein bereits (durch Preisvereinbarung) bestehendes Äquivalenzverhältnis zu wahren.  

Die Billigkeitskontrolle war den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht nach EnWG schon immer eröffnet.
Sie war insbesondere auch nicht durch § 30 AVBV ausgeschlossen.
Durch die GVV sollte sich hieran nichts verändern.
Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV wurde nur deshalb angepasst, um für die Rechtsanwender unmissverständlich klarzustellen, dass sich an der bis dahin schon geltenden Rechtslage nichts ändern sollte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2011, 19:36:10
Der Versorger hat bei einem Billigkeitsprozess die Kosten nur dann zu tragen, wenn er im Prozess die Billigkeit nicht nachweist (§ 91 ZPO) oder wenn im Falle eines \"sofortigen\" Anerkenntnisses des Kunden im Zahlungsprozess (§ 93 ZPO), der Versorger vorprozessual trotz Aufforderung des Kunden die Billigkeit nicht nachvollziehbar und prüffähig dargelegt hatte.

Beides hat der Versorger selbst zu verantworten.

In beiden Fällen können die dem Versorger hierdurch entstehenden Kosten nicht über die Preise auf die Kunden umgelegt werden, weil nur die Kosten einer effizienten Bettriebsführung umgelegt werden dürfen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Unabhängigkeit von der Unzulässigkeit wird die Möglichkeit dazu faktisch auch dadurch begrenzt, dass die grundversorgten Kunden die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln.

Das dagegen gerichtete Argument überzeugt nicht, weil sonst auch Rückzahlungansprüche der Sondervertragkunden dann mit dem Argument abgebügelt werden könnten, der Lieferant würde die dadaurch enststehenden Kosten schließlich wohl über die Preise auf die übrigen Kunden weiterwälzen.....
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2011, 20:17:54
Wo in Europa gibt es ein effektiveres Verfahren bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht als die Billigkeitskontrolle nach deutschem Recht?

Der Kunde kann sich bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht gegen die Preisbestimmung des Versorgers einfach auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen, seine Zahlungen hiernach kürzen und einen Billigkeitsnachweis vom Versorger verlangen.

Im Zahlungsprozess des Versorgers hierauf verbleibt dem Kunden nach Unbilligkeitseinrede die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, wenn der Versorger im Prozess erstmals die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt.

Effektiver kann es für den von der einseitigen Preisbestimmung des Versorgers betroffenen Kunden wohl gar nicht gehen.

Der deutsche Gesetzgeber hat für betroffene Kunden eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen. Die Umsetzung dieser objektiven Rechtslage durch nationale Gerichte bereitet zuweilen Probleme.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 23. Januar 2011, 20:46:17
Zitat
Original von RR-E-ft
Es gab im Strombereich bis 01.06.07 eine behördliche Tarfgenehmigungspflicht gem. § 12 BTOElt.
@RR-E-ft, darum geht es nicht. Keine Tarifgenehmigung oder gar eine gesetzliche Preisbestimmung! Es geht um eine geregelte kontrollierte verbindlich festgestellte Billigkeit.

Was heute alles von vereidigten Wirtschaftsprüfern geprüft und zur Beurteilung an Behörden weitergeben werden muss können Sie beispielsweise im Kreditbereich sehen: Wirtschaftsprüfer (http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftspr%C3%BCfer) <-----> Publizitätspflichten (http://de.wikipedia.org/wiki/Offenlegung) <-----> Beispiel aus der PBV Kreditinstitute (http://www.bafin.de/cln_179/nn_722756/SharedDocs/Aufsichtsrecht/DE/Verordnungen/pruefbv__ab__091126.html#doc1738858bodyText24)

So weit wie im Kreditsektor muss man nicht gehen, aber es gibt Prüfungsberichtsverordnungen nicht nur für KI, sonder auch für kommunale Unternehmen oder generell für EVU. Warum sollte dort eine Prüfung und verbindliche Feststellung der Billigkeit der Preise aus der Grundversorgung von Strom, Gas und Wasser nicht eingebunden werden können?
   
Zitat
Original von RR-E-ft
...
In beiden Fällen können die dem Versorger hierdurch entstehenden Kosten nicht über die Preise auf die Kunden umgelegt werden, weil nur die Kosten einer effizienten Bettriebsführung umgelegt werden dürfen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Unabhängigkeit von der Unzulässigkeit wird die Möglichkeit dazu faktisch auch dadurch begrenzt, dass die grundversorgten Kunden die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln.

Das dagegen gerichtete Argument überzeugt nicht, weil sonst auch Rückzahlungansprüche der Sondervertragkunden dann mit dem Argument abgebügelt werden könnten, der Lieferant würde die dadaurch enststehenden Kosten schließlich wohl über die Preise auf die übrigen Kunden weiterwälzen.....

Ja der BGH hat festgestellt, dass die genannten Kosten nicht umgelegt werden dürfen (allein es fehlt der Glaube). Ob Gutachterkosten oder Rückzahlungen an Sondervertragskunden unberechtigt \"abgebügelt\" werden, bleibt ungeregelt ohne Kontrolle.  Das geht für die Verbraucher wieder ins Leere. Dann wieder  Billigkeit bestreiten - mit  Gerichtsverfahren bis zum BGH?! ... und von vorne?

Dass die grundversorgten Kunden heute die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln ist gut und sollte genutzt werden, ist aber kein Argument. Man könnte mit diesem Argument auch gleich auf die Billigkeitsprüfung verzichten. Wem der Preis nicht passt kann ja wechseln.  :(  
Es gibt außerdem nicht wenige Verbraucher, die an die Grundversorgung gebunden sind, da wegen mangelnder Bonität kein Sondervertrag in Aussicht ist.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2011, 22:44:22
Mit § 36 Abs. 1 EnWG besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]

Wo in Europa gibt es eine gesetzliche Regelung, die den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht des Versorgers  effektiver schützt und die der deutsche Gesetzgeber deshalb ggf. abkupfern könnte?

Die Billigkeitskontrolle erfordert eine Einzelfallentscheidung (BGH III ZR 277/06 Rn. 20). Es ist gerade der Vorteil des § 315 BGB, dass er Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.

Deshalb lässt sich \"die Billigkeit\" generell-abstrakt (wie für eine Gesetzesnorm erforderlich) wohl nicht konkreter fassen.
Gäbe es hingegen eine konkretere gesetzliche Regelung, so wäre § 315 BGB neben dieser schon gar nicht mehr anwendbar.  
Es wäre die Quadratur des Kreises.

Die Tatsachen, die für die Billigkeit sprechen sollen, müssen spätestens in der ersten Instanz nachvollziehbar und prüffähig auf den Tisch.

Erst in der Berufung, wenn eine Berufung überhaupt zulässig ist, ist ein entsprechender Tatsachenvortrag regelmäßig verspätet, § 531 ZPO.

Das Ergebnis der Billigkeitskontrolle ist revisionsrechtlich, wenn eine Revision überhaupt zugelassen wird, nur eingeschränkt überprüfbar.

In der Regel stellen sich deshalb die Weichen in der ersten Instanz.
Mit der Rechtskraft der Entscheidung ist der Einzelfall abschließend entschieden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: bolli am 24. Januar 2011, 08:12:20
Zitat
Original von __hp__
JA - genau das ist der Link, den ich diesem Forum im Rahmen meines Beitrags so gerne präsentieren wollte und nach dem ich deshalb so intensiv gesucht hatte, insbesondere weil der dahinter stehende Text so eindrucksvoll veranschaulicht, was ich in Bezug auf die potenziellen Kosten des Sachverständigen, die für den einzelnen kaum tragbar sein dürften, unter dem Aspekt \"Recht als Waffe\" mitteilen.

Meine (schließlich erfolglose) Suche danach war eigentlich am besten beschrieben mit: \"Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel in Heuhaufen\". Umso erstaunlicher, dass Sie den Link tatsächlich allein aufgrund der wenigen Anhaltspunkte, die ich in meinem Beitrag zum Inhalt geliefert habe, aufspüren konnten. Das ist mehr als \"findig\"! Zudem ist es äußerst kooperativ, dass Sie sich auf die Suche begeben haben! Vielen herzlichen Dank dafür.
Lieber _hp_
wenn Sie es erlauben, Ihnen PN (Private Nachrichten) zu schreiben, sollten Sie auch gelegentlich hineinschauen. Am besten auch die entsprechende email-Benachrichtigung einschalten. Wenn Sie dieses nicht tun, sollten Sie sie direkt nicht zulassen, dann kann man sich das Schreiben solcher ersparen.  8)  Zu bearbeiten sind diese Funktionen unter dem Mnüpunkt PROFIL und dort unter EINSTELLUNGEN.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 09:38:20
Ein gesetzlicher Kontrahierungszwang und die Anordnung einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers dabei ist von Gesetzes wegen nicht zu beanstanden, wenn es dem Schutz einer bestimmten Kundengruppe (hier der Kleinkunden) zu dienen bestimmt ist.

Trifft einen Vertragsteil die Preisbestimmungspflicht, ist es gerade Aufgabe der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, das vertragsgemäße Äquivalenzverhältnis zu bestimmen, nicht jedoch ein (durch Preisvereinbarung) bereits bestehendes Äquivalenzverhältnis zu wahren (a.A. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25, bisher st.Rspr.).

Die Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils schließt eine Preisvereinbarung der Parteien regelmäßig aus (und umgekehrt).

Auf Sonderverträge findet § 315 BGB keine Anwendung, wenn nicht ausnahmsweise bei Vertragsabschluss statt eines Preises eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers vertraglich vereinbart wurde (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Wurde ein Preis bei Abschluss eines Sondervertrages vertraglich vereinbart, gibt es keinerlei gesetzliche Regelung, die diesen vereinbarten Preis transparent machen könnte, weil dieser allein auf einer Einigung der Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit gründet.

Es besteht keiner gesetzliche Regelung, die den Lieferanten dazu verpflichten könnte, in einem im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Vertrag überhaupt eine Preisänderungsklausel zu verwenden.
Dies verstieße gegen die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie, Art. 2 GG.

Erst recht kann dann keine gesetzliche Regelung einem Lieferanten vorschreiben, eine Preisänderungsklausel bestimmten Inhalts zu verwenden.

Eingedenk dessen ist die vorstehende Diskussion in Teilen nicht nachvollziehbar.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 10:30:26
Zitat
RR-E-ft schrieb:
Es besteht keiner gesetzliche Regelung, die den Lieferanten dazu verpflichten könnte, in einem im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Vertrag überhaupt eine Preisänderungsklausel zu verwenden.

Zitat
EnWG § 41 Energielieferverträge mit Haushaltskunden
(1) Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über:
1. die Vertragsdauer, die Preisanpassung, die Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses sowie das Rücktrittsrecht des Kunden,
2. zu erbringende Leistungen einschließlich angebotener Wartungsdienste,
3. die Zahlungsweise,
4. Haftungs- und Entschädigungsregelungen bei Nichteinhaltung vertraglich vereinbarter Leistungen,
5. den unentgeltlichen und zügigen Lieferantenwechsel und
6. die Art und Weise, wie aktuelle Informationen über die geltenden Tarife und Wartungsentgelte erhältlich sind.
Dem Haushaltskunden sind vor Vertragsabschluss verschiedene Regelungen nach Satz 1 Nr.3 anzubieten.

Ein Anbieter kann in seinen AGB feststellen, dass keine Preisanpassung in der Vertragslaufzeit stattfindet, abgesehen von Verpflichtungen, die sich aus gesetzlichen Regelungen ergeben. Das ist dann aber auch eine Bestimmung zur Preisanpassung, wie sie IMHO EnWG §41 zwingend vorschreibt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 10:33:45
Zitat
Original von RR-E-ft
Es besteht keiner gesetzliche Regelung, die den Lieferanten dazu verpflichten könnte, in einem im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Vertrag überhaupt eine Preisänderungsklausel zu verwenden.
Dies verstieße gegen die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie, Art. 2 GG.

Erst recht kann dann keine gesetzliche Regelung einem Lieferanten vorschreiben, eine Preisänderungsklausel bestimmten Inhalts zu verwenden.

Der Lieferant ist auch bei Verträgen mit Haushaltskunden noch nicht einmal gesetzlich verpflichtet, überhaupt Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden.
Er kann auch jeden einzelnen Vertrag individuell aushandeln, auch mit Haushaltskunden.
AGB- Recht findet dann überhaupt keine Anwendung.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 10:48:17
Zitat
Original von jroettges
Ein Anbieter kann in seinen AGB feststellen, dass keine Preisanpassung in der Vertragslaufzeit stattfindet, abgesehen von Verpflichtungen, die sich aus gesetzlichen Regelungen ergeben. Das ist dann aber auch eine Bestimmung zur Preisanpassung, wie sie IMHO EnWG §41 zwingend vorschreibt.

Diese Auslegung ist m. E. nicht haltbar, weil dies zur Folge hätte, dass AGB, die keine Preisänderung vorsehen, wohl selbst AGB-rechtlich unzulässig wären.

Es ist das Recht eines jeden Lieferanten, keine oder keine wirksamen Preisänderungsklauseln zu verwenden.
Dies folgt ebenso aus der Privatautonomie wie die Tatsache, dass die Verwendung unwirksamer Klaueln in das unternehmerische Risiko des Verwenders fallen.

Es gibt zudem keine gesetzlichen Regelungen, die Preisanpassungen vorsehen.

Es gilt vielmehr Kaufrecht und somit § 433 II BGB.
Die gesetzliche Regelung  besagt deshalb, dass beide Vertragsteile gleichermaßen für die Vertragsdauer grundsätzlich an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden sind.

Die Verwendung von Preisänderungsklauseln als Abweichung von dieser gesetzlichen Regelung ist freigestellt. Der Verwender trägt dabei das unternehmerische Risiko der wirksamen Einbeziehung gem. § 305 Abs. 2 BGB ebenso wie für die Wirksamkeit der Klausel gem. § 307 BGB.
Dies ergibt sich aus § 306 BGB.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 10:55:13
Zitat
RR-E-ft schrieb:
Er kann auch jeden einzelnen Vertrag individuell aushandeln, auch mit Haushaltskunden.
AGB- Recht findet dann überhaupt keine Anwendung.

Ein Anbieter kann mit Kunden, die nicht Haushaltskunden sind, natürlich vereinbaren was beide Parteien gutheißen und unterschreiben.

Stellt § 41 EnWG aber nicht doch für Verträge mit Haushaltskunden eine zwingende Vorschrift dar?

Zitat
Diese Auslegung ist m. E. nicht haltbar, weil dies zur Folge hätte, dass AGB, die keine Preisänderung vorsehen, wohl selbst AGB-rechtlich unzulässig wären.


So ist es. Wenn §41 EnWG Bestimmungen zur Preisanpassung zwingend vorschreibt, dann müssen im Vertrag selbst oder den wirksam einbezogenen AGB solche Bestimmungen auch vorhanden sein. Andernfalls ist jede Preisanpassung unzulässig.

Bisher haben sich ja auch die Versorger, denen man fehlende Preisanpassungsbestimmungen vorhielt, darauf berufen, sie hätten über die AVBGasV bzw. die GasGVV das sogen. gesetzliche Preisänderungsrecht in ihre Verträge implementiert.

Es ist mir auch nach langjähriger Lekture dieses und anderer Foren kein Fall vor die Augen gekommen, in dem ein Versorger behauptet hätte, er dürfe die Preise anpassen trotzdem er keinerlei Bestimmungen dazu in seinen Verträgen getroffen hat.

P.S. so schnell wie Sie die Beiträge (unsichtbar) ändern kann keiner folgen!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 10:58:06
Meint wirklich jemand ernsthaft, dass für Sonderverträge mit Haushaltskunden die gesetzlichen Regelungen des Kaufrechts keine Anwendung finden, insbesondere § 433 Abs. 2 BGB?
Oder meint jemand ernsthaft, dass die §§ 305 ff. BGB auf solche Verträge keine Anwendung finden (§ 305 Abs. 1 Satz 1, 305b, 306 BGB) ?

Es ist doch wohl so, dass unter anderem etwa in BGH VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08 festgestellt wurde, dass es auf die wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel gem. § 305 II BGB und im Falle der wirksamen Einbeziehung auf die Wirksamkeit gem. § 307 BGB ankommt und wo entweder das eine oder das andere nicht feststellbar ist, es keine gesetzliche Regelung gibt, die dem Lieferanten ein Preisänderungsrecht einräumt (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 39 ff., VIII ZR 81/08 Rn. 25 ff., VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff.).

Darauf, dass deshalb die ursprüngliche Preisvereinbarung gem. § 433 Abs. 2 BGB weitergilt, gründen schließlich alle erfolgreichen Rückforderungsprozesse der Sondervertragskunden bei nicht wirksam einebzogener oder unwirksamer Preisänderungsklausel (BGH VIII ZR 246/08  Rn. 57).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 11:34:04
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Lieferant ist auch bei Verträgen mit Haushaltskunden noch nicht einmal gesetzlich verpflichtet, überhaupt Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden. Er kann auch jeden einzelnen Vertrag individuell aushandeln, auch mit Haushaltskunden. AGB- Recht findet dann überhaupt keine Anwendung.
Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung haben eine Bestimmung über die Preisanpassung zu enthalten (ob in AGB oder individuell). Gesetzliche Grundlage (http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/FAQs/DE/BNetzA/Energie/GrundErsatzversorgung/WasIstEinLiefervertragAu%C3%9FerhalbDerGrundversorgung.html?nn=125442)
 
Zitat
Original von RR-E-ft
Meint wirklich jemand ernsthaft, dass für Sonderverträge mit Haushaltskunden die gesetzlichen Regelungen des Kaufrechts keine Anwendung finden, insbesondere § 433 Abs. 2 BGB?......
@RR-E-ft, nein, das Kaufrecht findet Anwendung, aber das EnWG stellt Bedingungen davor. Zweifeln Sie ernsthaft an der Gültigkeit des §41 EnWG? Ist dieser erfüllt, geht es weiter mit dem Kaufrecht ff.  

Aber wenn wir schon dabei sind es gibt da auch noch einen Absatz 2:

Vielleicht gibt es ja da noch Handlungsbedarf für die Administration und die Volksvertreter.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 11:35:16
Zitat
Original von RR-E-ft

Es ist doch wohl so, dass unter anderem etwa in BGH VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08 festgestellt wurde, dass es auf die wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel gem. § 305 II BGB und im Falle der wirksamen Einbeziehung auf die Wirksamkeit gem. § 307 BGB ankommt und wo entweder das eine oder das andere nicht feststellbar ist, es keine gesetzliche Regelung gibt, die dem Lieferanten ein Preisänderungsrecht einräumt (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 39 ff., VIII ZR 81/08 Rn. 25 ff., VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff.).

Darauf, dass deshalb die ursprüngliche Preisvereinbarung gem. § 433 Abs. 2 BGB weitergilt, gründen schließlich alle erfolgreichen Rückforderungsprozesse der Sondervertragskunden bei nicht wirksam einebzogener oder unwirksamer Preisänderungsklausel (BGH VIII ZR 246/08  Rn. 57).

§ 41 EnWG steht dem nicht entgegen.

Oder soll ein Vertrag mit einem Haushaltskunden, der sich nicht zu Preisanpassungen verhält, nichtig sein?

Was sollen denn die Rechtsfolgen sein, wenn eine Preisänderungsklausel entweder nicht wirksam einbezogen oder eine wirksam einbzogene Preisänderungsklausel nicht wirksam ist?

Im Falle der nicht wirksamen Einbeziehung einer Preisänderungsklausel (bzw. einer Klausel, die sich zu Preisanpassungen verhält) könnte ja ein Verstoß gegen § 41 EnWG vorliegen.

Und was sollen dann die Folgen sein?
Die Folgen sind in § 306 BGB geregelt.
Es gelten die gesetzlichen Regelungen, vorliegend § 433 Abs. 2 BGB.

Siehe u.a. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 39 ff., VIII ZR 81/08 Rn. 25 ff., VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff..

Jeder Vertrag, der keine Regelung über Preisanpassungen enthält, verhält ich doch zumindest stillschweigend dazu. Solche Preisanpassungen sind dann vertraglich unzulässig.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 11:53:32
Zitat
Original von RR-E-ft
Was sollen denn die Rechtsfolgen sein, wenn eine Preisänderungsklausel entweder nicht wirksam einbezogen oder eine wirksam einbzogene Preisänderungsklausel nicht wirksam ist?...
Die Frage ist, was ist die Folge wenn der Vertrag entgegen § 41 EnWG keine Bestimmung über die Preisänderung enthält!

Frage deshalb an den Juristen:

Fehlt die Bestimmung über die Preisanpassung, liegt doch wohl ein Verstoß gegen ein Gesetz vor. Macht dieser Mangel einen solchen Vertrag nicht mindestens anfechtbar?

Wenn ja, mit welchen Folgen. Könnte der Vertrag sogar von Anfang an nichtig sein?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 12:00:58
Zitat
Original von PLUS
Zitat
Original von RR-E-ft
Was sollen denn die Rechtsfolgen sein, wenn eine Preisänderungsklausel entweder nicht wirksam einbezogen oder eine wirksam einbzogene Preisänderungsklausel nicht wirksam ist?...
Die Frage ist, was ist die Folge wenn der Vertrag entgegen § 41 EnWG keine Bestimmung über die Preisänderung enthält!

Frage deshalb an den Juristen:

Fehlt die Bestimmung über die Preisanpassung, liegt doch wohl ein Verstoß gegen ein Gesetz vor. Macht dieser Mangel einen solchen Vertrag nicht mindestens anfechtbar?

Wenn ja, mit welchen Folgen. Könnte der Vertrag sogar von Anfang an nichtig sein?


Zitat
Original von RR-E-ft

Im Falle der nicht wirksamen Einbeziehung einer Preisänderungsklausel (bzw. einer Klausel, die sich zu Preisanpassungen verhält) könnte ja ein Verstoß gegen § 41 EnWG vorliegen.

Und was sollen dann die Folgen sein?
Die Folgen sind in § 306 BGB geregelt.
Es gelten die gesetzlichen Regelungen, vorliegend § 433 Abs. 2 BGB.

Siehe u.a. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 39 ff., VIII ZR 81/08 Rn. 25 ff., VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff..

Jeder Vertrag, der keine Regelung über Preisanpassungen enthält, verhält ich doch zumindest stillschweigend dazu. Solche Preisanpassungen sind dann vertraglich unzulässig.

§ 306 BGB trifft doch eine klare Aussage dazu, was im Falle der nicht wirksamen Einbeziehung auch einer Klausel, die sich zu Preisanpassungen verhält, gilt.

Zitat
(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.
(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.
(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.


Ein Anfechtungsrecht ist deshalb gerade nicht ersichtlich.
Wem sollte denn woraus deshalb ein solches Anfechtungsrecht weshalb zustehen?
In welcher Form und Frist sollte eine solche Anfechtung erklärt werden müssen?

Die Frage ist auch bei Individualverträgen, für die §§ 305 ff. BGB nicht gelten (insbesondere § 306 BGB), nicht anders zu diskutieren.
Es wird regelmäßig auch keine unzumutbare Härte im Sinne des § 313 BGB vorliegen.

Ein Grundversorgungsvertrag, bei dem der Grundversorger aufgrund der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht unter Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG, 315 BGB und somit gesetzwidrig eine Preisbestimmung trifft, ist der Grundversorgungsvertrag schließlich auch nicht unwirksam oder anfechtbar.

Oder sollten wir diesbezüglich eine Anfechtbarkeit auch ernsthaft diskutieren wollen?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 12:30:43
Wahrscheinlich, nach RR-E-ft\'s Meinung ganz bestimmt, bin ich zu naiv.

Es geht doch hier nicht um \"Individualverträge\" sondern um \"Norm-Sonderverträge\" zwischen Anbietern und Hauhaltskunden außerhalb der Grundversorgung.

Wenn ein solcher Vertrag entgegen der Vorschrift in § 41 EnWG keinerlei Bestimmung zur Preisanpassung enthält oder per AGB einbezieht, dann kann eben eine Preisanpassung nicht stattfinden.  Während der Vertragslaufzeit muss der Anbieter die Energie zum vereinbarten Preis liefern.

Wenn ein Anbieter einen solchen Vertrag nicht mehr fortsetzen will, kann er ihn in der vereinbarten Frist kündigen, ebenso der Kunde, wenn er sich davon etwas verspricht.

Die Diskussion auf die Anfechtbarkeit solcher Verträge zu lenken, das bringt doch überhaupt nicht weiter!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 12:33:01
PLUS hatte die Frage nach der etwaigen Anfechtbarkeit wegen Gesetzesverstoßes gegen § 41 EnWG aufgeworfen.

Zitat
Original von jroettges

Wenn ein Anbieter einen solchen Vertrag nicht mehr fortsetzen will, kann er ihn in der vereinbarten Frist kündigen, ebenso der Kunde, wenn er sich davon etwas verspricht.

Eben deshalb liegt weder im Sinne von § 306 Abs. 3 BGB, noch im Sinne des § 313 BGB eine unzumutbare Härte für den einen oder für den anderen vor.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 12:38:21
Zitat
Original von RR-E-ft
§ 306 BGB trifft doch eine klare Aussage dazu, was im Falle der nicht wirksamen Einbeziehung auch einer Klausel, die sich zu Preisanpassungen verhält, gilt.
...
Ein Anfechtungsrecht ist deshalb gerade nicht ersichtlich.
...
Oder sollten wir diesbezüglich eine Anfechtbarkeit auch ernsthaft diskutieren wollen?
Bei § 306  BGB geht es um die Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und nicht um die Folgen bei einem Verstoß gegen ein Gesetz (§41 EnWG)!

@jroettges, RR-E-ft hat Recht, vielleicht ist eine Anfechtung schon gar nicht möglich. Die Frage stellt sich dann nicht, wenn gegen zwingendes Recht und Normen Verträge überhaupt nicht wirksam geschlossen werden können. § 134 BGB sieht immerhin vor, dass Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstossen, nichtig sind, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 306 fü BGB führt da wohl mindestens so  vom Weg ab wie die Anfechtung. §41 EnWG ist nunmal existent und es bleibt die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn diese Vorgaben in Verträgen nicht beachtet wurden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 12:45:29
§ 41 EnWG ist jedenfalls auch kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.

Aber es liegt wohl auch schon kein Verstoß gegen § 41 EnWG vor.

Zitat
Original von RR-E-ft
Jeder Vertrag, der keine Regelung über Preisanpassungen enthält, verhält ich doch zumindest stillschweigend dazu. Solche Preisanpassungen sind dann vertraglich unzulässig.

Weil an einen Verstoß gegen § 41 EnWG schon keinerlei Rechtsfolgen geknüpft sind, handelt es sich dabei eher um Gesetzeslyrik.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: bolli am 24. Januar 2011, 12:47:06
Ich habe so das Gefühl, dass man sich hier im Thread vom Thema des TE immer weiter entfernt und zunehmend Detailfragen diskutiert, die theoretisch interessant sein könnten, für die Mehrheit aber eher zweitrangig sind. Vielleicht kann man solche Diskussionen in einen anderen Thread verlagern, sonst wird es zunehmend unübersichtlich.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 12:57:14
Diese Fragen spielen doch zwingend in das Thema des TE rein.

Zitat
Original von RR-E-ft
Mit § 36 Abs. 1 EnWG besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]

Wo in Europa gibt es eine gesetzliche Regelung, die den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht des Versorgers  effektiver schützt und die der deutsche Gesetzgeber deshalb ggf. abkupfern könnte?

Die Billigkeitskontrolle erfordert eine Einzelfallentscheidung (BGH III ZR 277/06 Rn. 20). Es ist gerade der Vorteil des § 315 BGB, dass er Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.

Deshalb lässt sich \"die Billigkeit\" generell-abstrakt (wie für eine Gesetzesnorm erforderlich) wohl nicht konkreter fassen.
Gäbe es hingegen eine konkretere gesetzliche Regelung, so wäre § 315 BGB neben dieser schon gar nicht mehr anwendbar.  
Es wäre die Quadratur des Kreises.

Schafft man eine konkretere gesetzliche Regelung, ist eine Billigkeitskontrolle und somit eine Angemessenheitskontrolle der Preise im Einzelfall gem. § 315 BGB sogar ausgeschlossen.

Eine Billigkeitskontrolle wird hingegen nicht ausgeschlossen, sondern erleichtert, wenn man - wie von mir vorgeschlagen -  die Transparenz der öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und der brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV erhöht. Eine wünschenswerte Transparenzerhöhung dabei schließt aber eine Unangemessenheit der Preise auch nicht aus und kann sie nicht ausschließen.


Zitat
Original von RR-E-ft
Ein gesetzlicher Kontrahierungszwang und die Anordnung einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers dabei ist von Gesetzes wegen nicht zu beanstanden, wenn es dem Schutz einer bestimmten Kundengruppe (hier der Kleinkunden) zu dienen bestimmt ist.

Trifft einen Vertragsteil die Preisbestimmungspflicht, ist es gerade Aufgabe der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, das vertragsgemäße Äquivalenzverhältnis zu bestimmen, nicht jedoch ein (durch Preisvereinbarung) bereits bestehendes Äquivalenzverhältnis zu wahren (a.A. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25, bisher st. Rspr.).

Die Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils schließt eine Preisvereinbarung der Parteien regelmäßig aus (und umgekehrt).

Auf Sonderverträge findet § 315 BGB keine Anwendung, wenn nicht ausnahmsweise bei Vertragsabschluss statt eines Preises eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers vertraglich vereinbart wurde (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Wurde ein Preis bei Abschluss eines Sondervertrages vertraglich vereinbart, gibt es keinerlei gesetzliche Regelung, die diesen vereinbarten Preis transparent machen könnte, weil dieser allein auf einer Einigung der Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit gründet.

Es besteht keiner gesetzliche Regelung, die den Lieferanten dazu verpflichten könnte, in einem im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Vertrag überhaupt eine Preisänderungsklausel zu verwenden.
Dies verstieße gegen die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie, Art. 2 GG.

Erst recht kann dann keine gesetzliche Regelung einem Lieferanten vorschreiben, eine Preisänderungsklausel bestimmten Inhalts zu verwenden.

Die Transparenzkontrolle  eines vereinbarten Sondervertragspreises ist nicht möglich. Ein durch Einigung der Parteien vereinbarter Preis lässt sich also nicht auf Transparenz kontrollieren!

Nur die Transparenz einer Preisänderungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , die dazu bestimmt ist, einen vereinbarten Preis nachträglich abzuändern, lässt sich über § 307 BGB kontrollieren.

Es gibt bereits Rechtsprechung des BGH dazu, welche Anforderungen an die Transparenz einer Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB zu stellen sind (Offenlegung der Preiskalkulation innerhalb der Preisänderungsklausel selbst).

Zitat
BGH III ZR 274/06 Rn. 10

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Soweit der VIII.Zivilsenat mit nicht überzeugender Begründung davon abweicht, ist dies keine Angelegenheit des deutschen Gesetzgebers, der seinerseits mit § 307 BGB in Umsetzung von EU-Richtlinien gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen bereits alles getan hat.

Aus § 310 Abs. 2 BGB geht klar hervor, dass es bei Energielieferungsverträgen bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB keine Einschränkungen geben soll.

Auch der VIII.Zivilsenat des BGH muss (auch bei Energielieferungsverträgen) § 307 BGB richtlinienkonform auslegen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 13:03:30
Zitat
Original von RR-E-ft
Weil an einen Verstoß gegen § 41 EnWG schon keinerlei Rechtsfolgen geknüpft sind, handelt es sich dabei eher um Gesetzeslyrik.
Wenn das so sein sollte, sollte man solch unverbindliche \"Gesetzeslyrik\" einstampfen. Das Papier kann man sich sparen. Einfach  unbefriedigend das Ganze!
Zitat
Original von bolli
Ich habe so das Gefühl, dass man sich hier im Thread vom Thema des TE immer weiter entfernt und zunehmend Detailfragen diskutiert, die theoretisch interessant sein könnten, für die Mehrheit aber eher zweitrangig sind. Vielleicht kann man solche Diskussionen in einen anderen Thread verlagern, sonst wird es zunehmend unübersichtlich.
Gerne, wenn das nur \"theoretisch interessant\" ist. Manche betrifft das vielleicht sogar praktisch.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 13:17:57
Zitat
Original von PLUS
Zitat
Original von RR-E-ft
Weil an einen Verstoß gegen § 41 EnWG schon keinerlei Rechtsfolgen geknüpft sind, handelt es sich dabei eher um Gesetzeslyrik.
Wenn das so sein sollte, sollte man solch unverbindliche \"Gesetzeslyrik\" einstampfen. Das Papier kann man sich sparen. Einfach  unbefriedigend das Ganze!

@PLUS

Soviel Papier macht § 41 Abs. 1 EnWG nun auch wieder nicht aus.

Was soll denn daran unbefriedigend sein, wenn auch dabei das allgemeine AGB- Recht und das allgemeine Vertragsrecht (wie oben aufgezeigt) gilt?

Welche Befriedigung suchen Sie denn vergeblich? Worum geht es Ihnen dabei?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 14:12:56
Zitat
Original von RR-E-ft
Soviel Papier macht § 41 Abs. 1 EnWG nun auch wieder nicht aus.

Was soll denn daran unbefriedigend sein, wenn auch dabei das allgemeine AGB- Recht und das allgemeine Vertragsrecht (wie oben aufgezeigt) gilt?

Welche Befriedigung suchen Sie denn vergeblich? Worum geht es Ihnen dabei?
Sorry,aber das habe ich doch wohl schon deutlich gemacht: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=78789#post78789)

Das allgemeine AGB-Recht und das allgemeine Vertragsrecht sind offensichtlich nicht hinreichend und auch die Juristen sind damit nicht in der Lage, um die Verbraucher vor aufwändigen und unzähligen Gerichtsverfahren zur Feststellung der Billigkeit im Grundversorgungsbereich zu bewahren. Zielführend im Sinne des EnWG (§§ 1 - 2 ) ist das nicht gerade. Juristen mag das nicht weiter stören. Ich als Verbraucher sehe da weiter eine Lücke im System und Handlungsbedarf bei der Administration und den Volksvetretern.

Was den § 41 Abs. 1 EnWG angeht; sollte Ihre Auffassung richtig sein, dann finde ich das weniger lustig. Überflüssige Paragraphen ist das Letzte was die Menschheit braucht. Da geht es nicht nur um die verbrauchte Papiermenge, selbst das wäre schon Grund genug für das Einstampfen. Wir brauchen dringend ein Haltbarkeitsdatum für Gesetze und Verordnungen. Bei Ablauf und Wirkungslosigkeit keine Verlängerung der Gültigkeit.  

Aber ich bin nicht Teil eines kypernetischen Regelkreises, das führt hier nicht weiter. Ausbruch, andere Baustelle, andere Stellschrauben.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 14:23:34
Zitat
Original von PLUS

Das allgemeine AGB-Recht und das allgemeine Vertragsrecht sind offensichtlich nicht hinreichend und auch die Juristen sind damit nicht in der Lage, um die Verbraucher vor aufwändigen und unzähligen Gerichtsverfahren zur Feststellung der Billigkeit im Grundversorgungsbereich zu bewahren.

Also bei der Grundversorgung spielt AGB-Recht keinerlei Rolle.

An Billigkeitsprozessen können nur solche Verbraucher beteiligt werden, die sich selbst dafür entschieden haben, die aufgrund Preisbestimmungspflicht des Versorgers einseitig festgesetzten Preise als unbillig zu rügen, denen es gerade darum geht, vom Gericht die Angemessenheit der Preise kontrollieren zu lassen.
Denn andernfalls beruft man sich auch als Verbraucher nicht auf § 315 BGB.

Der BGH betont gerade, dass auch grundversorgte Verbraucher, wenn sie  sich nicht auf § 315 BGB berufen, auch  nicht in den Genuss der Billigkeitskontrolle (besser deren Früchte) kommen können!

Und damit sind Sie nicht zufrieden? Warum eigentlich?!

Klar doch haben die Juristen noch nicht geschafft, jemanden davor \"zu bewahren\".

Jeder Verbraucher entscheidet sich für einen Streit mit seinem Versorger aufgrund eigenen, freien  Willensensentschlusses.
Gezwungen wird dazu ganz offensichtlich niemand.
Die Verbraucher, die sich dazu entschließen, sind nach wie vor in der Minderheit.

Diejenigen, die nur an deren  Fruchziehung teilhaftig werden wollen, könnten hingegen in der Mehrheit sein.
Erntelieferungen und Fruchtziehungen  ohne im Schweiße des Angesichts den Acker selbst zu bearbeiten, zu pflügen, zu eggen, zu säen, zu jähten und zu ernten, sind ja auch \"billig\".
Auch die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle soll nicht dazu führen, dass man etwas geschenkt bekommt!  

Die Versorger und deren Anwälte sind gegen die Billigkeitskontrolle der einseitigen Preisbestimmungen und mühen sich entsprechend deren Interessenlage mehr oder minder redlich.
Wohingegen Verbraucheranwälte, jene Verbraucher, die sich dazu entschlossen haben, dabei tatkräftig unterstützen, weil sie Unterstützung brauchen.

Dies zu erkennen, bedarf es wohl keines kybernetischen Regelkreises. ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 15:08:41
Zitat
Original von RR-E-ft
Also bei der Grundversorgung spielt AGB-Recht keinerlei Rolle.
Ja klar, wenn man verleitet wird, den Pfad zu verlassen muss man aufpassen, dass man wieder zurückfindet.  ;)   Was gemeint war ist hoffentlich deutlich geworden.

Aber mir wurde noch nicht ganz deutlich, welche zivilrechtlichen Folgen hat jetzt die Verletzung bzw. eine Nichtbeachtung eines Gesetzesgebots (z.B. § 41 (1) EnWG) in einem Energieversorgungsvertrag?

Zitat
Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über
1.   die Vertragsdauer, die Preisanpassung, ......

Damit da keine Zweifel aufkommen. Haben Sie das jetzt schon beantwortet mit \"Keine\" ?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 15:12:20
@PLUS

An einen Verstoß gegen § 41 Abs. 1 EnWG sind keine Rechtsfolgen geknüpft.
Es handelt sich insbesondere um kein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB.

Ist das nicht eindeutig genug?

Es befriedigt Sie nicht?
Warum befriedigt es Sie nicht?
Weil kein Verfallsdatum angegeben wurde?

Lyrik bleibt Lyrik.
Sie gefällt oder sie gefällt nicht.
Wenn sie einem selbst nicht gefällt, muss man sie deshalb nicht gleich einstampfen.
Möglicherweise finden ja andere noch Gefallen an ihr.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 15:22:47
Zitat
Original von RR-E-ft
An einen Verstoß gegen § 41 Abs. 1 EnWG sind keine Rechtsfolgen geknüpft. Ist das nicht eindeutig genug?
Zitat
Original von RR-E-ft
Es befriedigt Sie nicht? Warum befriedigt es Sie nicht? Weil kein Verfallsdatum angegeben wurde?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 15:27:45
@PLUS

Eine allgemeine Unzufriedenheit hilft ja nicht weiter.

Welche Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 41 Abs. 1 EnWG würden Ihnen als Verbraucher denn persönlich warum behagen oder wären gar geeignet, Sie zu befriedigen ?

Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit des Vertrages von Anfang an wären gut?
Warum? Wegen der dann notwendigen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, womöglich nach langer Zeit?

Es stellt sich doch nicht nur bei v. Clausewitz am Anfang immer die Frage, was man eigentlich erreichen will.

Wenn man nur unzufrieden ist und nicht weiß, was man eigentlich erreichen möchte, ist das in der Regel ganz schlecht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 17:13:03
Zitat
Original von RR-E-ft
Jeder Vertrag, der keine Regelung über Preisanpassungen enthält, verhält sich doch zumindest stillschweigend dazu. Solche Preisanpassungen sind dann vertraglich unzulässig.

Zitat
RR-E-ft fragte:
Welche Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 41 Abs. 1 EnWG würden Ihnen als Verbraucher denn persönlich warum behagen oder wären gar geeignet, Sie zu befriedigen ?

Mir würde die Rechtsfolge völlig genügen, dass in einem solchen Vertrag Preisanpassungen unzulässig waren und der vertraglich vereinbarte Preis fortgegolten hat.  

Das müsste nur mal ein Gericht so entscheiden. Mir ist kein Fall in Erinnerung, in dem ein solches, auf § 41 EnWG gestütztes Urteil gesprochen worden wäre.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 17:50:56
@jroettges, Vorsicht, man läuft hier leicht Gefahr ins Abseits zu geraten.

Bei der Belieferung von Sonderkunden besteht kein gesetzliches Preisänderungsrecht. Sollte ein vertragliches Preisbestimmungsrecht des Versorgungsunternehmens bestehen,  führt der Weg zur Feststellung der Billigkeit wie bei der Grundversorgung nur über ein Gerichtsverfahren. Für jeden einzelnen Verbraucher, der Zweifel an der Billigkeit hat und das nicht ungeklärt hinnehmen möchte, ist das der einzige Weg. Dann sind wir wieder bei den Kosten, Gutachten etc. pp.

Das ist eben die Krux. Mit dem bin ich nicht zufrieden; ansonsten cet. par..  

Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=78789#post78789)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 18:31:32
@PLUS
Zitat
Vorsicht, man läuft hier leicht Gefahr ins Abseits zu geraten.

Es geht doch nur um § 41 EnWG (Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung) und mögliche Rechtsfolgen.
Habe dies durch Ergänzung meines vorherigen Artikels versucht klarzustellen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 19:04:36
Auch BGH VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff.  betrifft doch gerade den Fall, dass in Sonderverträgen mit Haushaltskunden (im Sinne von § 41 EnWG) keine oder keine wirksamen Preisänderungslauseln einbezogen wurden. Das ist also schon längstens entschieden undzwar in einer Art und Weise, welche für die Verbraucher nicht nachteilig ist.

Nach dem Vorlagenbeschluss des OLG Oldenburg vom 14.12.10 wird der EuGH ggf. darüber zu entscheiden haben, ob die Auslegung des BGH dazu Bestand haben kann, wonach auch bei Sondervertragskunden eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB in Betracht kommt, wenn bestimmte Preisänderungsklauseln verwendet wurden..

Dass diese Bestand haben kann, erscheint eher unwahrscheinlich, da der BGH diese Frage für Preisänderungsklauseln außerhalb von Energielieferungsverträgen zutreffend stets verneint hat (BGH KZR 10/03 unter II.6, BGH III ZR 274/06 Rn. 10, BGH XI ZR 78/08 Rn. 38] und auch § 310 Abs. 2 BGB keine Sonderbehandlung von Preisänderungsklauseln  in Energielieferungsverträgen hinsichtlich § 307 BGB zulässt.

Stellt sich am Ende heraus, dass § 315 BGB wegen § 307 BGB auch bei Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen mit Haushaltskunden keine Anwendung finden kann, braucht sich bei den Sonderverträgen  kein Verbraucher mehr auf § 315 BGB berufen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 19:33:59
@PLUS

Der BGH hat doch schon mehrfach entschieden, dass Haushaltskunden mit Sonderverträgen, die sich auf Unbilligkeit beriefen, bei denen jedoch mangels Preisbestimmungspflicht des Versorgers gar keine Billigkeitskontrolle erfolgen kann, keine Nachteile erleiden (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08,....].

Offensichtlich hatten diese Kunden andere Möglichkeiten.

Zudem besteht selbst bei vertraglicher Preisbestimmungspflicht im Falle von einseitigen Preisänderungen neben der Billigkeitskontrolle immer auch gleichwertig die Alternative zum Lieferantenwechsel (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20/36; BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).

Kein Verbraucher  ist zu einer Billigkeitskontrolle verpflichtet, wenn er eine solche - aus welchen Gründen auch immer - selbst nicht möchte.  

Was finden Sie als Verbraucher denn daran so nachteilig und unbefriedigend?!

Welche Möglichkeiten außer Lieferantenwechsel, Bestreiten eines Preisänderungsrechts und Billigkeitskontrolle sollten denn Verbraucher außerdem noch haben, damit auch Sie als Verbraucher zufrieden sind?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 24. Januar 2011, 19:53:34
Zitat
Original RR-E-ft:
Auch BGH VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff. betrifft doch gerade den Fall, dass in Sonderverträgen mit Haushaltskunden (im Sinne von § 41 EnWG) keine oder keine wirksamen Preisänderungslauseln einbezogen wurden. Das ist also schon längstens entschieden und zwar in einer Art und Weise, welche für die Verbraucher nicht nachteilig ist.

Ich müsste Tomaten auf den Augen haben, aber der § 41 EnWG ist im genannten Urteil des BGH noch nicht einmal erwähnt. Die EWE hatte ja Preisanpassungs-Bestimmungen getroffen, nur keine wirksamen.

Hier geht es doch um die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 41 EnWG, also dann, wenn überhaupt keine Bestimmungen zur Preisanpassung in  Sonderverträgen von Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung zu finden sind.

Stimmen sie mit mir überein, dass dann wegen eines Verstoßes gegen § 41 auch keinerlei Preisanpassungen im Rahmen eines solchen Vertrages erfolgen dürfen?

Klare Frage, klare Antwort?

Nachtrag:
Siehe unten.
Klare Antwort? Ist wohl zuviel verlangt gewesen.
Die Wiederholung sattsam bekannter Dinge statt einer Antwort auf meine Frage.
Ich gebs auf.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 20:07:44
@jroettges

Vielleicht liegt es ja eher nicht an den Augen.

Auch BGH VIII ZR 246/08 betrifft Sonderverträge mit Haushaltskunden (denn solche sind dort Kläger!).

Hätte der BGH noch ausdrücklich dazu schreiben können, dass es sich um Sonderverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung handelt (§ 41 EnWG).
War aber nicht erforderlich. Wofür auch?

Und diese Entscheidung befasst sich insbesondere auch damit, was in solchen Verträgen der Fall ist, wenn entweder keine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbzogen wurde oder eine Preisänderungsklausel unwirksam ist (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff.).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 24. Januar 2011, 21:32:43
Zitat
Original von RR-E-ft
Der BGH hat doch schon mehrfach entschieden, dass Haushaltskunden mit Sonderverträgen, die sich auf Unbilligkeit beriefen, bei denen jedoch mangels Preisbestimmungspflicht des Versorgers gar keine Billigkeitskontrolle erfolgen kann, keine Nachteile erleiden (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08,....]. Offensichtlich haben diese Kunden andere Möglichkeiten.
Siehe aktuelle  Pressemitteilung der VZ-BW. (http://www.vz-bawue.de/UNIQ129590096722447/link836971A)

Hier bleibt zur Klärung der Billigkeit der Preisbestimmungen nur der oft lange Weg durch die Instanzen oder kennen Sie einen anderen? Ich kenne jetzt keinen  Verbraucher den das befriedigt. Ich vermute mal, das trifft auch auf manchen Versorger zu.[/list]
Zitat
Original von RR-E-ft
Zudem besteht selbst bei vertraglicher Preisbestimmungspflicht im Falle von einseitigen Preisänderungen neben der Billigkeitskontrolle immer auch gleichwertig die Alternative zum Lieferantenwechsel (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20/36; BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).
Kein Verbraucher  ist zu einer Billigkeitskontrolle verpflichtet, wenn er eine solche - aus welchen Gründen auch immer - selbst nicht möchte.
 
Zitat
Original von RR-E-ft Was finden Sie als Verbraucher denn daran so nachteilig und unbefriedigend?!  Welche Möglichkeiten außer Lieferantenwechsel, Bestreiten eines Preisänderungsrechts und Billigkeitskontrolle sollten denn Verbraucher außerdem noch haben, damit auch Sie als Verbraucher zufrieden sind?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Januar 2011, 22:33:58
Zitat
Original von PLUS
 Die Kontrolle und die Feststellung könnten nachvollziehbar und allgemeinverbindlich geregelt werden. Aber das hatte ich auch schon erläutert.[/list]

@PLUS

Etwas Allgemeinverbindliches kann wohl  nicht den Bereich der Vertragsfreiheit betreffen, Art. 2 GG.

Bliebe der Bereich der Grundversorgung (Kontrahierungszwang, gesetzliche Preisbestimmungspflicht).

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle selbst entscheidet sich in der ersten Instanz durch Tatsachenvortrag, Bestreiten und ggf. eine Beweisaufnahme.

Niemand kann den Parteien eines Zivilprozesses vorschreiben, was sie vorzutragen haben und wie sie ihren Vortrag unter Beweis zu stellen haben.
Ebensowenig, in welchem Umfange sie ihr Betreiten ausrichten.
Ein Zivilprozess ist die ureigenste Privatangelegenheit der Parteien.
Niemandem kommt die Kompetenz zu, den Parteien darüber Vorschriften zu machen, ob und ggf.  wie sie einen solchen Prozess zu führen haben.  
Die Gerichte sind im Zivilprozess in der Beweiswürdigung frei.
Die Gerichte selbst sind unabhängig.

Jeder Zivilprozess ist mit Kosten verbunden, die von den Parteien zu tragen sind.
Schließlich handelt es sich um eine  Privatangelegenheit der Parteien.    

Allgemeinverbindlich könnte wohl nur eine behördliche Preisgenehmigung sein.
Die Erfahrungen mit der behördlichen Tarifgenehmigung gem. § 12 BTOElt wurden bereits berichtet.

Dort verblieb den Kunden wenigstens noch die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle (BGH VIII ZR 240/90 unter III., BGH X ZR 60/04 unter II.1).

Ginge es um Allgemeinverbindlichkeit der behördlichen Preisgenehmigung, wäre sogar die Billigkeitskontrolle als effktive Rechtsschutzmöglichkeit zur Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit ausgeschlossen.

Somit wäre die Situation dann für die Kunden sogar noch schlechter als bei der behördlichen Tarifegenmigung nach § 12 BTOElt.
Man hätte also nur die Nachteile solcher behördlichen Preisgenehmigungsverfahren  übernommen.
Meine Meinung als betroffener Verbraucher: Nein danke!

Die behördlichen Tarifgenehmigungsverfahren waren für die daran nicht beteiligten Verbraucher zudem in keiner Weise transparent.
E.ON Bayern zB. soll nach deren Vortrag in Billigkeitsprozessen die letzten Stromtarifgenehmigungen nach informellen Gesprächen mit dem zuständigen Staatssekretär in München bekommen haben.
Der Inhalt der Gespräche und deren Grundlagen sind nicht bekannt geworden.  

Das ist doch etwas, was wir las Verbraucher nun wirklich nicht gebrauchen können.

Wie transparent war denn Ihr letzter (behördlich genehmigter) Allgemeiner Strompreis, der auf einer Verbrauchsabrechnung Ihres Versorgers auftauchte?
 
Und woher entnehmen Sie, dass dieser vom Versorger einseitig bestimmte Strompreis in Anbetracht von § 1 EnWG angemessen war und der Billigkeit entsprach (BGH VIII ZR 240/90)?

Warum meinen Sie ggf., dass man so etwas allgemeinverbindlich den grundversorgten Kunden zumuten sollte ?!!

Bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gibt es regelmäßig keinen langen Instanzenzug. Die Eingangsinstanz sollte konzentriert bei einer besonderen KfH an einem Landgericht liegen, §§ 108, 102, 103 EnWG.

Es gibt eine gehörige Zahl an Billigkeitsprozessen, die ohne Sachverständigengutachten zugunsten von als Tarifkunden angesehenen Verbrauchern ausgingen, LG Erfurt, Urt. v. 10.02.09, LG Dortmund, Urt. v. 20.08.09, zuletzt OLG Stuttgart, Urt. v. 30.12.10 (Strompreis). Es gibt viele Billigkeitsprozesse, die ohne Sachverständigengutachten zu Lasten der Verbraucher ausgingen, weil diese entweder nicht hinreichend oder aber  verspätet den Vortrag des Versorgers bestritten hatten. Es gibt Billigkeitsprozesse, die nach gerichtlichem Sachverständigengutachten zugunsten der Kunden ausgingen, LG Köln, Urt. v. 14.08.09 und es gibt Entscheidungen in Billigkeitsprozessen nach sofortigem Anerkenntnis gem. § 93 ZPO. Hinzu tritt eine gehörige Zahl von Prozessen, wo die Versorger die Klage zurückgenommen haben. Und es gibt Verfahren, wo man sich teilweise für die Kunden vortrefflich verglichen hatte. Nicht ersichtlich, wo es dazu kam, dass der grundversorgte Kunde in einem Billigkeitsprozess unterlag und die Kosten eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu tragen hatte.    

Zitat
Original von RR-E-ft
Mit § 36 Abs. 1 EnWG besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]

Wo in Europa gibt es eine gesetzliche Regelung, die den Kunden bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht des Versorgers  effektiver schützt und die der deutsche Gesetzgeber deshalb ggf. abkupfern könnte?

Die Billigkeitskontrolle erfordert eine Einzelfallentscheidung (BGH III ZR 277/06 Rn. 20). Es ist gerade der Vorteil des § 315 BGB, dass er Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.

Deshalb lässt sich \"die Billigkeit\" generell-abstrakt (wie für eine Gesetzesnorm erforderlich) wohl nicht konkreter fassen.
Gäbe es hingegen eine konkretere gesetzliche Regelung, so wäre § 315 BGB neben dieser schon gar nicht mehr anwendbar.  
Es wäre die Quadratur des Kreises.

Die Tatsachen, die für die Billigkeit sprechen sollen, müssen spätestens in der ersten Instanz nachvollziehbar und prüffähig auf den Tisch.

Erst in der Berufung, wenn eine Berufung überhaupt zulässig ist, ist ein entsprechender Tatsachenvortrag regelmäßig verspätet, § 531 ZPO.

Das Ergebnis der Billigkeitskontrolle ist revisionsrechtlich, wenn eine Revision überhaupt zugelassen wird, nur eingeschränkt überprüfbar.

In der Regel stellen sich deshalb die Weichen in der ersten Instanz.
Mit der Rechtskraft der Entscheidung ist der Einzelfall abschließend entschieden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Januar 2011, 09:13:16
Zitat
Original von jroettges
Klare Frage, klare Antwort?

Nachtrag:
Siehe unten.
Klare Antwort? Ist wohl zuviel verlangt gewesen.
Die Wiederholung sattsam bekannter Dinge statt einer Antwort auf meine Frage.
Ich gebs auf.

????

Es wurde doch ausgeführt, dass ein Verstoß gegen § 41 Abs. 1 EnWG mit keinerlei Rechtsfolgen verknüpft sind. Keinerlei meint keinerlei.  

Zudem wurde auf das Verfahren BGH VIII ZR 246/08 verwiesen, welches eindeutig Sonderverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung betraf, auch wenn § 41 EnWG darin nicht ausdrücklich genannt wird.

Zitat
Original von jroettges
Die Wiederholung sattsam bekannter Dinge statt einer Antwort auf meine Frage.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 25. Januar 2011, 09:52:30
Zitat
Original von RR-E-ft
Etwas Allgemeinverbindliches kann wohl  nicht den Bereich der Vertragsfreiheit betreffen, Art. 2 GG.
Zitat
Original von RR-E-ft
Warum meinen Sie ggf., dass man so etwas allgemeinverbindlich den grundversorgten Kunden zumuten sollte ?!!
Zitat
Original von RR-E-ft
Es gibt eine gehörige Zahl an Billigkeitsprozessen, die ohne Sachverständigengutachten zugunsten von als Tarifkunden angesehenen Verbrauchern ausgingen, ...
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Januar 2011, 10:00:53
Zur Erinnerung:

Zitat
Original von RR-E-ft
Die gerichtliche Billigkeitskontrolle selbst entscheidet sich in der ersten Instanz durch Tatsachenvortrag, Bestreiten und ggf. eine Beweisaufnahme.

Niemand kann den Parteien eines Zivilprozesses vorschreiben, was sie vorzutragen haben und wie sie ihren Vortrag unter Beweis zu stellen haben.
Ebensowenig, in welchem Umfange sie ihr Betreiten ausrichten.
Ein Zivilprozess ist die ureigenste Privatangelegenheit der Parteien.
Niemandem kommt die Kompetenz zu, den Parteien darüber Vorschriften zu machen, ob und ggf.  wie sie einen solchen Prozess zu führen haben.  
Die Gerichte sind im Zivilprozess in der Beweiswürdigung frei.
Die Gerichte selbst sind unabhängig.

Jeder Zivilprozess ist mit Kosten verbunden, die von den Parteien zu tragen sind.
Schließlich handelt es sich um eine  Privatangelegenheit der Parteien.


   
Die Billigkeitskontrolle erfordert eine Einzelfallentscheidung (BGH III ZR 277/06 Rn. 20). Es ist gerade der Vorteil des § 315 BGB, dass er Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.

Deshalb lässt sich \"die Billigkeit\" generell-abstrakt (wie für eine Gesetzesnorm erforderlich) wohl nicht konkreter fassen.
Gäbe es hingegen eine konkretere gesetzliche Regelung, so wäre § 315 BGB neben dieser schon gar nicht mehr anwendbar.  
Es wäre die Quadratur des Kreises.

Zitat
Original von PLUS
Zitat
Original von RR-E-ft
Es gibt eine gehörige Zahl an Billigkeitsprozessen, die ohne Sachverständigengutachten zugunsten von als Tarifkunden angesehenen Verbrauchern ausgingen, ...
    Für mich eine ungenügende Zahl und die tatsächliche Feststellung der Billigkeit hat wohl Seltenheitswert. Es liegt vielleicht auch an der fehlenden klaren Vorgabe (Norm). Man drückt sich daher davor wo man kann (Gerichte, Anwälte, Versorger etc. pp.)

@PLUS

Die Zahlungsklagen der Versorger wurden in den genannten Billigkeitsprozessen ohne Sachverständigengutachten jeweils deshalb abgewiesen, weil der Versorger die Billigkeit im Prozess nicht nachgewiesen hatte.

Was soll der Kunde denn mehr erreichen wollen, als dass rechtskräftig festgestellt wird, dass die Zahlungsansprüche des Versorgers wegen fehlenden Billigkeitnachweises nicht bestehen, die Zahlungsklage des Versorgers wegen der vom Kunden [nach Unbilligkeitseinrede ganz einfach] gekürzten Beträge deshalb rechtskräftig abgwiesen wird?!

Dem betroffenen Kunden geht es um eine einfache, effektive Möglichkeit, sein Geld bei sich in der Tasche zu behalten.
Und diese Möglichkeit hat er bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht nur mit der Unbilligkeitseinrede gem.§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB und der darauf gründenden Zahlungskürzung.

Dem betroffenen Kunden geht es in der Regel nur um sein Geld, nicht um Weltgerechtigkeit und nicht um den Weltfrieden.

Werden die Tatsachen, die die Billigkeit begründen sollen, erst im Zahlungsprozess vom Versorger nachvollziehbar und prüffähig (nämlich durch eine Beweisaufnahme im Falle des Bestreitens) dargelegt, verbleibt dem Kunden die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO. Er zahlt dann nicht mehr, als der Versorger ohnehin immer von ihm haben wollte.

Wenn ein mit hohen Kosten verbundenes gerichtliches Sachverständigengutachten in einem solchen Prozess eingeholt wird, dann immer nur  deshalb, weil der betroffene Kunde als Beklagter es in diesem Verfahren aufgrund freier Willensentschließung genau darauf ankommen lassen wollte.   Und das darf man nun getrost jedem einzelnen betroffenen Kunden, der die Möglichkeit dazu hat, selbst überlassen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 25. Januar 2011, 10:25:35
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Zahlungsklagen der Versorger wurden in den genannten Billigkeitsprozessen jeweils deshalb abgewiesen, weil der Versorger die Billigkeit im Prozess nicht nachgewiesen hatte.
Sie unterdrücken, dass die Münze nicht selten auf die andere Seite fällt und man dann solche Berichte lesen durfte:
Gaskunde unterliegt am OLG Nürnberg (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=73533#post73533)

Eine längere Aufzählung mit ähnlichen gerichtlichen Feststellungen und \"Erfolgen\" für die Verbraucher wären eine leichte Übung, die ich mir aber erspare.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Januar 2011, 10:30:59
@PLUS

Ja lesen muss man viel.
Ich unterdrücke gewiss nichts.

Auch dieser Kunde hatte sich aus freier Willensentschließung heraus dazu entschieden, selbst zu klagen.

Hätte er schon nicht gemusst.

Er hätte bei gesetzlicher/ vertraglicher  Preisbestimmungspflicht des Versorgers nach Unbilligkeitseinrede einfach seine Zahlungen kürzen und sodann abwarten können, ob und ggf. mit welchem Erfolg er vom Versorger verklagt wird.

Dabei hätte ihm ggf. die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO offen gestanden.
Ihm stand deshalb von Gesetzes wegen ein einfacherer, effektiverer Weg mit geringerem Kostenrsisiko zur Verfügung.

Wenn er sich für einen anderen Weg entschieden hatte, kann er dafür niemanden verantwortlich machen.

In dem genannten Fall des OLG Nürnberg ging es zudem einen Kunden mit Sondervertrag, der erst in der Berufungsinstanz und somit gem. § 531 ZPO verspätet, die wirksame Einbeziehung der Bedingungen der AVBGasV in sein Vertragsverhältnis bestritten haben soll. Das liegt aber am eigenen Prozessverhalten, welches man niemandem vorschreiben kann. Wäre das Bestreiten rechtzeitig in der ersten Instanz erfolgt, wäre der Streit wohl anders zu entscheiden gewesen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: bolli am 25. Januar 2011, 10:36:35
Mein Posting
Zitat
Ich habe so das Gefühl, dass man sich hier im Thread vom Thema des TE immer weiter entfernt und zunehmend Detailfragen diskutiert, die theoretisch interessant sein könnten, für die Mehrheit aber eher zweitrangig sind.
bezog sich u.a darauf, ob es tatsächlich eine Rechtsfolge hat, wenn § 41 EnWG nun erfüllt ist oder nicht und welche Konstellation da wie wirkt.

Die Frage, was passiert, wenn eine Preisänderungsklausel aus den AGB nicht wirksam in einen Sondervertrag eingebunden wurde oder unwirksam ist, hat der BGH schon mehrfach beantwortet, zuletzt im Urteil vom 14.07.2010 VIII ZR 246/08. Es gilt halt einfach der Anfangspreis (ob da über ein Obiter dicta noch Dinge nachgeschoben werden, bleibt abzuwarten). Beide Varianten sind meines Erachtens Unterfälle eines Verstoßes gegen § 41 Abs 1 Nr. 1 EnWG und genauso zu sehen wie ein absolutes Fehlen einer solchen Vereinbarung. Warum hier also so lange über diesen § 41 diskutiert wird, ist mir nicht ganz ersichtlich. Gleichwohl ist ein solcher Paragraph mit einer nicht explizit genannten Rechtsfolge nicht besonders befriedigend, wenn die Rechtsfolge ohne ihn die gleiche ist, kann und sollte man ihn weglassen, da er ansonsten wohlmöglich noch auf falsche Gedanken bringt (bei unseren Richtern ist heutzutage alles möglich).

Zitat
Original von RR-E-ft
Bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gibt es regelmäßig keinen langen Instanzenzug. Die Eingangsinstanz sollte konzentriert bei einer besonderen KfH an einem Landgericht liegen, §§ 108, 102, 103 EnWG.
Ich habe so langsam das Gefühl, Sie entwickeln sich zu einem reinen Theoretiker, der die Praxis völlig aus den Augen verliert und den Träumen der \"was wäre wenn Welt\" nachhängt.

Bei dem ersten Satz muss ich Ihnen (leider) größtenteils zustimmen, aber nur, weil mittlerweile doch die überwiegende Zahl der Fälle der Billigkeitskontrolle gar nicht mehr an den zuständigen Gerichten gem. § 102, 108 EnWG landet und nur nach \"normalem\" Vertragsrecht abgehandelt wird und vielfach die Berufungshürden nicht mehr nimmt.
Und wenn denn tatsächlich mal ein Fall der Billigkeitsfrage über die zuständigen Kartellsenate der OLG bis zum BGH kommt, wird dieser nach den \"neuen Geschäftsverteilungsrichtlinien des BGH\" (wo das schriftlich allgemeingültig festgelegt ist, hat mir bisher noch niemand zeigen können) an den VIII. Senat statt den an und für sich gemäß der öffentlich zugänglichen Geschäftsordnung (siehe  hier: Geschäftsverteilung BGH 2011 (http://www.bundesgerichtshof.de/cln_136/DE/BGH/Geschaeftsverteilung/Geschaeftsverteilung2011/WeitereSenate2011/weitereSenate2011_node.html) zuständigen Kartellsenat abgegeben.

Dieses wurde mittlerweile in zwei Verfahren so praktiziert (VIII ZR 178/09 und VIII ZR 295/09, wovon ersteres wegen Revisionsrücknahme nicht verhandelt wurde) und niemand schreitet dort ein. SIE, RR-E-ft, haben einmal kurz erwähnt, dass nicht der vorgesehenen Geschäftsvertreilung entspricht, aber das war\'s dann auch. Und nun tun Sie so, als ob da mit dem Rechtsweg bei der Billigkeitskontrolle alles in Ordnung wäre. Mitnichten ist dem so, vor allem wenn man so sieht, was da einige Amtsrichter (aber durchaus auch die sogenannten Fachrichter an den KfH der LG) alles so munter drauflosentscheiden.

Also bitte tun Sie nicht so, als ob da alles in Ordnung wäre.

Auch Ihre Aussage
Zitat
Zudem besteht selbst bei vertraglicher Preisbestimmungspflicht im Falle von einseitigen Preisänderungen neben der Billigkeitskontrolle immer auch gleichwertig die Alternative zum Lieferantenwechsel (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20/36; BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).
erschließt sich mir nicht ganz.
Aus meiner Sicht sind Billigkeitskontrolle und Lieferantenwechselmöglichkeit eben keine gleichwertigen Alternativen (mal abgesehen vom Fall des Sondervertrages mit einseitigem Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers, der ja wohl bisher noch nicht vorgekommen ist, warum wohl nicht ?).
Im Sondervertrag werden die Preise vereinbart und ich habe eben nicht die Möglichkeit, die Preise auf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen. Daher ist dieses kein gleichwertiger Ersatz zur Billigkeitskontrolle. Und selbst die Billigkeitskontrolle ist doch derzeit ebenfalls nur eine theoretische Konstruktion, da in der Praxis aufgrund der vom VIII. Senat aufgestellten Sockelpreistheorie in der Grundversorgung de facto gar eine Billigkeitsprüfung des gesamten Preises stattfindet. Und solange Sie, RR-E-ft, mir nicht mal einige Fälle zeigen, in denen irgendwelche Gerichte (auch Untergerichte) in der letzten Zeit von dieser BGH-Rechtssprechung abgewichen sind und den gesamten Preis überprüfen (lassen), kann ich Ihre Ausführungen dazu un ddem Herumreiten auf der \"ach so tollen Billigkeitsprüfung\" auch nur noch begrenzt Ernst nehmen, denn sie sind durch die Praxis derzeit ausgehebelt.

Und kommen Sie mir bitte jetzt nicht mit Ihrer üblichen Aussage, man müsse dem VIII. BGH-Senat nur mal die richtigen Gesetzesworte in der richtigen Betonung vorlesen, dann kämen diese Damen und Herren gar nicht um die \"göttliche Erkenntnis\" der wahren Bedeutung der §§ 36 EnWG, 5 GasGVV/StromGVV umhin. Damit kompromittieren Sie sowohl Ihre am BGH zugelassenen Kollegen als auch die entsprechenden Richter/-innen des VIII Senats.

Man sollte also die Praxis bei seinen Theorien nicht gänzlich aus dem Auge verlieren und insbesondere den geneigten Leser hin und wieder darauf hinweisen, dass diese derzeit noch anders aussieht. Nicht jeder verfolgt das Forum dauerhaft und intensiv und kennt überall den neuesten Stand. Dann würden sich nämlich ne Reihe Fragen von selbst erledigen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Januar 2011, 11:03:32
@bolli


Die materielle Rechtslage, die zu beachten ist, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, den Gesetzestexten.
Jene lege ich zu Grunde und muss ich auch in jedem Verfahren zu Grunde legen.

Wenn Gerichte dieses materielle Recht anders verstanden anwenden, bleibt in der Praxis nur, sich in entsprechenden Verfahren rechtliches Gehör dazu zu verschaffen und auf eine andere Rechtsanwendung durch die Gerichte hinzuwirken.
Ich entwickle mich schon deshalb nicht zum Theoretiker, weil ich ständig eine Vielzahl entsprechender Prozesse bundesweit als Prozessbevollmächtigter ausfechte, allein in dieser Woche fünf Gerichtstermine in solchen Sachen.
Daneben begleite ich Prozesse von Kollegen. Mag wohl sein, dass es Kollegen gibt mit mehr Gerichserfahrung auf diesem Gebiet.
Jeder macht seine Erfahrungen.

Soll der Gesetzgeber in jedes Gesetz noch hineinschreiben, dass es von den Gerichten auch bitte schön zutreffend anzuwenden ist?

Es ergibt sich bereits aus dem Grundgesetz, dass die Gerichte an Recht und Gesetz gebunden sind und nicht selbst Recht zu schöpfen haben.

Auf andere Ansichten, insbesondere beim VIII.Zivilsenat des BGH wird immer hinreichend deutlich hingewiesen.
Diese ist überhaupt auch für den TE Veranlassung für die gesamte Diskussion an dieser Stelle.
Es geht um die Kritik an der bisherigen Rechtsanwendung durch den VIII.Zivilsenat des BGH.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: bolli am 25. Januar 2011, 11:25:30
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn Gerichte dieses materielle Recht anders verstanden anwenden, bleibt in der Praxis nur, sich in entsprechenden Verfahren rechtliches Gehör dazu zu verschaffen und auf eine andere Rechtsanwendung durch die Gerichte hinzuwirken.
Das versuchen die Anwälte vor den AG\'s durchaus (verzweifelt). Aber wenn der Fisch schon am Kopf stinkt, ist\'s meist zu spät.
Da steht die Zuständigkeit für die §§ 102, 108, und 107 EnWG und niemand hält sich dran. Und? Anscheinend egal!

Und was sagen Sie zu den Zuständigkeitsverschiebungen beim BGH ? Man hört da so gar nichts von Ihnen. Haben Sie keine Erkenntnisse der BGH-Kollegen dazu ? Spricht man da nicht miteinander drüber in der Branche ?

Zitat
Original von RR-E-ft
Auf andere Ansichten, insbesondere beim VIII.Zivilsenat des BGH wird immer hinreichend deutlich hingewiesen.
Ja, aber nur noch selten von Ihnen.

Zitat
Original von RR-E-ft
Es geht um die Kritik an der bisherigen Rechtsanwendung durch den VIII.Zivilsenat des BGH.
Gut, dass Sie es sagen, ich sagte ja schon, dass ich fast nicht mehr weiss, um was es eigentlich in dem Thread ging.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 25. Januar 2011, 11:39:39
@bolli

Wo habe ich es denn unterlassen, mich kritisch mit einer Rechtsauffasung des VIII.Zivilsenats des BGH auseinanderzusetzen, weil der eine andere Auffassung vertritt?
Das man so gar nichts von mr hört, kann wohl nicht ganz richtig sein.
Von wem hörte man denn mehr?

Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass das ganze Unrecht dieser Welt, welches Sie immer noch hier und dort ausmachen, an mir liegen könnte?
Ich bin nicht GOTT.  ;)

Wenn Sie in der Lage sind, bestehende Probleme der Rechtsprechung zutreffend zu erkennen und zu benennen, dann doch wohl nur deshalb, weil wir hier fleißig posten.
Zuweilen dröhnt Ihnen davon womöglich der Kopf und dann posten Sie deshalb launige Beiträge.

Weil ich wohl auch ein Theoretiker bin, hatte ich zB. in WuM 2005, 547 gegen die bis dahin herrschende Meinung einen Aufsatz zur Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen veröffentlicht.
Der fand dann Eingang in die Rechtsprechung des BGH zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf Energielieferungsverträge (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17).  

Gejammert wird viel, gerade weil die Welt so ungerecht ist:

Welche Möglichkeiten sahen denn die Verbraucher, bevor der BGH die gerichtliche Billigkeitskontrolle auf die gesetzliche Preisbestimmungspflicht für unmittelbar anwendbar feststellte, wenn auch mit dem angeblich vereinbarten, nicht mehr kontrollierbaren  Preissockel (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 14 ff., VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07)?

Ging es den Verbrauchern da noch besser?
(Ja, weil niemand das Elend erkannte und deshalb niemand an dieser Erkenntnis litt. Kennt man schon von Adam und Eva.)

Oder war es nicht vielleicht eher so, dass die Versorger bei Zahlungskürzungen wegen unangemessener Preise mit Versorgungseinstellung drohten, um an das Geld der Kunden zu gelangen und war es nicht so, dass einzelne Gerichte sie dabei mit Berufung auf den Einwendungsausschluss des § 30 AVBV auch gewähren ließen? Wenn sich dann doch jemand zu einer Rückforderungsklage wegen unbilliger Tarife aufraffte, hieß es vor Gericht, er selbst müsse die Unbilligkeit der Preise beweisen (BGH VIII ZR 111/02 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=25734&pos=0&anz=1)). Die schöne alte Versorgerwelt eben.

Es wird schon so sein, dass sich mancher hier im Forum (nicht Sie!) dahin zurücksehnt. Wer das möchte - und ein Interesse daran haben viele -  muss der Abschaffung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle das Wort reden, denn dann gilt wieder der Einwendungsausschluss gem. § 17 GVV. So haben es die Versorger ihre fleißigen Kommentatoren bereits in deren wohlfeile Kommentare zur GVV schreiben lassen. Fragt nur Black. Der wird das bestätigen können.

Natürlich muss man auch Verbraucher davon überzeugen, dass ihnen die Billigkeitskontrolle nichts erbringt, man auf diese getrost verzichten kann.
Am besten, man brächte sie dazu, über den Gesetzgeber zu schimpfen, obschon der eine ihnen günstige Rechtslage geschaffen hat.
Mal sehen, was es dann, wenn sich solche \"Freunde\" der Verbraucher durchsetzen sollten,  wieder für ein Jammern und Zähneklappern bei den Verbrauchern geben wird.  
Es wird wohl wieder nicht Recht sein.

Übrigends:  

Ob die Auffassung vom vereinbarten Preissockel überhaupt noch Bestand haben kann, erscheint fraglich (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18 Verpflichtung zur dem Versorger möglichen Preisabsenkung, BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39 Notwendigkeit der Betrachtung der Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren des Preissockels).

Heute ist nicht alle Tage...

Nicht die materielle Rechtslage, vorgegeben vom Gesetzgeber, muss sich ändern, sondern vielmehr die Rechtsanwendung durch die Gerichte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 28. Januar 2011, 18:25:03
Puh - was ist hier denn in den vergangenen Tagen abgegangen! Das sieht ja nach einem nachträglichen \"Silvesterfeuerwerk\" mit gewaltiger Knallerei aus, hinter dem die Kernaussagen des von mir gestarteten Themas hoffentlich nicht vollends und dauerhaft verschwinden!

Da jetzt ja anscheinend wieder etwas mehr Ruhe in diesen Themen-Thread eingekehrt ist, hoffe ich, bei allen Lesern auf die Lust zu stoßen, juristische Gedankengänge nachzuvollziehen, was vielleicht erforderlich ist, um meinen heutigen Beitrag in all seinen Nuancen einordnen zu können.

Um vorab eine kurze Orientierung zu geben, was ich hier eigentlich bereits vertreten habe und worauf ich jetzt zu antworten gedenke, kann man meine Thesen sehr verkürzt wohl auf die folgende Formel bringen (Keine Angst übrigens, dieser Beitrag wird kein Rundumschlag, der alle bereits dargelegten Aspekte noch einmal beleuchtet, wiederholt und breittritt. Er ist eher gedacht als \"Antwort\" auf Fragen, die gestellt - und vielleicht auch noch nicht gestellt - wurden. Auf jeden Fall soll dieser Beitrag aufräumen mit einer Fehlvorstellung, die RR-E-ft hier in Beantwortung meiner Beiträge quasi als \"unumstößliche juristische Wahrheit\" abgeliefert hat):

Hier nun meine bereits angekündigte und zuvörderst an \"RR-E-ft\" gerichtete Antwort. Aber auch \"Black\" soll im Rahmen dieses Beitrags keineswegs zu kurz kommen. Beide \"user\" haben sich unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln meinen Thesen mit mehr oder (aus meiner Sicht eher) weniger gewichtigen Argumenten entgegengestellt. \"RR-E-ft\" etwa meinem Begründungsansatz, wonach nicht nur im Gassondervertragsverhältnis völlig \"untragbare\" - weil intransparente - (Preisanpassungs-)Verhältnisse herrschen, sondern dieser Befund auch auf die Grund-/Ersatzversorgung zutrifft.

Mein heutiger Beitrag richtet sich aber ausdrücklich auch an all diejenigen, die meine Überlegungen aufgreifen, gewichten und dann selbständig weiterentwickeln, wie es etwa der \"user\" Lothar Gutsche unter dem Thema \"Preisintransparenz begründet Staatshaftung für Verbraucher bei verlorenen Billigkeitsprozessen (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14996&threadview=0&hilight=&hilightuser=0&page=2)\" tut bzw. getan hat. Ohne jetzt an dieser Stelle die von ihm dort aufgeworfene Frage in den Blick zu nehmen, ob und ggf. wann tatsächlich ein \"Staatshaftungsanspruch\" aus der Nichtvorlage an den EuGH durch den VIII. Zivilsenat resultieren könnte, was \"RR-E-ft\" mit (wiederum wohl eher) weniger \"guten\" Argumenten von vornherein ganz vehement verneint, so bestätigt der \"user\" Lothar Gutsche doch zumindest eindrucksvoll eine meiner grundlegenden Überzeugungen:

Die Fähigkeit zum kritischen Denken ist weder das ausschließliche Privileg des \"Juristen mit Befähigung zum Richteramt\" noch haben Juristen den \"kritischen Denkansatz\" auch nur erfunden. Immanuel Kant als Begründer der modernen Philosophie meinte dann auch keinesfalls nur die \"Juristenzunft\", als er im Zeitalter der Aufklärung dazu aufrief:

\"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.\"

Der \"eigene Verstand\" spielt nun gerade für die Arbeit des Juristen eine ganz entscheidende Rolle. \"Logik\" als Verstandesleistung sozusagen, die das Streben nach vernünftigen (Schluss-)Folgerungen überhaupt erst ermöglicht, stellt die zentrale Kategorie in der täglichen Arbeit des Juristen dar. Ohne die Fähigkeit oder Bereitschaft, die logischen Bezüge in einem konkreten Sachzusammenhang zu erkennen bzw. herzustellen, ist der Jurist verloren und das kodifizierte Recht - das Gesetz - nicht das Papier wert, auf dem es abgedruckt ist.

Insofern könnte man den Juristen beinahe mit dem Mathematiker vergleichen, der - ebenso wie der Jurist - regelmäßig auf die \"denkende Kunst der Logik\" zurückgreifen muss, um die ihm abverlangten Lösungsansätze zu liefern.

Aber keine Angst: Niemand muss Jurist, Mathematiker, Informatiker oder Philosoph sein, um mitreden zu können oder zu verstehen: Es kommt eher darauf an, nicht zu vergessen, dass der Kopf nicht nur zum Herumtragen da ist, sondern man sich diesem bzw. dem darin befindlichen Verstand ggf. auch bedienen muss, um Erkenntnisse zu gewinnen.

Insofern finde ich es mehr als kontraproduktiv, wenn Sie - sehr geehrter RR-E-ft - Ansichten von \"usern\" (wie etwa denen von Lothar Gutsche) unter Hinweis auf Ihre Qualifikation als Volljurist, die Ihnen ja von niemandem auch nur im Mindesten abgesprochen worden ist, und der Anmerkung, hier spiele wohl eine übergroße \"Selbstbetroffenheit\" des \"users\" die ausschlaggebende Rolle, sich in der nachzulesenden Weise zu äußern, geradezu als \"Nonsens\" abqualifizieren.

Jeder sollte sich hier äußern dürfen, ohne Angst davor haben zu müssen, von Ihnen - von mir aus auch von mir - gemaßregelt zu werden. Dieses mitzuteilen ist mir nicht zuletzt deshalb wichtig, weil ich in meinen Beiträgen zumindest implizit dazu aufgerufen habe, mitzudenken, nachzuvollziehen und weiterzudenken.

Also: Es ist der eigene kritische Verstand gefragt, wenn es etwa darum geht, \"Ungereimtheiten\" auf dem Sektor der Gasversorgung zu erkennen und den daraus resultierenden Fehlentwicklungen entgegenwirken zu können.

Nun aber zu \"Black\":

Ihr Post vom 28.12.10 - mittlerweile ja schon eine halbe Ewigkeit her - hat mich doch einigermaßen verwundert. Hätten Sie mich darin nicht persönlich angesprochen und mir sogar einen \"Denkfehler\" vorgehalten, ich hätte wahrscheinlich gar nicht bemerkt, dass Sie damit tatsächlich auf meine vorgehenden Beiträge reagieren wollten. So wenig bis gar nicht sind Sie auf meine Argumentation eingegangen, die ich gerade mit Blick auf die aus meiner Sicht mehr als befremdliche Behandlung der EWE-Revisionsverfahren durch den VIII. Zivilsenat des BGH unter verschiedenen verfassungsrechtlichen Blickwinkeln dargelegt habe.

Sie versteigen sich da lieber zu der kühnen These, ich hätte die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats lediglich \"kritisiert\", weil das Ergebnis einer vom Senat vorgenommenen Einzelfallprüfung in Sachen EWE \"nicht meine Zustimmung\" gefunden hätte. Aha - interessant!

Aber: Wie die bereits abgegebene Begründung in meinen vorausgehenden Beiträgen zeigt: weit gefehlt! Entweder haben Sie meine Beiträge nicht zur Kenntnis genommen, bevor Sie zur Antwort ansetzten. Oder es ist Ihnen gar nicht an einer ernsthaften Diskussion gelegen, und Sie stellen deshalb Ihre Meinung quasi als bloßes \"Glaubensbekenntnis\" meiner begründeten Ansicht gegenüber, der VIII. Zivilsenat habe seine Entscheidung unter eklatanter Missachtung wesentlicher Verfassungsgrundsätze und Grundrechte der verfahrensbeteiligten \"EWE-Gegner\" getroffen.

In diesen Thread gehört dann auch kein \"Glaubensbekenntnis\", wie Sie es hier abgegeben haben, lieber \"Black\". Um es bildhaft auszudrücken: Wenn die Hardliner unter den Kreatonisten - das sind diejenigen, die die Bibel wörtlich nehmen und der festen Überzeugung sind, die Erde sei eine Scheibe - mich auf ihre Seite ziehen wollen, dann müssen sie sich dazu schon mit jedem einzelnen der etwa 250 wissenschaftlich untermauerten Argumente auseinandersetzen und diese vor allem widerlegen, wonach die Erde doch wohl eher einem Ball gleichkommt. Gelingt den Kreatonisten dieses, werde ich mir ernsthafte Gedanken darüber machen (müssen), ob ich wie bisher das Risiko auf mich nehmen kann, ans \"Ende der Welt\" zu reisen. Denn ich will natürlich nicht runterfallen.

Sie - \"Black\" - hätten es da aber sehr viel einfacher gehabt, mussten Sie doch nicht gleich ganze 250 Argumente widerlegen, um mich zu überzeugen. Wenn ich Ihnen \"nur\" fünf oder sechs Anhaltspunkte liefere, die für eine verfassungswidrige Behandlung der EWE-Revisionen durch den VIII. Zivilsenat sprechen, dann dürfte es doch wohl nicht zu viel verlangt sein, wenn Sie sich mit jedem einzelnen Argument auseinandergesetzt hätten. Sie haben aber nicht einmal ein einziges aufgenommen und gewichtet. Das deutete darauf hin, dass es Ihnen hier nicht um den Austausch von Argumenten ging, sondern um die Platzierung Ihres \"Glaubensbekenntnisses\" in Sachen VIII. Zivilsenat.

Für ein solches \"Glaubensbekenntnis\" wäre dann aber ein eigenständiger Thread doch wohl besser geeignet gewesen, wo unter dem Aspekt \"Ich glaube an die rechtsstaatliche Integrität des VIII. Zivilsenats insbesondere in den Revisionsverfahren in Sachen EWE\" hätte diskutiert werden können. Ich halte mich da lieber an die beschriebenen Fakten in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht und habe mir für jegliche Glaubensbekenntnisse den Sonntagvormittag vorbehalten.

Nun gut: Das Privileg des geschriebenen Wortes besteht nun glücklicherweise darin, dass ggf. auch noch einmal nachgelesen werden kann, sollte dieses - wofür doch aus meiner Sicht einiges spricht - noch nicht geschehen sein.

Übrigens - nur so viel: Was Sie \"verniedlichend\" als eine Abweichung von selbst aufgestellten Kriterien bzw. Richtlinien durch den \"BGH\" im Rahmen einer Transparenzprüfung bezeichnen, stellt \"de facto\" nichts anderes dar, als eine Abweichung NICHT des \"BGH\", sondern des VIII. Zivilsenats, und zwar auch nicht lediglich von eigenen Richtlinien, sondern von der gefestigten Rechtsprechung anderer Zivilsenate zur Transparenzkontrolle. Allein das hätte die Anrufung des Großen Senats erforderlich gemacht, um den Verfahrensbeteiligten nicht den Anspruch auf den gesetzlichen Richter zu entziehen.

Und warum eine Gleichbehandlung von Sondervertragskunden und denen aus der Grundversorgung auf völlig intransparentem, also auf niedrigstem Transparenzniveau bezüglich der Preisänderungsvorschrift aus verfassungsrechtlichen Gründen ausscheidet, hatte ich auch schon dargelegt. Eine Wiederholung der Argumente im Einzelnen verkneife ich mir deshalb hier.

Offensichtlich ist ja der VIII. Zivilsenat (nicht der BGH; diese Unterscheidung ist mir äußerst wichtig!) in einem anderen Verfahren jetzt selbst nicht mehr so sicher, ob er (wenn er entgegen der gesetzlichen Vorschriften schon nicht den Großen Senat einschalten will), nicht doch gehalten ist, dem EuGH die \"Transparenzfrage\" in einem Vorabentscheidungsverfahren zu stellen.

Sie - \"Black\" - sollten nun vielleicht aufpassen, dass Sie die - wie von mir dargelegt - heillos verfassungswidrige Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen EWE zu einem Zeitpunkt nicht noch vollmundig verteidigen (im Februar dieses Jahres oder später!?), zu dem der VIII. Zivilsenat womöglich schon selbst die \"Notbremse\" gezogen und den Weg zum EuGH nach Luxemburg eingeschlagen hat. Ob der VIII. Zivilsenat dazu tatsächlich die Kraft aufbringen wird, wage ich - wie schon erwähnt - allerdings zu bezweifeln, denn dann müssten sich die hohen Herrschaften auch die Missachtung der Vorlagepflicht in Sachen EWE (Verstoß gegen Art 101 GG) eingestehen.

Nun zu Ihnen, \"RR-E-ft\":

Als bei mir vor Jahren einmal der \"Groschen\" so ganz und gar nicht fallen wollte, gab mir ein sehr guter Lehrer den mehr als hilfreichen Tipp, das Lehrbuch doch beim Lesen möglichst nicht falsch herum zu halten. Und - er hatte Recht: Buch gedreht - der Groschen fiel fast wie von allein!

Ich möchte Ihnen heute, im modernen \"IT-Zeitalter\", vielleicht eher den (zugegebenermaßen etwas polemischen) Tipp geben, beim Lesen - zumindest meiner Beiträge - doch bitte den auf Ihrem Schreibtisch stehenden Monitor unbedingt richtig herum aufzustellen. Denn der muss bei Ihnen auf dem Kopf stehen. Nur so lässt sich nämlich erklären, dass meine um Klarheit und Eindeutigkeit bemühten Überlegungen offenbar so ganz und gar nicht bis zu Ihnen nach Jena durchzudringen scheinen.

Zwei kardinale Dissense bestehen zwischen uns, die tiefer nicht sein könnten, die aber nicht bestehen dürften, wenn Sie meine Überlegungen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätten:

Ich hatte in meinen Ausgangsbeiträgen dezidiert nachgewiesen, dass nicht nur in Sondervertragsverhältnissen, sondern darüber hinaus in der Grund- bzw. Ersatzversorgung weitestgehende Klarheit bestehen muss, wann, unter welchen Umständen und in welchem Maße mit einer Preis(neu)festsetzung durch den Versorger zu rechnen ist. Diese Preistransparenz stellt einen wesentliches Element materieller Gerechtigkeit dar.

Sowohl der Grundversorgte als auch der mit einem Sondervertrag ausgestattete Verbraucher - dieses hatte ich gezeigt - sind in gleicher Weise schutzbedürftig, wenn es darum geht, schon im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung hinreichende Klarheit darüber zu bekommen, ob sich eine vom Versorger vorgenommene Preisänderung im Rahmen des Rechtmäßigen bewegt. Nur dann können diese Verbraucher nämlich sachgerecht entscheiden, ob sie einen ggf. kostspieligen, langwierigen und ggf. nervenaufreibenden Prozess mit ihrem Versorger führen können und wollen.

Aufgrund dieser prinzipiell gleichlaufenden Interessen im Hinblick auf die Preistransparenz folgt die Pflicht des Gesetzgebers aus Art. 3 I GG, Sondervertragskunden und Kunden der Gasgrundversorgung ein im Wesentlichen gleiches \"Preistransparenzniveau\" zu bieten.

Ein ungerechtfertigtes weil unterschiedliches Schutzniveau - hier hoch (Sondervertragsverhältnisse), dort niedrig (Grundversorgung) - erscheint also nicht nur als ungerecht, es widerspricht dem elementaren Gerechtigkeitsgedanken, wie er auch in Art. 3 I GG klar zum Ausdruck kommt.

Sie rechtfertigen die Intransparenz in der Grundversorgung und halten die besagten Regelungen im Endeffekt für gerecht, ohne auch nur ein einziges durchgreifendes Argument dafür zu liefern:

Zitat
\"Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen.\"

Damit stellen Sie sich dem immerhin in meinem vorhergehenden Beitrag verfassungsrechtlich hergeleiteten Einwand frontal entgegen, eine Preisänderungsvorschrift aus der GasGVV bzw. dem EnWG, die den grundversorgten Verbraucher völlig darüber im Unklaren lässt, unter welchen Bedingungen es in welchem Maße zu einer Veränderung des Preises für das gelieferte Gas kommt, sei mit wesentlichen Grundsätzen elementarer Gerechtigkeit nicht vereinbar.

Ihrer Auffassung will ich im übertragenen Sinne zunächst mit dem Philosophen Platon begegnen. Was dieser schon vor mehr als 2000 Jahren für richtig hielt, muss heute nicht unbedingt falsch sein - im Gegenteil:

Platon mahnte:

\"Die schlimmste Art von Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit.\"

Und das, was Sie uns hier als im Gewande der Gerechtigkeit gekleidete Rechtsstaatlichkeit verkaufen wollen, ist mit wesentlichen Grundsätzen unserer Verfassung nicht vereinbar (ich hatte dazu ja bereits umfassend Stellung bezogen - vgl. insbesondere meinen Beitrag weiter oben vom 27.12.10 - 22:31), entspricht nicht einmal den materiellen und prozessualen Vorgaben des BGB sowie der ZPO, und stellt so nichts anderes dar, als - um es noch einmal mit Platon zu sagen: \"die schlimmste Art von Ungerechtigkeit\".

Es kämen hier nun zwei Alternativen in Betracht, die die bestehende und von mir als ungerecht und zugleich verfassungswidrig erkannte Preisintransparenz in der Grundversorgung doch noch im Lichte des Grundgesetzes als hinnehmbar rechtfertigen könnten:

Die erste scheidet unmittelbar aus: Grundversorgte sind nicht weniger schutzbedürftig als Sondervertragskunden.

Oder - Alternative 2 - der § 315 BGB, der der Billigkeitskontrolle dient, bietet den Verbrauchern aus der Grundversorgung so viel Schutz, dass es auf ein entsprechendes Transparenzniveau, wie doch selbst Sie es für Sondervertragsverhältnisse fordern, im Grundversorgungsverhältnis gar nicht mehr ankommt.

Genau diese letztgenannte These vertreten Sie hier.

Insbesondere mit Blick auf die im Zusammenhang mit § 315 BGB zu berücksichtigende Kostennorm des § 93 ZPO meinen Sie, dass dem Verbraucher, der sich auf die Billigkeitseinrede gem. § 315 BGB berufe, doch die Möglichkeit zur Verfügung stehe, \"prozesstaktisch geschickt\" natürlich, womöglich noch nach der Einholung des Sachverständigengutachtens ein \"sofortiges Anerkenntnis\" gem. § 93 ZPO abzugeben, um so dem Prozesskostenrisiko ganz zu entgehen.

Egal wie man es wendet: Im hier vorliegenden Diskussionszusammenhang führt der Hinweis auf § 93 ZPO nicht weiter!

Zur allgemeinverständlichen Erläuterung:

Was hat es mit dieser Norm - § 93 ZPO - auf sich?

Es ist relativ schnell erklärt: Grundsätzlich trägt der Verlierer die Prozesskosten (§ 91 ZPO) . Bei teilweisem Obsiegen nach dem Anteil seines Unterliegens (§ 92 ZPO). Wer verliert, trägt die Kosten ganz; wer nur zur Hälfte unterliegt, die anfallenden Kosten auch nur zur Hälfte etc.

Dieser allgemein gültige Grundsatz aus den §§ 91 und 92 ZPO wird von § 93 ZPO durchbrochen. § 93 ZPO stellt also eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht dar, die nur eingreift, wenn die eng auszulegenden Voraussetzungen vorliegen:

Wer keinen Anlass zur Klage gegeben hat und den Anspruch, nachdem er gerichtlich erhoben worden ist, sofort anerkennt, wird - trotz der Verurteilung gem. seines Anerkenntnisses, also trotz verlorenen Prozesses - von allen Kosten freigestellt. Der erfolgreiche Kläger zahlt die Zeche allein.

Die Frage, die sich in der Praxis stellt: Wie lange kann man in einem laufenden Verfahren denn nun eigentlich von einem \"sofortigen\" Anerkenntnis ausgehen, um der Gefahr zu entgehen, trotz des erklärten (vermeintlich sofortigen) Anerkenntnisses am Ende dann doch die ganze Zeche gem. § 91 ZPO zahlen zu müssen.

Es versteht sich fast von selbst, dass der § 91 ZPO, der ja den Grundsatz der Kostentragungspflicht enthält, zur Ausnahme mutieren würde, wollte man einem Beklagten Schuldner immer zugestehen, dieser könne sich beruhigt zurücklehnen, erst einmal die in der mündlichen Verhandlung evtl. geäußerte Ansicht des Richters abwarten oder ggf. sogar das Ergebnis einer erforderlichen Beweisaufnahme, bevor er sich zu entscheiden hätte, ob er sofort anerkennen will mit der Folge einer Kostenfreistellung gem. § 93 ZPO. Da das nicht Sinn der Sache (des Gesetzes) ist, ist das Zeitfenster für ein \"sofortiges Anerkenntnis\" gem. § 93 ZPO dann auch äußerst eng!

Wo die zeitlichen Abgrenzungslinien verlaufen, ist hier nicht ganz so entscheidend. Mit Blick auf § 315 BGB kann man aber unter der Prämisse, dass der Verbraucher keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, Folgendes festhalten:

Eine Klage, die keine hinreichenden Angaben zur Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs enthält, ist im Allgemeinen nicht schlüssig und wäre dementsprechend abzuweisen, ohne dass es auf eine Einlassung des Beklagten überhaupt ankäme. Will also etwa jemand von mir einen Geldbetrag für eine erbrachte Werkvertragsleistung einklagen, dann muss er darlegen, dass der (angeblich) geschuldete Geldbetrag fällig ist, also zur Zahlung ansteht. Solange die Klage unschlüssig ist, brauche ich auch nicht \"sofort\" anzuerkennen, denn die Klage kann keinen Erfolg haben. Wenn nun im Laufe des Gerichtsverfahrens der Kläger noch bemerkt, dass seiner Klage ein wesentliches (Begründetheits-)Merkmal, eben die Angabe zur \"Fälligkeit\" fehlt, und reicht er diese nach, so wird seine Klage schlüssig und ich muss umgehend tätig werden - sofort anerkennen -, will ich der Kostentragungspflicht wegen der (vielleicht ohnehin zu erwartenden) Verurteilung entgehen.

Im Rahmen des § 315 BGB zeigt sich nun eine besondere Konstellation, die es dabei zu berücksichtigen gilt:

Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist eine getroffene Bestimmung (also etwa eine Preisänderung durch den Versorger) nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Stellt sich im Prozess im Rahmen der Billigkeitskontrolle schließlich heraus, dass die Bestimmung nicht der Billigkeit entsprach, dann trifft das Gericht (auf Antrag) die Bestimmung. Erst durch die gerichtliche Festsetzung wird mit Eintritt der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils der erhobene Anspruch in der vom Gericht festgesetzten Höhe zugleich fällig! Und daraus kann man dann wohl auch ableiten, dass - da der vom Gericht herabgesetzte Betrag ja erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig wird - bis zu diesem Zeitpunkt noch \"sofort\" im Sinne von § 93 ZPO anerkannt werden kann, auch wenn die gerichtliche Bestimmung ggf. erst nach einer Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten vom Gericht vorgenommen worden ist.

Diese Position - Wirksamkeit eines so späten \"sofortigen\" Anerkenntnisses im Sinne von § 93 ZPO - ist allerdings nicht endgültig geklärt und man kann sich vorstellen, dass Instanzgerichte eher nach \"Schema F\" verfahren werden, wenn sich der beklagte Verbraucher erst nach einer durchgeführten Beweisaufnahme mit dem Satz zu Wort meldet: \"Frau Vorsitzende - ich erkenne den geltend gemachten Anspruch in der von Ihnen festzusetzenden Höhe nun doch lieber sofort an\".

Die Antwort des Gerichts könnte lauten: \"Von sofort - Herr Beklagter/Frau Beklagte - wollen wir hier mal nicht mehr reden. Wer die Beweisaufnahme abwartet und erst dann unter dem Eindruck der für ihn nachteiligen gutachterlichen Feststellungen anerkennt, also erst, wenn er im Rahmen der Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten) vor Augen geführt bekommen hat, dass er mit seiner Rechtsverteidigung nicht (vollständig) durchdringen kann, soll auch zahlen! Kostenentscheidung: § 93 ZPO? - Nein - wo kämen wir denn da hin! § 92 ZPO besiegelt Ihr Schicksal\". Und das hieße dann: Zumindest die anteiligen Gutachterkosten ...

Ergebnis: Teuer und unkalkulierbar!

Die wesentliche Falle lauert aber dort, wo das Sachverständigengutachten erst zu Tage fördert, dass die Festsetzung des Preises durch den Versorger wirklich der Billigkeit entsprach. Dann wird kein billiger Preis mehr vom Gericht festgesetzt (das hatte der Versorger ja schon getan), sondern der Verbraucher zur Zahlung des vom Versorger gerichtlich geltend gemachten Gaspreises verurteilt.

Und wie sieht es da mit § 93 ZPO aus. \"Düster\", um es einmal sehr moderat auszudrücken.

§ 315 Abs. 3 BGB darf nämlich auf keinen Fall so missverstanden werden, dass der Verbraucher nur die Billigkeitseinrede erheben bräuchte und immer erst nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens die Preisbestimmung des Versorgers fällig werden würde mit der Folge, er könnte immer auch zumindest den Versuch unternehmen, sich nach § 93 ZPO durch ein \"sofortiges Anerkenntnis\" in die Kostenfreiheit zu retten!

Nein!

In dem Fall nämlich, dass auf Grundlage des umfassend untersuchten Zahlenmaterials durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen dem Gericht die Überzeugung vermittelt wird, die Preisbestimmung sei vom Versorger fehlerfrei vorgenommen worden, entspreche also der Billigkeit, ist der ursprünglich festgesetzte Preis von Anfang an fällig gewesen.

In einer solchen Konstellation ist keinerlei Raum mehr für ein \"sofortiges\" Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO in einem so fortgeschrittenen Verfahrensstadium! Und das heißt: Der verlorene Prozess bedeutet für den unterlegenen Verbraucher, dass er mit einer Kostenentscheidung gem. § 91 ZPO belastet wäre, also Sachverständigenkosten in durchaus fünfstelliger Höhe. In EWE-Verfahren könnte das dann \"in concreto\" bedeuten, dass der Verbraucher zwar nur um wenige hundert Euro streitet, ihm aber nach Abschluss des Verfahrens - während ihm schon die nächsten beiden Preiserhöhungen des Versorgers ins Haus geflattert sind, die der Verbraucher eigentlich auf ihre Billigkeit gerichtlich zu überprüfen hätte, wenn er Zweifel an der Richtigkeit haben sollte - eine Kostenrechnung von über 15.000 Euro zugeht.

Und was heißt das für einen durchschnittlichen Mittelstandshaushalt?

Mindestens die nächsten drei Sommerurlaube sind gestrichen. Und gegenüber der Tochter, die doch so gerne mit ihrer besten Freundin endlich einmal alleine in den Urlaub fahren wollte und dabei auf den schon fest zugesagten Reisekostenzuschuss bauen durfte, braucht man doch eigentlich nur ein wenig \"Überzeugungsarbeit\" zu leisten nach dem Motto: \"Zu Hause ist es doch am Schönsten\". Und die Party, die wir im nächsten Jahr zu Maries 18tem ausrichten wollten? Gut - Marie hat ja auch in drei, vier Jahren noch Geburtstag ... Und wie steht\'s mit Oma, die doch regelmäßig moderate Zuschüsse zu den notwendigen, aber von der Kasse nicht gänzlich getragenen Gesundheitskosten erhält. Na ja - Oma ist immerhin auch schon an die 70 und hat so ihr Leben schon weitgehend hinter sich, was soll\'s also ..?

Und während die einzelnen Streichpositionen am morgendlichen Frühstückstisch so nach und nach abgearbeitet worden sind und alle mit gesenktem Kopfe auf dem etwas zähen - aber immerhin im Vergleich zum gewohnten und liebgewonnen um ganze 8 Cent billigeren - Brötchen herumkauen, stehe ich auf und sage: \"So nicht - ich gehe jetzt zum Anwalt Fricke und werde mit ihm besprechen, wie wir am Besten gegen die letzten beiden Preiserhöhungen vorgehen sollten\". Perspektive: Der nächste Urlaub im Jahre 2025. Oma ist bis dahin auch schon tot! Und Marie, wenn sie dann in ferner Zukunft ob meiner ruinösen \"Prozessierfreude\" mit mir überhaupt noch sprechen mag, wird dann wohl selbst genug damit zu tun haben, die Preiserhöhungen, mit denen ihr Versorger sie regelmäßig eindeckt, auf ihre Rechtfertigung zu überprüfen - letzteres aber (mangels näherer tatsächlicher Anhaltspunkte) ohne jegliche Aussicht auf Erfolg, versteht sich, wenn sie ihren wirtschaftlichen Untergang nicht riskieren will!

Und was sagt mir dann anlässlich meiner legitimen Ansprüche auf Überprüfung der Billigkeit etwa der letzten beiden Preiserhöhungen im e.g. Sinne mein RA Fricke? Was sagt er insbesondere zu den Risiken, die gerade im Hinblick auf die extrem hohen und wohl nur von den Wenigsten zu schulternden Sachverständigenkosten, die den Einzelnen sich wirtschaftlich vernünftig verhaltenden Verbraucher geradezu davon abhalten muss, die \"Billigkeitskontrollkarte\" gem. § 315 BGB auszuspielen, verbunden sind? Hier im Forum zumindest sagt er:

Zitat
\"Wie jeder Prozess bieten sich die Chancen dabei nur demjenigen, der auch die damit verbundenen Risiken mutig eingeht.
Alles kann, nichts muss.\"

Ich halte dieses Statement aus Verbrauchersicht für geradezu zynisch. Blendet es doch die Realität, nämlich das in einem Billigkeitsprozess liegende (die wirtschaftliche) Existenz konkret gefährdende Potenzial quasi völlig aus. Die verfassungsrechtliche Dimension, die ich in diesem Zusammenhang in meinem vorhergehenden Beitrag geradezu auf dem \"Seziertisch\" herausgearbeitet habe und der die Verfassungswidrigkeit des preisintransparenten Ist-Zustands in der Grundversorgung aufzeigt, wird von Ihnen - RR-E-ft - dann auch nicht erkannt und damit nicht einmal ansatzweise nachvollzogen.

Und so ist Ihr jüngster Einwand auch nichts weiter als \"Makulatur\", als eine nicht weiterführende Selbstverständlichkeit.

Zitat
\"Im Zahlungsprozess des Versorgers hierauf verbleibt dem Kunden nach Unbilligkeitseinrede die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, wenn der Versorger im Prozess erstmals die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt.\"

Denn: Natürlich steht der Versorger zunächst einmal in der Pflicht, einen hinreichenden Tatsachenvortrag zu liefern, an den ein gerichtlicher Sachverständiger ggf. anknüpfen könnte, um die den Preis bestimmenden Gegebenheiten aus den Geschäftsunterlagen des Versorgers näher unter die Lupe zu nehmen, wenn der Verbraucher den Sachvortrag bestreitet. Welche (niedrigen) Anforderungen da aber an den Vortrag des ggf. auf Zahlung klagenden Versorgers im Einzelfall zu stellen sind, hat der VIII. Zivilsenat aber doch sehr klar und deutlich ausgesprochen:

Der Versorger muss nicht etwa in jedem Falle und lückenlos seine Lieferantenverträge vorlegen, um eine Bezugskostensteigerung, auf die er seine Preisänderung stützen will, nachvollziehbar und substantiiert darzulegen. Er kann dieses ohne weiteres auch tun, indem er sich zuvörderst auf Zeugen beruft (VIII ZR 138/07 - Rdnr. 37) und seinen Vortrag etwa durch Vorlage eines bestätigenden Testats einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft näher substantiiert (VIII ZR 138/07 - Rdnr. 35).

Die Crux ist nun, dass ich dem Zeugnis der mit der Kalkulation betrauten Sachbearbeiter des Versorgers, die vom Versorger als Zeugen aufgeboten werden können, um glaubhaft zu machen, dass den (weitergegebenen) Preissteigerungen tatsächlich entsprechende Kostensteigerungen auf dem Bezugssektor gegenüberstehen, Glauben schenken muss, andernfalls aber die Überprüfung durch Sachverständigenbeweis - ggf. gegenbeweislich - betreiben müsste. Und zwar ohne nähere tatsächliche Anhaltspunkte dafür zu haben, ob die zeugenschaftlich untermauerte Behauptung des Versorgers stichhaltig ist!

Aus dieser Ratlosigkeit könnte mich dann auch das wohl regelmäßig in derartigen Verfahren vorgelegte Testat des mit der turnusmäßigen Abschlussprüfung betrauten Wirtschaftsprüfungsunternehmens nicht befreien:

Wirtschaftsprüfer stehen quasi im Lager der von ihnen zu prüfenden Unternehmen, hier der Versorger. Sie fressen deren Brot, werden von diesen beauftragt und bezahlt. Die Jahresabschlussprüfung gibt zudem lediglich auf \"Stichprobenbasis\" die Richtigkeit der Bilanzen wieder. Auf Stichprobenbasis wohlgemerkt. Darauf, welche Verträge die beauftragten Wirtschaftsprüfer vorgelegt bekommen, während sie \"repräsentativ\" die Richtigkeit des Rechnungswesens überprüften, können die zu prüfenden Unternehmen weitestgehend und äußerst leicht selbst Einfluss nehmen. Dass sie dabei dann eher die Motivation verspüren, die Bezugsverträge herauszupicken und den Wirtschaftsprüfern vorzulegen, die die im Prozess von eben diesen Wirtschaftsprüfern zu bestätigenden Angaben tragen, liegt ja wohl auf der Hand!

Für den verklagten Verbraucher heißt das dann regelmäßig, dass er im Allgemeinen nach dem so \"substantiierten\" Sachvortrag des klagenden Versorgers und damit vor der etwaigen Beauftragung eines Sachverständigen genauso schlau ist wie zuvor. Sogar genauso schlau, wie zu dem Zeitpunkt, als der Versorger ihm die erhöhte Rechnung per Brief präsentierte. Und in dieser regelmäßig vorliegenden Konstellation inklusive völliger Ahnungslosigkeit soll bzw. müsste der Verbraucher sich auf eine Beweisaufnahme durch Sachverständigenbeweis einlassen, die ihm wegen der horrenden Gutachterkosten das wirtschaftliche Aus bescheren könnte, aber eben die einzige reale Möglichkeit darstellt, wirkliche Klarheit hinsichtlich der dem Streit tatsächlich zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten zu erreichen!?

Natürlich kann der Verbraucher - wie von Ihnen, RR-E-ft, beschworen - die erhobene Einrede der Unbilligkeit während des Prozesses jederzeit aufgeben. Das scheint ja in Ihrem Sinne eine wesentliche prozesstaktische Variante zu sein. Die Frage ist nur, was mir diese Überlegungen als Verbraucher bringen, wenn ich schon im Vorfeld eines Prozesses weiß, dass der Versorger kaum vertiefte Angaben machen muss, um sich seine Klage nicht von vornherein als unschlüssig aus der Hand schlagen zu lassen. Und mein einziges \"Heil\" dann in einem Sachverständigengutachten zu suchen ist, das ich zu bezahlen habe, wenn es nicht das zu Tage fördert, was es aber zu Tage fördern muss, damit ich mich über eine späte Erklärung gem. § 93 ZPO - möglicherweise doch noch - in die Kostenfreiheit retten kann.

Und so kann (müsste) der Verbraucher - statt die Einrede der Unbilligkeit \"prozesstaktisch klug\" (was auch immer das sein soll) im Prozessverlauf aufzugeben (und das heißt nichts anderes, als den erhobenen Anspruch des Versorgers endgültig gegen sich gelten zu lassen) - auch gleich bezahlen. Mit effektivem Rechtsschutz hat das aber nichts mehr gemein.

So wäre jeder grundversorgte Verbraucher wohl besser beraten, statt im Prozess ggf. \"sofort anzuerkennen\", um sich dann möglicherweise vom Gericht sagen zu lassen \"zu spät - leider nur § 91 ZPO\", die potenziellen Gutachterkosten lieber zinsgünstig anzulegen und mit dem erzielten Zinsertrag die Gaspreissteigerungen abzufedern - oder - wie schon vorgeschlagen - mit dem Betrag (15.000 Euro) in die Spielbank zu \"spazieren\", um dort sein Glück zu versuchen. Das hätte zumindest den Charme, dass man hinterher steinreich sein könnte, wenn man es nicht vorher schon war, während das Gerichtsverfahren bestenfalls darauf hinausliefe, eine jährliche Preissteigerung im Einzelfall von vielleicht 200-300 Euro nicht bezahlen zu müssen!

Der einzelne Verbraucher wird so aufgrund fehlender wesentlicher Informationen zum Preisgestaltung (fehlende Preistransparenz) unmittelbar zum Spielball eines Verfahrens, dessen Risiken er nicht einmal ansatzweise einschätzen kann, auf dass er sich aber einlassen müsste, um seine Rechte zu wahren. So wird er zum \"Objekt\" des Rechtsstreits. Und das ist vom Grundgesetz nicht gedeckt!

Ein effektiver Rechtsschutz muss, damit man überhaupt von einem \"Schutz\" sprechen kann, ein Mindestmaß an rechtstaatlichem Standard bieten. Eine gesetzliche Konstellation, die - wie schon gezeigt - den Grundsatz der Vorhersehbarkeit des Verfahrens missachtet, die Waffen- und damit zugleich die Chancengleichheit vor Gericht aus den Augen verliert, kann nicht effektiven Rechtsschutz herstellen, wie ihn das Grundgesetz fordert. Eine Regelung, die das Preisgestaltungsrecht in der Grundversorgung ohne jegliche Beachtung des Transparenzgebots auf dem Preissektor ausgestaltet, schreit dann auch geradezu nach Anpassung, nach gesetzlicher Veränderung!

In welcher Weise das in der Grundversorgung geschehen kann und muss(!), hatte ich dann ja in Anknüpfung an einen von Ihnen selbst - RR-E-ft - stammenden Vorschlag im Ansatz schon aufgezeigt.

Und so sind Ihre Hinweise auf § 93 ZPO auch nicht im Mindesten geeignet, die verfassungsrechtlichen Probleme mit der Intransparenz auf dem Sektor der Grundversorgung zu relativieren. Das wäre nur dann anders, wenn ein sofortiges Anerkenntnis immer, also auch noch nach der Beweisaufnahme inkl. der Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich wäre, und zwar auch dann, wenn sich die Billigkeit der Preisbestimmung in tatsächlicher Hinsicht bestätigte. Da das aber unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt der Fall ist, berücksichtigt Ihre Ansicht nicht nur die Interessen der Verbraucher nicht. Sie steht ihnen geradezu diametral entgegen.

Letzteres wäre nicht weiter schlimm, denn nirgendwo steht schließlich geschrieben, dass jedermann oder \"jedefrau\" die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher in den Vordergrund seiner Betrachtungen zu stellen hätte. Wenn es für Ihre Ansicht jedoch keine Stütze im materiellen wie prozessualen Recht gibt, sogar das Verfassungsrecht einer solchen entgegensteht, dann wäre ein wenig mehr Zurückhaltung hier wohl vonnöten.

Statt dessen versteigen Sie sich hier zu der bezeichnenden wie unzutreffenden These, die bestehenden gesetzlichen Regelungen würden für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen. Um dann geradezu in eine \"Jubel-Arie\" auszubrechen:

Zitat
\"Wo in Europa gibt es ein effektiveres Verfahren bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht als die Billigkeitskontrolle nach deutschem Recht?

Der Kunde kann sich bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht gegen die Preisbestimmung des Versorgers einfach auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen, seine Zahlungen hiernach kürzen und einen Billigkeitsnachweis vom Versorger verlangen.

Im Zahlungsprozess des Versorgers hierauf verbleibt dem Kunden nach Unbilligkeitseinrede die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, wenn der Versorger im Prozess erstmals die Billigkeit nachvollziehbar und prüffähig darlegt.

Effektiver kann es für den von der einseitigen Preisbestimmung des Versorgers betroffenen Kunden wohl gar nicht gehen.

Der deutsche Gesetzgeber hat für betroffene Kunden eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen. Die Umsetzung dieser objektiven Rechtslage durch nationale Gerichte bereitet zuweilen Probleme.\"

Von einer \"effektiven Rechtsschutzmöglichkeit\" kann vor dem mehrfach erläuterten Hintergrund aber überhaupt keine Rede sein. Die konkret (vor)gegebenen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem § 93 ZPO habe ich angerissen. Und - damit zusammenhängend - muss sich die völlige Ahnungslosigkeit der Verbraucher bzgl. aller Eckpunkte, die die Preisfestsetzung im Einzelnen beeinflussen mögen, dahingehend auswirken, dass die dem Verbraucher wenigstens auf dem Papier (BGB) zustehende Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB nicht effektiv zur Anwendung gebracht werden kann.

Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Wenn ein Verbraucher die von seinem Grundversorger vorgenommene Preisbestimmung auf ihre Billigkeit nur überprüfen lassen kann, indem der Prozess angesichts seiner Unkenntnis über preisbestimmende Faktoren zum \"Himmelfahrtskommando\" wird, weil damit seine wirtschaftliche Existenz zur Disposition des Gerichts gestellt ist (zumindest sein kann), dann ist ein solcher rechtlicher Konstrukt nicht hinnehmbar. Nur wenn der Verbraucher das Prozessrisiko im Vorfeld eines Prozesses weitgehend abschätzen kann, was aber zur Zeit angesichts seiner völligen \"Ahnungslosigkeit\" nicht der Fall ist, kann er die bewusste und auf fundiertem Rechtsrat basierende Entscheidung treffen, ob er sich auf den Rechtsstreit einlassen und damit das einem Prozess immer innewohnende Kostenrisiko tragen will.

Und so hat es der Gesetzgeber in beanstandenswerter Weise versäumt, den Grundversorgern klare Informationspflichten aufzuerlegen, um so eine hinreichende Preistransparenz sicherzustellen, die es dann dem Verbraucher überhaupt erst ermöglichte, den § 315 BGB relativ \"ruhigen Herzens\" ins Spiel zu bringen.

Da wir in Deutschland in der Grundversorgung aber überhaupt noch keine Preistransparenz haben - wir sollten eines nicht vergessen: es klingt hier so, als hätten wir Preistransparenz wenigstens im Sondervertragsverhältnis; aber auch dort herrscht immer noch die Devise \"Transparenz gleich Null\" - kommt Ihr vorgenanntes \"Statement\", sehr geehrter RR-E-ft, wie toll es doch hier in Deutschland in der Grundversorgung liefe, einer Autofahrt mit verschlossenen Augen gleich! Lassen Sie sich ruhig einmal sagen: \"Sie sind auf der falschen Spur!\".

Das mögen Sie MIR nicht glauben wollen (wobei wir es ja hier immer mal wieder mit \"Glaubensbekenntnissen\" zu tun haben). Dann lassen Sie es sich aber wenigstens vom XI. Zivilsenat des BGH sagen. Der hier von mir vertretene Ansatz, nämlich \"die hohe Bedeutung der Preistransparenz für die Durchführung einer ggf. vorzunehmenden Billigkeitskontrolle\" findet sich sehr anschaulich wieder in der Entscheidung des Bankensenats (XI ZR 78/08 - Rd.Nr. 38).

Auch wenn die dort getätigten Überlegungen erkennbar ein Sondervertragsverhältnis betrafen, so macht der Bankensenat doch sehr grundsätzlich und ausdrücklich deutlich, dass die Transparenz einer Preisänderungsregel geradezu unabdingbare Voraussetzung sei für die Beurteilung, ob ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden könne. Jeder kann die Entscheidung an der angegebenen Stelle nachlesen und sich ein eigenes Bild machen!

Ohne Preistransparenz im genannten Sinne steht der Verbraucher nach der Bankensenatsentscheidung mit leeren Händen da. Der Bankensenat sagt es unmissverständlich: Ohne Preistransparenz \"läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer\". Und gemeint ist damit die gerichtliche Kontrolle nach § 315 BGB!

Das Zitat des Bankensenats im Zusammenhang (XI ZR 78/08 - Rd.Nr. 38):

Zitat
\"Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).\"

Genau so ist es doch! Und da die Billigkeitskontrolle die einzige Möglichkeit für den Kunden aus der Grundversorgung darstellt, die Preisbestimmung gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, führt die fehlende Preistransparenz und die damit zwingend verbundene Aushöhlung der Verbraucherschutznorm § 315 BGB zu Lasten der Verbraucher zu einer nahezu völligen Schutzlosigkeit des grundversorgten Verbrauchers gegenüber seinem Versorger.

Von einer \"effektiven\" Rechtsschutzmöglichkeit für den Verbraucher sind folglich nicht einmal die Konturen zu erkennen!

Ein aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen unhaltbarer Zustand, der schleunigst angegangen werden muss, wenn man auf dem Sektor der Kundenversorgung mit Energie wesentliche rechtstaatliche Grundsätze nicht \"über Bord\" gehen lassen will.

Legt man diese Befunde zugrunde, so spricht aber wirklich alles für die These: \"Ohne hinreichende Preistransparenz in der Grundversorgung hat der Verbraucher rein gar nichts in der Hand, um seine Rechte gegenüber seinem Versorger nötigenfalls vor Gericht zu wahren\".

Steht der deutsche Verbraucher in dieser Hinsicht nun tatsächlich mit leeren Händen da, so stellt sich die Frage - die sie aber allen Ernstes stellen - nicht mehr, wo es für Gaskunden in Europa vergleichbar \"herrliche\" Verhältnisse gibt!? Leerer als leer können die Hände doch wohl eigentlich nicht sein!

Um es hier einmal frei nach dem etwas umstrittenen Begründer der \"Küchentisch-Philosophie\" - \"dem Ballartisten Loddar Matthäus\" - zu sagen: \"Man darf sich zwar ruhig den Sand in den Kopf stecken\"! \"Aber\" - und das sage ich: \"Man sollte es dabei aber tunlichst vermeiden, zugleich seinen Kopf im Sand zu verbuddeln\". Klarer ausgedrückt: \"Augen auf - und diese bloß nicht vor den in puncto Preistransparenz beklagenswerten Realitäten verschließen\".

Und die Realität, gerade in Bezug auf die \"Sachverständigenkosten als Waffe\", spiegelt sich nicht zuletzt wieder in der diesbezüglichen taktischen Ausrichtung der Versorgungswirtschaft, wie sie etwa in der von mir bereits angesprochenen Informationsschrift des Berliner Anwaltsbüros, dessen URL ich \"verbaselt\" hatte und dank der freundlichen Mithilfe von \"bolli\" und \"Lothar Gutsche\" wieder ans Tageslicht befördern konnte:

Die Kanzlei \"Bethge.Reimann.Stari\"  (http://www.brs-rechtsanwaelte.de/energierecht_2009_06_nr_4.html)aus Berlin teilt unter \"4. Wie erfolgt der praktische Billigkeitsnachweis im Gerichtsverfahren?\" http://www.brs-rechtsanwaelte.de/energierecht_2009_06_nr_4.html aus der Perspektive des Versorgers mit, wie man Kunden die Billigkeitseinrede - die \"Keule der Gutachterkosten\" schwingend - effektiv \"ausreden\" könnte:

Zitat
\"Für Kunden die eine gerichtliche Feststellung der Billigkeit verlangen, besteht aufgrund der Gutachterkosten ein hohes Prozessrisiko. Dies dürfte den meisten Kunden jedoch nicht bewusst sein und sollte daher in künftigen Musterschreiben ausdrücklich erwähnt werden.\"

Und ebenso zählt (wenn man sich den jüngsten Verhandlungsbericht von \"janto\" (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=15101) einmal ansieht) doch auch die Position des 5. Zivilsenats des OLG Oldenburg - bzw. seines in den ihm noch verbleibenden beiden Jahren seiner Dienstzeit zur völligen Neuerschaffung des deutschen Schuldrechts wohl wild entschlossenen Vorsitzenden Günther Janssen - zur Realität, die man in puncto Prozessrisiko unter dem Aspekt der nicht kalkulierbaren und potenziell zu tragenden Gutachterkosten nicht mal so eben ignorieren sollte:

Die von \"janto\" wiedergegebene Warnung des Vorsitzenden des 5. Zivilsenats des OLG Oldenburg an alle Verbraucher, die sich gegen die EWE-Preisgestaltung zur Wehr setzen:

Zitat
\"Und allen Klägern gab er schon mal zu bedenken: Wegen Unbilligkeit klagen sollte nur, wer eine Rechtsschutzversicherung habe, denn das werde wegen einzuholender Gutachten teuer.\"

Also - der § 315 BGB ist in der Grundversorgung leider nicht viel mehr als eine leere Hülse. Aber immerhin auch nicht weniger. Wem es reicht!? Den Verbraucherinnen und Verbrauchern aus der Grundversorgung, denen damit ein wesentliches, nein: das wesentliche Instrument aus der Hand geschlagen ist, die eigene schützenswerte Rechtsposition effizient vor Gericht zum Tragen zu bringen, kann das nicht reichen!

Tatsächlich keine Anwendbarkeit des § 315 BGB im Sondervertragsverhältnis??

Lieber RR-E-ft, ich muss wirklich schon sagen, an diesem Punkt habe ich buchstäblich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und meinen Monitor im eingangs erwähnten Sinne einfach mal um 180° gedreht, also auf den Kopf gestellt, in der Hoffnung, Ihren Überlegungen vielleicht so doch etwas besser folgen zu können. Aber leider ohne jeden Erfolg! An der Ausrichtung meines Monitors kann es also nicht liegen, wenn ich Ihnen da so gar nicht folgen kann! Es kommen demnach nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder ich bin schwer von Begriff! Oder - und genau so dürfte die Sache, wie im Folgenden belegt, hier wohl liegen: Sie haben kurzerhand das Recht auf den Kopf gestellt!

Sie vertreten die Auffassung in den Sondervertragsverhältnissen könne der Verbraucher auf § 307 BGB setzen, nicht aber zugleich auf die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zurückgreifen:

Zitat
\"Die Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Und an dieser Stelle ist für die Anwendung des § 315 BGB keinerlei Platz (zutreffend BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).\"

Mit dieser von Ihnen hier wiederholt wiedergegebenen Position befinden Sie sich auf dem Holzweg ins Abseits, der - das muss hier jedem klar sein - an den Verbraucherinteressen weit vorbeiführt. Sie geben damit ohne Not eine wesentliche Verbraucherschutznorm in einem wesentlichen Anwendungsbereich - den mittlerweile massenhaft bestehenden Gassondervertragsverhältnissen in der Endkundenversorgung - preis, ohne dass eine solche Position auch nur ansatzweise im Gesetz oder in der (sogar von Ihnen dazu eigens zitierten!?) Rechsprechung eine Stütze fände!

Das Gesetz, der § 315 BGB, ist doch an Eindeutigkeit in dieser Hinsicht kaum mehr zu übertreffen und gibt wenig Anlass zu einer so weitreichenden Fehlinterpretation:

§ 315 Abs. 1 BGB stellt klar: \"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist\".

\"Soll die Leistung bestimmt werden ...\"

Da kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Entweder ergibt sich die Leistungsbestimmung aus dem Gesetz (der Grundversorger ist verpflichtet die Leistung zu bestimmen. Wir kennen das ja mittlerweile ...).

Oder die Vertragsschließenden haben vertraglich vereinbart, einer der beiden solle die Bestimmung treffen. In dem Fall gibt es wiederum zwei Varianten:

Entweder Otto Müller und ich vereinbaren übereinstimmend, Otto solle die Leistungsbestimmung treffen.

Oder - und diese Variante interessiert uns hier besonders, weil sie im Verhältnis Versorger/Sondervertragskunde massenhaft zur Anwendung kommt: Otto verwendet eigene AGB, in denen es heißt, er sei zur Leistungsbestimmung berechtigt. Sind diese AGB dann wirksam in den Vertrag einbezogen und so zum Vertragsinhalt geworden, so gilt, dass Otto nicht einfach \"wild\" drauflos bestimmen kann, wie es ihm gerade beliebt. Er muss diese Bestimmung grundsätzlich (\"im Zweifel\" - wenn nichts anderes vereinbart ist) nach billigem Ermessen treffen, es sei denn, nicht die Billigkeit sollte erkennbar Maßstab der Bestimmung sein.

Billigkeit ist dabei übrigens nicht im Sinne von \"Geiz ist geil\" misszuverstehen. Billigkeit meint die Herbeiführung eines gerechten Abwägungsergebnisses.

Soweit die gesetzliche Ausgangslage.

An Ihrem nachfolgenden Zitat lässt sich recht schnell zeigen, wie Sie sich hier in die Sackgasse manövrieren.

Zitat
\"Deshalb ist es unzutreffend, dass eine gem. § 307 BGB zulässige Preisänderungsklausel überhaupt noch Platz für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB beließe (nochmals BGH XI ZR 78/08, KZR 10/03 unter II.6).

Eine Preisänderungsklausel muss um wirksam zu sein selbst bereits die Preiskalkulation offen legen und die Gewichtung der preisbildenden Kostenfaktoren am vereinbarten Vertragspreis wie auch Anlass und Richtlinien für nachträgliche Preisänderungen benennen und in hohem Maße konkretisieren.

Wo dies aber der Fall ist, ist gar kein Platz mehr für den weiten Spielraum der Billigkeit des § 315 BGB.

Bereits aus § 315 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Norm nicht auf sämtliche Leistungsbestimmungsrechte Anwendung findet, sondern nur auf solche, für die vertraglich keine genaueren Richtlinien vereinbart sind (\"im Zweifel\";). Ein hohes Maß an Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlinien ist jedoch gerade Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.\"

Der Mangel besteht zuvörderst schon darin, dass Sie gar nicht hinreichend berücksichtigen, inwieweit die drei wesentlichen Kontrollinstrumente, die bei vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechten zugunsten der Verbraucher wirken sollen, ineinander greifen:

Die wesentliche Vorschrift im Rahmen der Transparenzkontrolle im AGB-Recht (auch wenn es wohl eher eine akademische Frage ohne hohen Praxiswert betrifft, so sei darauf aus systematischen Gründen dennoch kurz hingewiesen) stellt nicht so sehr § 307 BGB dar, sondern § 305 Abs. 2 BGB. § 305 Abs. 2 BGB betrifft die sog. \"Einbeziehungskontrolle\".

Eine völlig intransparente Preisänderungsregel in den AGB, die quasi im Dickicht der Unklarheit verschwindet, wird von Anfang an gar nicht Vertragsbestandteil, weil der anderen Vertragspartei (dem Kunden) damit nicht hinreichend Gelegenheit gegeben wurde, vom ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Was man nicht erkennen kann, kann man eben auch nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis nehmen. Die Transparenzkontrolle spielt sich deshalb weitestgehend schon auf der Ebene der \"Einbeziehungskontrolle\" ab.

Alle einbezogenen Klauseln müssen sich dann aber der \"Inhaltskontrolle\" gem. § 307 BGB stellen. Ein Tatbestandsmerkmal des § 307 BGB ist dabei \"Transparenz\". Intransparente Preisänderungsklauseln sind grundsätzlich unwirksam. Wenn man nun annimmt, eine solche Klausel sei zu unklar und damit intransparent, dann kann sie eigentlich schon gar nicht die Einbeziehungshürde im Rahmen der Einbeziehungskontrolle gem. § 305 Abs. 2 BGB übersprungen haben. Ob man im Endeffekt eine solche Klausel dann an § 305 BGB scheitern lässt und feststellt, sie sei niemals Vertragsinhalt geworden oder ihr nach § 307 BGB als Vertragsinhalt die Wirksamkeit abspricht, läuft im Endeffekt auf das Gleiche raus: Der Versorger hat kein vertragliches Preisanpassungsrecht, auf das er sich aber in einem Sondervertragsverhältnis berufen können muss, um seine Preiserhöhung(en) ggf. durchzusetzen.

Ist die Klausel nicht an der Transparenzkontrolle gescheitert (egal ob an § 305 BGB oder an § 307 BGB), dann ist die Preisänderungsregel gültiges Vertragsrecht, auf das sich der Versorger stützen kann, um eine Preiserhöhung durchzusetzen.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang dann aber nach einer vom Versorger vorgenommenen Preisanpassung unmittelbar auch im Sondervertragsverhältnis jedem betroffenen Verbraucher stellt: Hat mein Versorger das ihm (per AGB) vertraglich eingeräumte Preisanpassungsrecht in einer Form ausgeübt, wie er es nach den vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu tun hatte? Hat er es richtig ausgeübt? Der Blick ist dabei also gerichtet auf die sog. \"Ausübungskontrolle\".

Die \"Ausübungskontrolle\" stellt nichts anderes dar, als die Überprüfung von Leistungsbestimmungen, die der Berechtigte aufgrund eines gesetzlichen oder (hier von Bedeutung) vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts vornimmt. Und geregelt ist das wo? Natürlich in § 315 BGB (\"Ausübungskontrolle\" = \"Billigkeitskontrolle\";)!

Nun setzt die Billigkeitskontrolle - ich bleibe bei diesem Begriff, weil er eher mit § 315 BGB gedanklich verknüpft ist, als der synonyme Begriff \"Ausübungskontrolle\" - zweierlei voraus. Zum einen ein dem Versorger eingeräumtes vertragliches Leistungsbestimmungsrecht (das hatten wir ja gerade schon betrachtet). Zum anderen einen Spielraum, den der Versorger im Rahmen seiner Bestimmung nutzen kann. Denn wenn auf den Cent genau bestimmt (vereinbart) wäre, welchen Betrag der Versorger bei einer Preisneufestsetzung anzusetzen hätte, wäre tatsächlich kaum Raum für eine Betrachtung gem. § 315 BGB.

Und hier folgt nun in Bezug auf diesen Themenkomplex der \"erste kardinale Bock\", den RR-E-ft schießt:

Er meint - siehe sein obiges Zitat -, eine Preisänderungsklausel in einem Sondervertragsverhältnis sei so exakt zu fassen, dass für den Versorger überhaupt kein Gestaltungsspielraum mehr verbliebe, der anhand des § 315 BGB auf seine Angemessenheit (Billigkeit) überprüft werden könnte. Zu dieser Auffassung gelangt er, weil er insbesondere davon ausgeht, dass bereits in der Preisänderungsklausel selbst die Preiskalkulation weitestgehend offen gelegt werden müsste. Schön wäre es. Das ist aber Wunschdenken, denn dem ist nicht so!

Es wird sich noch zeigen, dass sich der große Konflikt zwischen Verbrauchern und Versorgern im Rahmen der Billigkeitskontrolle, die ja in der Vergangenheit selten - wenn überhaupt - durchgeführt wurde, in verschärfter Form um die Frage drehen wird, inwieweit der Versorger seine Kalkulationsgrundlagen offen zu legen hat, um seine Kostensteigerungen zu belegen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1999 entschieden, dass ein Unternehmen einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Geheimhaltung seiner Berechnungsgrundlagen hat (Betriebsgeheimnis), den das BVerfG in Art. 12 GG verwirklicht sieht (vgl. Kammer-Beschluss des BVerfG vom 28.12.99, 1 BvR 2203/98 (http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk19991228_1bvr220398.html)).

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat diese Rechtsprechung aufgenommen und das Recht des Versorgers auf entsprechende Geheimhaltung seinerseits bekräftigt (VIII ZR 138/07 - RdNrn. 45 - 47).

Ein solches Recht des Versorgers auf Geheimhaltung kollidiert naturgemäß mit dem grundrechtlich verbürgten Anspruch des Verbrauchers auf den von mir hier regelrecht beschworenen \"effektiven Rechtsschutz\". Deshalb sind beide Grundrechtspositionen - der effektive Rechtschutz hier/das Geheimhaltungsinteresse dort - im Sinne einer - wie der Verfassungsrechtler sagt - \"praktischen Konkordanz\" zum Ausgleich zu bringen, also gerecht gegeneinander abzuwägen. Dabei weist das BVerfG den Zivilgerichten die Aufgabe zu, im Einzelfall zu prüfen, inwieweit ein Interesse des Versorgers an Geheimhaltung durch Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 172 Nr. 2 GVG), durch nichtöffentliche Verkündung des Urteils (§ 173 II GVG) oder durch die Verpflichtung der anwesenden Personen zur Geheimhaltung von Tatsachen (§ 174 Abs. 3 Satz 1 GVG) Rechnung getragen werden kann, sofern ein Interesse auf Geheimhaltung tatsächlich anzunehmen ist. Auch letzteres ist vom Gericht nach der Rechtsprechung des BVerfG im Einzelnen zu klären.

Mit diesen Vorgaben verfassungsrechtlicher Art durch das BVerfG wäre es völlig unvereinbar, wollte man Versorger (gesetzlich) verpflichten, bereits in ihren Preisänderungsklauseln die vollständigen Kalkulationen so weitgehend, wie von RR-E-ft gewünscht - also nahezu völlig transparent - offen zu legen. Eine Preisänderungsklausel wird dann auch eher abstrakt-generalisierend ausfallen müssen, wobei schon viel gewonnen wäre, wenn die alle Versorger gleichermaßen treffenden Fixkosten inkl. der Kosten die an die Netzbetreiber zu entrichten sind, Konzessionsabgaben etc. vollständig mitgeteilt werden müssten.

Mit einer Klausel, die nicht auf das i-Tüpfelchen genau die preisbestimmenden Faktoren inkl. der Kalkulationsgrundlagen festlegen muss, weil dem das grundgesetzlich geschützte Recht des Versorgers auf Wahrung des Betriebsgeheimnisses entgegensteht, fällt aber schon die wesentliche von Ihnen - RR-E-ft - aufgestellte Voraussetzung für die angebliche Nichtanwendbarkeit des § 315 BGB im Rahmen eines Sondervertragsverhältnisses weg.

Aber - ganz unabhängig davon: Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass Preisanpassungsklauseln im Allgemeinen dahin auszulegen seien, dass dem Versorger das Recht eingeräumt werde, den Umfang der Preisanpassung im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. BGH - KZR 2/07, RdNr. 20 im Anwendungsbereich der hier interessierenden Gassonderverträge mit Blick auf BGH - III ZR 195/84 - NJW 1986, 1803).

Und die vor Ihnen hier schon \"zig\" Mal \"ausgebreitete\" Entscheidung des Bankensenats, die ich Ihnen in der entscheidenden Passage oben ja noch einmal als Zitat geliefert habe, macht doch auch deutlich, dass die wirksame Einbeziehung von Preisänderungsklauseln in den Vertrag unter Anwendung der Transparenzanforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an solche Klauseln stellt, absolute Voraussetzung ist für die Anwendung des § 315 BGB, um so die Schutzfunktion der Norm im Interesse der Verbraucher überhaupt erst zum Tragen zu bringen, diese aber keinesfalls ausschließen soll. Bitte die Entscheidung unter diesem Aspekt noch einmal lesen (siehe oben im Wortlaut- RdNr. 38)! Es müsste für jeden erkennbar sein, dass diese Entscheidung die Rechtslage nicht nur richtig widerspiegelt, sie steht der besagten Position, die RR-E-ft hier zum Besten gibt, unvereinbar entgegen! Sie bestätigt jedoch meine hier vertretene Ausgangsposition!

Es hat nur wenig wert, lieber RR-E-ft - wenn Sie hier wie ein \"Weltmeister\" BGH-Entscheidungen zitieren. Sie müssen diese dann auch einmal auf ihre Anwendbarkeit hin überprüfen. Und unter Berücksichtigung der besagten Entscheidung des Bankensenats hätten Sie zu Ihrer im Sinne des Verbraucherschutzes äußerst \"restriktiven\" Position gar nicht gelangen können (dazu sind aus meiner Sicht gleich noch einige weitere grundsätzlichere Anmerkungen angezeigt!).

Welcher Spielraum - grundsätzlich betrachtet - kann aber denn dem zur Leistungsbestimmung berechtigten Versorger überhaupt noch zustehen, der dann ja im Sinne der \"Ausübungskontrolle\" gem. § 315 BGB auf seine Billigkeit gerichtlich zu überprüfen wäre, wenn doch die Klausel dem Anspruch weitestgehender Preistransparenz entsprechen soll, um überhaupt Vertragsbestandteil zu werden und nicht schon an der Transparenzkontrolle zu scheitern?

Die Antwort fällt nicht weiter schwer, wenn man sich die höchstrichterliche Rechtsprechung dazu ansieht. Der Bankensenat etwa spricht gerade auch mit Blick auf Preisänderungsklauseln in Bankenverträgen, die dem Transparenzgebot entsprechen (müssen), von einem \"der Bank zustehenden Gestaltungsspielraum\" (BGH, XI ZR 78/08, RdNr. 38, siehe obiges Zitat). Und auch der Kartellsenat stellt sich der vom Berufungsgericht aufgestellten These, in Gassonderverträgen sei der \"unternehmerische Gestaltungsspielraum\" durch § 315 BGB begrenzt (BGH - KZR 2/07, RdNr. 8), nicht entgegen (vgl. BGH - KZR 2/07, RdNr.9).

Aber wo wäre denn nun ein solcher unternehmerischer Gestaltungsspielraum in tatsächlicher Hinsicht zu erblicken, der gem. § 315 BGB auf seine \"gerechte\" Ausübung zu kontrollieren wäre, (denn bislang haben wir ja einen solchen auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich rechtlich-abstrakt in seiner Existenz bestätigt bekommen!)?

Es soll hier gar nicht erst der Versuch unternommen werden, quasi im Sinne eines abschließenden Katalogs Anwendungsbeispiele für die Billigkeitskontrolle im Rahmen von Gas-Sondervertragsverhältnissen zu liefern, weil es keinen solchen abschließenden Katalog geben kann. Überall da, wo unternehmerischer Gestaltungsspielraum eingreift, muss er in einer gerechten (billigen) Art und Weise gem. § 315 BGB vom Versorger ausgeübt werden.

Aber ein Beispiel will ich hier doch noch kurz aufzeigen, bei dem sich der unternehmerische Gestaltungsspielraum im Rahmen der Preisgestaltung vor dem Hintergrund von § 315 BGB auch im Sondervertragsverhältnis sehr bedeutend auswirken kann:

Der Versorger hat grundsätzlich ein legitimes Interesse daran, dass das Vertragsgleichgewicht - die vertragliche Äquivalenz - über die Dauer des laufenden Vertragsverhältnisses gewahrt bleibt. Könnte der Versorger seine Preise nicht in dem Maße anpassen und an seine Kunden weitergeben, wie er selbst etwa Kostensteigerungen seiner Vorlieferanten unterworfen ist, so würde sich das Vertragsverhältnis zu seinen Lasten im Laufe der Zeit nach und nach verschieben. Das gilt natürlich für den Verbraucher in gleichem Maße, wenn Kostensenkungen (Einspareffekte) nicht an die Verbraucher weitergegeben werden müssten.

Der (erhöhte) Gaspreis, den der Verbraucher zahlen soll, ergibt sich in einem sehr entscheidenden Maße aus den Kostensteigerungen, denen der Versorger im Verhältnis zu seinen Vorlieferanten ausgesetzt ist; Stichwort Bezugskostensteigerung. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang dann fast aufdrängen muss: Kann der Versorger jeden noch so nachteiligen Vertrag mit seinem Vorlieferanten abschließen, und zwar vor dem Hintergrund, dass er diese (ohne weiteres belegbaren) Kosten zumindest nach der ggf. anwendbaren Preisänderungsklausel doch an seine Kunden weitergeben dürfte.

Der VIII. Zivilsenat sagt dazu klar und eindeutig NEIN (BGH- VIII ZR 138/07, RdNrn. 42 und 43)! Zwar greife die erhobene Billigkeitseinrede des Verbrauchers nicht unmittelbar in das Verhältnis Versorger/Vorlieferant ein.

Zitat
\"Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte\" (F
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 28. Januar 2011, 19:22:54
Puh ...

Mein bescheidener Dienst: Der vorherige Beitrag von __HP__ als PDF (188 KB). (http://www.kayhausen.de/forum/110128_Beitrag_HP.pdf)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 28. Januar 2011, 19:28:10
@jroettges

Danke, dass Sie die Dinge in kurzen klaren Worten zutreffend auf den Punkt bringen.  ;)


@_hp_

Auch ich bin immer an einer sachlichen Diskussion interessiert.
Wenn mir ein großer Beitrag sogar lange vorher angekündigt wird, so steigt die Spannungskurve mit jeder Woche.

Sie haben sich bestimmt sehr viel Mühe gegeben, mit unbestreitbar viel Fleiß wieder einen sehr, sehr langen Beitrag verfasst.

Und allein dafür gebührt Ihnen Dank.
Steckt wohl gewiss auch Herzblut drin.

Wenn Sie sich auch mit Ihrem Diskussionsstil gefallen, dann soll uns das auch recht sein,
billig wohl sowieso.

Dass Ihre letzten Beiträge jedenfalls mich vollkommen unbeeindruckt lassen, ist wohl schwerlich zu ändern.
Möglicherweise sind andere etwas beeindruckt. Und dann hätten Sie ja auch schon viel erreicht mit der ganzen Mühe.
 
Erinnert mich persönlich allenfalls - wenn auch nur im aller entferntesten Sinne - an Thorichthys helleri meeki.
Aber ich möchte keinem Unrecht tun.

Mit einem sachlichen Dissens, und sei er noch so gravierend, kann ich sehr gut leben.

Ein Konsens wider die eigene Erkenntnis taugt nichts.
Dazu können Sie alle ihre klugen (literarisch) Bekannten fragen.

Auch ohne dass ich Luthers eher legendären Worte auf dem Reichstag zu Worms zitiere, werden Sie Verständnis dafür haben müssen, dass ich Ihre Ansichten nicht zu teilen vermag.
Ich möchte Sie Ihnen aber auch nicht nehmen. Denn ich wüsste schon nichts damit anzufangen.

Dies vorangestellt nun endlich

zur Sache:

Qualitativ ist der Beitrag m. E. wenn schon nicht beeindruckend, so doch auf seine Art recht bemerkenswert, weil man selten etwas von dieser Güte angesichtig wird.
Eher gar nicht, was aber kein Grund zur Klage sein sollte.  

Wo findet sich denn nun in Europa eine bessere gesetzliche Regelung, welche die Kleinkunden besser und effektiver schützt und die sich der deutsche Gesetzgeber deshalb zum Vorbild nehmen könnte und sollte?
Wenn Sie dazu etwas aufgezeigt haben wollten, wäre mir dies entgangen.

Vielleicht gelingt es doch, dass sachliche Argument aufzugreifen, dass der weite Spielraum der Billigkeit niemals in das enge Korstett passt, den die Transparenz einer Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB erfordert (BGH KZR 10/03 unter II.6), ein verbleibender Ermessensspielraum  gerade ausgeschlossen sein muss (BGH XI ZR 78/08 Rn. 35).

Fraglich, ob sich  sich noch jemand findet, der BGH KZR 10/03 so fantasievoll auslegt wie Sie und vor allem wo sich in der Rechtsprechung eine Stütze dafür findet.

Wir wollen es uns näher betrachten.  

BGH KZR 10/03 unter II.6 besagt, dass die Anwendung des § 315 BGB voraussetzt, dass die Parteien dessen Anwendung vereinbart haben müssen. Dies wiederum setzt entsprechend des Wortlautes des § 315 Abs. 1 BGB voraus, dass bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung (hier: den Preis) erst einseitig bestimmen.

Diese Aussage deckt sich vollständig mit der Aussage des VIII. Zivilsenats des BGH (VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, Lesen!).

Kein Blindzitat:


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags ... eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart [wurde]


Erst recht bei einem Sondervertrag vereinbaren die Parteien jedoch gar nicht, dass der Versorger erst nach Vertragsabschluss den Preis einseitig bestimmen soll (BGH, ebenda), sondern vereinbart wird bei Abschluss eines Sondervertrages regelmäßig ein bereits feststehender Preis (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46).

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46

Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a),

Und wegen der Vereinbarung eines bei Vertragsabschluss bereits feststehenden Preises  fehlt es insbesondere bei einem Sondervertrag bereits an der Anwendungsvereinbarung des § 315 Abs. 1 BGB, nämlich an der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, der Versorger solle erst nach Vertragsabschluss den Preis (einseitig) bestimmen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).  

Eine vertragliche Preisvereinbarung steht der Anwendbarkeit des § 315 BGB von Anfang an entgegen (BGH KZR 24/04).  

Wenn man sich an einer Diskussion über § 315 BGB  - eventuell sogar juristisch exponiert - beteiligen möchte, ist doch wohl zunächst der Wortlaut des § 315 Abs. 1 BGB in den Blick nehmen und dann zu ergründen, ob sich der Abschluss eines Sondervertrages darunter subsumieren lässt oder nicht, um bei zutreffender juristischer Methode zu dem einzig richtigen Ergebnis zu gelangen, dass er sich nicht darunter subsumieren lässt, wie es auch der ständigen Rechtsprechung des BGH entspricht.  

Es kommt für die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach § 307 BGB auf eine solche Konkretisierung hinsichtlich Anlass und Richtlinien einer Preisänderung in  der Klausel an, dass die Preisänderung vom Kunden  anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung hin kontrolliert werden kann, ohne auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle zurück greifen zu müssen (OLG Frankfurt, Urt. v. 13.12.07 Az. 1 U 41/07 S. 7, 9 UA m.w.N.; BGH VIII 38/05). Preisänderungsklauseln müssen unter anderem auch die Preisrevisionstermine  im Vornherein festlegen und dürfen auch in Bezug auf diese dem Versorger kein Ermessen belassen (BGH KZR 2/07 Rn. 21)


Kein Blindzitat:

Zitat
BGH XI ZR 55/08 Rn. 32

Auch ein solches benachteiligt die Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass die Bank insoweit ein Ermessen hat  (siehe schon BGHZ 97, 212, 217 f.; vgl. auch Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004), § 492 Rn. 30 m.w.N.; ).

Die Preiskalkulation muss bereits  bei Vertragsabschluss innerhalb einer Preisänderungsklausel offen gelegt werden, wenn die Klausel zulässig sein soll.

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH III ZR 274/06 Rn. 10

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Sie meinen, diese Rechtsprechung des BGH sei ggf. nicht verfassungskonform?

Hat nicht jüngst das Bundesverfassungsgericht etwas zur Verfassungskonfirmität der BGH- Rechtsprechung in Bezug auf die Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln in Gas- Sonderverträgen gem. § 307 BGB gesagt. Wo oder was war das gleich bloß?


Für die wirksame Einbeziehung auch einer Preisänderungsklausel ist erforderich, dass der Verbraucher vor Vertragsabschluss in zumutbarer Weise die Möglichkeit hat, von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen,  und dass er bei Vertragsabschluss mit deren Einbeziehung einverstanden ist, § 305 II BGB.

Ist eine Preisänderungsklausel nicht wirksam einbezogen oder aber unwirksam, verbleibt es nach der gesetzlichen Regelung gem. § 433 II BGB für beide Vertragteile dabei, dass sie an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden sind (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff.) ohne dass
der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis zur gerichtlichen Kontrolle gestellt werden kann.


Der anfänglich vereinbarte Preis steht auch bei einer wirksam einbezogenen Preisänderungsklausel  nicht zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle wegen der Vertragsgemäßheit des vereinbarten Preises und auch nicht zu einer Transparenzkontrolle, lediglich die einebzogene Preisänderungsklausel selbst lässt sich gerichtlich kontrollieren.  

Auch die Preisänderungsklausel steht ausschließlich zu einer gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, nicht aber zu einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Jene Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB erbringt nur, ob die Klausel wirksam oder unwirksam ist. Ein anderes Ergebnis kann die gerichtliche Kontrolle dabei nicht erbringen. Wirksam ist sie, wenn sich die Preisänderung für den Kunden anhand der Klausel tatsächlich kontrollieren lässt.

Die Ausübungskontrolle erfordert deshalb bei einer wirksamen Preisänderungsklausel  den Blick in die Klausel.
Mehr nicht.

Ist eine Preisänderungsklausel nicht wirksam einbezogen oder unwirksam, sind die Parteien nach der gesetzlichen Regelung gem. § 433 Abs. 2 BGB an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gleichermaßen weiter gebunden. Eine Gerechtigkeitskontrolle vor Gericht  in Bezug auf diesen vereinbarten Preis findet nicht statt.


Dass vollkommen Fantastische an Ihren Beiträgen ist, dass Sie vollkommen ohne Zitate aus der Rechtsprechung auskommen. Wenn ich selbst etwas wohl noch nie im Programm hatte, dann sind es Blindzitate.

 

Und dann gilt es, sich mit dem sachlichen Argument auseinanderzusetzen, dass eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB gerade ein nicht näher konkretisiertes Ermessen eines Vertragsteils, einen Ermessensspielraum  erfordert (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH III ZR 277/06 Rn. 20

Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319). Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).

Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrol-le der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).


Man wird sich ferner mit dem sachlichen Argument auseinanderzusetzen haben, dass eine Preisänderungsklausel ein auf Einigung der Parteien beruhendes (denknotwendig bereits bestehendes) Äquivalenzverhältnis wahren soll und muss, durch eine einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB hingegen das vertragsgemäße Äquivalenzverhältnis erst nachträglich festgelegt werden soll, weil es gerade noch nicht durch eine Einigung der Parteien vorgegeben ist.  


Ich gehe weiter davon aus, dass nach der gesetzlichen Regelung der §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG der gesamte einseitig bestimmte Tarifpreis der Billigkeitskontrolle unterliegen muss (vgl. auch BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Anders bisher (noch?) der VIII. Zivilsenat, der auch bei grundversorgten Tarifkunden eine anfängliche Preisvereinbarung sieht, welche die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB gerade ausschließt (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Der VIII. Zivilsenat sieht andererseits bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht zutreffend auch eine gesetzliche Verpflichtung zur nachträglichen Preisabsenkung, soweit dies dem Versorger möglich und den Kunden günstig ist (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], so dass es einen unverrückbaren Preissockel nicht geben kann. Der Sockel ist nicht nur nicht unverrückbar, sondern es besteht sogar eine gesetzliche Verpflichtung für den Versorger, diesen abzutragen.

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens ... mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen.

Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen.

Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,


Das mache ich auch daran fest, dass es dem Versorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich untersagt ist, in diesem Bereich mit einzelnen Kunden überhaupt Preise zu vereinbaren, insbesondere jedoch  Preise, die von Anfang an nicht seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG entsprechen.

Der vom Grundversorger aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht einseitig bestimmte Preis muss immer dann neu justiert werden, wenn er mit Rücksicht auf §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG nicht (mehr) der Billigkeit entspricht, ohne dass sich dafür die jeweiligen Anpassungszeitpunte vorhersagen ließen (BGH KZR 2/07 R. 26). Im Ansatz dürfte wohl Einigkeit zumindest darüber bestehen, dass es der Billigkeit entsprechende Preisbestimmungen eines Grundversorgers in Erfüllung seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht überhaupt geben kann und dass auch solche zu einem, auch für den Versorger nicht vorhersehbaren Zeitpunkt aus v. g. Gründen einem Anpassungsbedarf unterliegen können. Wenn hierüber kein Konsens bestehen sollte, ist alle weitere Erörterung in der Sache vollkommen untauglich.

Es würde mir jedoch hingegen nicht einfallen, einen im Rahmen der Vertragsfreiheit frei vereinbarten Preis einer Billigkeitskontrolle unterziehen zu wollen.

Denn dabei folgt die Richtigkeitsgewähr aus der privatautomen Einigung der Parteien auf diesen selbst, ohne dass ein Gericht einen \"gerechteren\" Preis bestimmen könnte.


Bei Anwendung der Denkgesetze würde ich zu dem Ergebnis gelangen, dass das eine das andere jeweils ausschließt.
 
Aber vielleicht ticke ich ja auch nur anders im Kopf.
Eine generelle Fehlerquelle, die es immer einzukalkulieren gilt.
Wobei an dieser Stelle die Frage offen bleiben kann, wer wohl objektiv \"richtiger\" tickt.  

Wo ich beide Sachverhalte mit eigenem, durchaus auch juristisch geschultem Verstande deshalb nie und nimmer gleichbehandeln würde, kann ich mich mit Auffassungen, die dies verlangen, eher schlecht anfreunden.

Ich nehme solche anderen Auffassungen (leidenschaftslos) zur Kenntnis, teile diese jedoch - wider der als zutreffender erkannten eigenen Erkenntnis -  nicht.
Ich sehe auch keinen Grund dafür, hierfür bei anderen um Verständnis heischen zu wollen. Es handelt sich eher um eine Selbstverständlichkeit.

Ob und was Lao-tse vielleicht darüber gesagt haben könnte, ist an dieser Stelle auch belanglos.

Ich meine, auch Art. 3 GG verbietet es, vollkommen unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln.  
Und auch, wer sich auf Denkgesetze beruft, tut wohl nicht, jedenfalls nicht unbedingt, gut daran.

Niemand wird zum Spielball eines Zivilprozesses!
Jeder Verbraucher hat es von Anfang an selbst in der Hand, ob er überhaupt und ggf. welches Prozessrisiko er selbst eingeht.

Insbesondere ist kein Versorger in der Lage, einen Kunden gegen dessen Willen in einen Billigkeitsprozess zu zwingen.
Kein Versorger kann einen Verbraucher gegen dessen Willen insbesondere zwingen, es auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten ankommen zu lassen.  

Ich habe auch in den letzten sechs Jahren an so vielen Billigkeitsprozessen teilgenommen, dass ich meine, dies auch aus eigener praktischer Erfahrung beurteilen zu können.
Möglicherweise verfügen Sie insoweit über größere praktische Erfahrung.

Für die gegenteilige Behauptung bleiben Sie aber jedenfalls jedweden Nachweis schuldig.

Wo bitte wurde je ein Verbraucher, der dies nicht veranlasst hatte, vom Versorger in einen Prozess gezogen, wobei der Versorger auch noch selbst eine gerichtliche Billigkeitskontrolle veranlasste und darüber hinaus auch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gegen den Willen des Verbrauchers und der Verbraucher am Ende die Kosten zu tragen hatte?

Zeit für den Faktencheck:
Bitte Gericht, Entscheidungsdatum, Aktenzeichen, Fundtstelle genau bezeichnen.    

Auch in  meinem Beitrag vom 10.01.11, 23.52 Uhr hatte ich von eigenen praktischen Erfahrungen berichtet und auch auf Rechtsprechung verwiesen [OLG Celle, Urt. v. 17.06.10 Az. 13 U 155/09 (Kart) Vollständige Rückzahlung bei Unbilligkeit] und diese als Begründung dafür herangezogen, dass die Billigkeitskontrolle bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht (vorausgesetzt von der Rechtsprechung zutreffend angewandt) als effektives Mittel gegen Preisüberhöhungen in diesem Bereich dienen kann.

Der einseitig bestimmte Preis ist auf einfache Unbilligkeitsrede hin für den Kunden unverbindlich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für dieses Ergebnis genügt im Prozess, dass der Versorger die Billigkeit nicht hinreichend darlegt oder aber bei hinreichender Darlegung auf Bestreiten die behauptete Billigkeit unerweislich ist (BGH VIII ZR 240/90).

Bei gesetzlicher Preisbestimmungspflicht, die allein zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führt (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 14 ff.)   kann das Recht auf Billigkeitskontrolle verwirkt sein.

Wobei eine Verwirkung vor Ablauf der kurzen Verjährungfrist von drei Jahren regelmäßig nicht angenommen werden kann (Zeitmoment).
Aber  auch das Umstandmoment ist in jedem Einzelfall zu prüfen.    

Wie es sich beim normalen Zahlungsklageantrag des Versorgers  in Bezug auf § 93 ZPO verhält, hatte ich  - jedenfalls meinem Können entsprechend - wohl umfassend aufgezeigt, insbesondere bis wann dort m. E. ein \"sofortiges\" Anerkenntnis erfolgen muss, nämlich wenn alle Tatsachen, welche die Billigkeit begründen sollen und können, vollständig  nachvollziehbar und prüffähig (durch Beweisaufnahme gemäß Beweisangebot im Bestreitensfalle) dargelegt sind, sofern dies nicht bereits auf Aufforderung des Kunden vorprozessual erfolgte.

So muss für die Beurteilung der Billigkeit einer Preisänderung die zwischenzeitliche Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren einschließlich eines \"Preissockels\" nachvollziehbar und prüffähig dargelegt werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39). Zudem müssen vorrangig alle Gegenindikationen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43) sicher ausgeschlossen sein.  

Es geht nur darum, dass alle für die Billigkeit notwendigen Tatsachen nachvollziehbar und prüffähig dargelegt wurden, nicht aber auch um einen prozessualen Beweis. Denn erst das Bestreiten und die Beweisaufnahme machen das eigentliche Prozessrisiko aus, für das sich eine Partei durch ihr Prozessverhalten selbst entscheidet.  

Sie meinen wohl, das würde bei einer Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht greifen, die wohl  jedenfalls immer erst nach einer Beweisaufnahme erfolgen könne.
Oder auch nicht.

Nach meinem (derzeitigen) Erkenntnisstand bezieht sich das \"sofortige\" Anerkenntnis gem. § 93 ZPO auf den jeweiligen Klageantrag des Klägers,
so dass bei Klagehäufung Teile der Klage gesondert  einem \"sofortigen\" Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO zugänglich sind.

Damit überhaupt eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 2 Satz 3 BGB erfolgen kann, bedarf es zunächst eines darauf gerichteten  Antrages einer Partei, § 308 ZPO.

Auch dieser Antrag ist ein eigenständiger Klageantrag!
Er ist jedenfalls niemals mit dem Antrag einer Zahlungsklage identisch.

Der Kunde wird wohl nicht dumm genug sein, einen solchen Antrag selbst zu stellen.

Denn diesem Antrag auf gerichtliche Ersatzbestimmung  kann sehr leicht der Erfolg versagt sein (siehe nur BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

Man wird diesen Klageantrag also dem Versorger zu überlassen haben, der auch diesbezüglich die Voraussetzungen dafür nachvollziehbar und prüffähig darzulegen und auf entsprechendes Bestreiten zu beweisen hat.

Voraussetzung ist unter anderem, dass die einseitige Leistungsbestimmung tatsächlich unbillig ist, was der Versorger darlegen und beweisen muss.

Aus dem Umstand allein, dass der Versorger die Billigkeit nicht nachgewiesen hat, folgt gerade noch nicht, dass die Leistungsbestimmung auch tatsächlich unbillig war, was jedoch für den erfolg eines Antrages auf gerichtliche Ersatzbestimmung gerade Voraussetzung ist (BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

Und auch bei einem solchen Klageantrag des Versorgers, gerichtet auf gerichtliche Ersatzbestimmung, steht dem Beklagten die Möglichkeit eines \"sofortigen\" Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO offen.

Aber auch dabei wieder muss das sofortige Anerkenntnis des Beklagten im Prozess unmittelbar vor der Beweisstation erfolgen.
Nach der Beweiserhebung wäre es nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 93 ZPO (\"sofort\").  

Wann ein \"sofortiges\" Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO im Falle einer Eventualklagehäufung erfolgen muss (Zahlungsklage mit Hilfsantrag, den der Billigkeit entsprechenden Preis erst gerichtlich zu bestimmen),
muss ich den ganz Klugen überlassen.

Theoretisch ist vorstellbar, dass etwa E.ON und RWE sich neu Gedanken machen über ihre gesetzliche Preisbestimmungspflicht innerhalb der Grundversorgung, dabei feststellen, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung völlig unbillig sind und deshalb eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beanspruchen und deshalb alle grundversorgten Kunden entsprechend verklagen.

Davor wäre tatsächlich wohl kein grundversorgter Kunde gefeit.

Jedem grundversorgten Kunden kann es blühen, von seinem Grundversorger mit einer entsprechenden Klage überzogen zu werden, auch wenn er vorher nie widersprochen und immer alles brav bezahlt hatte. Der Grundversorger muss nur mit der Behauptung vor Gericht ziehen, seine einseitige Preisbestimmung gegenüber dem beklagten grundversorgten Kunden sei bisher  unbillig und das Gericht solle deshalb eine der Billigkeit entsprechende Ersatzbestimmung treffen.

Aber sorgen muss sich der Kunde deshalb nicht, weil ihm wohl auch in diesem Falle die Möglichkeit eröffnet ist, den Klageantrag im Sinne des § 93 ZPO noch \"sofort\" anzuerkennen.

Oder sehen Sie da auch ein Prozesskostenrisiko für den beklagten Kunden (mal abgesehen von  Versäumnisurteil infolge Fristversäumung)  und wegen der Kosten eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens?

Das wäre dann wohl der Fall, vor dem Sie warnen wollten: Der grundversorgte Kunde als Spielball in einem ohne seine Veranlassung durch den Versorger vom Zaun gebrochenen Billigkeitsprozess.

Wenn Sie sich davor fürchten, kann ich Ihnen diese Sorge leider auch nicht nehmen. Um diese Sorge los zu werden, müssten Sie wohl zügig raus aus der Grundversorgung und - soweit möglich -  einen Sondervertrag abschließen.

Soweit zur Sache.

Mehr Worte über meinen Bildschirm möchte ich gar nicht verlieren.

Der rein persönlich gewidmete Epilog an der Stelle, wo er hingehört.

Ich erhebe keinerlei Anspruch darauf, zu wissen, was Sie meinen oder meinten. Wie könnte ich auch. Nehmen Sie es mir bitte persönlich nicht krumm, wenn mein Beitrag wohl offensichtlich bei weitem  nicht an das Niveau Ihres Beitrages heranreichen kann. Denn das war schon nicht meine Absicht. Ich darf behaupten, mit Sicherheit nicht.

Wie schrieb doch gleich ein fantastischer Künstler

Zitat
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie meinen Beitrag erst einmal ein wenig sacken und die Argumente auf sich wirken ließen. Vielleicht brauchen die Dinge auch mal ihre Zeit.

Ferner:

Zitat
Jedem kann es passieren, dass er auf einen juristischen Abweg gerät. Das stellt auch nicht das Problem dar. Problematisch wird es erst dann, wenn eine als unzutreffend demaskierte Position beibehalten und weiterhin \"gebetsmühlenhaft\" heruntergebetet wird, obwohl jeder Anlass zur Korrektur besteht.

Da bin ich auch eher skeptisch.

Persönlich sehr bedauerlich, wenn ein Lehrer schon früher erst darauf hinweisen musste, das Lehrbuch doch richtig herum zur Hand zu nehmen.
Die meisten von uns hätten in dieser persönlich sehr bedauerlichen Lage wohl Freunde unter den Mitschülern gehabt, die längst vorher einen hilfreichen Hinweis gegeben hätten.  Wir hatten seinerzeit  in der Schulklasse von Anfang an lauter hilfsbereite Pioniere. Deren Gruß war \"Immer bereit!\" und die nordeten im Manöver sogar die Karte richtig ein.

M. E. bedarf es jedenfalls keiner weiteren Ankündigungen großer Beiträge mehr. Erfreulich aber, wenn derart  große  Beiträge allenfalls hier im Forum weiter geschrieben werden und dafür kein Blatt Papier in den Druck gehen muss....
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 29. Januar 2011, 11:49:09
Der weite Spielraum der Billigkeit taugt nicht zur Wahrung eines bereits bestehenden Äquivalenzverhältnisses. Es steht immer zu besorgen, dass das bestehende Äquivalenzverhältnis  zumindest jeweils um diesen weiten Spielraum zu Lasten des Kunden verschoben wird.

Der alte Meister bei ZEISS hätte zu recht  gesagt, wenn die Toleranzen zu groß sind (so wie bei dem weiten Spielraum der Billigkeit), dann kann es am Ende mit der Passung gar nicht klappen. Man muss wohl nicht erst  den Beruf eines Feinmechanikers erlernt und ergriffen haben, um dies zu erkennen. Über Leute, die schon den Plan verkehrt herum halten, hätte sich der alte Meister nur kopfschütteld gewundert. Mit denen hätte er Passungen gar nicht erst diskutiert, sondern anderweitig Tacheles geredet. Ab zum Hof und Halle fegen....
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 29. Januar 2011, 13:54:49
dux
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: courage am 29. Januar 2011, 18:07:52
Aus den vorstehend sehr interessanten und durchaus unterhaltsamen Beiträgen der beiden Protagonisten ziehe ich für mich folgendes vorläufiges Resümee:

1. Bereich Sondervertrag:
Hier vereinbaren die Parteien einen Vertragspreis und eine wirksame, d.h. den Prüfkriterien des § 307 BGB standhaltende Preisanpassungsklausel, die erstens ausschließlich die tatsächlich und notwendigermaßen eingetretenen Kostenänderungen beim Versorger berücksichtigt und zweitens das dem Anfangspreis immanente Preis-Leistungsverhältnis mathematisch exakt und nachprüfbar in die Zukunft fortschreibt. Für diesen (Ideal-) Fall sehe ich keinen Ansatzpunkt für eine zusätzlich notwendige Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Erweist sich eine Preisanpassungsklausel als unwirksam, waren die Preiserhöhungen unzulässig; eine Prüfung der Billigkeit der Preiserhöhungen findet nicht statt, weil es dafür keinen Anlass gibt.

Dass in Sonderverträgen bisher keine wirksamen Preisanpassungsklauseln entdeckt wurden, liegt nicht daran, dass es solche nicht geben kann, sondern allein daran, dass die Versorger an wirksamen Preisanpassungsklauseln bislang kein Interesse hatten, weil dies ihren bisherigen Geschäftspraktiken nicht entsprochen hätte.

2. Bereich Grundversorgung:
a) Das schwer einzuschätzende Kostenrisiko in einem Billigkeitsprozess, insbesondere aufgrund eventueller Gutachterkosten, wirkt auf den Durchschnittskunden, auch wenn er stets mutig die Billigkeitsrüge erhoben und möglicherweise sogar noch mutiger die Forderungen des Versorgers gekürzt hat, durchaus bedrohlich; das lässt sich nicht leugnen. Dass es zur Risikominimierung einer ausgeklügelten Prozesstaktik bedarf, wurde dargelegt; aber gerade deswegen bleibt ein ungutes Gefühl.

b) Aus den Aufsätzen von __hp__ ergibt sich m.E. die folgende Argumentationskette in Kurzform. (Falls ich ihn bzw. sie hier falsch verstanden haben sollte, ist das eben mein eigener Beitrag):

In Grundversorgungsverträgen ist die GasGVV (früher AVBGas), quasi als „verordnete“ AGB, automatisch Vertragsbestandteil. Die in § 5 Abs. 2 zwar nicht erkennbare, aber vom VIII. Zivilsenat des BGH dort hineingelesene Preisanpassungsklausel unterliegt ebenso der Inhaltskontrolle des § 307 BGB wie vertraglich vereinbarte Klauseln in Sonderverträgen. Die angebliche Preisanpassungsklausel der GasGVV erweist sich ohne weiteres erkennbar als völlig intransparent, so dass Preisänderungen hierauf nicht gestützt werden können.

Ich finde die Argumentation durchaus nachvollziehbar. Im Ergebnis wären auch die Preisänderungen in der Grundversorgung, ebenso wie in Sonderverträgen, darauf zu prüfen, ob sie wirksam vereinbart sind.

Aber dann wäre kein Platz für die Billigkeitskontrolle zur Rechtfertigung der Preisänderungen; doch steht das leider im Gegensatz zur Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH und zu dessen absonderlicher Sockelpreis-Theorie, die in den Instanzen übernommen wurde und dadurch zur Realität für die Verbraucher mutiert ist.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 29. Januar 2011, 21:54:01
Bei den Bestimmungen der AVBV/ GVV handelt es sich in deren unmittelbarem Anwendungsbereich (§ 1 AVBV/ GVV) nach der Rechtsprechung des BGH (wohl bestätigt durch BVerfG) nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie unterliegen deshalb nicht der Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB, also weder hinsichtlich der wirksamen Einbeziehung, noch hinsichtlich der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Für den Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers angeordnet, die dazu führt, dass die einseitige Preisbestimmung des Versorgers der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliegt.

_hp_ meint wohl demgegenüber, auch die gesetzliche Preisbestimmungspflicht unterliege der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB und auch bei Sonderverträgen sei § 315 BGB unmittelbar anwendbar.

Ich habe darzulegen versucht, dass das eine das andere denknotwendig ausschließt und dass die zwei vollkommen unterschiedlich gesetzlich geregelten Sachverhalte auch keinesfalls gleichbehandelt werden dürfen , weil einer solchen Gleichbehandlung auch schon Art. 3 GG entgegensteht.

Fakt ist, dass Verbraucher, die außerhalb der Grundversorgung beliefert werden, keinerlei Anspruch darauf haben, dass in ihren Sondervertrag eine wirksame Preisänderungsklausel des Lieferanten wirksam einbezogen wird.

 Ebenso hat kein Lieferant einen Anspruch darauf, dass ein Kunde in die wirksame Einbeziehung gem. § 305 Abs. 2 BGB bei Vertragsabschluss einwilligt.

Es handelt sich um den Bereich der Vertragsfreiheit, die dem grundgesetzlich geschützten Bereich der Handlungsfreiheit unterfällt, Art. 2 GG (Privatutonomie).

In zentralen Punkten habe ich ein vollkommen anderes Verständnis als _hp_, ohne dass der eine gegen den anderen einen Anspruch darauf hat, dass der andere die eigene Auffassung teilt.

_hp_ echauffiert sich wohl darüber, dass ich seine Auffassung bisher nicht, jedenfalls nicht  genügend und wie von ihm erwartet,  bei meinen Gedankengängen und meinen Stellungnahmen hierüber berücksichtigt habe. Das stellt er wohl deutlich heraus. Damit würde er sich jedoch über etwas echauffieren, was mir persönlich vollkommen unmöglich ist.

Ich habe bereits an anderer Stelle zu der Grundsatzfrage aufgezeigt, dass auch in der Grundversorgung eine höhere Transparenz bereits heute möglich ist und auch Vorschläge aufgezeigt, die Grundervsorger vom Gesetzgeber zu höherer Transparenz anzuhalten, soweit sie dies nicht freiwillig gewährleisten.

_hp_ sucht das Heil wohl eher vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem EuGH hinsichtlich der \"Grundrechte der Energieverbraucher\".

Ich habe die \"Rechte der Energieverbraucher\" selbst mitunterzeichnet.
Gesetzeskraft kommt ihnen dadurch jedoch noch lange nicht zu.

Nach einem epochemachenden Rechtsgutachten (http://www.cep.eu/fileadmin/user_upload/Kurzanalysen/Energieverbrauchercharta/Gutachten_zur_Energieverbrauchercharta.pdf) besteht kein Kontrahierungszwang des Grundversorgers zu einem Preis von NULL.

Fest steht:

Der der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht unterliegende Grundversorger hat Anspruch auf einen einseitig bestimmten Preis, der unter Berücksichtigung dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG der Billigkeit entspricht. Dieser Preis ist im Einzelfall erst gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf einen entsprechenden Antrag hin gerichtlich zu bestimmen. Der Versorger kann nach Unbilligkeitseinrede des grundversorgten Kunden gegen die einseitige Preisbestimmung des Versorgers die Frage der Billigkeit gerichtlich klären lassen.
Eine andere Möglichkeit hat der Grundversorger dabei  nicht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, 17 GVV.

Lediglich das Verfahren nach § 315 BGB ermöglicht - unabhängig von der marktbeherrschenden Stellung - eine Kontrolle des Preises auf seine Angemessenheit. Kontrolliert wird dabei die Preishöhe (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

Bei der Billigkeitskontrolle eines einseitig bestimmten Energiepreises muss die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Soweit ersichtlich, bemühen sich insbesondere auch Lothar Gutsche und Stubafü jeweils in eigenen Gerichtsverfahren genau darum, wofür man auch diesen  Erfolg wünscht.

Worum sich _hp_ bemüht, ist hingegen im Dunkeln geblieben, insbesondere ob es diesem etwa um eine Abschaffung der Billigkeitskontrolle in der Grundversorgung geht, soweit den Versorgern der dafür notwendige Ermessensspielraum (BGH III ZR 277/06 Rn. 20) genommen werden soll.

Eine im europäischen Ausland bestehende gesetzliche Regelung, die dem Schutz der Kleinkunden besser Rechnung trägt und die der deutsche Gesetzgeber deshalb übernehmen könnte und sollte, zeigt er bisher jedenfalls nicht auf.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 30. Januar 2011, 10:03:20
Nur ein Frage, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Ziele und die Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmen nach § 1 und 2 EnWG sind doch generelle Vorgaben. Sie beschränken sich doch nicht auf die Grundversorgung!?

Wie hat der Gesetzgeber, bzw. wie ist in der Bundesrepublik Deutschland  sichergestellt, dass diese generellen Vorgaben auch ausgeführt und von der Rechtssprechung berücksichtigt werden?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 11:53:47
@_hp_

Kernpunkt Ihrer Thesen ist wohl, dass der Sondervertragskunde einen höheren Schutz genieße als grundversorgte Kunden.

Bei Lichte betrachtet ist dies unzutreffend.

Wird in einen Sondervertrag keine oder keine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen, ist der Versorger nach Vertragsabschluss zu einseitigen Preisänderungen weder berechtigt noch verpflichtet, der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis steht nicht zur Kontrolle.

Egal ob der Kunde einer Preisänderung widerspricht oder nicht, hat der Versorger die Möglichkeit, den Sondervertrag durch ordnungsgemäße Kündigung zu beenden.

Der von einer solchen Kündigung betroffene Kunde hat keinen Anspruch darauf, dass ihm überhaupt ein neuer Sondervertrag angeboten wird.

Erst recht hat er keinen Anspruch darauf, dass ihm ein Sondervertrag zu einem Preis angeboten wird, der seinerseits bestimmte Kriterien erfüllen muss.

Man wird sich wohl damit abzufinden haben, dass BILD, Tchibo, PLUS,  Dr.Oettker, Dr. Best, mein Hausarzt und alle anderen auch frei darüber entscheiden, ob diese überhaupt  Haushaltskunden Energielieferungen mit Strom und Gas in Form von Sonderverträgen anbieten, ggf. zu welchen Konditionen und wie lange und dass sie auch darüber entscheiden, mit wem sie überhaupt einen Vertrag abschließen (Ausfluss der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie, Art. 2 GG).

Nach alldem steht ein Haushaltskunde in der Grundversorgung  mit gesetzlichem Anspruch auf Vertragsabschluss, Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung durch den Versorger (§ 20 Abs. 1 Satz 3 GVV), der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers und der Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle der Preishöhe grundsätzlich  besser geschützt da.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 30. Januar 2011, 12:24:13
Zitat
jroettges schrieb am 24.1.2011 19:53

Stimmen sie mit mir überein, dass dann wegen eines Verstoßes gegen § 41 auch keinerlei Preisanpassungen im Rahmen eines solchen Vertrages erfolgen dürfen?

Klare Frage, klare Antwort?

Zitat
RR-E-ft antwortete am 24.1.2011 20:07

@jroettges

Vielleicht liegt es ja eher nicht an den Augen.

Auch BGH VIII ZR 246/08 betrifft Sonderverträge mit Haushaltskunden (denn solche sind dort Kläger!).

Hätte der BGH noch ausdrücklich dazu schreiben können, dass es sich um Sonderverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung handelt (§ 41 EnWG).War aber nicht erforderlich. Wofür auch?

Und diese Entscheidung befasst sich insbesondere auch damit, was in solchen Verträgen der Fall ist, wenn entweder keine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbzogen wurde oder eine Preisänderungsklausel unwirksam ist (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 50 ff.).

Zitat
RR-E-ft schrieb am 30.1.2011 11:53

Wird in einen Sondervertrag keine oder keine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen, ist der Versorger nach Vertragsabschluss zu einseitigen Preisänderungen weder berechtigt noch verpflichtet, der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis steht nicht zur Kontrolle.

Danke. Das war die klare Antwort auf meine Frage vom 24.1.2011.
Es geht also doch noch.  :)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 12:51:35
@jroettges

Ich bin auch froh, dass es noch geht. Schließlich schreibe ich immer wieder sattsam bekannte Dinge, so auch  25.01.2011 09:13.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 30. Januar 2011, 13:38:35
@RR-E-ft

Sah Ihr Beitrag vom 25.1.2011 09:13 nicht schon mal ganz anders aus?

Sie genießen das Privileg eines Moderators, der seine Beiträge nachträglich verändern kann , ohne dass dies sichtbar würde, und das auch gerne ausnutzt.

Verändert unsereins Normalnutzer seine Beiträge, kann das jeder Forenteilnehmer nachvollziehen.

Sie moderieren nicht nur,  sondern  liefern viele wirklich gute und wertvolle Beiträge.

Meine Bitte daher: Entweder sollten Sie in Ihrer Funktion als Moderator eine zweite Identität nutzen oder aber nachträgliche Veränderungen und Ergänzungen Ihrer Beiträge entsprechend kennzeichnen, sofern sie über die Korrektur von Schreibfehlern hinausgehen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 14:08:21
Der Beitrag  25.01.2011 09:13 wurde nicht verändert.

Mit einer zweiten Identität käme ich nicht klar, weil es mir insoweit hardwareseitig an der Fähigkeit zum Multitasking fehlt. Ich arbeite immer noch mit der Hardware aus den 70er Jahren, die nur in mehreren Durchgängen upgedatet wurde und möchte an diesem System, welches ich immer bei mir führe,  nichts verändert sehen. ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 30. Januar 2011, 14:49:11
Vorrangiges Thema ist m.E. der Verbraucherschutz. Nur wenn der wirksam besteht, kommt es zu einer Vertragsgerechtigkeit, nur dann stehen sich Verbraucher und Versorger gleichwertig gegenüber.

Dass der Schutz für Sonderabnehmer verlorengegangen ist, ist für mich Fakt. Es ist der Grund dafür, dass ich mich gegen die Rechtssprechung des VIII. Zivilsenats wende. Gleichzeitig sehe ich in dieser Rechtsprechung einen Akt der Gleichmacherei und damit einen unmittelbaren Verstoß gegen den Gleichheitssatz des fundamentalen Grundrechts nach Art 3 GG.

So weit waren wir aber schon in der von tangocharly angestoßenen Diskussion im Nachbarthread, bei der es um die Frage ging, ob und wie die Versorger bestrebt sind, jetzt auch noch die Billigkeitskontrolle wegzuschaffen.

Offenbar ist diese Grundrechtsverletzung aber noch nicht justiziabel.

Wenn der wirksame Verbraucherschutz schon den Sonderabnehmern aus der Hand geschlagen wurde, dann stellt sich die Frage, ob zumindest die grundversorgten Kunden etwas Vergleichbares zur Verfügung haben, was einem Verbraucherschutz entsprechen könnte.

Ich will das zunächst nicht ganz ausschließen. Allerdings scheint einiges im Argen zu liegen. Die daraus entstehende allgemeine Unsicherheit hat schon zu der Erkenntnis geführt, dass die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats den Verbraucherschutz nach unten nivelliert und die Verbraucher jetzt alle gleich schlecht behandelt werden.

Es ist daher nicht zu verwundern, wenn sich neben der allgemeinen Unsicherheit auch noch ein allgemeines Unbehagen gegenüber dem in der Grundversorgung bestehenden Verbraucherschutz entwickelt, einem Schutz den es erst noch zu erkennen gilt. Mir fällt es daher sehr schwer, dem von RR-E-ft angestimmten hohen Lied der Grundversorgung zu folgen. Ich müsste mir dann schon die Frage beantworten können, warum ich mich so vehement gegen die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ausspreche, wenn der doch nur die Segnungen der Grundversorgung über mir als Sonderabnehmer auskippen will. Ich würde mich ja selbst nicht mehr verstehen. Andererseits habe ich aber auch keine Problem damit, eine Position aufzugeben, wenn ich mit meinen Gedanken in ein Loch getreten bin.

Wie sieht es also mit dem Verbraucherschutz in der Grundversorgung tatsächlich aus?

Ein Schutz muss wie ein Schild vor dem Verbraucher stehen und abwehren. Nun kann man natürlich sagen, dass gerade diese Funktion von einem Gesetz erfüllt wird, zumal dann, wenn es nur Pflichten an den Grundversorger verteilt. Und dennoch bleibt ein allgemeines Unbehagen auf der Verbraucherseite, das nur schwer zu artikulieren ist.

Der materielle Gehalt eines Gesetzes ist das eine. Zum Anderen muss die materielle Rechtslage aber auch deutlich hervortreten, sonst erstirbt dieses Gesetz an seiner Abstraktheit. Will man die Abstraktheit aber beibehalten, dann muss die Klarheit anderwärts zum Ausdruck kommen. Geschieht auch das nicht, kommt es zu diesem allgemeinen Unbehagen, das sich an dem Zustand des Verbraucherschutzes in der Grundversorgung festmacht.

Die Ursache dürfte wohl darin zu sehen sein, dass die Grundversorgung zwischen ihrer Verfassung und der Wirklichkeit eine erhebliche Lücke klaffen lässt. Die Lücke ist so groß, dass noch nicht einmal unsere oberste Gerichtsbarkeit erkennt, dass man dort mit einem vereinbarten Preis nicht hantieren kann. Die Verschlungenheit der §§ 36 Abs 1, 2, 1, einschließlich des Bedeutungsinhalts des allgemeinen Preises stehen geradezu wie ein Rätsel im Raum und können nur mit äußerster Argumentationskraft erkennbar gemacht werden.

Wenn der § 41 Abs 1 EnWG erkennbar „Gesetzeslyrik“ enthält, dann sehen die zu gesetzlichem Handeln verpflichteten Versorger in dem § 1 Abs 1 gerade mal noch „romantische“ Gesetzeslyrik.

In einer gesellschaftspolitischen Aufbruchstimmung, in der mit dem Schlagwort der Entbürokratisierung der Abbau von Hemmnissen aller Art zur Entfaltung der freien Kräfte im Vordergrund steht, kommt ein komplizierter Schutzmechanismus, wie vom EnWG filigran bereitgehalten, unter die Räder und der Verbraucher muss sich seinen Schutz selbst risikoreich erarbeiten.

Ist das aber der Verbraucherschutz, der gemeint ist?

Auch ein Gesetz muss mit durchschlagender Transparenz daherkommen und jeden Verpflichteten mit der Nase darauf stoßen, was er zu tun und zu lassen hat. Und wenn das Gesetz so etwas nicht fertig bringt, dann muss es eine dazu passende Verordnung bringen. Das wird aber in einem Zeitgeist, in dem die Fahne der Entbürokratisierung geschwenkt wird, kaum möglich werden, insbesondere deswegen, weil eine solche Verordnung den Versorgern die Transparenz regelrecht verordnen müsste. In deren Augen wäre das ein weiteres echtes Hemmnis.

Man braucht sich daher nicht zu wundern, wenn über den EuGH der Anlauf erfolgt, einen hohen Verbraucherschutz auch in der Grundversorgung zu installieren. Es wird dann in der umgekehrten Richtung, wie zuvor vom VIII. Zivilsenat praktiziert, gleich gemacht. Der Senat war nur schneller.

Erfolgreich kann der Weg über den EuGH schon werden, wenn dem hohen Verbraucherschutz nach dem europäischen Recht ein Differenzierungsverbot immanent ist und daher alle Verbraucher in den Genuss dieses Schutzes kommen müssen, den die herkömmliche Rechtsprechung zuvor schon in Deutschland entwickelt hat.

Wie das dann gesetzestechnisch hinzubekommen ist, ist eine andere Frage, dafür haben wir Juristen, die es dann so auszugestalten haben, damit die Geliebte, ich meine die Grundversorgung, nicht leidet.

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 30. Januar 2011, 16:09:46
... ersetzen noch lange keine juristische Argumentation!

RR-E-ft:

Sie gehen hier im höchsten Maße unredlich vor. Ich verwahre mich dagegen, dass Sie mir Positionen in den Mund legen, die ich hier niemals vertreten habe - weder direkt noch indirekt. Machen Sie beim Lesen meiner Beiträge die Augen auf. Und wenn Sie des Lesens nicht mächtig sein sollten, dann lassen Sie sich meine Beiträge doch ruhig von Ihren \"Pionierfreunden\", deren Existenz Sie ja für so erwähnenswert hielten, am Besten vorlesen. Denn dann können sich derartige Fehlvorstellungen, wie sie sich wohl nur bei Ihnen bezüglich meiner Rechtsposition \"eingeschlichen\" und die Sie Ihrer \"Antwort\" zugrundegelegt haben, nicht einstellen.

Nehmen Sie jetzt endlich einmal zur Kenntnis, dass ich niemals und nirgendwo die Position vertreten habe, im Rahmen der Grundversorgung sei eine Preisänderungsregel an der Vorschrift des § 307 BGB zu messen, die ja ausschließlich die Einbeziehung von Vertragsklauseln in einen (Sonder)Vertrag betrifft. In der Grundversorgung ergibt sich das Preisänderungsrecht (die Pflicht zur Preisbestimmung) des Versorgers aber nicht aus einer Klausel, sondern unmittelbar aus dem Gesetz (GasGVV - ggf. in Verbindung mit dem EnWG). Dort, in der Grundversorgung, kommt es auf die Einbeziehungsfrage einer Klausel dann auch überhaupt nicht an. Und so habe ich die mir von Ihnen in den Mund gelegte absurde Position, ich wollte den § 307 BGB auch in der Grundversorgung zur Anwendung bringen, niemals vertreten!

Und insofern kommt es auch einem miesen Taschenspielertrick gleich, wenn Sie mir hier vollmundig unter Vorhalt der Rechtsprechung des BGH vorhalten wollen, wie es in der Grundversorgung läuft.

Sie wollen damit bei den mitlesenden Teilnehmern offensichtlich den falschen Eindruck erwecken, es gäbe etwas auszukontern, das ich entgegen der klaren Rechtslage zum Besten gegeben hätte, und halten mir dazu die BGH-Rechtsprechung vor!? Das ist unredlich. Wenn Sie auf solche miesen Tricks zurückgreifen müssen, dann bekräftigt mich das in meiner Ansicht, dass es höchst erforderlich ist, hier sehr genau hinzuschauen, welche Positionen Sie im Einzelnen ausbreiten.

Und so sage ich Ihnen, dass Ihre \"Antworten\" auf meine Beiträge einer Unverschämtheit gleichkommen, wenn Sie mir darin sogar die Rechtsposition unterschieben wollen, ich würde hier die \"Ansicht\" vertreten, in der Grundversorgung sollte die Billigkeitsprüfung abgeschafft werden. Absurd!

Sind Sie eigentlich von allen guten Geistern verlassen, sind Sie noch bei Sinnen?

Das Gegenteil ist doch erkennbar der Fall (nachlesbar!). Hören Sie doch auf, darüber herumzuspekulieren, welche Position ich hier eingenommen haben könnte. Spekulieren ist nicht erforderlich, weil ich meine Position in klarer Form dargelegt habe, die Sie aber beharrlich ignorieren:

Es geht mir darum, die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB auch im Grundversorgungsverhältnis überhaupt erst zu einem effektiven Mittel der Gaspreiskontrolle werden zu lassen. Ich hatte dargelegt, warum § 315 BGB gegenwärtig in der Grundversorgung nichts weiter darstellt als eine \"leere Hülse\" und deshalb darauf hingewiesen, dass § 315 BGB schnellstens effektiv zu stärken sei, um ihn in der Grundversorgung so zur Geltung zu bringen, wie es ihm zukommt! Was fällt Ihnen ein, daraus das glatte Gegenteil zu konstruieren und diesen Blödsinn den hier interessiert Mitlesenden als von mir ausgebrütet zu verkaufen?

In diesem Zusammenhang hatte ich auf die Notwendigkeit transparenter Preisänderungsbestimmungen auch in der Grundversorgung hingewiesen. NICHT gleichzusetzen mit der Transparenzkontrolle (Inhaltskontrolle) gem. § 307 BGB, die Sie mir hier in den Mund legen wollen! In der Grundversorgung könnte dieses etwa erreicht werden durch eine dem Versorger vom Gesetzgeber auferlegte (zwingende) Informationspflicht im Rahmen des EnWG oder der GasGVV!

Auf Ihre dazu gemachten Vorschläge, auf die Sie jetzt erneut abstellen, bin ich ja bereits prinzipiell zustimmend eingegangen! Und zwar schon vor einiger Zeit!

Meine Position - exklusiv für Sie (die Begründungen finden sich in meinen Beiträgen):

Grundversorgung:
Sondervertragsverhältnis:
Ersichtlich ist dabei, dass Sondervertragskunden wie solche aus der Grundversorgung gar nicht so wesensverschieden sind, wie Sie hier Glauben machen wollen:

Beide Verbrauchergruppen brauchen in gleichem Maße Transparenz hinsichtlich der Preisbestimmung. Im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit ergeben sich keine nennenswerten Unterschiede. Ohne Preistransparenz sind beide Verbrauchergruppen gleichermaßen weitestgehend schutzlos gestellt. Fordert man für Sondervertragskunden zu Recht Preistransparenz (inkl. Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB), die sich nicht nur auf Ebene der Wirksamkeitskontrolle für diese \"verbraucherschützend\" auswirken kann, sondern (nach der wirksamen Einbeziehung) auch auf der Ebene der im folgenden vorzunehmenden Billigkeitskontrolle auswirken muss (Ich weiß, Sie lehnen eine solche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB im Sondervertragsverhältnis völlig zu Unrecht ab - lesen Sie dazu doch ENDLICH einmal die Entscheidung des Bankensenats des BGH , XI ZR 78/08 - RdNr. 38), so wäre es doch völlig unangemessen, die Schutzbedürftigkeit der Kunden aus der Grundversorgung zu ignorieren und sie ohne nähere Informationen hinsichtlich Anlass, Voraussetzung und Umfang der zu erwartenden Preisbestimmung (aufzunehmen ins Gesetz!) auf den Gerichtsweg zu verweisen. Nach dem Motto: Lass doch die Preisbestimmung deines Versorgers ohne jegliche Anhaltspunkte gerichtlich auf die Billigkeit überprüfen (Kosten, wenn es schlecht läuft: 15.000 Euro; oder dieses Kostenrisiko ausschließen und den neu festgesetzten Preis zahlen).

Die Frage der prinzipiellen Gleichbehandlung unter dem Aspekt gleichlautender Schutzbedürftigkeit hat dann auch überhaupt nichts mit der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung des Grundversorgungsverhältnisses im Vergleich zum Sondervertragsverhältnis zu tun, wie Sie meinen. Für einen Ausschluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes in dieser Hinsicht haben Sie dann auch kein einziges Argument geliefert - das wäre wohl zu anstrengend gewesen!

Und in dem Zusammenhang ist es geradezu absurd, wenn Sie davon sprechen, ich ginge sogar davon aus, Sondervertragskunden seien schutzbedürftiger als grundversorgte Gaskunden. Ich bin sehr gespannt, welchen Unsinn Sie mir noch unterschieben wollen!

Der grundversorgte Gaskunde ist nicht weniger schutzbedürftig als der Sondervertragskunde, sondern in gleichem Maße schutzbedürftig. Nur das - aber eben auch nicht weniger - ist die Grundannahme meiner Argumentation!

Insgesamt will ich es dabei jetzt belassen, weil sich eine Diskussion mit Ihnen über meine Thesen zur Zeit weitestgehend erübrigen dürfte. Sie sind erkennbar nicht daran interessiert, andere Meinungen zu den aufgeworfenen Rechtsfragen auch nur zur Kenntnis zu nehmen, sofern sich diese nicht mit Ihren (zumindest teilweise völlig unzutreffenden) eins zu eins decken. Ohne eine solche Bereitschaft zum ernsthaften Dialog disqualifizieren Sie sich in meinen Augen vollends.

Dass Sie keinen offenen Diskurs in der Sache wünschen, einen solchen wohl sogar eher abwürgen wollen, ergibt sich auch daraus, dass Sie meinen letzten - wie Sie sagen: so sehnsüchtig erwarteten - Beitrag innerhalb einer Stunde gelesen, auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft, Ihren Thesen gegenübergestellt und dann eine umfassende \"Beantwortung\" verfasst und hier veröffentlicht haben. Dies ist eine unangemessene Behandlung der Thematik und so auch gar nicht machbar. Das deutet darauf hin, dass Sie Ihren meine Position herabqualifizierenden Beitrag (zumindest in Versatzstücken) schon im Vorfeld verfasst haben, quasi als vorweggenommene (antizipierte) \"Antwort\" auf die erwarteten Vorhaltungen. Dass mir dabei dann von Ihnen falsche Positionen in den Mund gelegt werden, ist alles andere als verwunderlich.

Wenn Sie weiterhin in diesem Forum ernst genommen werden wollen, dann werden Sie sich mit den Argumenten auseinandersetzen müssen, die Ihnen hier entgegengebracht werden. Und nicht mit solchen, die Ihrer Fantasie entspringen, niemals (zumindest von mir) geäußert wurden.

Der Befund stellt sich so dar, dass Sie den § 315 BGB im Grundversorgungsverhältnis leer laufen lassen und damit dieser Schutznorm ihrer Funktion völlig berauben und diesen Zustand auch noch als das Beste preisen, was überhaupt erreichbar ist. Und zudem lösen Sie den § 315 BGB in seinem Zusammenwirken mit § 307 BGB in einem wesentlichen Anwendungsbereich, nämlich dem Gassonderkundenverhältnis, ohne Not heraus. Sie schlagen damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit der flachen Hand geradezu ins Gesicht.

Da sich offensichtlich bei Ihnen die Fehlvorstellung entwickelt hat, es ginge mir hier darum, Sie mit meinen Diskussionsbeiträgen zu motivieren, Ihre als von mir völlig falsch erkannte Rechtspositionen aufzugeben, so täuschen Sie sich gehörig:

Welche Rechtspositionen Sie haben, ist für mich von so erheblicher Bedeutung nicht. Ich finde es aber wichtig, dass wenn Sie hier konzentriert mitlesenden - überwiegend wohl nicht juristisch vorgebildeten - Verbraucherinnen und Verbrauchern das materielle Recht fehlerhaft erklären und sie damit in die Irre führen, dieses richtig gestellt wird. Insofern kommt es mir auch überhaupt nicht darauf an, die von mir beschriebenen Rechtspositionen primär mit Ihnen zu diskutieren, sondern vielmehr geht es mir darum, für alle Interessierten Orientierung zu liefern und krasse Fehler aufzudecken.


Schließlich will ich an dieser Stelle auch noch mein Befremden darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie voreilig (unvollendete) Beiträge verfassen - wie hier etwa mit Ihrem Beitrag vom 29.01.11 (21:54 Uhr) geschehen -, Sie diese dann später mit weiteren Aspekten unterfüttern (ergänzen), ohne dass Sie dieses kenntlich machen. Auf einen üblichen Editiervermerk, wie er bei Veränderung eines bereits veröffentlichten Beitrags doch regelmäßig erscheint, verzichten Sie - als Moderator - offensichtlich, weil Sie es können ...

Ich habe gerade zu meiner Überraschung gesehen, dass Sie heute von \"jroettges\" bezüglich eines anderen Beitrags, bereits auf genau diesen Aspekt hingewiesen worden sind. Sie haben den Vorhalt zurückgewiesen.

Der von mir angeführte Beitrag ist nach seiner Veröffentlichung (und Kenntnisnahme von mir) inhaltlich und seinem Umfange nach erheblich verändert worden und enthält Anwürfe gegen meine Person, die vorher in dem Maße nicht enthalten waren. Kommen Sie jetzt nicht erneut mit dem Hinweis, \"dieser\" Beitrag sei auch nicht von Ihnen verändert worden. Beide Versionen liegen bei mir auf dem Rechner ...
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 17:09:51
@_hp_

Ich lese mir Ihre Beiträge gar nicht mehr durch. Nicht nur deshalb, weil sie nichts erbringen. Mir brauchen Sie nichts mehr schreiben. Es wäre auch nur wieder vertan.
Es war bestimmt nie meine Absicht, Ihnen Unsinn unterzuschieben. Mehr habe ich Ihnen nicht mehr zu schreiben.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: __hp__ am 30. Januar 2011, 17:48:55
RR-E-ft:

Zitat
Ich lese mir Ihre Beiträge gar nicht mehr durch.

Ich bezweifele aus den genannten Gründen, dass Sie meine letzten Beiträge bisher überhaupt (richtig) gelesen haben. Was heißt in dem Zusammenhang dann auch schon \"nicht mehr\"!?

Aber im Grundsatz sind wir uns dann ja wenigstens in der Hinsicht einig, dass eine \"Diskussion\" zwischen uns keinen Sinn macht! Deshalb hatte ich ja in meinem letzten Beitrag von 16:09 Uhr bereits mitgeteilt, dass ich keinen gesteigerten Wert mehr darauf lege, auf dieser wenig ergiebigen Ebene mit Ihnen zu kommunizieren.

Zitat
Mir brauchen Sie nichts mehr schreiben.

Wenn Sie zukünftig darauf verzichten, meine Positionen in der Forums-Öffentlichkeit verzerrt bzw. falsch wiederzugeben, dann dürfte für mich auch keinerlei Anlass mehr bestehen, Sie persönlich anzusprechen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 17:51:58
Sagt dem mal bitte  einer Bescheid, was ich mit meinem letzten Beitrag unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 18:01:21
Man sollte immer nur die persönliche Diskussion mit jemandem suchen, der dazu selbst noch bereit ist.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 30. Januar 2011, 18:27:00
Zitat
RR-E-ft schrieb:
Man sollte immer nur die persönliche Diskussion mit jemandem suchen, der dazu selbst noch bereit ist.
Sehr richtig!

Man möchte hier Fragen stellen können und seine eigenen Überlegungen skizzieren.
Man erwartet weder konkrete juristische Hilfe noch ellenlange juristische Abhandlungen.
Konstruktive Erläuterungen und Hinweise würden völlig genügen.

Deswegen suche ich auch nie(mehr) eine persönliche Diskussion mit Ihnen. Das setzt aber vorraus, dass Sie sich nicht dazu berufen fühlen, zu jeder Äußerung fast eines jeden Nutzers mehr oder weniger viel Senf dazu zu geben.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 18:36:09
Danke für diesen konstruktiven Hinweis.

Leider ist nicht nachvollziehbar, welche Änderung nachträglich an dem Beitrag vorgenommen wurde.
Wurden Rechtschreibfehler korrigiert?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 19:57:32
Schon im Fall BGH KZR 2/07 war eine Preisänderungsklausel in die betroffenen Sonderverträge einbezogen, nach welcher der Versorger berechtigt war, die Preise einseitig zu ändern.
Die wirksam einbezogene Klausel erwies sich gem. § 307 BGB als unwirksam.

Eine Billigkeitskontrolle konnte nicht erfolgen, weil die Parteien schon bei Vertragsabschluss überhaupt nicht vereinbart hatten, dass der Versorger erst nach Vertragsabschluss den Preis (einseitig) bestimmen soll.

Eine solche den Versorger nach Vertragsabschluss treffende Preisbestimmungspflicht war bei Vertragsabschluss nicht vertraglich vereinbart worden.
 
Es fehlte deshalb  an einer für die gerichtliche Billigkeitskontrolle notwendigen  Anwendungsvereinbarung der Parteien in Bezug auf § 315 BGB.  

Nicht anders war es unter anderem auch bei den Entscheidungen BGH VIII ZR 320/07, BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 81/08, was ein jeder unschwer selbst nachlesen kann.

Möglicherweise gibt es Juristen, welche auch diese Entscheidungen anders lesen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 30. Januar 2011, 20:53:48
Zitat
RR-E-ft schrieb:
Wurden Rechtschreibfehler korrigiert?

Nein. Habe das Wörtchen \"fast\" in den letzten Satz eingefügt.  ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 21:09:48
Es kommt für die Frage ganz entscheidend auf das Verständnis von § 315 BGB an.

Deshalb den Gesetzestext vorangestellt, den man schnell im Blick haben sollte:

Zitat
Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

Was sich daraus ganz zügig folgern lässt:

Wird bei Abschluss eines Sondervertrages (anstelle eines feststehenden Preises) vertraglich vereinbart, dass den Versorger nach Vertragsabschluss eine Preisbestimmungspflicht treffen soll, kann § 315 BGB unmittelbar anwendbar sein undzwar dann aber bereits auf den Anfangspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Kein Blindzitat:


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags ... eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart [wurde]


Bei der so vertraglich vereinbarten Preisbestimmungspflicht des Versorgers handelt es sich nicht um eine Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegt, sondern um die vertragliche Preishauptabrede.

Eine vertragliche Preishauptabrede unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Nun Aber:

Wird jedoch nicht nur eine den Versorger nach Vertragsabschluss treffende Preisbestimmungspflicht bei Vertragsabschluss vereinbart, sondern darüber hinaus auch besondere Kriterien dazu vereinbart, wie der Versorger  den Preis erst nach Vertragsabschluss bestimmen soll, so ist § 315 BGB unanwendbar.

§ 315 Abs. 1 BGB ist seinem Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn hinsichtlich der nach Vertragsabschluss auszuübenden Preisbestimmungspflicht nicht etwas Besonderes vertraglich vereinbart wurde.

Wurde hingegen dazu, wie die Preisbestimmungspflicht nach Vertragsabschluss vom Versorger ausgeübt werden soll, etwas Besonderes vertraglich vereinbart, ist § 315 Abs. 1 BGB unanwendbar,  weil dann nicht der \"Zweifel\" darüber besteht, wie die Preisbestimmung zu erfolgen hat bzw. erfolgen soll, der im Tatbestand des § 315 Abs. 1 BGB gefordert ist.

Wurde demnach lediglich vollkommen unspezifiziert eine nach Vertragsabschluss auszuübende Preisbestimmungspflicht des Versorgers bei Vertragsabschluss vereinbart, so kommt § 315 Abs. 1 BGB unmittelbar zur Anwendung.

Bei der Billigkeitskontrolle des vom Versorger einseitig bestimmten Energiepreises muss dann wieder die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden (BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Für gesetzliche Preisbestimmungspflichten gilt das gleiche wie für eine vertraglich vereinbarte Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils.

Der Zweifel ist das alles Entscheidende für § 315 BGB und alle seine Verfechter!

Wer es nicht  so schnell im Blick hat oder haben kann, wird es wohl noch einmal von Anfang an zu lesen haben.

Ganz allgemein:

Es liegt mir ausgesprochen fern, das Verständnis - erst recht den Verstand - anderer zu beurteilen (zu zensieren).
Das überlasse ich immer noch denjenigen, die sich dazu besonders befähigt und berufen fühlen.
Es soll wohl auch dafür Experten geben.
Die machen Tests, wohl unter anderem dazu, wie herum jemand ein Buch hält.
(Zuweilen bereits Teil der Schulvoruntersuchung).

Niemand, aber wirklich niemand sollte jetzt Alles Rot  (http://de.sevenload.com/musictv/videos/VND7iaG-Silly-Alles-Rot) sehen!
 
Auch kein Grund zu schlechter Laune: Ich Sag Nicht Ja!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Januar 2011, 21:11:53
Zitat
Original von jroettges
Zitat
RR-E-ft schrieb:
Wurden Rechtschreibfehler korrigiert?

Nein. Habe das Wörtchen \"fast\" in den letzten Satz eingefügt.  ;)

Es ist leider schon wieder nicht nachvollziehbar, welche Änderung am neuerlichen Beitrag nachträglich vorgenommen wurde.
Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert? ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 31. Januar 2011, 01:11:08
Zitat
Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert?
 
War nicht erforderlich. Der Smiley fehlte aber noch!  ;)

P.S. So kann man mit kleinen Dingen, .....
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Januar 2011, 01:19:49
Zitat
Original von jroettges
Zitat
Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert?
 
War nicht erforderlich. Der Smiley fehlte aber noch!  ;)

P.S. So kann man mit kleinen Dingen, .....

Keinerlei Zweifel? Na dann volle Fahrt vorraus! ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Januar 2011, 22:30:38
Manche sind der Auffassung, ich würde mich auch in der Sache nicht klar und verständlich genug ausdrücken.

Deshalb unmissverständlich auf den Punkt gebracht:

Würde der Gesetzgeber konkreter regeln, wie die gesezliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers ausgeübt werden muss, würde dadurch nicht nur der Ermessensspielraum der Versorger eingeschränkt und zugleich die gerichtliche Billigkeitskontrolle entsprechend eingeschränkt, sondern die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB fände wohl aus o. g. Gründen überhaupt gar keine Anwendung mehr.

Und deshalb gilt es m.E. durchaus, die Trommel zu rühren und deutlich zu widersagen.

Bei mir bleibt jedenfalls der Eindruck, manche wissen gar nicht, was sie sich selbst vorgenommen haben.

Offen geblieben ist die Frage, ob es im europäischen Ausland gesetzliche Regelungen gibt, die dem Einzelnen eine bessere Möglichkeit verschaffen, die Preise des Grundversorgers auf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 01. Februar 2011, 00:53:35
Möglicherweise sollte man erst einmal definieren, was man sich selbst als den angemessenen, kostenbasierten  Grundversorgungspreis vorstellt.

Es gibt mittlerweile Grundversorger, die weder Netzbetreiber sind, noch mit dem Netzbetreiber überhaupt irgendetwas zu tun haben, zB. Lichtblick im Netzgebiet der E.ON Hanse.

Die der Regulierung unterliegenden, veröffentlichten Netzentgelte wird man deshalb als fremdbestimmte Größe einzustellen haben, ebenso die im Wettbewerb gebildeten Großhandelspreise (zB.  EGIX- Gaspreis)  und die Steuern und Abgaben.

Zieht man vom konkreten, gem. § 36 Abs. 1 EnWG öffentlich bekannt gemachten Allegmeinen Preis vorgenannte (als unbeeinflussbar unterstellte) Kostenblöcke ab, verbleibt eine allein vom Versorger zu beeinflussende Differenz. Und zu dieser verbleibenden Differenz ist jeweils die Frage zu klären, ob sie angemessen ist.  Dies wiederum muss sich an bestimmten Kriterien festmachen lassen.

Wenn man dieses Ziel klar umrissen hat, lässt sich die Frage, wie man zu diesem Ziel gelangt, mithin die Frage nach dem Weg, womöglich besser klären.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 01. Februar 2011, 07:57:40
Zitat
Original von RR-E-ft
Möglicherweise sollte man erst einmal definieren, was man sich selbst als den angemessenen, kostenbasierten  Grundversorgungspreis vorstellt.
...
Nach Rom auf unterschiedlichen Wegen!  ;)

Möglicherweise sollte der Gesetz- und Verordnungsgeber erst einmal definieren und regeln, wie die Billigkeit der Grundversorgungspreise festgestellt wird und dass die Billigkeit jeweils verpflichtend (z.B. im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen) nach einheitlichen Regeln allgemeinverbindlich festgestellt und kontrolliert wird.  Das wäre dann lediglich die bisher unzureichende Umsetzung bestehender Gesetze und keine Fixierung staatlicher Preise. Gerichte wären dann weit seltener gefordert und eher in der Lage Paragraphen wie den 315 BGB zu erfüllen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 01. Februar 2011, 10:29:17
Zitat
Original von PLUS

Möglicherweise sollte der Gesetz- und Verordnungsgeber erst einmal definieren und regeln, wie die Billigkeit der Grundversorgungspreise festgestellt wird und dass die Billigkeit jeweils verpflichtend (z.B. im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen) nach einheitlichen Regeln allgemeinverbindlich festgestellt und kontrolliert wird.

Eben dies geht nicht. Die \"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist ein Rechtsbegriff, wobei es für die Prüfung auf Tatsachenfragen im konkreten Einzelfall ankommt (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

\"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist deshalb nicht zu verwechseln mit der \"Preisgünstigkeit\" des § 1 EnWG.

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH III ZR 277/06 Rn. 20 f.

Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319). Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).

Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).

Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301).

Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/Rieble aaO Rn. 302).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 01. Februar 2011, 10:58:13
Zitat
Original von RR-E-ft
Eben dies geht nicht. Die \"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist ein Rechtsbegriff, wobei es für die Prüfung auf Tatsachenfragen im konkreten Einzelfall ankommt (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

\"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist deshalb nicht zu verwechseln mit der \"Preisgünstigkeit\" des § 1 EnWG.
Wer sagt denn, dass die Feststellung der Billigkeit nicht im konkreten Fall erfolgt? Billigkeit als reine Auslegung und Rechtsbegriff ohne Regeln funktioniert ja offensichtlich nach Meinung vieler Verbraucher nicht genügend.
Die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Entscheidungen und Auslegungen vor den Gerichten machen einen Handlungsbedarf des Gesetz- und Verordnungsgebers deutlich, gerade in diesem existentiellen Bereich der Energieversorgung.  Eine reine juristische Antwort darauf reicht wohl nicht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 01. Februar 2011, 11:00:35
@PLUS

Sie sollten nochmals meine Beiträge 30.01.2011 21:09 und 31.01.2011  22:30 lesen.
Möglicherweise besteht ein grundsätzliches Verständnisproblem.

Man sollte sich die paar Minuten nehmen, alles genau bei Lichte zu betrachten, sich ein Bild von den Dingen zu machen.  ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 02. Februar 2011, 19:15:58
@PLUS
Wo zu suchen ist, hat der Kartellsenat am 04.03.2008 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=43416&pos=19&anz=34&Blank=1.pdf) beantwortet:

Zitat
Tz. 21
[...] Der Maßstab der Billigkeit und Angemessenheit ist lediglich kein individueller, sondern muss aus der typischen Interessenlage des Netznutzungsverhältnisses und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gewonnen werden (vgl. BGHZ 115, 311, 317 ff.; BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17).
.

Wer da behaupten will, man müsse nur eine Schublade aufziehen und fände darin die Billigkeit, der sucht lange.

Richtig ist aber auch, dass der Gesetzgeber gefragt ist, seine Richter an die Leine zu nehmen.
Ein Richter, der 25-mal am Tag den Begriff \"Ermessensspielraum\" in den Mund nimmt und dabei an die 20 %-Marke der Honorare der Patentanwälte denkt, wird zwangsläufig zunächst einmal nicht auf die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben stoßen, welche in §§ 1 u. 2 EnWG geregelt sind.

Wenn der die Kurve über § 433 Abs. 2 BGB zu § 315 Abs. 3 BGB hin bekommen hat (und nicht weiter liest), dann ist der Schluß darauf, was daran nicht interessengerecht sei, wenn der Abnehmer am Jahresende 20,00 € mehr zahlt, recht nahe.

Die Prüfung hört damit eigentlich dort schon auf, wo sie eigentlich anfängt. Der Gewinn, so der Kartellsenat, liegt in der Berücksichtigung

(a) der typischen Interessenlage

und

(b) der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben.

Und wer dann noch weiter liest, um den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, der muß dann zwangsläufig auf derart klare und bestimmte Vorgaben stoßen, wie sie in § 10 EnWG 2005 nieder gelegt sind.

Doch wer die Bestimmungen gem. §§ 1 u. 2 EnWG unter dem Vorzeichen liest, \"der Geist war willig, doch das Fleisch so schwach\", der findet bald sein Ruhekissen -  und begnügt sich mit Zeugenaussagen von Sachbearbeitern und WP-Atlaten (ohne überhaupt zu wissen, von was die dann da reden (\"das Wetter ist schön, die Sonne scheint und bald gibts a Brotzeit\").
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 09:48:55
BGH KZR 29/06 Rn. 20 stützt meine Auffassung, dass sich die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 selbst ergab.

M.E. ergibt sich auch die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers unmittelbar aus § 36 Abs. 1 EnWG selbst. Ich meine, dass wegen der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers und dessen einseitiger Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB, die im laufenden Vertragsverhältnis fortbesteht, weder bei Abschluss des Grundversorgungsvertrages noch später eine Preisvereinbarung mit dem Kunden getroffen wird, sich der vom Kunden zu zahlende Preis sich vielmehr jederzeit  nur aus der einseitigen Leistungsbestimmung des Grundversorgers in Erfüllung dessen gesetzlicher Preisbestimmungspflicht ergibt. Die einseitige Preisbestimmungspflicht des Versorgers allein bildet m.E. die vertragliche Preishauptabrede. Dies ist auch für Vertragsabschlüsse im Bereich des Kaufrechts möglich. § 433 Abs. 2 BGB steht dem also nicht entgegen.

Dafür, dass es sich bei der Preisbestimmungspflicht des Versorgers um die vertragliche Preishauptabrede handelt, spricht m. E. die vertragsgegenständliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV, wonach der Grundversorger die Energie zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zur Verfügung zu stellen hat [hinsichtlich derer ihn allein die Preisbestimmungspflicht trifft].

§ 5 GVV räumt dem Versorger kein Preisänderungsrecht ein, sondern regelt, wie dieser imlaufenden Vertragsverhältnis seine aus § 36 Abs. 1 EnWG folgende Preisbestimmungspflicht auzuüben hat. Es handelt sich um eine besondere Regelung in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB. Um mehr nicht.  

BGH KZR 29/06 Rn. 27 stützt meine Auffassung, dass dem Antrag des anderen Vertragsteils auf Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB allzuleicht der Erfolg versagt sein kann, nämlich dann, wenn wegen fehlender Darlegungen der zur einseitigen Leistungsbestimmung berufenen Partei offen geblieben ist, ob deren einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entsprach oder nicht (so schon BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

Ebenso wie für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 fehlte es auch für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Netzbetreibers gem. § 6 EnWG 1998 (über § 1 EnWG hinaus) vollständig an gesetzlichen Regelungen. Insbesondere bei den Preisfindungsprinzipien der VVII bzw. VVII plus handelte es sich nicht um gesetzliche Regelungen für die Ermittlung des Netznutzungsentgelts. Deren Anwendung konnte jedoch vertraglich vereinbart werden. Die Verpflichtung aus § 1 EnWG musste auch bei der Ermittlung der Netzentgelte berücksichtigt werden (so ebenfalls schon BGH VIII ZR 240/90 für die einseitige Bestimmung eines Strompreises).

Auf die Unbilligkeitseinrede des Kunden hat der Grundversorger m.E. nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, warum er meint, dass der von ihm bestimmte Preis dem Kunden die vom Versorger gesetzlich geschuldete möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung ermöglicht. Und er hat dies (nach den erfolgten nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen) auf Bestreiten des Kunden im Prozess ggf. zu beweisen.
An dieser Stelle greift § 93 ZPO.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 03. Februar 2011, 10:18:16
Es geht mir nicht um Zweifel an der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers oder um die Frage nach der vertragliche Preishauptabrede. Es geht mir um eine notwendige Ergänzung dazu, es geht um die Technik, um Instruktion, um allgemeinverbindliche Regeln zur Feststellung der Billigkeit, mindestens im Grundversorgungsbereich. Hier sehe ich keinen Fortschritt und gerade bei der Lektüre von Urteilen und den seitenfüllenden juristischen Auseinandersetzungen ein ungelöstes grundlegendes Defizit.  Bei der Bedeutung für die Menschen ist das kein Zustand.
 
Zitat
Art 80 GG
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben............
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 10:37:07
Das geht doch gar nicht.

Die vom Grundversorger beeinflussbaren Kosten sind allein die Beschaffungskosten und die eigentlichen Vertriebskosten der Grundversorgung.

Der Gesetzgeber gibt in §§ 2, 1 EnWG vor: möglichst sicher, preisgünstig, effizient.
Damit ist vom Gesetzgeber alles gesagt, was zu sagen ist.

Die Beschaffungskosten hängen maßgeblich ab von der Beschaffungsstrategie, also davon wo und zu welchen Bedingungen sich der Versorger die Energie beschafft, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken.

Und derer Möglichkeiten zur Beschaffung wie auch der Konditionen gibt es mannigfaltige (kurzfristig, langfristig, mit Preisänderungsklausel oder ohne, Bandlieferung oder Vollversorgung, mit take or pay- Klausel  oder ohne...).

Soll der Gesetzgeber den Grundversorgern etwa exakt vorschreiben, wo und zu welchen Bedingungen sie die Energie zu beschaffen haben, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken?

Das Gesetz weist so eindeutig wie zutreffend den Versorgern die Kompetenz zu, ihre gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu erfüllen.

Ist wirklich jemand der Meinung, der Gesetzgeber könnte hinsichtlich der Beschaffungsstrategie klüger sein als die mit besonderem Sachverstand ausgestatten Versorger und ihnen deshalb deren Beschaffungsstratgie vorschreiben?

Wenn es zum Streit kommt, hat der Versorger nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, dass er seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG (möglichst sicher, preisgünstig, effizient) erfüllt hat und dies auf Bestreiten im Prozess zu beweisen.

Natürlich kann der Kunde ohne die erforderlichen nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen des Versorgers relativ schlecht einschätzen, ob die Preisbestimmung des Versorgers der Billigkeit entspricht oder nicht.

Deshalb greift ja gerade § 93 ZPO im Zahlungsprozess des Versorgers gegen den Kunden, der nach der sehr leicht  erhobenen Unbilligkeitseinrede gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Zahlungen ebenso leicht und einfach gekürzt hatte.
Leicht und einfach steht bei mir synonym für effektiv.  

Für halbwegs unsinnig halte ich den Weg, wie er der Entscheidung BGH KZR 29/06 zu Grunde lag (Rückforderungsklage nach Vorbehaltszahlungen im Wege der Stufenklage: Auskunft über preisbildende Kostenfaktoren, sodann gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sodann Bezifferung des Rückforderungsanspruchs). Viel zu kompliziert und vor allem auch unnötig.

Der Streit darüber, ob der Versorger seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ (36 I), 2, 1 EnWG erfüllt hat, gehört für mich gem. §§ 108, 102, 103 EnWG erstinszanzlich vor die besonderen Kammern bei den Landgerichten.
Dabei eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten können gem. § 411a ZPO in Parallelverfahren verwendet werden.

Weil die Preisbestimmungen des Grundversorgers in Ausübung seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht immer alle seine grundversorgten Kunden gleichermaßen betrifft, die Frage der Billigkeit der Preisbestimmung einheitlich zu beurteilen ist, wäre ein besonderes Klagerecht der Verbraucherverbände wünschenswert, wie es bereits im Gesetzgebungsverfahren zum EnWG 2005 in der Diskussion war.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 03. Februar 2011, 10:59:56
@RR-E-ft
Schön.
Aber wir wissen, dass der BGH dies anders sieht und in einseitigen Festlegung des Tarifpreises selbigen zum Gegenstand der Preisabrede zwischen den Parteien des Versorgungsvertrages kürt.

Wie wenig stark diese Ansicht des BGH aus dem Leben gegriffen ist, zeigt schon einerseits der ständige und nicht enden wollende Gaspreisprotest sowie die vielfältigen \"abweichenden Meinungen\" innerhalb der Jurisprudenz.

Und weil es da ganz gehörig beflissene Befolger der Rechtsprechung des VIII. Senats gibt, treten auch noch die nachfolgenden Stilblüten ins Leben, wie in der Entscheidung des LG Wuppertal (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/wuppertal/lg_wuppertal/j2010/8_S_91_09urteil20100310.html) ersichtlich:

Zitat
Ziff. 2
Die Argumentation der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung, der Anschluss des Verfügungsbeklagten sei schon aus Billigkeitsgründen zu sperren, da ansonsten ein Strombezug auf Kosten der Allgemeinheit nicht verhindert werden könne, überzeugt schon deshalb nicht, weil derjenige, der aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität entnimmt, die Realofferte des Versorgungsunternehmens durch sozialtypisches Verhalten annimmt und daher selbst bei einem ausdrücklichen Widerspruch das tarifliche Entgelt zahlen muss (Palandt/Ellenberger, Einf. vor § 145 Rn. 27). Auch ein entgegenstehender Wille des Versorgers dürfte, wie sich aus § 2 Abs. 2 StromGVV ergibt, unbeachtlich sein. Insofern ist es dem Lieferanten unbenommen, vom Verfügungsbeklagten das für dessen Strombezug geschuldete Entgelt zu verlangen und im Falle der Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen die in der StromGVV vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen.

Diese These ist zu präzisieren und zur Diskussion zu stellen : \"Bei einem ausdrücklichen Widerspruch muß das tarifliche Entgelt gezahlt werden, egal ob der Widerspruch auf Unbilligkeit beruht oder auf Querulation\".

Die Antithese lautet: \"Wer durch seinen Unbilligkeitswiderspruch zum Ausdruck bringt, dass nur der billige Preis gezahlt wird, schuldet zwar das tarifliche Entgelt, aber nur insoweit als das tarifliche Entgelt der Billigkeit entspricht.

Grundlage für die These ist, dass angeblich eine Preisvereinbarung d.h. Einigung für den Anfangspreis existiere.

Grundlage für die Antithese ist, dass (bereits vor Entnahme der Energie aus dem Netz) bei Vertragsschluß keine vorbehaltlose Einigung über den Preis existiert.

Auch wenn allenthalben zu lesen ist, dass der Abnehmer mit seiner Energieentnahme aus dem Netz blindlings in die Falle des Entgeltsystems des Versorgers laufe und dies von seinem hiergegen gerichteten Widerspruch nicht unterlaufen werden könne, ist die Frage nach der Berechtigung dieser Unterthese offen.

Eines ist klar: Der BGH will mit dieser Unterthese verhindern, dass der Vertrag zwischen den Parteien aus dem Gesichtspunkt des Dissens (§§ 145, 154 Abs. 1 BGB) nicht unwirksam ist.

Das Schicksal eines Vorbehalts, vor Vertragsschluß erklärt, gestützt auf den Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 315 BGB), wird davon nicht tangiert. Denn in diesem Fall ist der Vertrag geschlossen und bleibt dies auch, wenngleich mit einer \"verhaltenen\" Gegenleistungsforderung (§ 315 Abs. 3 BGB).

Dass die Ausübung der Unbilligkeitseinrede ein hoher Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots ist, entspricht der ständigen RSpr. des BGH (VIII ZR 279/02; VIII 81/08; et alt.). Somit unterfällt der Unbilligkeitseinwand einer institutionellen Garantie, deren Ausübung nur in Händen des Betroffenen liegt. Deshalb kann auch auf dieses Recht verzichtet werden (wovon der VIII. BGH-Senat ja wohl auch ausgeht).

Wenn aber der Vorbehalt bereits vor Vertragsschluß erklärt wurde, dann kann nicht (auch nicht der Richter) dieses Recht mit einer Fiktion (actus contrarius) vom Tisch wischen (Motto: Friss oder stirb).

Alle die bisherigen Überlegungen hierzu weisen allerdings einen Schönheitsfehler auf; die Rechnung wurde nämlich ohne das Reichsgericht gemacht. Dessen Argumentation aus dem Jahre 1925 hat bis auf den heutigen Tage noch niemand widerlegt.

Das Reichsgericht hatte am 29.09.1925 (Az. VI 182/25 = RGZ 111, 310) nämlich ausdrücklich bestätigt, dass die Unterwerfung des Abnehmers unter die Tarifpreise des Versorgers jedenfalls von zwei Vorbehalten  blockiert wird:

(a) dem Sittenwidrigkeitseinwand (§ 138 )
und
(b) dem Unbilligkeitseinwand (§ 315 BGB)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 03. Februar 2011, 11:06:40
Zitat
Original von RR-E-ft
Das geht doch gar nicht.
...
Der Gesetzgeber gibt in §§ 2, 1 EnWG vor: möglichst sicher, preisgünstig, effizient.
Damit ist vom Gesetzgeber alles gesagt, was zu sagen ist.
....
Soll der Gesetzgeber den Grundversorgern etwa exakt vorschreiben, wo und zu welchen Bedingungen sie die Energie zu beschaffen haben, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken?
...
Preisangabenverordnung (http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/pangv/gesamt.pdf) auch nicht die Preise vorgeschrieben sondern allgemeinverbindliche Regeln aufgestellt etc. pp.. Ich sehe nicht dass der Gesetzgeber zum  Verbraucherschutz und der Billigkeit im Grundversorgungsbereich der Energie, schon alles gesagt hat, was zu sagen wäre.[/list]
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 11:12:06
@tangocharly

Gut muss es werden.

Während Schönheit (z.B. meine Frisur) vergänglich ist, währt das Gute hoffentlich fort.

Der VIII.Zivilsenat hat doch zumindest selbst schon erkannt, dass die gesetzliche Preisbestimmungspflicht mit der Verpflichtung zur Preisabsenkung einhergeht, soweit diese dem Versorger möglich und den Kunden günstig ist (VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Was er bisher jedoch wohl noch nicht erkannt hat, ist der deutlich zu Tage liegende Widerspruch, zwischen  seiner Rechtsprechung zum vereinbarten Anfangspreis und der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gem. §§ 36 I, 2, 1 EnWG.

@PLUS

Tut mir auch leid.  ;)

Das ergibt sich jedoch m. E. auch aus BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43:

Der Versorger kann die Energie beschaffen wie er will, ohne dass deshalb die Beschaffungskosten vollständig auf die Kunden abgewälzt werden können, wenn die Beschaffung nicht der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG entsprach.
Nicht anders verhält es sich mit den übrigen, vom Versorger beeinflussbaren  Vertriebskosten der Grundversorgung.

Auch der Grundversorger trägt deshalb ein eigenes unternehmerisches Risiko.

Andere Lieferanten tragen ja auch ein unternehmerisches Risiko, wenn sie gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen.
Man denke nur an die unternehmerischen Risiken infolge der Verwendung wegen Verstoß gegen § 307 BGB unzulässiger Preisänderungsklauseln.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 11:41:15
@PLUS

VEB Energiekombinat (geleitet von Generaldirektoren auf Weisung eines staatlichen Energieministeriums und staatlicher Plankommission)  hatten Sie ja wohl bereits weiter oben ad acta gelegt.

Gesetzliche Bestimmungen dürfen die Handlungsfreiheit immer nur soweit wie gerade notwendig beschränken, Art. 2, 12 GG.

Dem wurde mit § 2 Abs. 1 EnWG Rechnung getragen.

Aus der nicht weiter gesetzlich beschränkten und gesetzlich beschränkbaren Handlungsfreiheit folgt spiegelbildlich das Risiko eigener unternehmerischer Tätigkeit auch für Energieversorgungsunternehmen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 12:01:43
Zitat
Original von tangocharly
Die Antithese lautet: \"Wer durch seinen Unbilligkeitswiderspruch zum Ausdruck bringt, dass nur der billige Preis gezahlt wird, schuldet zwar das tarifliche Entgelt, aber nur insoweit als das tarifliche Entgelt der Billigkeit entspricht.

Besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers und kommt diesem auch im Vertragsverhältnis mit dem Kunden eine Preisbestimmungspflicht zu, so findet § 315 BGB unmittelbare  Anwendung mit der Folge, dass die Preisbestimmung des Versorgers für den Kunden nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (siehe nur BGH X ZR 60/04 unter II. 1).

Mit der Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung infolge Preisbestimmungspflicht verhält es sich deshalb nicht anders als mit der Schwangerschaft einer Frau.

Eine Frau ist entweder schwanger oder sie ist es nicht.  Wenn sie nicht schwanger ist,  muss - sofern gewollt- noch weiter daran gearbeitet werden, was aber zielführend auch nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters sinnvoll ist.
Sie kann dann möglicherweise, aber jedenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt, schwanger werden.
So ist das nun einmal im und mit dem Leben.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 03. Februar 2011, 12:17:24
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von tangocharly
Die Antithese lautet: \"Wer durch seinen Unbilligkeitswiderspruch zum Ausdruck bringt, dass nur der billige Preis gezahlt wird, schuldet zwar das tarifliche Entgelt, aber nur insoweit als das tarifliche Entgelt der Billigkeit entspricht.
Besteht eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers und kommt diesem auch im Vertragsverhältnis mit dem Kunden eine Preisbestimmungspflicht zu, so findet § 315 BGB unmittelbare  Anwendung mit der Folge, dass die Preisbestimmung des Versorgers für den Kunden nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (siehe nur BGH X ZR 60/04 unter II. 1).

Mit der Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung infolge Preisbestimmungspflicht verhält es sich nicht anders als mit der Schwangerschaft einer Frau.

Eine Frau ist entweder schwanger oder sie ist es nicht und es muss - so weit gewollt- noch weiter daran gearbeitet werden, was aber zielführend auch nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters sinnvoll ist.
So funktioniert das - oder doch nicht? (http://www.perpetuum-mobile.de/bilder/hydraulisches-perpetuum-mobile.gif)  :D[/list]
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 12:26:02
Zitat
Original von PLUS
Der Arzt kann die Schwangerschaft leicht feststellen, ob sie gewollt ist wird schon schwieriger.  ;)
Der Arzt fragt zutreffend die Frau, ob eine bei dieser leicht feststellbare Schwangerschaft von ihr gewollt ist oder nicht.


Mein  Hinweis war weniger zur Belustigung, denn zur deutlichen Veranschaulichung eines recht ernsten Themas gedacht.


Zitat
BGH X ZR 60/04 unter II 1

Die ... Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Was kann dann effektiver sein, sich gegen (vermutet) unbillige einseitige Preisbestimmungen infolge der Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils zur Wehr zu setzen?

Nach Unbilligkeitseinrede muss der Versorger, den die Preisbestimmungspflicht trifft, wohl ein reges Eigen- Interesse daran haben, die Billigkeit seiner (unwiderruflichen!) Preisbestimmung nachvollziehbar und prüffähig darzulegen bzw. eine gerichtliche Ersatzbestimmung zu beantragen, um sich überhaupt erst einen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden zu verschaffen.

Unbillige Preisbestimmungen sind für den Versorger wirtschaftlich hoch riskant.  Es ist wohl keine wirtschaftlich wirksame, stärkere Zwangsdrohung vorstellbar.

M. E. konnte es der deutsche Gesetzgeber für die Verbraucher gar nicht besser einfädeln.

Aber dazu gibt es eben bekanntlich auch andere Auffassungen, die (zumindest mich) jedoch bisher nicht überzeugen.

Zum Streit Entschlossene sollten wohl immer auch  von Clausewitz (http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=324&kapitel=1#gb_found) gelesen haben.

Nicht, dass man sich in Kaffekränzchen verliert.  ;)

Meine Hoffnung:

Wir werden uns mit den Widersachern schnell einig.

Unbillige Grundversorgungstarife gehören schnellstmöglich abgeschafft!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 14:29:56
@tangocharly

An der bisher unzutreffenden Sicht des VIII.Zivilsenats des BGH sind wir teilweise selbst schuld. Statt von der Preisbestimmungspflicht führten auch wir die Rede vom Preisänderungsrecht oder dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers. Dass der VIII.Zivilsenat deshalb den Inhalt von Energiedepesche Sonderheft Nr. 1 (April 2006) sukzessive in seiner Rechtsprechung umgesetzt hat, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Insbesondere ich mir. Mea culpa.

Spätestens ab heute darf in Schriftsätzen nur noch von der Preisbestimmungspflicht des Versorgers, die der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB unterliegt, die Rede sein. Sag ich mal so. ;)

Bei den Gerichten muss man es zukünftig anders lesen.
Sowohl im Gerichtseingang, als auch im Gerichtsauswurf.

Wir bestimmen - nicht nur mit unseren Schriftsätzen - die Sicht auf die Dinge maßgeblich mit.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 14:55:25
In den Anschreiben an die Versorger sollte es fortan heißen:

Sie wollen auch weiterhin mir gegenüber Preise zur Abrechnung stellen, die nicht vertragsgemäß sind.
Dies lehne ich ausdrücklich ab. Solche werde ich nicht zahlen.
Die von mir zukünftig noch geleisteten Zahlungen erfolgen ausdrücklich nur noch unter dem Rückforderungsvorbehalt.  

Eine Preisbestimmungspflicht wurde bei Vertragsabschluss oder danach  nicht vertraglich vereinbart, so dass Sie zu Preisänderungen nicht berechtigt sind (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 21, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, juris).

Selbst wenn eine Preisbestimmungspflicht besteht, was nur in Fällen der Grund- und Ersatzversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich der Fall ist, so sind Sie dieser jedenfalls nicht entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung als Energieversorger gem. § 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Energie mir gegenüber nachgekommen.


Ihre unwiderrufliche einseitige Preisbestimmung rüge ich deshalb auch als unbillig und  berufe mich jedenfalls auch auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II 1.)


Dies betrifft den Gesamtpreis, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39, juris)

Weisen Sie mir die Billigkeit Ihrer Preisbestimmung und vor allem anhand offen gelegter Preiskalkulation nachvollziehbar und prüffähig nach, dass Ihre Preisbestimmung Ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung entspricht, der Preis soweit wie möglich abgesenkt wurde (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, VIII ZR 81/08 Rn. 18, juris).


Den Eingang dieses Schreibens wollen Sie mir bitte schriftlich bestätigen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: tangocharly am 03. Februar 2011, 15:31:54
Zitat
Original von RR-E-ft
In den Anschreiben an die Versorger sollte es fortan heißen:

[...].


.... sollten Sie vielleicht noch mal drüber schlafen - und erst dann ein Ei drüber schlagen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Februar 2011, 15:58:15
@tangocharly

Bin für Telefonate, EMails und PN von engagierten Kollegen immer gern empfänglich.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 04. Februar 2011, 14:22:44
Es ist nicht erkennbar, dass § 5 GVV keine Preisbestimmungsregelung  enthalten soll. Sie ist lediglich völlig intransparent.

Die Rechtsvorschrift enthält den Allgemeinen Preis und sagt, dass die Preise ... „jeweils“ zum Monatsbeginn.....wirksam werden.

Der Allgemeine Preis beinhaltet die gesamte Preisbildungssystematik der Grundversorgung. Der Bedeutungsinhalt des Rechtsbegriffs ist  allerdings, soweit ersichtlich, noch nirgends festgeschrieben und muss daher mühsam herbeiargumentiert werden. Wenn es aber einmal geschehen ist, kann unschwer daraus entnommen werden, dass der Allgemeine Preis u.a. verpflichtet, ihn nach oben und nach unten zu bewegen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

Dem Wort „jeweils“ liegt folgender in der Rechtsprechung, aber auch vom Verordnungsgeber der GVV in vollendeter Argumentationskunst geschraubte Gedankengang zugrunde, dass damit die Preise gleitend und somit ohne Kündigung geändert werden können.

Wie kann es danach gelingen, im § 5 GVV keine Preisbestimmungsregelung mehr zu sehen?

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jofri46 am 04. Februar 2011, 20:08:27
Ist vom Gesetzgeber wirklich alles gesagt, was zu sagen ist? Ich denke da an § 39 Abs 1 EnWG, wonach auf dem Verordnungswege Regelungen über die Gestaltung, den Inhalt und Aufbau der allgemeinen Preise erlassen werden können. Gibt es eine solche Regelung?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Februar 2011, 20:40:49
§ 315 BGB betrifft die gerichtliche Kontrolle der Erfüllung einer Leistungsbestimmungspflicht durch einen Vertragsteil, den eine solche Verpflichtung trifft. Dies kann auch eine Preisbestimmungspflicht betreffen.  

§ 5 GVV betrifft keine Preisbestimmungspflicht, allenfalls die besondere Form deren Ausübung (§ 315 Abs. 2 BGB).  

Gegenprobe:
Wenn der Versorger keine Preisänderung gem. § 5 GVV vollführt, dann viel Erfolg bei einer Klage auf Preisabänderung mit § 5 GVV als Anspruchsgrundlage! Auch § 4 AVBV schafft dafür keinerlei Anspruchsgrundlage!

Eine solche Preisbestimmungspflicht findet sich jedoch  in § 36 Abs. 1 EnWG, so wie schon in § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 6 Abs. 1 EnWiG 1935.

EU- Richtlinien  verpflichten auch die Bundesrepublik Deutschland, Kleinkunden bei der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas besonders zu schützen, ihnen eine Belieferung zu angemessenen, transparenten Preisen und Bedingungen zu gewährleisten.  
Zum Schutz der Kleinkunden wurde in Umsetzung der entsprechenden EU- Richtlinien  mit § 36 Abs. 1 EnWG eine Grundversorgungspflicht eingeführt.
Gemäß § 36 Abs. 1 EnWG sind sog.  Grundversorger gesetzlich verpflichtet,  Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck festzulegen, sodann öffentlich bekannt zu geben und auch im Internet zu veröffentlichen und ausnahmslos jeden Haushaltskunden im Rahmen ihrer gesetzlichen Versorgungspflicht zu diesen Preisen zu versorgen.  Es handelt sich um eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des entsprechenden Energieversorgungsunternehmens. Bei der Festlegung der Allgemeinen Preise sind die Grundversorger nicht frei, sondern haben  die gesetzliche Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG zu beachten, so dass die Allgemeinen Preise den Haushaltskunden tatsächlich eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas ermöglichen müssen.Da Grundversorger im Bereich der Versorgungspflicht verpflichtet sind, ausnahmslos jeden Haushaltskunden zu den von ihnen unter Beachtung von §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gebildeten Allgemeinen Preisen zu versorgen, sind abweichende Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden gesetzlich unzulässig. Erst recht ist es in gesetzlich unzulässig im Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht mit einzelnen Kunden Preise zu vereinbaren, die für den Versorger besonders vorteilhaft sind. Denn die gesetzlichen Regelungen verpflichten ihn zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung.
Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages werden bei Lichte betrachtet auch keine Preise zwischen den Parteien vereinbart. Nach dem Willen des Gesetzgebers gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 StromGVV/ GasGVV handelt es sich auch bei den Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 Satz 2 StromGVV/ GasGVV um  vertragsgegenständlichen Regelungen eines jeden Grundversorgungsvertrages. Demnach ist der Grundversorger nur dazu verpflichtet, Elektrizität bzw. Gas zu den [allein von ihm aufgrund gesetzlicher Verpflichtung einseitig festzusetztenden] jeweiligen Allgemeinen Preisen zur Verfügung zu stellen.
Die Preishauptabrede der Parteien besteht nach der gesetzlichen Regelung deshalb darin, dass die Energie für die Dauer des Vertragsverhältnisses dem Kunden nur zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zur Verfügung gestellt wird, die unter Beachtung von §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG festzulegen der Versorger gesetzlich verpflichtet ist.
 
Der Versorger soll nach der gesetzlichen Regelung, welche zugleich die vertragliche Abrede ausmacht, auch nach Vertragsabschluss zur Festsetzung desjenigen jeweiligen  Allgemeinen Preises verpflichtet sein, die dem betroffenen Kunden eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung gewährleistet.Der gesetzlich versorgungspflichtige Versorger schuldet den betreffenden Kunden nach dem Willen des Gesetzgebers gesetzlich und vertraglich implementiert eine jeweilige Preisbestimmung, die den betroffenen Kunden jeweils eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Energieversorgung gewährleistet, weil nur solche Preisbestimmungen gesetzlich zulässig und zugleich vertragsgemäß sind.   Nur hierdurch konnte der deutsche Gesetzgeber auch den entsprechenden EU- Richtlinien hinreichend Rechnung tragen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 05. Februar 2011, 11:26:13
Ich habe versucht, die gesamte berechtigte Kritik an der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zu bündeln. Meine entsprechende  Streitschrift im Umfange von zehn Seiten einschließlich umfangreichem Fußnotenapparat ist auch bei der Poststelle des BGH eingegangen und wird dem Senatsvorsitzenden und allen Senatsmitgliedern zugeleitet. Sie soll später auch veröffentlicht werden.

Wer demgegenüber Kritik am deutschen Gesetzgeber üben will, kann sich direkt an diesen wenden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jroettges am 05. Februar 2011, 14:24:30
Zitat
Wer demgegenüber Kritik am deutschen Gesetzgeber üben will, kann sich direkt an diesen wenden.

Das ist so und so wird es geschehen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 05. Februar 2011, 17:55:12
Wir unterscheiden zwei Bereiche, nämlich Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit und Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht.

1.

Im Bereich der Vertragsfreiheit sind die Lieferanten frei ob und ggf. wem sie überhaupt etwas anbieten.

Für den Bereich der Vertragsfreiheit hatten wir bereits festgestellt, dass der Kunde außer der vertraglich vereinbarten Belieferung nichts weiter beanspruchen kann. Wenn er Weiteres beansprucht, wird sein Vertrag im Zweifel ordnungsgemäß gekündigt und er kann froh sein, wenn er nicht auf einer schwarzen Liste landet, so dass niemend mehr einen Sondervertrag mit ihm abschließen möchte. Soweit die Erfahrungen mit BürgerGas.

Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wie sinnvoll es ist, dabei Zeit auf weitere Überlegungen zu verwenden.

2.

Für den Bereich der Versorgungspflicht hatten wir herausgearbeitet, dass eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers besteht, der Versorger einen Preis bestimmen muss, der den Kunden eine möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleistet.

Nur der Grundversorger schuldet als solcher Haushaltskunden eine Versorgung, undzwar nicht eine Versorgung zu irgendwelchen Bedingungen und irgendwie gebildeten Preisen.

Zudem ist ersichtlich, dass es die gesetzliche  Verpflichtung des Versorgers ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Versorgung so preisgünstig und effizient wie möglich erfolgen kann.

Er hat zum Beispiel für die möglichst sichere und preisgünstige Versorgung den Markt zu beobachten und seine Entscheidungen zur Beschaffungsstrategie danach auszurichten.
Das kann ihm niemend abnehmen.

Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.

Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wieviel gesetzgeberischer Spielraum insoweit besteht.  Und danach kann man sinnvolle Vorschläge an den Gesetzgeber ausrichten, wobei die konstruktiven Vorschläge lauten sollten \"Der Bundestag möge beschließen,.....\".

Dabei sollte man berücksichtigen, dass gesetzliche Regelungen, welche die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen einschränken gem. Art. 2, 12 GG nur zulässig sind, soweit sie einen legitimen Zweck verfolgen und notwendig sind.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Lothar Gutsche am 06. Februar 2011, 15:55:05
@ RR-E-ft

Zitat
Original von RR-E-ft
Zudem ist ersichtlich, dass es die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Versorgung so preisgünstig und effizient wie möglich erfolgen kann.

Er hat zum Beispiel für die möglichst sichere und preisgünstige Versorgung den Markt zu beobachten und seine Entscheidungen zur Beschaffungsstrategie danach auszurichten.
Das kann ihm niemend abnehmen.

Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.
So leicht können Sie den Gesetzgeber nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Was ist denn ein funktionierender Vorleistungsmarkt für Energie? Wo ist der Schutz des Vorleistungsmarktes vor Machtmissbrauch und Manipulation, auf dem der Versorger möglichst preisgünstig und sicher Energie beschaffen kann? Sowohl im Großhandel mit Strom als auch im Ferngasgeschäft gibt es genügend Anzeichen für einen nicht intakten Markt. Beim Strom zeigt das aktuell die Diskussion um die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes, siehe den Thread \"BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=15039)\", oder auch die Diskussion über die Strompreiserhöhungen zum 1.1.2011 wegen der gestiegenen EEG-Umlage, siehe z. B. die Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. vom 12.11.2010 unter dem Titel \"Erneuerbare als Sündenbock (http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Strom/News__1094/)\".  Beim Gas wird die Nichtfunktionsfähigkeit der Ferngasmärkte in der Sektoruntersuchung Gastransport bestätigt, den das Bundeskartellamt am 17.12.2009 über die Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen veröffentlichte. Die Sektoruntersuchung erfolgte gemäß § 32e Abs. 3 GWB und ist auf der Homepage des Bundeskartellamtes abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/0912_Ab schlussbericht_SU_Gasfernleitungsnetze.pdf (http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/0912_Ab schlussbericht_SU_Gasfernleitungsnetze.pdf).

Wozu soll denn ein Versorger den \"Markt beobachten\", wenn der Markt schlicht nicht funktioniert? Die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der Energiemärkte trifft den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber muss wirksame Spielregeln erlassen und deren Einhaltung überwachen. Und genau da versagt der Gesetzgeber genauso wie beim direkten Verbraucherschutz.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als zentrales Kartellgesetz ist für Verbraucher im allgemeinen ein ziemlich stumpfes Schwert. Denn die Beweis- und Darlegungslasten liegen bei demjenigen, der einen Kartellverstoß behauptet, vgl. auch ganz praktisch Ihren eigenen Beitrag zu meinem Fall in Würzburg unter http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=78138#post78138 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=78138#post78138). Das Bundeskartellamt als die Behörde, die das GWB praktisch durchsetzen soll, verweigert wie die EU-Kommission weitgehend ihre Arbeit. Im Streitfall gehen die Kartellwächter Deals (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=55076#post55076) ein, die dem Verbraucher nicht weiterhelfen. Gesetzliche Regelungen wie das GWB schränken die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen ein und sind selbstverständlich zulässig. Offensichtlich sind solche Beschränkungen und deren Durchsetzung gerade im Energiemarkt dringend notwendig.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 06. Februar 2011, 16:27:43
Ich kann manchen  Argumenten auch nicht folgen.

Zitat
Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.
Zitat
Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wieviel gesetzgeberischer Spielraum insoweit besteht. Und danach kann man sinnvolle Vorschläge an den Gesetzgeber ausrichten, wobei die konstruktiven Vorschläge lauten sollten \"Der Bundestag möge beschließen,.....\".
Dabei sollte man berücksichtigen, dass gesetzliche Regelungen, welche die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen einschränken gem. Art. 2, 12 GG nur zulässig sind, soweit sie einen legitimen Zweck verfolgen und notwendig sind.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 06. Februar 2011, 19:20:46
Die ganze Welt ist voller Unrecht und Missetaten.  Ach was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen...! Das betrifft auch den Energiebereich in Deutschland.

In diesem Thread geht es doch nur um das Verhältnis Kunde- Versorger und nicht um den Großhandelsmarkt, an dem der Verbraucher selbst nicht teilnimmt. Einen funktionierenden Großhandelsmarkt kann der Gesetzgeber ebensogut beschließen wie \"Kaiserwetter\" am Tag der deutschen Einheit. Man darf von der Gesetzgebung auch nicht zuviel erwarten. Allein der Umstand, dass Mord unter Strafe steht, führt nicht dazu, dass keine Morde mehr geschehen. Auch werden nach wie vor nicht alle Morde aufgeklärt.

Die Unzulänglichkeiten am Großhandelsmrkt sollten wir in diesem Thread außen vor lassen, weil es hier nur um das Verhältnis zwischen Verbraucher und eigenem Versorger gehen soll. Und auch in dem Verhältnis zwischen Verbraucher und eigenem Versorger gibt es genügend Missliches zu beobachten:  

Von 2008 auf 2009 sind infolge der rückläufigen Energienachfrage im Zuge der Wirtschaftskrise die Großhandelspreise für Strom an der EEX um ca. 3 Ct/ kWh gesunken. Für Großkunden sanken die Strompreise und die Stromerzeuger beklagten deshalb einen Ergebniseinbruch um ca. 40 Prozent.

Die Versorger erhöhten gegenüber den Verbrauchern sogar Anfang 2009 die Preise weiter. Der BDEW sagte im April 2009, die Strompreise für Verbraucher würden wegen der sinkenden Großhandelspreise erst 2010 sinken können. Das Jahr 2010 kam, die Strompreise wurden gegenüber den Verbrauchern weiter erhöht. Das Jahr 2010 ging und die Strompreise werden auch 2011 erhöht. Die rückläufigen Großhandelspreise kamen bei vielen Verbrauchern nicht an.

Auch im Gasbereich sanken die Großhandelspreise zum einen infolge der Wirtschaftskrise zum anderen wegen des Gasüberschusses in Amerika, was in Europa eine nie dagewesene Gasschwemme bewirkte. Großkunden sind wegen der EGIX- Gaspreise nicht bereit, der E.ON Ruhrgas überhaupt nur die ölpreisindexierten Erdgasimportpreise zu zahlen, weshalb Ruhrgas für 2011 einen Verlust in Milliardenhöhe erwartet. Es geht also etwas am Großhandelsmarkt, sogar soviel, dass die nach wie vor marktbeherrschende Ruhrgas ihre eigenen Beschaffungspreise auf der Absatzseite nicht mehr durchsetzen kann und deshalb mit Gazprom usw. über die eigenen Bezugskonditionen verhandeln muss.

Auch die dramatisch gefallenen Gas- Großhandelspreise haben viele Verbraucher nicht erreicht. Teilweise wurden die Gaspreise gegenüber den Verbrauchern sogar weiter erhöht, teilweise sogar drastisch.

Verantwortlich dafür, dass die drastisch gesunkenen Großhandelspreise die Verbraucher oft nicht erreichten, tragen die Versorger.

Die Versorger beschafften entweder auf dem Großhandelsmarkt die Energie nicht so preiswert wie möglich  oder sie benutzten den erzielten Preisvorteil am Großhandelsmarkt zur eigenen Margenerhöhung, gaben diesen nicht an die Verbraucher weiter. Beides stellt einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG da und verstößt gegen gesetzliche Verpflichtungen und hat auch  Einfluss auf die Billigkeit einseitiger Preisbestimmungen (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18, VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Das ist ein Verhalten, dass die Verbraucher ihrem Versorger nach den bereits geltenden gesetzlichen Regelungen vorwerfen können, jedoch nur soweit mit Erfolg, wie den Versorger überhaupt eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht trifft, der Versorger dem Verbraucher eine besondere Preisbestimmung gesetzlich und vertraglich implementiert schuldet.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 07. Februar 2011, 01:15:08
Beitrag im BBH-Blog (http://www.derenergieblog.de/?p=297)

Womöglich  Preisänderungsklausel auf Empfehlung von BBH (http://www.stadtwerke-bielefeld.de/Dateien/Versoegungsbedingungen/AGB_Enerbest_Strom_03.09.2009.pdf)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: courage am 07. Februar 2011, 09:39:47
Zitat
Original von RR-E-ft
Beitrag im BBH-Blog (http://www.derenergieblog.de/?p=297)
Wie lautet denn die gepriesene sichere Preisanpassungsklausel von BBH?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: PLUS am 07. Februar 2011, 10:27:40
Zitat
Die ganze Welt ist voller Unrecht und Missetaten. Ach was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen...! Das betrifft auch den Energiebereich in Deutschland.

In diesem Thread geht es doch nur um das Verhältnis Kunde- Versorger und nicht um den Großhandelsmarkt, an dem der Verbraucher selbst nicht teilnimmt. Einen funktionierenden Großhandelsmarkt kann der Gesetzgeber ebensogut beschließen wie \"Kaiserwetter\" am Tag der deutschen Einheit.
Ja, es ist nicht mehr zu überlesen, immer haarscharf am Thema vorbei! :rolleyes:

Mit \"Bösen Buben\" kommen viele gut aus,
Energieverbraucher sind sie ein Kraus,
denn die Buben sehn oft harmlos aus,
spielen wie die Katz mit der Maus,
wollen, dass man sich ganz sicher fühlt,
und von selber mit dem Feuer spielt.
Ja, sie machen, schlimme Sachen.
 ..
Doch auch böse Buben müssen sein,
denn die guten sind so streng und fein.
Gäb es keine bösen Buben mehr,
quälte uns die Langeweile sehr.
Denn die braven und bequemen,
Musterknaben sind zum gähnen.
Frei nach Wencke Myhre
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 07. Februar 2011, 14:20:32
Zitat
von RR-E-ft

Die Versorger beschafften entweder auf dem Großhandelsmarkt die Energie nicht so preiswert wie möglich oder sie benutzten den erzielten Preisvorteil am Großhandelsmarkt zur eigenen Margenerhöhung, gaben diesen nicht an die Verbraucher weiter. Beides stellt einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG da und verstößt gegen gesetzliche Verpflichtungen und hat auch Einfluss auf die Billigkeit einseitiger Preisbestimmungen (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18, VIII ZR 138/07 Rn. 43).



Die Erfahrungen, die wir Verbraucher jetzt schon seit annähernd 6 Jahren mit diesem Gesetz machen, die auch in vorstehendem Zitat zum Teil aufgezeigt werden, liefern  hinreichend Beweis dafür, dass sich ein wirksamer Verbraucherschutz gerade nicht eingestellt hat.

Das Gesetz ist mit dem Ziel angetreten, die Vorgaben aus den Eu-Richtlinien auch  hinsichtlich dieses Schutzes umzusetzen, hat es aber nicht hinbekommen.

Allein die Tatsache, dass in den rückliegenden Jahren kein höherer Schutz für die Kleinabnehmer gefordert wurde, konnte dazu führen, dass der Mangel aus der Grundversorgung auch auf  die Sonderabnehmer übertragen wurde.  Augenscheinlich werden  Sondervertragskunden und grundversorgte Kunden jetzt gleich schlecht behandelt.

Noch deutlicher:
40 Mio Haushalte in Deutschland werden jetzt gemeinsam in der Abhängigkeit und im Drangsal der Energieversorger gehalten. Ihren Schutz müssen sich die \"ahnungslosen\" Verbraucher selbst erarbeiten.

Es ist verständlich, wenn in dem Gesetz u.a. eine Regelung zur Zweckerfüllung der Daseinsvorsorge gesehen wird.  Nicht mehr, aber auch nicht weniger wird man zugestehen können. Völlig unverständlich aber, wenn die Grundversorgung hinsichtlich des Verbraucherschutzes eine Glorifizierung erfahren soll.


Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 07. Februar 2011, 14:57:20
Von einer Glorifizierung der Grundeverosrgung kann doch keine Rede sein.

Fakt ist, dass Großkunden am Großhandelsmarkt Verhandlungsmacht haben und diese auch einsetzten, was etwa Ruhrgas derzeit deutlich zu spüren bekommt, die nicht einmal ihre Bezugspreise auf der Absatzseite gegenüber Großkunden  durchsetzen kann und deshalb für 2011 einen Verlust in Milliardenhöhe  besorgt.

Kleinkunden nehmen am Großhandelsmarkt nicht teil.
Sie verfügen auch nicht über Verhandlungsmacht.

Der Gesetzgeber hat deshalb die Grundversorgung zum Schutz der Kleinkunden geschaffen. Dieser Schutz funktioniert nur, wenn die Grunversorger ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen, insbesondere Energie so preisgünstig wie möglich beschaffen und dabei erzielte Kostenvorteile möglichst zügig und umfassend an ihre grundversorgten Kunden weitergeben, wie es ihrer gesetzlichen Verpflichtung entspricht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Die Grundversorger treten auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt als Großkunden auf...

Den grundversorgten Kunden ist es nach den gesetzlichen Regelungen möglich, ihre entsprechenden Ansprüche auf möglichst preisgünstige Versorgung gerichtlich durchzusetzen. Allein die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats mit der sog. Preissockeltheorie, die im Gesetz keine Stütze findet, hindert sie daran. Und deshalb bedarf es bei der Rechtsprechung Korrekturen, so dass diese wieder im Einklang steht mit der materiellen Rechtslage.

Bei Sonderverträgen ohne wirksam einbezogene oder ohne einbezogene wirksame Preisänderungsklausel ist der Lieferant hingegen weder zu einseitigen Preisänderungen berechtigt, noch zu solchen verpflichtet.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 07. Februar 2011, 17:08:00
@RR-E-ft

Fakt ist, dass die Grundversorger ihre gesetzliche Pflicht nicht erfüllen. Erkannt ist, warum sie ihre gesetzliche Pflicht nicht erfüllen.  Und wenn der Schutz nur funktioniert, wenn die Versorger ihrer Pflichtigkeit entsprechen, dann muss doch verständlich werden, dass wir über diesen Wege der Hoffnung keinen Verbraucherschutz herbeihoffen können.

Altes russisches Sprichwort: Auf der Wiese der Hoffnung grasen viele Narren. Sollen wir Verbraucher uns dort einreihen?

Wenn Kleinkunden nur deswegen überhöhte Preis aufgedrückt bekommen, weil der Versorger es unterlässt, auf der Einkaufsseite den Wettbewerb auszuschöpfen, dann nimmt dieser Kleinkunde sehr wohl am Großhandelsmarkt insoweit teil, als er die Suppe auslöffelt.

Es reicht nicht aus, dass wir jetzt nur noch die Pflichten der Versorger penetrieren. Es ist längst erkannt, dass die Versorger um diese Pflichten Bogen schlagen.

Zitat
RR-E-ft

Den grundversorgten Kunden ist es nach den gesetzlichen Regelungen möglich, ihre entsprechenden Ansprüche auf möglichst preisgünstige Versorgung gerichtlich durchzusetzen.

Warum müssen wir uns über solche Selbstverständlichkeiten austauschen? Das ist doch kein Verbraucherschutz! Das ist risikoreiche Schwerstarbeit für 40 Mio Haushalte! Sollen die alle durch den Billigkeitsmechanismus marschieren, um die Versorger zu disziplinieren?

Dass  bei der Rechtsprechung Korrekturen erforderlich werden ist die eine Betrachtung. Ihrer Aktivität in dieser Sache gebührt höchster Respekt, und ich wünsche Ihrer Initiative allen Erfolg.
Es verstellt mir aber nicht den Blick auf den Mangel im Gesetz. Und hier verspüre ich Ihren Widerstand, dessen Ursache nicht erkennbar wird.

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 07. Februar 2011, 19:24:18
Es ist doch auch sonst so, dass der Gesetzgeber sich darauf beschränkt, Ansprüche zu definieren, so wie auch den Anspruch der grundversorgten Kunden auf eine Versorgung, die ihnen eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten muss. Nicht anders den Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II....

Ob der so gesetzlich Anspruchsberechtigte seine Ansprüche dann auch geltend macht und ggf. gerichtlich verfolgt, bleibt ihm jedoch immer  selbt überlassen. Staatliche \"Zwangsbeglückung\" ist nicht vorgesehen. Auch der Geschädigte eines Verkehrsunfalls muss selbst entscheiden, ob er daraus erwachsende Ansprüche überhaupt geltend macht und ggf. gerichtlich gégen seine Schuldner verfolgt.

Aufgabe des Staates ist es gem. Art. 19 IV GG, effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, also die gerichtliche Durchsetzbarkeit von bestehenden zivilrechtlichen Ansprüchen zu ermöglichen. Und da setzt die Kritik an der bisherigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats an.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 09. Februar 2011, 11:11:10
Für den Verbraucher kommt es nicht darauf an, was sonst so ist. Sondern es kommt ihm nur darauf an, was in seinem Vertragsverhältnis sachlich geboten oder zwingend erforderlich ist.

Hinsichtlich der Durchsetzung seines  Rechts ist zu beachten, dass er nicht einem  leistungsgewährenden  Staat als Anspruchsgegner gegenübersteht, sondern dass er es im  Energiebereich mit einem  marktmächtigen Versorger zu tun hat, der allein schon aus einem natürlichen Egoismus heraus seine Marktmacht ausspielt und sein Interesse verfolgt. In diesem Vertragsverhältnissen  bestehen somit typische Interessensgegensätze.

Die Pflichten aus dem EnWG sind für den Versorger nur Hemmnisse bei der Verfolgung seines Ziels   - der Gewinnmaximierung. Diesem Interesse ist der Verbraucher ausgeliefert, wenn nicht durch wirksamen Verbraucherschutz von Anfang an eine Gleichwertigkeit zwischen den Vertragspartner hergestellt wird. Erst dann kann man überhaupt von Vertragsgerechtigkeit sprechen.

In der Rechtswirklichkeit der Grundversorgung existiert diese Gleichberechtigung der Parteien nicht. Es stehen sich wirtschaftlich ungleiche Partner gegenüber, und der wirtschaftlich stärkere wird durch eine intransparente Preisänderungsregelung bevorteilt. Der Verbraucher ist dem Preisgebaren des Versorgers ausgeliefert. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Gesetz nur mit vernebelten Pflichten aufwartet.

Der durchschnittliche Verbraucher kann überhaupt nicht erkennen, wann und in welchem Umfang der Versorger seine Pflichtigkeit verletzt. Dennoch wird er auf den Rechtsweg verwiesen. Das soll sein einziger Schutz sein.

Nur weil diese Vertragsungerechtigkeit in der Grundversorgung existiert, konnte der Gedanke aufkommen, sie auch auf den Versorgungsbereich der Sonderabnehmer auszudehnen. Das Übel trifft jetzt 40 Mio Haushalte in Deutschland. Das Thema hat daher auch eine politische Dimension.

Den Verbraucher schon aus seiner schwachen, unterlegenen Position heraus  auf den Rechtsweg zu verweisen, ist wegen der unverhältnismäßigen Risiken makaber.

Und mit staatlicher „Zwangsbeglückung“ der Verbraucher hat es rein gar nichts zu tun, wenn die Versorger auch in der Grundversorgung zum Schutz der Verbraucher Transparenzanforderungen unterworfen werden, die zu einer Vertragsgerechtigkeit hinführen. Auf den Vergleich mit einem Verkehrsunfall fällt es mir sehr schwer, überhaupt noch eine Antwort zu finden.

Es war ein langer Weg, den Schutz der Schwächeren in unserem Recht zu etablieren, wie beispielsweise im Mietrecht oder im Arbeitsrecht. Etwa seit 1970 wird auch die Notwendigkeit eines Schutzes der Verbraucher herausgearbeitet. Im krassen Gegensatz dazu ist er im Energierecht, den Mangel in der Grundversorgung überhaupt nicht sehend,  im Jahr 2009 endgültig verlorengegangen.


Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 11:18:20
In jedem Vertragsverhältnis bestehen Interessengegensätze. Das macht ein Vertragsverhältnis bei Lichte betrachtet gerade aus, ohne dass es dafür auf eine marktbeherrschende Stellung ankommt. Und die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis ist nun mal immer eine Privatangelegenheit. So ist es zB. auch eine Privatangelegenheit des Versorgers, ob er nach Zahlungskürzungen des Kunden diesen deshalb verklagt oder nicht.

Jeder, der vom Gesetzgeber einen Anspruch eingeräumt bekommen hat, entscheidet autonom darüber, ob er ihn beim Schuldner geltend macht und ggf. gerichtlich verfolgt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 11:36:02
Der Sondervertragskunde hat keinen Anspruch auf wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, erst recht nicht auf Einbeziehung einer wirksamen Preisänderungsklausel. Geschützt wird er durch §§ 305 ff. BGB auch in Umsetztung der EU- Richtlinie gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

Gesetzliche Regelungen wie die Bestimmungen der StromGVV/ GasGVV unterliegen in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich keiner Inhaltskontrolle nach AGB- rechtlichen Bestimmungen.

Der grundversorgte Kunde hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine jeweils der Billigkeit entsprechende Preisbestimmung des Grundversorgers, auch in Umsetzung der entsprechenden EU- Richtlinien.

Soweit die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH hierzu im Widerspruch steht und deshalb auch effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 IV GG verwehrt, bedarf diese Rechtsprechung  einer Korrektur.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 12:00:10
High Noon

Der BGH legt dem EuGH Rechtsfragen zur Klärung vor.

BGH PM Nr. 26/2011  vom 09.02.11 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2011&Sort=3&nr=55015&pos=0&anz=26)

Anmerkung:

Die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV bilden für Sondervertragskunden keine zwingenden gesetzlichen Regelungen, § 1 AVBGasV/ GasGVV.

Binsenweisheit. Immer wieder kommt ein neuer Frühling.  (http://www.123video.nl/playvideos.asp?MovieID=753857)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jofri46 am 09. Februar 2011, 12:58:32
Es geht um eine dem Verbraucher zumutbare (um nicht zu sagen verbraucherfreundliche) Durchsetzbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf eine der Billigkeit entsprechende Preisbestimmung. Dafür ist gegenwärtig unverhältnismäßig hoher Prozeßaufwand erforderlich und ein hohes Prozeßkostenrisiko einzugehen. Der Gesetzgeber hat hier seine Möglichkeiten nach dem EnWG längst nicht ausgeschöpft.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 13:04:39
Zitat
Original von jofri46
Es geht um eine dem Verbraucher zumutbare (um nicht zu sagen verbraucherfreundliche) Durchsetzbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf eine der Billigkeit entsprechende Preisbestimmung. Dafür ist gegenwärtig unverhältnismäßig hoher Prozeßaufwand erforderlich und ein hohes Prozeßkostenrisiko einzugehen. Der Gesetzgeber hat hier seine Möglichkeiten nach dem EnWG längst nicht ausgeschöpft.

Der Anspruch ist genauso schwer oder leicht durchzusetzen, wie jeder andere Anspruch in unserem Rechtssystem. Und das erfordert nun einmal \"Prozessaufwand\" wenn zwischen den Parteien unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 09. Februar 2011, 13:08:37
Resümee:
In der Grundversorgung kein Verbraucherschutz erforderlich, da nur Daseinsvorsorge. Verweis auf den Rechtsweg ausreichend. Wer dort nicht mithalten  kann, kann  zumindest dem positiv stimulierenden Gedanken nachhängen, dass er überhaupt Energie bekommen muss.

Belehrung durch den EuGH,
gerichtet: Egal an wen,
ist hoffnungsvoll entgegenzuseh\'n,
egal von wem.

Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 13:19:56
Zitat
Original von Jagni
Resümee:
In der Grundversorgung kein Verbraucherschutz erforderlich, da nur Daseinsvorsorge. Verweis auf den Rechtsweg ausreichend.

Das ist doch Unsinn. Auch Verbraucherschutz kann nur auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Wie denn auch sonst?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 09. Februar 2011, 14:09:43
Zitat
Von Black
Auch Verbraucherschutz kann nur auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Wie denn auch sonst?

Man muss sich zunächst darauf verständigen, dass der Verbraucherschutz in der Grundversorgung zwingend geboten ist, um Vertragsgerechtigkeit herzustellen. Davon sind wir hier im Forum noch weit entfernt.
Dann kommt es darauf an, den Verbraucherschutz im Gesetz unterzubringen. Und erst danach kommt es auf den Rechtsweg an.

Zitat
Mein eigener Gedanke:
Den Verbraucher schon aus seiner schwachen, unterlegenen Position heraus auf den Rechtsweg zu verweisen, ist wegen der unverhältnismäßigen Risiken makaber.


Lesen Sie eigentlich hier mit, bevor Sie schreiben?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 14:43:00
Zitat
Original von Jagni
Man muss sich zunächst darauf verständigen, dass der Verbraucherschutz in der Grundversorgung zwingend geboten ist, um Vertragsgerechtigkeit herzustellen. Davon sind wir hier im Forum noch weit entfernt.
Dann kommt es darauf an, den Verbraucherschutz im Gesetz unterzubringen. Und erst danach kommt es auf den Rechtsweg an.

Was stellen Sie sich da denn so vor?

Zitat
Original von Jagni
Mein eigener Gedanke:
Den Verbraucher schon aus seiner schwachen, unterlegenen Position heraus auf den Rechtsweg zu verweisen, ist wegen der unverhältnismäßigen Risiken makaber.

Es ist makaber jemanden auf den normalen Rechtsweg zu verweisen, weil die Möglichkeit besteht, dass er verlieren könnte?


Zitat
Original von Jagni
Lesen Sie eigentlich hier mit, bevor Sie schreiben?

Um Gottes Willen!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 14:44:06
@Jagni

Ihre Beiträge erscheinen inhaltlich nicht mehr recht nachvollziehbar.

Wenn den Grundversorger im Vertragsverhältnis eine besondere Preisbestimmungspflicht trifft, deren Erfüllung er dem Kunden schuldet, dann können sich der betroffene Kunde und sein Versorger darum bzw. darüber vor Gericht streiten, ob der Versorger seine gesetzlichen wie vertraglich implementierten Pflichten tatsächlich erfüllt hat.
Wo auch sonst.

Für die Billigkeit der Preisbestimmung des Versorgers trifft diesen im Prozess die Darlegungs- und Beweislast, gleichviel ob der Kunde auf Feststellung klagt, dass die Preisbestimmung des Versorgers nicht der Billigkeit entspricht und deshalb unwirksam ist, oder ob es sich um eine Leistungsklage (Zahlungsklage) des Versorgers handelt, nachdem der Kunde die Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig gerügt und deshalb seine Zahlungen gekürzt hat. Der Kunde darf sich regelmäßig darauf beschränken, den maßgeblichen Vortrag des Versorgers zu den preisbildenden Kostenfaktoren  und deren Entwicklung mit Nichtwissen zu bestreiten (BGH VIII ZR 6/08 Rn. 20).

Weshalb es ein unverhältnismäßiger Aufwand sein soll, die Preisbestimmung des Versorgers gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einfach als unbillig zu rügen, die Zahlungen zu kürzen und sodann im Zahlungsprozess an der Unbilligkeitseinrede festzuhalten und den entsprechenden Tatsachenvortrag des Versorgers mit Nichtwissen zu bestreiten, erschließt sich nicht auf Anhieb. Lässt sich der Kunde auf Zahlung verklagen, verbleibt ihm unter Umständen § 93 ZPO.

Er kann auch Bestreiten und es auf eine Beweisaufnahme und innerhalb einer solchen ggf. auch zum Schwur kommen lassen.
Dass ein Prozess, wie jeder Zivilprozess, mit Risiken verbunden ist, für Verbraucher wie für Versorger gleichermaßen, versteht sich von selbst.

Black weiß, wovon wir reden, denn wir treffen uns zuweilen vor Gericht, um die entsprechenden Sträuße zu fechten.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jofri46 am 09. Februar 2011, 15:38:23
Was ich mir so vorstelle, steht schon in § 39 Abs. 1 EnWG. Eine Verordnung mit Regelungen über die Gestaltung, den Inhalt und Aufbau der allgemeinen Preise. Darunter verstehe ich zumindest die Vorgabe von Kalkulationsgrundlagen anhand derer ich schon im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Billigkeit einer Preisbestimmung wenigstens im Ansatz nachvollziehen und damit mein Prozeß(Kosten-)risiko besser einschätzen und abwägen kann.
Denkbar ist auch eine unabhängige, neutrale Schiedsstelle, wie in anderen Bereichen schon gang und gäbe, an die sich der Verbraucher wenden kann ohne gleich den Rechtsweg beschreiten zu müssen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 15:50:09
Wir finden einen jweiligen Großhandelspreis für Strom (EEX) und Gas (EGIX) und wir finden den vom Grundversorger festgelegten Verbrauchspreis.
Die Großhandelspreise kann der Grundversorger selbst schlecht beinflussen, sondern muss diese wohl als Datum hinnehmen.

Die Differenz zwischen diesen Großhandelspreisen und dem Preis der Grundversorgung muss sich durch die Kosten einer effzienten Leistungserbringung des Versorgers rechtfertigen lassen.
Dies ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 EnWG.

Die Netzentgelte findet der Grundversorger regelmäßig als vom Netzbetreiber anhand regulierter und veröffentlichter Entgelte als Datum vor, ebenso Steuern und Abgaben.

Soll es so schwierig sein, kaufmännisch einen Strich drunterzuziehen und zu sehen, ob die Differenz anhand der konkret preisbildenden Kosten gerechtfertigt ist oder nicht?
Ich frage mich zuweilen, welchen Film man davon noch machen will.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 15:53:51
Zitat
Original von jofri46
Darunter verstehe ich zumindest die Vorgabe von Kalkulationsgrundlagen anhand derer ich schon im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Billigkeit einer Preisbestimmung wenigstens im Ansatz nachvollziehen und damit mein Prozeß(Kosten-)risiko besser einschätzen und abwägen kann.

Vorgaben wie ein billiger Preis zu kalkulieren ist, gibt es doch bereits anhand der BGH Rechtsprechung. Und selbst wenn es per rechtsverordnug noch genauere Vorgaben gäbe, würde der Kunde doch - wie bereits jetzt schon - im Zweifel auf dem Rechtsweg darüber streiten müssen, ob diese Vorgaben eingehalten wurden oder nicht.


Zitat
Original von jofri46
Denkbar ist auch eine unabhängige, neutrale Schiedsstelle, wie in anderen Bereichen schon gang und gäbe, an die sich der Verbraucher wenden kann ohne gleich den Rechtsweg beschreiten zu müssen.

Was ist denn an einer \"neutralen unabhängigen Schiedsstelle\" besser als an einem neutralen unanhängigen Gericht? Wer sollte dort Schiedsrichter sein? Und was passiert, wenn der Schiedsspruch einer Partei nicht passt? Dann doch das Gericht noch hinterher?

Oder verbinden sie mit einer Schiedsstelle (nur) die Idee eines kostenlosen Verfahrens, auch wenn man verliert?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: courage am 09. Februar 2011, 15:57:49
Zitat
Original von RR-E-ft
... Dass ein Prozess, wie jeder Zivilprozess, mit Risiken verbunden ist, für Verbraucher wie für Versorger gleichermaßen, versteht sich von selbst. ...
Nein, nicht unbedingt. Das Risiko ist jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht schon deshalb ungleich verteilt, weil der Verbraucher das Risiko aus eigener Tasche trägt, während der Vorstand des Versorgers lediglich ein wenig in die Portokasse seines Unternehmens greifen muss.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 16:03:26
@courage

Wenn sich die Frage der Billigkeit eines Allgemeinen Preises grundsätzlich für alle betroffenen Kunden gleichermaßen beurteilen lassen muss, redet man vielleicht doch nicht von der Portokasse des Unternehmens, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Bei der Unwirksamkeit eineseitiger Preisfestsetzungen in Sonderverträgen redet schließlich bei Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln auch niemand mehr von der Portokasse.
Fragt mal bei EWE oder der Main-Kinzig-Gas Gelnhausen nach.

In beiden Fällen der Unwirksamkeit einer Preisbestimmung geht es um erhebliche wirtschaftliche Risiken für die Unternehmen infolge von Rechtsverstößen.
Die Risiken aus der Rechtsprechung des BGH zur Strafbarkeit der Abrechnung unbilliger Tarife treten noch hinzu.
Davon kann sich wohl niemand aus der Portokasse freikaufen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 16:12:52
@courage

Für den Versorger geht es wirtschaftlich doch um viel mehr, als die paar 100 oder vielleicht 1000 Euro, um die mit dem einzelnen Kunden gestritten wird.

Das Kostenrisiko im Einzelfall ist übrigens das Gleiche wie für den Kunden, nur das der Versorger im Zweifel davon weniger hart getroffen ist. Das Problem haben Sie aber immer, wenn ihr Prozessgegner mehr Geld hat als Sie. Wenn Sie mit einem Zahnarzt über einen Schadenersatzanspruch gerichtlich streiten, dann zahlt der vermutlich die Kosten auch \"aus der Portokasse\".

Dafür kann der Kunde PKH beantragen oder eine Rechtschutzversicherung abschließen um sein Risiko zu senken. Das kann der Versorger nicht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 16:14:46
@Black

Der Versorger kann auch eine Rechtsschutzversicherung abschließen, wenn sich eine findet.
Schließlich geht es wohl um vorsätzliche Rechtsverstöße, die zumindest billigend in Kauf genommen werden.  
PKH beantragen kann er auch, wenn es soweit ist.
Die Bewilligung von PKH hat bekanntlich immer zwei Voraussetzungen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 16:17:47
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Der Versorger kann auch eine Rechtsschutzversicherung abschließen, wenn sich eine findet. Schließlich geht es wohl um vorsätzliche Rechtsverstöße.

Eine Versicherung wird ja nur interessant um das Kostenrisiko des Unterliegens zu vermeiden und mir ist keine Versicherung bekannt, die das Risiko von vorsätzlichen Rechtsverstößen eines Unternehmens abdeckt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 16:19:17
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Der Versorger kann auch eine Rechtsschutzversicherung abschließen, wenn sich eine findet. Schließlich geht es wohl um vorsätzliche Rechtsverstöße.

Eine Versicherung wird ja nur interessant um das Kostenrisiko des Unterliegens zu vermeiden und mir ist keine Versicherung bekannt, die das Risiko von vorsätzlichen Rechtsverstößen eines Unternehmens abdeckt.

@Black

Ich sehe, dass Sie schon in die richtige Richtung denken. ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: courage am 09. Februar 2011, 16:53:16
Wirtschaftliches Prozessrisiko:
Der Kunde trägt das Prozessrisiko persönlich; der Vorstand des Versorgers eben nicht. Hierin liegt der entscheidende Unterschied bei der Abwägung, ob das Prozessrisiko in wirtschaftlicher Hinsicht eingegangen wird. Dem Vorstand fällt die Entscheidung zur juristischen Auseinandersetzung leicht, weil er wirtschaftlich nicht persönlich betroffen ist.

Juristisches Prozessrisiko:
Auch hier besteht schon deshalb ein erhebliches Ungleichgewicht, weil der Versorger per se die Erkenntnis besitzt, ob er die die Billigkeitsanforderungen einhält oder nicht. Der Verbraucher muss erst mal viel Gehirnschmalz darauf verwenden, Indizien zu finden, die die Billigkeitsbehauptung seines Versorgers erschüttern könnten. Damit sind 99,99% der (Durchschnitts-) Verbraucher überfordert und lassen die streitige Auseinandersetzung lieber bleiben. Und das ist schön für den Versorger.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 17:21:12
@courage

Meinen Sie etwa , wenn viele Verbraucher nicht selbst über das notwendige Hirnschmalz verfügen sollten, dürfte es die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle für diese erst gar nicht geben?!

Der Vorstand trägt ein persönliches Risiko, wenn er strafrechtlich die Letztverantwortung für die Abrechnung unbilliger Tarife trägt, BGH 5 StR 394/08 (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=12173&sid=).
Von Ortsabwesenheit wegen Strafhaft ist wohl auch ein - dann ehemaliger - Vorstand persönlich wirtschaftlich betroffen.
Der Vorstand kann also recht zügig persönlich betroffen sein.

So schlimm kann es für den Kunden hingegen gar nicht ausgehen.

Das informationelle Ungleichgewicht wird gerade durch die Darlegungs- und Beweislast im Prozess ausgeglichen (BGH VIII ZR 6/08 Rn. 20).  

Der Verbraucher, ggf. unterstützt durch einen Verbraucherverband, kann selbst die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Billigkeit der Preisbestimmung erzwingen.
Er kann ein solches im Prozess  selbst aufbieten.
Ein solches Gutachten kann gem. § 411a ZPO in Parallelverfahren verwendet werden.

Ich meine, dass die Billigkeitsprozesse, welche denknotwendig immer die Frage der Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG betreffen, gem. §§ 108, 102 EnWG vor besondere Kammern am Landgericht gehören, mit der Möglichkeit der Konzentration gem. § 103 EnWG und jedenfalls mit Anwaltszwang gem. § 78 ZPO.

Es ist wohl unwahrscheinlich, dass ein Versorger bei erwiesener Unbilligkeit an den unbilligen Preisforderungen gegenüber seinen gleichbetroffenen Kunden festhält.
Zum einen wegen der strafrechtlichen Komponente, zum anderen wegen des Risikos bereicherungsrechtlichtlicher Rückforderungen anderer, gleichbetroffener Kunden, §§ 812, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Ein Vesrtoß auch gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG wird jedenfalls nach dem Selbstverständnis des E.ON- Konzerns (http://www.eon.com/de/responsibility/29237.jsp) nicht geduldet.

Zitat
II. Allgemeine Verhaltensanforderungen
1. Gesetzestreues Verhalten
Integrität bestimmt unser Handeln. Die Beachtung von Gesetz und Recht ist für E.ON oberstes Gebot.

Jeder Mitarbeiter hat die gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die für seine Tätigkeit von Bedeutung sind. Dies gilt für jede Rechtsordnung, in deren Rahmen er tätig wird. Jeder Mitarbeiter hat sich daher eigenverantwortlich darüber zu informieren, welche Rechtsvorschriften für seine Tätigkeit zu beachten sind. E.ON wird alles Notwendige veranlassen, um die Mitarbeiter dabei zu unterstützen und geeignete Schulungen und/oder Informationen zur Verfügung zu stellen.

Natürlich wäre es noch besser, Verbraucherverbände hätten ein eigenes Verbands- Klagerecht.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 18:01:29
Zitat
Original von courage
Juristisches Prozessrisiko:
Auch hier besteht schon deshalb ein erhebliches Ungleichgewicht, weil der Versorger per se die Erkenntnis besitzt, ob er die die Billigkeitsanforderungen einhält oder nicht. Der Verbraucher muss erst mal viel Gehirnschmalz darauf verwenden, Indizien zu finden, die die Billigkeitsbehauptung seines Versorgers erschüttern könnten. Damit sind 99,99% der (Durchschnitts-) Verbraucher überfordert und lassen die streitige Auseinandersetzung lieber bleiben. Und das ist schön für den Versorger.

Nur das es der Verbraucher ist, der den Rechtsstreit beginnt, indem er die Unbilligkeit rügt. Der Verbraucher hat es also alleine in der Hand, ob er seine Rechnungen normal zahlen möchte oder einen Rechtsstreit anfangen. Dem Versorger dagegen wird der Rechtsstreit einseitig vom Kunden aufgezwungen.Wenn der Kunde überfordert ist, die Unbilligkeit (zumindest indiziell) festzustellen, dann sollte er diese Behauptung auch nicht aufstellen.

Was für eine Vorstellung von Gerechtigkeit haben Sie denn? Gerecht ist nur, wenn der Kunde ohne Sachkenntnis und ohne finanzielles Risiko lustig Rechtsstreitigkeiten eingehen kann?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jofri46 am 09. Februar 2011, 18:04:08
@Black

Gehen wir mal davon aus, dass Otto Normalverbraucher die in den Urteilsgründen versteckten Vorgaben der BGH-Rechtsprechung nicht kennt und wenn, die dortige Terminologie nicht richtig einzuordnen weiss.

Warum sollte man die Vorgaben der BGH-Rechtsprechung zum billigen Preis (übrigens auch die Vorgaben zur Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel), nicht klar und verständlich (und damit transparent) in eine Rechtsverordnung über Gestaltung, Inhalt und Aufbau der allgemeinen Preise einfliessen lassen?  Eine solche Rechtsverordnung gäbe dem Verbraucher schon vorprozessual einen gesetzlichen Anspruch auf eine konkrete Darlegung darüber, wie sich die allgemeinen Preise zusammensetzen und welche laufende Kostentwicklung jeweils zu einer Neufestsetzung der Preise geführt hat.

Damit wäre mehr Rechtssicherheit geschaffen, auch für den Versorger und das Prozeß(Kosten-)Risiko zumindest minimiert.

Eine unabhängige neutrale Schiedsstelle hätte, klar, auch den Vorteil eines kostenlosen Verfahrens. Zudem ermöglicht ein begründeter Schiedsspruch, das Für und Wider eines Rechtsstreites besser einzuschätzen und abzuwägen, wenn er einer Partei nicht passen sollte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:11:16
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von courage
Juristisches Prozessrisiko:
Auch hier besteht schon deshalb ein erhebliches Ungleichgewicht, weil der Versorger per se die Erkenntnis besitzt, ob er die die Billigkeitsanforderungen einhält oder nicht. Der Verbraucher muss erst mal viel Gehirnschmalz darauf verwenden, Indizien zu finden, die die Billigkeitsbehauptung seines Versorgers erschüttern könnten. Damit sind 99,99% der (Durchschnitts-) Verbraucher überfordert und lassen die streitige Auseinandersetzung lieber bleiben. Und das ist schön für den Versorger.

Nur das es der Verbraucher ist, der den Rechtsstreit beginnt, indem er die Unbilligkeit rügt. Der Verbraucher hat es also alleine in der Hand, ob er seine Rechnungen normal zahlen möchte oder einen Rechtsstreit anfangen. Dem Versorger dagegen wird der Rechtsstreit einseitig vom Kunden aufgezwungen.Wenn der Kunde überfordert ist, die Unbilligkeit (zumindest indiziell) festzustellen, dann sollte er diese Behauptung auch nicht aufstellen.

Was für eine Vorstellung von Gerechtigkeit haben Sie denn? Gerecht ist nur, wenn der Kunde ohne Sachkenntnis und ohne finanzielles Risiko lustig Rechtsstreitigkeiten eingehen kann?


@Black

Die Ursache setzt der Versorger mit einer nicht der Billigkeit entsprechenden, zugleich gesetzwidrigen Preisbestimmung.

Ich bin mir nicht sicher, ob ein Versorger, der feststellt, dass etwa durch kriminelle Machenschaften seiner bonusgefixten Organe die Tarife bisher gesetzwidrig unbillig bestimmt waren, seine betroffenen Kunden nicht doch in einen Rechtsstreit zwingen muss, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Dass Boni das Hirn vernebeln können, haben wir gelernt.

Imagine:  

Was soll den etwa die um Gesetzestreue bemühte E.ON AG  machen, wenn man nun etwa feststellen würde, dass die Verantwortlichen der E.ON Vertrieb Deutschland GmbH bisher unter Verletzung von § 2 Abs. 1 EnWG die Allgemeinen Preise der regionalen E.ON Vertriebsgesellschaften unbillig bestimmt hatten. Schließlich handelt es sich bei den einseitigen Preisbestimmungen gem. § 315 Abs. 2 BGB um unwiderrufliche Willenserklärungen.

Müsste man dann nicht alle betroffenen Kunden mit dem Antrag auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB verklagen, wobei man schon in der Klageschrift zur Ansprüchsbegründung darzulegen hat, dass die bisherigen Preisbestimmungen wegen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 EnWG unbillig und unwirksam sind.

Auch solche Klagen gehören m.E. gem. §§ 108, 102 EnWG vor die Landgerichte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 18:16:57
@jofri46

Gegen den Vorschlag, dass der Gesetzgeber die Vorgaben der Preiskalkulation zur besseren Klarheit in eine Rechtsverordnung gießt habe ich keine Bedenken. Damit wäre aber der § 315 BGB als Ermessensnorm verdrängt.

Ich hätte auch nichts gegen ein kostenloses Schiedsverfahren, weise aber darauf hin, dass eine solche kostenlose Möglichkeit natürlich zu einer wahren Klageflut führen würde, da jeder Kunde dann natürlich völlig risikolos sein eigenes Verfahren verlangen könnte. und zwar nach jeder Preisanpassung. Damit Sie dann deshalb nicht 10 Jahre auf Ihr Schiedsurteil warten müßten, müssen sehr viele Schiedsrichter angestellt werden.

Da aber niemand gerne umsonst arbeitet, stellt sich die Frage ob der Steuerzahler jetzt dafür aufkommen soll, dass Sie gerne einen risikolosen Streit mit Ihrem Versorger ausfechten wollen.

Dann könnte man weiterdenken und sich fragen, warum dann andere Verfahren noch Geld kosten sollen. Wenn z.B. ein Verletzter gegen eine Versicherug klagt, oder eine alleinerziehende Mutter auf Unterhalt? Auch die haben ja ein Prozessrisiko, dass sie gerne vermeiden wollen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:21:19
Zitat
Original von Black
@jofri46

Gegen den Vorschlag, dass der Gesetzgeber die Vorgaben der Preiskalkulation zur besseren Klarheit in eine Rechtsverordnung gießt habe ich keine Bedenken. Damit wäre aber der § 315 BGB als Ermessensnorm verdrängt.

Danke für die Klarstellung aus berufenem Munde.

Einige begreifen immer noch nicht, dass es dann nicht mehr um die Frage geht, ob der Preis überhaupt angemessen und vertragsgerecht ist, § 315 Abs. 3 Satz 1  BGB.

Möglicherweise haben einige in Wolkenkuckuksheim ihr zu Hause.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 18:26:43
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
Nur das es der Verbraucher ist, der den Rechtsstreit beginnt, indem er die Unbilligkeit rügt. Der Verbraucher hat es also alleine in der Hand, ob er seine Rechnungen normal zahlen möchte oder einen Rechtsstreit anfangen. Dem Versorger dagegen wird der Rechtsstreit einseitig vom Kunden aufgezwungen.


@Black

Die Ursache setzt der Versorger mit einer nicht der Billigkeit entsprechenden, zugleich gesetzwidrigen Preisbestimmung.

Nicht so schnell. Hier wird ja das Prozessrisiko beklagt, dass der Kunde hat, weil er nicht genau weiss ob der Preis tatsächlich unbillig ist.

Der Kunde muss also hauptsächlich* davor Angst haben, dass er einen Rechtsstreit anfängt, obwohl der Preis der Billigkeit entspricht.

*Nebenbei sollte er Angst vor einer schlechten Anwaltswahl haben


Die Frage nach der Strafbarkeit einer unbilligen Preisbestimmung könnten wir besser gesondert diskutieren.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:32:33
@Black

Kann es nicht doch Fälle geben, wo der Versorger den Kunden verklagen muss, auch wenn dieser nie die Unbilligkeitseinrede erhoben und nie Zahlungen gekürzt hat?

Zitat
Original von RR-E-ft

Ich bin mir nicht sicher, ob ein Versorger, der feststellt, dass etwa durch kriminelle Machenschaften seiner bonusgefixten Organe die Tarife bisher gesetzwidrig unbillig bestimmt waren, seine betroffenen Kunden nicht doch in einen Rechtsstreit zwingen muss, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Dass Boni das Hirn vernebeln können, haben wir gelernt.

Imagine:  

Was soll den etwa die um Gesetzestreue bemühte E.ON AG  machen, wenn man nun etwa feststellen würde, dass die Verantwortlichen der E.ON Vertrieb Deutschland GmbH bisher unter Verletzung von § 2 Abs. 1 EnWG die Allgemeinen Preise der regionalen E.ON Vertriebsgesellschaften unbillig bestimmt hatten. Schließlich handelt es sich bei den einseitigen Preisbestimmungen gem. § 315 Abs. 2 BGB um unwiderrufliche Willenserklärungen.

Müsste man dann nicht alle betroffenen Kunden mit dem Antrag auf gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB verklagen, wobei man schon in der Klageschrift zur Ansprüchsbegründung darzulegen hat, dass die bisherigen Preisbestimmungen wegen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 EnWG unbillig und unwirksam sind.

Auch solche Klagen gehören m.E. gem. §§ 108, 102 EnWG vor die Landgerichte.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Jagni am 09. Februar 2011, 18:32:59
@RR-E-ft

Meine Beiträge können für Sie möglicherweise schon deswegen nicht mehr nachvollziehbar sein, weil Sie über meinen Eingangsgedanken regelmäßig in einem großen Schritt hinwegsteigen und ohne darauf einzugehen, mir die Vorzüge der Billigkeitseinrede erklären.

Mir geht es dagegen um den Verbraucherschutz, der in der Grundversorgung nach meinem Verständnis nicht ausgeprägt ist, weil die Risiken zwischen Verbraucher und Versorger ungleich verteilt sind und die Transparenz hinsichtlich der Preisänderungsregelung nicht gegeben ist.

So lange die Pflichten der Versorger einen derartigen Argumentationsaufwand verursachen, um sie erkennbar zu machen und noch nicht einmal der Bedeutungsinhalt des Allgemeinen Preises umschrieben ist, wird das Ungleichgewicht zwischen Versorgern und Verbrauchern nicht beseitigt sein.
Dem Verbraucher kann der Rechtsweg, der sich einem über Jahre hinziehenden Drangsal anschließt, zur Existenzgefährdung gereichen.

Es mag ja sein, dass erfahrene Jurist die Billigkeitseinrede als ausreichend ansehen und in der Grundversorgung das best erkennen, was den Kleinkunden widerfahren kann. Auch der VIII. Zivilsenat sieht das so und verschafft aus dem Leitbild heraus auch den Sonderabnehmern diese Vorzüge.

Selbst wenn die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats einmal korrigiert sein sollte und den Sonderabnehmern wieder der  Verbraucherschutz aus
§ 307 BGB heraus zufallen wird, bleibt noch immer die Frage, ob die Grundversorgung weiterhin mit einer intransparenten Preisänderungsregelung auszukommen hat.

Es wäre zu wünschen, dass der EuGH auch hierzu eine Aussage trifft  und der Gesetzgeber gezwungen ist,  den Verbraucherschutz durch eine transparente Preisänderungsregelung  auch für die grundversorgten Kunden herzustellen.

So wie diese Preisänderungsregelung zur Zeit aussieht, wird sie nicht geeignet sein,  im Versorgerlager Preisdisziplin herzustellen. Und die \"besondere Preisbestimmungspflicht\" wird daran auch nichts ändern, denn die filigrane Verschlungenheit ihrer Paragraphen nötigt zwar gehörigen Respekt ab, lässt aber die Wirksamkeit vermissen.

Finanziell gut ausgestattete Verbrauch werden ihren Erfolg  mit ihren professionellen Vertretern sehr wohl herauskitzeln. Für das Millionenheer der Verbraucherhaushalte bedarf es aber einfacherer Regelungen, mit hohem Wirkungsgrad.


Gruß
Jagni
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:35:53
@Jagni

Wir reden möglicherweise deshalb aneinander vorbei, weil ich von einer - der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegenden - gesetzlichen und vertraglich implemantierten besonderen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers ausgehe und nicht etwa von einem Preisänderungsrecht in Form einer Preisänderungsklausel.

Ein Preisänderungsrecht in Form einer Preisänderungsklausel zur Wahrung eines bestehenden Äquivalenzverhältnisses ist etwas vollkommen anderes als eine gesetzliche/ vertragliche besondere Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils gem. § 315 Abs. 1 BGB.

Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils gem. § 315 Abs. 1 BGB schuldet dieser die Bestimmung des vertragsgemäßen Äquivalenzverhältnisses, des vertragsgemäßen Preises (BGH VIII ZR 240/90).
Dann und nur dann.

Wem es - im Gegensatz zu mir - um die Absicherung und Erhaltung eines für den Versorger bisher besonders vorteilhaften Preisniveaus geht (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25), der hat sich freilich vollkommen andere Gedanken zu machen, nämlich um eine Preisänderungsklausel, die genau dieses - für den Versorger bisher besonders vorteilhafte -  Äquivalenzverhältnis wahrt.

Dass jedoch ein solches Äquivalenzverhältnis gegen die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG verstößt und deshalb gar nicht gewahrt werden darf, wird als bekannt vorausgesetzt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 18:49:32
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Kann es nicht doch Fälle geben, wo der Versorger den Kunden verklagen muss, auch wenn dieser nie die Unbilligkeitseinrede erhoben und nie zahlungen gekürzt hat?

Sie meinen den Fall, wenn der Versorger selbst nachträglich die Unbilligkeit seiner bereits getätigten Preisanpassung erkennt und diese revidieren möchte?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:53:31
@Black

Ich meine den Fall, wo der Versorger seine gesetzliche und vertraglich implementierte besondere Preisbestimmungspflicht nunmehr erkennt und nachträglich erkennt, dass seine bisher getroffene Preisbestimmung diese seine Verpflichtung auch mit Rücksicht auf § 2 Abs. 1 EnWG nicht erfüllt, die getroffene Preisbestimmung deshalb nachträglich ersetzt werden muss, wozu gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf entsprechenden Antrag nur ein ordentliches Gericht berufen ist.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 09. Februar 2011, 18:56:08
Warum sollte er da klagen müssen?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 18:59:03
Zitat
Original von Black
Warum sollte er da klagen müssen?

@Black


Vielleicht sollte er klagen müssen, weil er nach der gesetzlichen Regelung nachträglich seine gem. § 315 Abs. 1 BGB geschuldete Preisbestimmung nach der gem. § 315 Abs. 2 BGB unwiderruflichen Ausübung nicht mehr selbst ersetzten kann und darf, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, es ohne Ersatzbestimmung bei § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB verbleibt, die Verantwortlichen sich jedoch strafbar machen können, wenn sie es dabei belassen und weiter (erkanntermaßen) unbillige Tarife zur Abrechnung stellen, BGH StR 5 394/08.

Zitat
§ 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. [Dann ist sie unwiderruflich getroffen und steht zur Kontrolle gem. Absatz 3]

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die [unwiderruflich bereits ] getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. [siehe schwanger/ nicht schwanger]

Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Den Klagegrund hat er dabei wohl unzweifelhaft selbst  veranlasst.

Was machen wir bloß, wenn so eine Klagewelle kommt und all die armen Verbraucher, die nie widersprochen und immer brav gezahlt haben, einem Tsunami ähnlich total überrascht?!

Auch auf so einen Fall muss man ja ggf. irgendwie vorbereitet sein (Mt 25, 13).


========

Frage der Spielregeln.  (http://www.schachmatt.de/40-regelkunde/2862-beruehrt-gefuehrt.html)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: jofri46 am 09. Februar 2011, 19:30:14
@Black

Sie schreiben: \"Damit wäre aber der § 315 BGB als Ermessensnorm verdrängt\".

Wäre das zwingend? Eine Rechtsverordnung im Sinne von § 39 Abs. 1 EnWG muss einen Ermessensspielraum und damit eine Billigkeitsprüfung gem. § 315 BGB nicht völlig ausschliessen.

Die bisherige Preispolitik der Versorger und ihre exorbitanten Gewinnsteigerungen liessen doch nur den Eindruck zu, dass die Preissteigerungen vornehmlich der Gewinnmaximierung dienten. Wenn es eine Rechtsverordnung nun ermöglicht, festzustellen, dass mit dem allgemeinen Preis (nur) die notwendigen Kosten gedeckt und ein angemessener Gewinn erzielt werden, was wäre daran zu bemäkeln, selbst wenn dadurch § 315 BGB mit all seinen Unwägbarkeiten und Risiken verdrängt würde?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 19:31:35
@jofri46

Ja, das wäre wohl zwingend, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 315 Abs. 1 BGB.

(Würde hingegen die Billigkeitskontrolle eröffnet bleiben, so würde sich ja auch insoweit gar nichts ändern, worauf Black ebenso zutreffend hinweist. Es würde sich dann die Sinn- Frage stellen.)


Zitat
Original von RR-E-ft

Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils gem. § 315 Abs. 1 BGB schuldet dieser die Bestimmung des vertragsgemäßen Äquivalenzverhältnisses, des vertragsgemäßen Preises (BGH VIII ZR 240/90).
Dann und nur dann.

Wem es - im Gegensatz zu mir - um die Absicherung und Erhaltung eines für den Versorger bisher besonders vorteilhaften Preisniveaus geht (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25), der hat sich freilich vollkommen andere Gedanken zu machen, nämlich um eine Preisänderungsklausel, die genau dieses - für den Versorger bisher besonders vorteilhafte -  Äquivalenzverhältnis wahrt.

Dass jedoch ein solches Äquivalenzverhältnis gegen die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG verstößt und deshalb gar nicht gewahrt werden darf, wird als bekannt vorausgesetzt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 19:36:17
Ich habe es schon einmal zu erklären versucht, stimme darin wohl mit Black überein (vgl. nur Zenke/Wollschläger, § 315 BGB Streit um Versorgerpreise, 1. Aufl. 2007, S. 36).


Zitat
Original von RR-E-ft
Es kommt für die Frage ganz entscheidend auf das Verständnis von § 315 BGB an.

Deshalb den Gesetzestext vorangestellt, den man schnell im Blick haben sollte:

Zitat
Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

Was sich daraus ganz zügig folgern lässt:

Wird bei Abschluss eines Sondervertrages (anstelle eines feststehenden Preises) vertraglich vereinbart, dass den Versorger nach Vertragsabschluss eine Preisbestimmungspflicht treffen soll, kann § 315 BGB unmittelbar anwendbar sein undzwar dann aber bereits auf den Anfangspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Kein Blindzitat:


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags ... eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart [wurde]


Bei der so vertraglich vereinbarten Preisbestimmungspflicht des Versorgers handelt es sich nicht um eine Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegt, sondern um die vertragliche Preishauptabrede.

Eine vertragliche Preishauptabrede unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Nun Aber:

Wird jedoch nicht nur eine den Versorger nach Vertragsabschluss treffende Preisbestimmungspflicht bei Vertragsabschluss vereinbart, sondern darüber hinaus auch besondere Kriterien dazu vereinbart, wie der Versorger  den Preis erst nach Vertragsabschluss bestimmen soll, so ist § 315 BGB unanwendbar.

§ 315 Abs. 1 BGB ist seinem Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn hinsichtlich der nach Vertragsabschluss auszuübenden Preisbestimmungspflicht nicht etwas Besonderes vertraglich vereinbart wurde.

Wurde hingegen dazu, wie die Preisbestimmungspflicht nach Vertragsabschluss vom Versorger ausgeübt werden soll, etwas Besonderes vertraglich vereinbart, ist § 315 Abs. 1 BGB unanwendbar,  weil dann nicht der \"Zweifel\" darüber besteht, wie die Preisbestimmung zu erfolgen hat bzw. erfolgen soll, der im Tatbestand des § 315 Abs. 1 BGB gefordert ist.

Wurde demnach lediglich vollkommen unspezifiziert eine nach Vertragsabschluss auszuübende Preisbestimmungspflicht des Versorgers bei Vertragsabschluss vereinbart, so kommt § 315 Abs. 1 BGB unmittelbar zur Anwendung.

Bei der Billigkeitskontrolle des vom Versorger einseitig bestimmten Energiepreises muss dann wieder die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden (BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Für gesetzliche Preisbestimmungspflichten gilt das gleiche wie für eine vertraglich vereinbarte Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils.

Der Zweifel ist das alles Entscheidende für § 315 BGB und alle seine Verfechter!
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: taxman am 09. Februar 2011, 19:58:05
.. und viel, ja sehr viel Arbeit für Rechtsanwälte !!   :tongue:
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 20:02:24
Auch mancher taxman verdankt seine berufliche Betätigung wohl dem Gesetzgeber bzw. besonderen gesetzlichen Pflichten, die Dritte treffen. Auch sehr viel Arbeit. ;)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 10:31:20
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black


Vielleicht sollte er klagen müssen, weil er nach der gesetzlichen Regelung nachträglich seine gem. § 315 Abs. 1 BGB geschuldete Preisbestimmung nach der gem. § 315 Abs. 2 BGB unwiderruflichen Ausübung nicht mehr selbst ersetzten kann und darf, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, es ohne Ersatzbestimmung bei § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB verbleibt, die Verantwortlichen sich jedoch strafbar machen können, wenn sie es dabei belassen und weiter (erkanntermaßen) unbillige Tarife zur Abrechnung stellen, BGH StR 5 394/08.


Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes unterliegt den normalen Regelungen für Willenserklärungen (Palandt, BGB, zu § 315, 11). Sie ist zwar unwiderruflich, aber das schließt zum Beispiel die Anfechtung (Palandt, aaO) wegen eines Irrtums nicht aus, da die Anfechtung kein Widerruf ist. Allerdings unterliegt die Anfechtung Fristen und erfasst nicht jeden Fehler.

Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

Es würde also genügen, wenn der Versorger dem Kunden mitteilt, dass die letzte Preisanpassung nach Rechtsauffassung des Versorgers für den Kunden keine Wirkung entfaltet (und ggf bereits gezahlte Beträge erstattet werden).

Denkbar wäre zwar eine Feststellungsklage mit dem Ziel die Unwirksamkeit festzustellen, hierfür besteht jedoch gar kein Feststellungsinteresse wenn Versorger und Kunde sich einig sind, dass die Festsetzung unwirksam war.

Ist der Kunde dagegen trotz der Mitteilung des Versorgers der Auffassung, die Preisanpassung sei gleichwohl doch billig und wirksam bestände zwar theoretisch ein Feststellungsinteresse, aber dem muss der Verorger nicht nachgehen. Da er den Kunden über die Unbilligkeit informiert hat scheidet eine Strafbarkeit aus.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 11:09:41
@Black

Na klar doch ist eine unbillige Preisbestimmung bei bestehender Preisbestimmungspflicht nach der gesetzlichen Regelung ohne weiteres von Anfang an unwirksam ohne dass es dafür einer Anfechtung bedarf, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Das habe ich schon länger erkannt.  ;)

Das Problem:

Eine für das Versorgungsunternehmen fällige und durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kunden entsteht dann überhaupt erst mit der Rechtskraft eines Gestaltungsurteils gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. nur BGH X ZR 60/04 unter II.1).

Der Versorger wird deshalb eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen müssen, um überhaupt zu einem durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegenüber den betroffenen Kunden zu gelangen (BGH VIII ZR 240/90, am Ende).

Es geht dabei nicht darum, die Unbilligkeit und unwirksamkeit feststellen zu lassen, sondern um die gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, ohne die eine fällige durchsetzbare Forderung des Versorgers gar nicht besteht.

Das wurde wohl bisher noch zu wenig erkannt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 11:17:37
Zitat
Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

@Black

Danke für die Bestätigung aus berufenem Munde.
 
Endlich mal einer, der klar sagt, was sich aus der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unmittelbar ergibt.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 11:32:55
Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

@Black

Danke für die Bestätigung aus berufenem Munde.
 
Endlich mal einer, der klar sagt, was sich aus der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unmittelbar ergibt.

Leider denken viele Kunden, die Forderung wird schon allein durch die Erhebung der Unbilligkeitseinrede (vorläufig) unwirksam - unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich billig ist oder nicht.

Das Problem mit der Klage sehe ich so nicht. Wenn eine Preiserhöhung oder Preissenkung unbillig und damit unwirksam ist, dann gilt zunächst einmal weiterhin der bisherige Preis. In der besonderen Situation wo auch der bisherige Preis unbillig sein sollte (weil zwischenzeitlich z.B. abzusenken) sollte der Versorger schnellstmöglich eine neue und dann hoffentlich billige Preisfestsetzung vornehmen.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 11:59:00
@Black

Anders gewendet:

Leider denken viele Versorger, ihre unbillige Preisbestimmung sei schon gegenüber irgendjemandem irgendwie verbindlich.

§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt anderes.

Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht ist die unbillige Preisbestimmung von Anfang an ohne Weiteres insgesamt unwirksam, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
 
Ebenso wie die billige Preisbestimmung von Anfang an ohne Weiteres  insgesamt wirksam ist.

Alles sei wohl geschieden, Himmel und Erde, Tag und Nacht, die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Wenn die geschuldete besondere  Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB insgesamt unwirksam ist, ergibt sich alles Weitere unmittelbar aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II.1)

Wundert nicht nur mich, dass auch Zenke/ Wollschläger in ihrem Bestseller bis zu § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB wohl gedanklich  nicht durchgederungen waren.

Der HERR spricht: \"Wachet; denn ihr wisst weder den Tag, noch die Stunde!\" (Mt 25, 13).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 14:22:37
Zitat
Original von Black
Das Problem mit der Klage sehe ich so nicht. ....In der besonderen Situation wo auch der bisherige Preis unbillig sein sollte (weil zwischenzeitlich z.B. abzusenken) sollte der Versorger schnellstmöglich eine neue und dann hoffentlich billige Preisfestsetzung vornehmen.

@Black

Natürlich kann derjenige, den die besondere Preisbestimmungspflicht trifft und dessen bisherige Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich ist, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Preisbestimmung treffen, die dann selbst der Billigkeit entsprechen muss. In einem Dauerschuldverhältnis mit besonderer Preisbestimmungspflicht besteht sogar eine gesetzliche Verpflichtung hierzu (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass die bisherige Preisbestimmung für die Vergangenheit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB vollkommen unverbindlich bleibt, mit anderen Worten eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB (vgl. BGH VIII ZR 111/02).

Selbstverständlich können vom Versorger alle erfolgten Zahlungen, die wegen §§ 812, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB rechtsgrundlos erfolgten, freiwillig vollständig an die davon betroffenen Kunden ausgekehrt werden.

Aber erklären Sie das mal denjenigen Unternehmen, die eine solche besondere Preisbestimmungspflicht trifft und die bisher unbillige Preisbestimmungen getroffen haben.  

Meine bisherige Erfahrung ist die , dass sich die betroffenen Unternehmen bisher beratungsresistent zeigen.

Aber das muss ja nicht so bleiben, wenn Sie es ihnen erklären.
Schließlich sind Sie der Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger (zur Erbauung: Joh 15).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 14:41:11
Das Problem taucht deswegen auf, weil Sie ja noch immer - in Ablehnung der Preissockelrechtsprechung des BGH - davon ausgehen, dass der gesamte Preis neu bestimmt wird. Unter diesem Blickwinkel sind Phasen der Nichtbestimmung vielleicht problematisch.

Der Preissockel sichert dagegen den bisherigen Preis ab und führt nicht automatisch zu Phasen ohne jedweden Preis.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 14:44:05
Zitat
Original von Black
Das Problem taucht deswegen auf, weil Sie ja noch immer - in Ablehnung der Preissockelrechtsprechung des BGH - davon ausgehen, dass der gesamte Preis neu bestimmt wird. Unter diesem Blickwinkel sind Phasen der Nichtbestimmung vielleicht problematisch.

Der Preissockel sichert dagegen den bisherigen Preis ab und führt nicht automatisch zu Phasen ohne jedweden Preis.

@Black

Damit haben Sie jetzt ganz gewiss nicht Recht.
Es liegt nicht nur an mir.

Es gibt keine Phasen der Nichtbestimmung.

Von Anbeginn an [Inkrafttreten des EnWiG 1935] und zu jeder Zeit haben die gesetzlich dazu verpflichteten Unternehmen (§ 315 Abs. 1 BGB)  besondere Preisbestimmungen getroffen (§ 315 Abs. 2 BGB).

Die zu klärende Frage ist doch jeweils nur, ob die Preisbestimmungen, zu denen die Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind, von diesen entsprechend gesetzlicher Verpflichtung bisher tatsächlich so getroffen wurden, dass sie der Billigkeit entsprechen, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Aufgrund bestehender gesetzlicher Verpflichtung gibt es keinen abgesicherten Sockel (denn siehe: BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26:

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,

Ein solcher geschützter Preissockel wäre sogar gesetzwidrig, habe ich auch Herrn Ball und den Senatsmitgliedern des VIII.Zivilsenats des BGH erst jüngst schreiben müssen.

Sie als Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger sollten es als erster wissen:

Der Rechtsanwender findet in § 315 BGB recht schnell die Notwendigkeit einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Was der Rechtsanwender in der Norm nicht findet, ist ein Preissockel.
Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass ein solcher nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist.
 
Die Norm trifft in § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB vielmehr eine glasklare Unterscheidung, so dass sich die Spreu vom Weizen trennen muss bzw. getrennt werden muss.

Der HERR spricht: \" Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.\" (Mt 3, 12)


Ich bemühe mal die klaren Worte des Bundesgerichtshofes zur eindeutigen Scheidung:

Zitat
BGH X ZR 60/04 unter II 1)

Die ... Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Das ist die reine Lehre, die ihre Stütze vollkommen in der gesetzlichen Regelung selbst findet, § 315 BGB.

Mehr als Euch das Licht zu halten, vermag ich nicht.

Ihr wollt diese klare gesetzliche Regelung auch für Sonderverträge?
Bitte! Liebe Kollegen, wohlan!  

Auch dies stellt der Gesetzgeber für den Bereich der Vertragsfreiheit den Energieversorgungsunternehmen frei.
Es darf bei Abschluss eines Sondervertrages vertraglich vereinbart werden, dass der Versorger den Preis (jeweils) bestimmen soll, hierzu verpflichtet ist.
Dann kommt § 315 BGB auf das betreffende Vertragsverhältnis und die Preisbestimmung des Versorgers (jeweils) unmittelbar zur Anwendung, insbesondere auch und gerade § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Seid Euch nur im Klaren darüber, dass die Preisbestimmungspflicht des Versorgers auch dabei die vertragliche Preishauptabrede ausmacht, es sich nicht etwa um eine Preisänderungsklausel handeln kann.

Aber das wussten Sie als Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger wohl schon längst.
Warum trage ich noch Eulen nach Athen?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: courage am 10. Februar 2011, 17:33:49
Der Unterschied zwischen \"Recht haben\" und \"Recht bekommen\":

\"Recht hat\" sicherlich RR-F-ft; seine Position finde ich nachvollziehbar dargelegt:

Zitat
Original von RR-E-ft
... Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht ist die unbillige Preisbestimmung von Anfang an ohne Weiteres insgesamt unwirksam, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. ...
Was hilft es aber dem Verbraucher, wenn im völligen Gegensatz dazu \"Recht bekommt\", wer als Versorger einfach folgendes behauptet:

Zitat
Ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif wird zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden. (BGH VIII 36/06 vom 13.06.2007)
Bekanntlich unterliegt ein vereinbarter Preis nicht der Billigkeitskontrolle.

Oder anders gesagt: Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Den Versorgern gefällt die Wirklichkeit; sie denken (derzeit noch) nicht daran, den Wunsch ihrer Kunden zu erfüllen; solange sie vom BGH VIII protegiert werden.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 17:42:07
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein solcher geschützter Preissockel wäre sogar gesetzwidrig, habe ich auch Herrn Ball und den Senatsmitgliedern des VIII.Zivilsenats des BGH erst jüngst schreiben müssen.

Pflegen Sie eine private Brieffreundschaft mit Herrn Ball oder habe ich Ihre Zulassung zum BGH Richter verpasst?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 17:44:20
Zitat
Original von courage
Was hilft es aber dem Verbraucher, wenn im völligen Gegensatz dazu \"Recht bekommt\", wer als Versorger einfach folgendes behauptet:

Zitat
Ein von dem Gasversorger einseitig erhöhter Tarif wird zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde die auf dem erhöhten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin Gas von diesem bezieht, ohne die Tariferhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden. (BGH VIII 36/06 vom 13.06.2007)


@courage

Das ist eine Rechtsauffassung (die im Gesetz keinerlei Stütze findet) noch nicht einmal eine zu bestreitende Tatsachenbehauptung.
Der betroffene Kunde sollte tunlichst Preisvereinbarungen auch zu Protokoll bestreiten und angeben, dass ihm weder Angebote angetragen wurden oder zugegangen sind, noch solche von ihm angenommen wurden, §§ 145 ff. BGB.

Es sollte eigentlich selbst der in Finsternis umfangene Blinde mit seinem Krückstock ersehen, dass die vom Versorger gesetzlich geschuldete Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB kein Angebot gem. § 145 BGB darstellt, deren  Wirksamkeit sich vielmehr ausschließlich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB entscheidet und weder eine Verbrauchsabrechnung, noch eine Zahlung darüber entscheidet, was überhaupt vertraglich geschuldet ist, § 812 BGB.
Schon Erstsemester werden im Zivlrecht darüber erleuchtet.

Bekanntlich klaffen die bisherige Rechtsprechung des VIII.Zivilsenats und die materielle Rechtslage auseinander. Wohl wahr.

Der Mensch ist jedoch zur Bekehrung, Umkehr und Buße durchaus imstande.

Ich halte mich weiter an das Wort, das uns der Gesetzgeber gegeben hat.
Ich meine, auch andere müssen sich daran halten.

Der HERR spricht: \"Am Anfang war das Wort.\"  (Joh 1).
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 17:45:27
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Ein solcher geschützter Preissockel wäre sogar gesetzwidrig, habe ich auch Herrn Ball und den Senatsmitgliedern des VIII.Zivilsenats des BGH erst jüngst schreiben müssen.

Pflegen Sie eine private Brieffreundschaft mit Herrn Ball oder habe ich Ihre Zulassung zum BGH Richter verpasst?

Mit wem ich alles gebenedeite Brieffreundschaften pflege, wird hier nicht offenbart. ;)

Der HERR spricht: \"Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat\'s nicht begriffen.\" (Joh 1, 5)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: superhaase am 10. Februar 2011, 18:09:57
@RR-E-ft: ... zu viel \"Pfarrer Braun\" geguckt und \"schon wieder am Kriminalisieren\" unter Einstreuung von Bibelzitaten?  :D
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 18:18:24
@superhaase

Da kennen Sie meine Sehgewohnheiten aber schlecht.  ;)

Ich seh was, was du nicht siehst. (http://www.flickr.com/photos/marcofieber/2982811614/)
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 18:32:54
Dein Trotz und deines Herzens Hochmut hat dich betrogen, weil du in Felsenklüften wohnst und hohe Gebirge innehast. Wenn du denn gleich dein Nest so hoch machtest wie der Adler, dennoch will ich dich von dort herunterstürzen, spricht der Herr.

Jeremia, Kap. 49, Vers. 16
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 18:37:38
@Black

Wurde denn bei Lichte betrachtet schon herausgefunden, ob § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB Teil der gesetzlichen Regelung ist und was diese uns ggf. bedeuten soll?
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: Black am 10. Februar 2011, 18:39:51
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Wurde denn bei Lichte betrachtet schon herausgefunden, ob § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB Teil der gesetzlichen Regelung ist und was diese uns ggf. bedeuten soll?

Das im Streitfall bei unbilliger Festsetzug das Gericht eine billige Festsetzung zu treffen hat.
Titel: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 18:45:08
@Black

Die gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt doch nicht von allein, sondern sie bedarf eines entsprechenden Klageantrages, der die [hier: durch den Versorger] festgestellte Unbilligkeit voraussetzt (so BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

Und bis zur Rechtskraft über diesen Antrag verbleibt es bei § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, so dass bis dahin keine fällige, durchsetzbare  Forderung des Versorgungsunternehmens gegen den Kunden besteht (so BGH X ZR 60/04 unter II. 1).

Und wer als gem. § 315 BGB Leistungsbestimmungsverpflichteter bedingt vorsätzlich mehr zur Abrechnung stellen lässt, als vertraglich überhaupt geschuldet, kann sich wegen Betruges strafbar machen, BGH 5 StR 394/08.

Kein Problem?

Niemand soll sein Licht unter einen Scheffel stellen.

Zitat
Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

Gut erkannt. Darauf muss man die Versorger als deren  Berater  jedoch zwingend hinweisen.  

Und dann:

Der Versorger darf doch mit seinen Abrechnungen gegenüber den Kunden diesen gegenüber nicht weiter eine vertragliche Schuld suggerieren, um diese zu einer - diesen unbekannte -  Zahlung auf eine Nichtschuld zu bewegen oder sogar aufgrund erteilter Einzugsermächtigungen vertraglich  nicht geschuldete Beträge von den Konten der Kunden abbuchen lassen!!!

Die h.M. in diesem Thread geht wohl davon aus, dass der Kunde die Unbilligkeit der Preisbestimmung und in deren zwingender Folge die Nichtschuld gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gar nicht selbst erkennen kann und sich deshalb darauf verlassen können muss, dass der Versorger ihm lediglich tatsächlich geschuldete Beträge zur Abrechnung stellt. Darauf gründet bei Lichte betrachtet aber  gerade wohl auch zutreffend die Rechtsprechung des Strafsenats des BGH 5 StR 394/08.  

Zitat
Die vom Angeklagten zu verantwortende Täuschungshandlung der Berliner Stadtreinigung ist darin zu sehen, dass in ihren an die Zahlungsverpflichteten versandten Abrechnungen stillschweigend die Erklärung enthalten ist, die Abrechnung sei korrekt erstellt worden. Über die sachliche Richtigkeit der Straßenreinigungsentgelte haben die Adressaten der Erklärung geirrt.

Oder fällt das unter die Dinge, über die es aus Gründen der Dokumentenhygiene keine schriftlichen Aufzeichnungen geben darf?
Macht aus Euren Herzen keine gutbezahlte  Mördergrube!

Die Staatsanwaltschaft wird sich wohl die Unternehmensjuristen greifen.
Erst recht, wenn im Konzern klare Verhaltensregeln zur strikten Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen aufgestellt wurden:

BBH-Blog: Unternehmensjuristen in der Zange (http://www.derenergieblog.de/wirtschaftsrecht/unternehmensjuristen-in-der-zange/) (Tatü-ta-ta)

Schreibt doch Brandbriefe an die Vorstände und Geschäftsführer, vorneweg vielleicht Jeremia, Kap. 49, Vers. 16.