Forum des Bundes der Energieverbraucher
Energiepreis-Protest => Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest => Thema gestartet von: RR-E-ft am 29. Mai 2009, 16:41:10
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Pressemitteilung des BGH Nr. 107/09 vom 14.05.2009
VIII ZR 225/07
AG Tiergarten - Urteil vom 12. Dezember 2006 – 6 C 402/06
LG Berlin - Urteil vom 28. Juni 2007 – 51 S 16/07
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen. Der Kläger bezog im Tarif \"GASAG-Aktiv\" Erdgas von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es unter anderem:
\"§ 1 Geltungsbereich
1. (…)
2. Für den Abschluss eines Erdgasversorgungsvertrags mit Sonderpreiskonditionen gelten die nachfolgenden AGB vorrangig. Die Vorschriften der AVBGasV gelten, soweit diese AGB nichts anderes vorsehen, für Kunden mit Sonderpreiskonditionen bzgl. der Preisangebote \"GASAG-Vario\", \"GASAG-Fix\" und \"GASAG-Aktiv\" ergänzend.
(…)
§ 3 Preisanpassungen
1. Der Gaspreis folgt den an den internationalen Märkten notierten Ölpreisen. Insofern ist die GASAG [Beklagte] berechtigt, die Gaspreise vorbehaltlich der Regelungen in §§ 16 bis 19 dieser AGB [diese betreffen den hier nicht einschlägigen Tarif \"GASAG-Fix\"] auch während der laufenden Vertragsbeziehung an die geänderten Gasbezugskosten der GASAG anzupassen. Die Preisänderungen schließen sowohl Erhöhung als auch Absenkung ein.
(…)\"
Die Beklagte erhöhte den Netto-Arbeitpreis im Tarif \"GASAG-Aktiv\" zum 1. Oktober 2005 um 0,5 Cent/kWh auf 4,1 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 um weitere 0,5 Cent/kWh auf 4,6 Cent/kWh. Der Kläger meint, die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel sei unwirksam. Außerdem hielten die Preiserhöhungen einer Billigkeitskontrolle nicht stand. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Erhöhungen der Bezugspreise zum 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 unwirksam seien.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Preiserhöhungen wirksam. Die Beklagte sei zur Preisanpassung gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden*) berechtigt gewesen. Bei dem Kläger handele es sich um einen Tarifkunden, weil die Beklagte den Tarif \"GASAG-Aktiv\" der Allgemeinheit und nicht nur einzelnen Kunden anbiete. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es sich nicht um einen Tarifkundenvertrag handelt, und § 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle nicht standhielte, sei die AVBGasV im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen. Die Preiserhöhungen hielten auch einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB stand, weil die Bezugskosten der Beklagten entsprechend gestiegen seien.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
*Gültig bis 7. November 2006.
Verhandlungstermin: 17. Juni 2009
Beim BGH ist in einem Parallelverfahren weiter die Revision gegen das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 28.10.2008 (21 U 160/06 - Gasag- Sammelklage) anhängig.
Das Kammergericht hatte die Gaspreiserhöhungen der Gasag für unwirksam erklärt, weil die Preiserhöhungsklausel in den AGB unwirksam waren.
Der BGH hat sich in beiden Verfahren u.a. mit der Abgrenzung Sondervertragskunde/ Tarifkunde zu befassen.
Eine ähnliche Klausel wie die Gasag- AGB enthalten die Gaslieferungsverträge der Gaskunden, welche gegen die Gaspreiserhöhungen der E.ON Hanse AG vor dem Landgericht Hamburg eine Sammelklage erhoben haben, über welche noch nicht entschieden ist.
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http://www.energate.de meldet heute, die Berliner Gasag sehe einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Wirksamkeit der streitigen Gaspreiserhöhungen mit Skepsis entgegen.
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..... und wer, wie viele, über keinen login verfügt, noch folgende Ergänzung
Berlin (energate) - Die Gasag AG sieht dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) wegen unklarer Preiserhöhungen mit Skepsis entgegen... 16.06.2009 - 15:10
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Früher zeigte sich die Gasag noch betont optimistisch. Betroffen sein sollen die Verträge von über 300.000 Kunden. (http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/1030/berlin/0028/index.html)
Öffentliche Selbstverpflichtung der Gasag (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/art271,2143890)
Die Verbraucherzentrale Berlin begrüßte das Urteil. „Die Preiserhöhungsklausel ließ der Gasag viel zu viel Spielraum“, sagte Geschäftsführerin Gabriele Francke dem Tagesspiegel. „Für die Kunden ist nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Preise erhöht werden.“ Francke hofft nun, dass das Urteil nicht nur für die Kläger, sondern auch für diejenigen Gasag-Kunden Anwendung findet, die Widerspruch gegen die Preiserhöhung eingelegt haben. Nach Angaben der Gasag gingen insgesamt mehr als 40 000 Beschwerdebriefe ein. „Wenn die Gasag nicht tausende Verfahren am Hals haben will, muss sie das Urteil auch für diese Kunden akzeptieren“, sagte Francke.
Rein rechtlich gesehen besteht darauf zwar kein Anspruch. „Zivilrechtliche Urteile sind nur für die beteiligten Parteien bindend“, sagte eine Gerichtssprecherin. Die Gasag selbst räumte aber ein, dass sie im Falle einer endgültigen Niederlage das Urteil auf alle Kunden anwenden würde. „Falls die Berufung scheitert, würde das Urteil für alle Kunden gelten“, sagte Unternehmenssprecher Klaus Haschker dieser Zeitung. Er halte es außerdem für möglich, dass die Gasag ihre AGB dann ändere. „Darüber kann man nachdenken“, sagte er.
Das Urteil betrifft nur so genannte Sonderkunden. Das sind 340 000 Verbraucher mit den Tarifen Vario, Aktiv oder Fix – in der Regel also solche, die Gas nicht nur zum Kochen, sondern auch zum Heizen oder zur Warmwasseraufbereitung nutzen. Die anderen 300 000 Gasag-Kunden mit dem so genannten gesetzlichen Tarif sind nicht betroffen.
Die Aussage bezieht sich auf das Parallelverfahren [Sammelklage Kammergericht Berufungsurteil vom 28.10.2008 Az. 21 U 160/06, ]
Gasag beabsichtigte mit der Selbstverpflichtung wohl, weitere Kunden davon abzuhalten, auch noch schriftlich Widerspruch einzulegen, was wegen zugesagter Gleichbehandlung nicht nötig sei....
Gasag- Mitarbeiter refererieren in Branchen- Seminaren regelmäßig über Strategie und Tiktak im Umgang mit Kunden und Öffentlichkeit. (http://www.bgw-kongress.de/pdf_veranst/preisaenderungsklauseln_aug.pdf)
Warten wir mal ab, wie der BGH entscheidet.
Ob eine verbraucherfreundliche Entscheidung etwaig einen Autokorso der Berliner auf der \"Straße des 17. Juni\" auszulösen vermochte, ist rein spekualtiv.
Die Frage der Abgrenzung zwischen Tarif- und Sondervertragskunden ist nicht nur für Gasag- Kunden wichtig. Das von der Gasag gebrauchte Argument ist allenthalben in anhängigen Prozessen vorgetragen worden:
Bei dem Kläger handele es sich um einen Tarifkunden, weil die Beklagte den Tarif \"GASAG-Aktiv\" der Allgemeinheit und nicht nur einzelnen Kunden anbiete.
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Verbraucher können hoffen, Urteilsverkündung am 15.07.2009 (http://www.energate.de/news/101543)
Terminsbericht (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=57784#post57784)
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Der VIII. Zivilsenat des BGH hat in der mündlichen Verhandlung am 17.06.2009 zum Verfahren VIII ZR 255/07 zu erkennen gegegeben, dass er der vom LG Berlin (Az. 51 S 16/07) (http://www.raepower.de/Dokumente/20070628_LG_Berlin.pdf) aufgestellten Abgrenzung zwischen Tarifkunden und Sondervertragskunden nicht folgen wird, der betroffene Kläger mit dem Tarif \"GASAG Aktiv\" vielmehr ein Sondervertragskunde ist, so dass es für die Wirksamkeit der Gaspreiserhöhungen entscheidend auf die Inhaltskontrolle einer Preisänderungsklausel nach § 307 BGB ankommen wird, nicht hingegen auf die Billigkeit vorgenommener einseitiger Gaspreisänderungen.
Vorsitzender Ball:
Die in der Pressemitteilung dargestellten Fakten (siehe BGH, VIII ZR 225/07 mündliche Verhandlung am 17.06.2009 (GASAG-Aktiv) Tarifkunde oder Sondervertrag?) werden geschildert.
Der Kunde klagt auf Unwirksamkeit der Preiserhöhungen.
Das Berufungsgericht sah eine Berechtigung zur Preiserhöhung als gegeben, da der Kunde ein Tarifkunde sei. Der Senat bezweifelt dies, da laut AGB jeder mit einem der Tarife \"GASAG Aktiv\", ... einen Sondervertrag habe.
Der Senat bezweifelt auch, dass eine ergänzende Vertragsauslegung seitens des Berufungsgerichts zulässig war.
Falls der Kunde ein Normsonderkunde ist, dann hängt die Wirksamkeit der Preisanpassung davon ab, ob die Klausel das Transparenzgebot einhält.
Das Äquivalenzprinzip müsse beachtet werden. Eine nachträgliche Gewinnsteigerung über die Weitergabe von Kostensteigerungen hinaus darf nicht möglich sein.
Analog zur ENSO-Sache gelte: Das Recht zur Preisänderung OHNE die Pflicht zur Preissenkung benachteiligt den Kunden unangemessen.
Falls die Klausel der Inhaltskontrolle nicht standhält, dann stellt sich die Frage, ob dies durch ein Kündigungsrecht des Kunden ausgeglichen werden könnte. Falls der Kunde nach einer Kündigung zumindest vorübergehend noch den höheren Preis zahlen müsste, so wäre dies sicherlich zu verneinen.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur in Betracht, wenn durch den Wegfall der Klausel den Parteien die Wahrung ihrer Interessen und die Fortführung des Vertrags unzumutbar werden würde. Die Energielieferverträge der GASAG sehen eine Mindestvertragslaufzeit von 12 oder 18 Monaten vor. Ohne wirksame Preisanpassungsklausel wäre der Versorger längstens für diesen Zeitraum an den Lieferpreis gebunden. Es ist fraglich ob dies bereits unzumutbar ist.
Der Senat vermutet, dass die Klausel bereits an der Inhaltskontrolle scheitern wird und es in diesem Prozess auf die Überprüfung der Billigkeit nicht ankommmen wird.
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So lauten die Sonderbedingungen des Tarifs GASAG - Aktiv (http://www.gasag.de/de/y_downloads/pdf_neu/2007/besondere_geschaeftsbedingungen_gasag_aktiv_und_gasag_profi.pdf)
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@tangocharly
Der Link betrifft die Bedingungen der GASAG aus 2007.
Das Verfahren beim BGH betrifft indes die vorhergehenden AGB, deren Preisänderungsklausel nocht etwas anders aussah.
Vorinstanz LG Berlin 51 S 16/07 (http://www.raepower.de/Dokumente/20070628_LG_Berlin.pdf)
Die von dem hier genannten Verfaren am BGH betroffene Klausel ist in der Entscheidung LG Berlin 34 O 611/05 (http://www.verbraucherzentrale-bremen.de/download/energie/lg-berlin-gaspreise.pdf) wiedergegeben.
Fakt ist jedoch, dass es sich um Sonderverträge handelt, was schon daran ersichtlich wird, dass die Erstvertragslaufzeit 18 Monate beträgt und eine Verlängerung um jeweils weitere 12 Monate vorgesehen ist.
In der Grundversorgung hat der Kunde die Möglichkeit, den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Monats zu kändigen. Auch für die GASAG besteht die Möglichkeit, den Sondervertrag ordnungsgemäß zu kündigen, was in der Grundversorgung gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV ausgeschlossen ist. Sonderverträge unterliegen eben - anders als die Grundversorgung - keiner gesetzlichen Versorgungspflicht und den dazu ergangenen gesetzlichen Regelungen.
Das Äquivalenzverhältnis wird auch bei den neuen AGB nicht gewahrt, weil Preiserhöhungen nicht ausschließlich von nachträglichen Kostenerhöhungen abhängig gemacht und nicht auf deren Umfang beschränk werden. Es fehlt spiegelbildlich zudem an einer kontrollierbaren Verpflichtung, nachträgliche Kostensenkungen unverzüglich und vollständig weiterzugeben. Die Gewichtung der einzelnen Kostenbetandteile am Preis werden schon nicht genannt, siehe auch BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08. Das bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erörterung.
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PM des BGH Nr 153/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2009&Sort=3&nr=48640&pos=0&anz=153)
Zunächst zur Abgrenzung Sondervertragskunde/ Tarifkunde
Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nicht unmittelbar nach der - im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen noch geltenden - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur Preisänderung berechtigt, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Der Senat hat entschieden, dass es für die Unterscheidung zwischen Tarifkundenverträgen im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1 Abs. 1 AVBGasV (jetzt Grundversorgungsverträgen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005) und Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden darauf ankommt, ob das Versorgungsunternehmen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften anbietet oder ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit erfolgt. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich eindeutig, dass der Vertrag mit dem Kläger danach als Sonderkundenvertrag einzustufen ist. Eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte hätte deshalb nur auf der Grundlage einer wirksamen Preisanpassungsklausel erfolgen können.
Die Preisänderungsklausel im konkreten Sondervertrag Tarif \"GASAG Aktiv\" war unwirksam, so dass keine einseitige Preisänderung darauf gestützt werden konnte. Soweit so gut.
Ohne, dass es für die konkrete Entscheidung darauf ankam, hat der Senat obiter dicta entschieden:
Nach Auffassung des Senats hält allerdings eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle stand. Den Vorschriften in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV kommt insoweit eine \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" auch im Hinblick auf Preisanpassungsklauseln in Normsonderkundenverträgen zu. Der Gesetzgeber des AGB-Gesetzes (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, jetzt § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB) wollte es den Versorgungsunternehmen freistellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten, weil Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.
Insoweit verkennt die Entscheidung, dass sich § 310 Abs. 2 BGB nicht auf die Transparenz- und Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB bezieht, eine solche deshalb nicht ausschließt (Vgl. BGH Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).
Der weite Spielraum der Billigkeit genügt nicht den Anforderungen an Begrenzung und Konkretisierung, die § 307 BGB erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.04 - KZR 10/03 unter II.6; BGH Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08].
Der Kunde, der die Kosten des Versorgers nicht kennt, hat damit keine reale Möglichkeit einzuschätzen, ob eine gerichtliche Billigkeitskontrolle zur Durchsetzung einer bestehenden Verpflichtung zur Preissenkung Aussicht auf Erfolg hat.
BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 38
Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer.
Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).
Diesen entscheidenden Gesichtspunkt hat der Senat nicht berücksichtigt.
Insoweit steht die Entscheidung wohl im Widerspruch zu allen sonstigen Entscheidungen des BGH zu den Anforderungen, die an die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB nach dem Transparenzgebot zu stellen sind. Eine Rechtfertigung dafür liegt insbesondere nicht in § 310 Abs. 2 BGB, weil sich diese Vorschrift ausdrücklich nicht auf § 307 BGB bezieht.
Der Senat hat damit wohl obiter dicta und ohne Not entgegen dem Gesetzwortlaut für Preisänderungsklauseln in Energie- Sonderverträgen das Transparenzgebot des § 307 BGB aufgehoben.
Das wäre ein Skandal!
Der Senat hätte somit die sog. Normsonderkunden den Tarifkunden praktisch gleichgestellt.
Da hat der Senat wohl obiter dicta contra legem entschieden, wenn er ohne gesetzliche Grundlage das Transparenzgebot des § 307 BGB bei Normsonderverträgen für nicht anwendbar erklärt.
Zugleich verstößt der Senat wohl gegen Denkgesetze, wenn er aus der gesetzlichen Regelung eine Verpflichtung zur Preisabsenkung entnimmt, zugleich jedoch in seinen Entscheidungen vom VIII ZR 36/06 und VIII ZR 138/07 einen vereinbarten Preissockel postuliert, der eine solche Verpflichtung ausschließen soll, weil ein angeblich vereinbarter Preissockel geschützt sein soll.
Besteht ein Recht und eine Pflicht zur Tarifbestimmung und - änderung, ist der jeweils geltende Tarifpreis nicht das Ergebnis einer Preisvereinbarung mit dem einzelnen Kunden, sondern das Ergebnis der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Versorgers, mithin dessen Ermessensentscheidungen, den jeweiligen Tarif zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten. Eine Frage der Logik.
Der Kartellsenat des BGH hatte in der Entscheidung vom 29.04.2008 - KZR 2/07 zutreffend noch darauf verwiesen, dass das nicht näher konkretisierte gesetzliche Tarifbestimmungs- und Tarifänderungsrecht seine Rechtfertigung allein in der bestehenden gesetzlichen Versorgungspflicht finde, was für vereinbarte Erdgas- Sonderpreise jedoch nicht gelten könne.
Es ist vollkommen richtig, dass da wo einen Energieversorger eine gesetzliche Versorgunpflicht (Grundversorgung) trifft, er gesetzlich zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung verpflichtet ist, dafür Allgemeine Preise aufzustellen hat und gesetzlich zur Bestimmung und Änderung dieser Preise gleichermaßen berechtigt und verpflichtet ist, eine gerichtliche Billigkeitskontrolle als Ausübungskontrolle des bestehenden Leistungsbestimmungsrechts gegenüber grundversorgten Kunden stattfindet.
Das obiter dicta des Senats in der heutigen Entscheidung hätte nun etwaig zur Folge, dass eine solche gerichtliche Kontrolle auch bei Sonderverträgen außerhalb jeder gesetzlichen Versorgungspflicht zu erfolgen hätte, wenn nur die Preisänderungsklauseln entsprechend ausgestaltet wären.
Die Gerichte hätten also auch für solche Sonderverträge zu kontrollieren, ob einseitige Preiserhöhungen erforderlich und angemessen waren und ob eine bestehende Verpflichtung zur Preissenkung jeweils ebenso erfüllt wurde undzwar auch dann, wenn die Parteien gerade kein einseitiges Leistungsbestiommungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB bei Vertragsabschluss vereinbart hatten, sondern sich auf einen besonderen Preis bei Vertragsabschluss geeinigt hatten.
Die Gerichte hätten mithin nicht nur die Grundversorgungspreise, sondern auch Sondervertragspreise zu kontrollieren.
Dies liefe aber gerade auch der gesetzlichen Regelung des § 315 BGB zuwider, die eine Billigkeitskontrolle grundsätzlich nur dann zulässt, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss vereinbart haben, ein Vertragsteil solle den zu zahlenden Preis erst nach Vertragsabschluss einseitig bestimmen.
BGH, Urt. v. 19.11.2008 (VIII ZR 138/07) Tz. 16
Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.
Zu einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle ließe sich deshalb nur dann gelangen, wenn die Auslegung ergibt, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss noch nicht auf einen Preis geeinigt haben, vielmehr ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vereinbart wurde. Eine solche wiederum hätte indes eine Gesamtpreiskontrolle zur Folge, die der Senat für Tarifkunden mehrfach abgelehnt hat.
Ich halte mich da weiter an die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009:
Denn in Verträgen mit Verbrauchern sind an die Ausgewogenheit und Klarheit einer Änderungsklausel hohe Anforderungen zu stellen. Klauseln, die dem Verwender eine Preiserhöhung nach freiem Belieben gestatten, sind unwirksam. Die Klausel muss Grund und Umfang der Erhöhung konkret festlegen, so dass der Kunde erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen sich die Preise ändern und nach welchen Kriterien der neue Preis berechnet wird. Außerdem muss verhindert werden, dass der Verwender nachträglich seinen im vereinbarten Preis enthaltenen Gewinnanteil erhöht und damit das Äquivalenzprinzip verletzt wird (BGH NJW-RR 2005, 1717; BGH, NJW 2007, 1054 = sog. Flüssiggasentscheidungen.).
Dieser Beurteilung lässt sich nicht der nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB einzubeziehende Rechtsgedanke entgegenhalten, die Preisanpassungsklausel entspreche dem gesetzlichen Leitbild der §§ 4 Absatz 1 und 2 AVBGasV.
Zwar hat die AVBGasV für die Versorgung von Tarifkunden eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" und verkörpert eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber in dem Tarifkundenbereich getroffen hat mit der Folge, dass sie einen gewichtigen Hinweis darauf enthält, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern zu beachten ist (BGH, NJW 2009, 321 ff.). Ob deswegen eine entsprechend den Regelungen in §§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV gestaltete Preisanpassungsklausel, damit auch eine vertragliche Einbeziehung von § 4 AVBGasV, einer Prüfung gem. § 307 BGB Stand hielte, hat der BGH bisher nicht entschieden (BGH a.a.O., Rz. 21). Die „Leitbildfunktion\" kann jedoch aus Sicht des Senats nur für die Bewertung von Preisanpassungsklauseln von Bedeutung sein, die in Bezug auf Maßstab, Anlass und Umfang einer Preisänderung eine klare und transparente Regelung enthalten. Für die hier entscheidungserhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Preise gegenüber Sonderkunden erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen, gibt das Leitbild keine Antwort.
Obiter dicta sind noch keine Entscheidungen, sondern führen allenfalls in eine obiter dicta- tur.
Wenn der Versorger berechtigt und verpflichtet sein will, nachträgliche Kostenerhöhungen und Kostensenkungen nach gleichen Kriterien weiterzugeben, dann müssen diese Kriterien vorher feststehen und in der Preisänderungsklausel selbst benannt werden, weil sonst nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kriterien nachträglich eine interne Änderung erfahren. Zudem muss auch der Kunde bei Vertragsabschluss entscheiden, ob er mit der Einbeziehung einer solchen Preisänderungsklausel einverstanden ist, § 305 II BGB. Für diese Entscheidung muss die Klausel klar und verständlich sein.
Die Kriterien können und dürfen sich insbesondere nicht erst aus der Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von Tarifpreisänderungen ergeben.
Denn wenn alle weiteren preisbildenden Kostenfaktoren gleich geblieben waren, die Bezugskosten zum Zeitpunkt X um 100 Einheiten gestiegen sind, würde nach der Rechtsprechung des Senats eine Tarifpreiserhöhung zum Zeitpunkt X um 10 Einheiten ebenso der Billigkeit entsprechen wie um 90 oder 100 Einheiten.
Faktisch nicht kontrollierbar.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
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@ RR-Ef-t
Ein Skandal!
Der Senat hat somit die sog. Normsonderkunden den Tarifkunden praktisch gleichgestellt.
..... na darauf können Sie aber Ihren Hut verwetten, dass die Versorger jetzt wieder mit einem neuen fundamentalen Grundsatzurteil des BGH kommen werden .....
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Warum nicht? (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=58757#post58757)
\"Normsondervertrag\"? (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=58762#post58762)
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Ich gehe davon aus, dass die nächsten Streitigkeiten
darüber gehen werden, ob eine Klausel dem
gesetzlichen Preisänderungsrecht entspricht oder nicht.
Die Versorger werden argumentieren:
\"Unsere Klausel sagt, dass wir die Preise ändern dürfen.
Das gesetzliche Preisänderungsrecht besagt,
dass Preise geändert werden dürfen.
Also entspricht unsere Klausel dem gesetzlichen Preisänderungsrecht\".
Der BGH hat in dieser Entscheidung allerdings konkretisiert,
was das gesetzliche Preisänderungsrecht (mindestens)
beinhalten muss:
Die Preisanpassungsklausel der Beklagten enthält aber keine unveränderte Übernahme des Preisänderungsrechts nach § 4 AVBGasV in den Sondervertrag mit dem Kläger, sondern weicht – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – in zweifacher Hinsicht zum Nachteil der Kunden der Beklagten davon ab und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. § 4 AVBGasV ermöglicht die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315; Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07; dazu Pressemitteilungen Nr. 70/2007 und Nr. 211/2008]. Nach der Preisanpassungsklausel der Beklagten ist dagegen eine Preiserhöhung wegen gestiegener Bezugskosten auch dann zulässig, wenn sich deren Kosten insgesamt nicht erhöht haben. Außerdem geht das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV wegen der Bindung an billiges Ermessen mit der Rechtspflicht einher, gefallenen Gasbezugskosten nach gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen (BGHZ 176, 244, dazu Pressemitteilung Nr. 86/2008]. Eine solche Verpflichtung enthält die Preisanpassungsklausel der Beklagten nicht. Danach ist die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach gleichen Maßstäben unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben.
Erstens also muss geregelt sein,
dass eine Kostensteigerung nur dann weitergegeben werden darf,
wenn diese nicht durch rückläufige anderweitige Kosten gedeckt werden kann,
und zweitens muss die Klausel neben der Berechtigung zur Preisanpassung
auch die Verpflichtung zur Preisanpassung enthalten.
Das ginge mE nur, wenn die Klausel lautete:
\"Versorger hat ein Preisänderungsrecht im Sinne der gesetzlichen Regelung\".
Das werden viele Versorger herleiten aus der ergänzenden Bezugnahme
auf die (jeweils gültigen) Allgemeine Versorgungsbedingungen.
Es wird sie nicht stören, wenn dort nur steht:
\"soweit nichts anderes vereibart ist\".
Aus dem logischen Schluss heraus,
dass, wenn die vereinbarte Klausel unwirksam ist,
ja nichts vereinbart ist, und von daher dann auf die
(jeweils gültigen) Allgemeine Versorgungsbedingungen zurückgegriffen werden kann.
Und weiterhin mit dem Argument, dass eine Klausel wie
\"ist berechtigt, die Preise den Bedingungen auf dem Wärmemarkt anzupassen\"
eigentlich in Wahrheit nur so eine Art unverbindlicher
Hinweis auf das in Wahrheit bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht ist.
Und nicht wirklich etwas zu bedeuten hat.
Außer, dass man damit sagen will, dass man gerne ein Preisänderungsrecht hätte.
Und es ein gesetzliches Preisänderungsrecht gibt.
Und von daher die eigene Klausel dem \"Leitbild im weiteren Sinne\" entspricht.
Dass \"im weiteren Sinne\" dann irgendwie so gemeint ist,
dass für den Kunden erkennbar ist, dass Preise geändert werden dürfen.
Was natürlich in der Form alles ziemlicher Dummfug ist.
Aber meine Hand ins Feuer, dass nicht wenige Gerichte dem folgen werden.
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Dass dann, wenn eine besondere Preisänderungsklausel unwirksam ist und in den AGB vorgesehen ist, dass soweit nichts anderes geregelt ist, im Übrigen die Vorschriften der AVBGasV gelten, kein Preisänderungsrecht besteht, ist bereits mehrfach geklärt (BGH KZR 2/07; BGH VIII ZR 274/06; BGH VIII ZR 225/07).
Es mag sein, dass der Senat tatsächlich meint, die Klausel müsse, um einer Inhaltskontrolle standzuhalten, für Preiserhöhungen und Preissenkungen all jene Kriterien berücksichtigen und also benennen und beinhalten, die der Senat für die Preisänderungen gegenüber Tarifkunden aufgestellt hat.
Der Kartellsenat des BGH hatte zudem beanstandet, dass die Revisionszeitpunkte nicht in der Klausel festgelegt waren, so dass es dem Versorger überlassen blieb, wann er seine Preise neu kalkulierte, was die Möglichkeit zur nachträglichen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses eröffnet. Solche vorfestgelegten Revisionszeitpunkte gibt es bei Tarifkunden nicht, was der Kartellsenat durch die gesetzliche Versorgungspflicht als gerechtfertigt ansah.
Eine Klausel, die die o.g. Kriterien benennt und zudem festgelegte Revisionszeitpunkte beinhaltet, könnte dann wegen der Leitbildfunktion einer Inhaltskontrolle standhalten. Auf dieser Linie liegt ja auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2009.
Es ist eine crux mit obiter dicta, die immer zur Rechtsverwirrung beitragen und auch sonst bedenklich sind.
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Original von RR-E-ft
Dass dann, wenn eine besondere Preisänderungsklausel unwirksam ist und in den AGB vorgesehen ist, dass soweit nichts anderes geregelt ist, im Übrigen die Vorschriften der AVBGasV gelten, kein Preisänderungsrecht besteht, ist bereits mehrfach geklärt (BGH KZR 2/07; BGH VIII ZR 274/06; BGH VIII ZR 225/07).
Ja, beim BGH vielleicht,
in den Köpfen so mancher Richter aber nicht.
Ich erinnere hier an das Urteil des LG Itzehoe,
hier entschied immerhin der Vizepräsident des LG.
Und zwar wie folgt:
Die Klausel lautet:
(Versorgerin) ist berechtigt,
ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen.
Im Übrigen erfolgt die Gaslieferung ... nach der Verordnung über
allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVB/GasV)
vom 21. Juni 1997 ... in der jeweils gültigen Fassung.
Bei Widersprüchen haben die Bestimmungen dieses Vertrages Vorrang.
So noch extra im Urteil zusammengefasst.
Und nun im O-Ton:
\"Die Beklagten (er meint wohl die Parteien) haben unter Ziffer 3 des Sondervertrages vereinbart, dass die Beklagte (Versorgerin) berechtigt sei, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen, und unter Ziffer 4 bestimmt, dass \"im Übrigen\" die Gaslieferung nach der AVB/GasV erfolge. Die Preisanpassungsklausel ergibt sich folglich aus Ziffer 3 des Sondervertrages. Die Beklagte ist jedoch durch den Übergang zu Ziffer 4 mit der Formulierung \"im Übrigen ... gilt die AVB/GasV\" hinsichtlich des vorgesehenen Preisanpassungsrechts von dem Leitbild der AVB/GasV nicht abgewichen, sondern hat damit klargestellt, dass die Preisanpassung unter Zugrundelegung der AVB/GasV zu erfolgen hat.\"
Die Berufungsbegründung ist mittlerweile beim OLG Schleswig eingegangen,
wir sind gespannt, wie das OLG das sieht.
Und genau diese Schiene (und Schlimmeres) erwarte ich in Zukunft.
Nicht weil mir das Spass macht oder ich das gar so sehe.
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Die BGH- Entscheidung ist nunmehr veröffentlicht (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&client=3&nr=48864&pos=0&anz=1)
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Wichtig erscheint mir der Umstand, dass der BGH in dieser Entscheidung Gelegenheit fand, sich mit dem Verhältnis >Tarifkunde< >Sondervertragskunde> >Normsondervertragskunde< zu befassen.
Dabei kam die insoweit grundlegende Entscheidung des BGH vom 12.12.1984 (Az.: VIII ZR 295/83) wieder ins Spiel, die sich mit der Veröffentlichung der Tarife und einer etwaigen Qualifizierung hierdurch befaßt hatte (jedoch Einiges offen ließ):
Tz.: 13
Der Senat hat unter Geltung von § 6 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz - EnWiG) vom 13. Dezember 1935 für die Abgrenzung zwischen Tarifkundenverträgen und Sonderkundenverträ-gen ausgesprochen, dass unter einem Tarif dasjenige Preisgefüge zu verste-hen ist, zu dem sich ein Versorgungsunternehmen öffentlich erbietet, im Rah-men seiner aus § 6 EnWiG folgenden Verpflichtung jedermann an sein Versor-gungsnetz anzuschließen und zu versorgen (Senatsurteil vom 12. Dezember 1984 - VIII ZR 295/83, WM 1985, 431, unter I 2). Dabei hat er der Veröffentli-chung der Vertragsmuster indizielle Bedeutung für den Willen des Versor-gungsunternehmens beigemessen, die darin enthaltenen Bedingungen der All-gemeinheit und nicht nur einzelnen Abnehmern anzubieten; er hat jedoch offen gelassen ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen veröffentlichte Ver-tragsmuster letztlich als Tarife behandelt werden müssen (aaO).
Was der BGH allerdings aus der früheren BTO-Gas heraus liest .....
Tz.: 15
Nach der Bundestarifordnung Gas (aufgehoben mit Wirkung vom 29. April 1998 durch Art. 5 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998, BGBl. I S. 730) waren die Versor-ger zwar verpflichtet und nach der Bundestarifordnung Elektrizität (aufgehoben mit Wirkung vom 1. Juli 2007 durch Art. 5 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005, BGBl. I S. 1970) jedenfalls berechtigt, zur Erfüllung ihrer Versorgungspflicht nach § 6 EnWiG, an dessen Stelle zunächst § 10 EnWG 1998 und nunmehr § 36 EnWG 2005 getre-ten sind, mehrere Allgemeine Tarife (Kleinverbrauchstarif und Grundpreistarif, Pflichttarif und Wahltarife) anzubieten.
...... gibt allerdings der Wortlaut der BTO-Gas (BGBl I, 1959, 46 - Nr. 7 vom 25.02.1959) (http://www.bgbl.de/Xaver/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl)jedoch nicht her.
Die Pflichttarife waren in § 1 BTO-Gas geregelt. Diese gesetzlich definierten \"Pflichttarife\" unterschieden sich gem. § 3 BTO-Gas in den \"Kleinverbrauchstarif\" und gem. § 4 BTO-Gas in den \"Grundpreistarif\".
Daneben existierte kein gesonderter \"Wahltarif\" (wie vom BGH zitiert), sondern wurde dem Verbraucher das Recht zur Wahl zwischen den beiden genannten Pflichttarifen eingeräumt (§ 2 BTO-Gas).
Wenn man dies so unbedarft liest, dann kommt doch schnell (aus Versorgersicht) der Gedanke auf, dass bei der \"Fülle von Allg. Tarifen\" - so wie der BGH dies aneinander reiht -, alles was von Seiten des EVU an Tarifen veöffentlich wurde, automatisch \"Allgemeiner Tarif\" sein muß (Umkehrung der Indizrechtsprechung des VIII. Senats im Urteil vom 12.12.1984 - s.o.).
Liest man dann die Entscheidung vom 15.07.2009 weiter, dann wird schnell deutlich, dass der VIII. Senat versucht seine frühere Entscheidung vom 12.12.1884 weiter zu denken.
Denn
Tz.: 17
b) Welche Art von Vertrag vorliegt, muss demnach durch Auslegung er-mittelt werden. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 1 der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen der Beklagten eindeutig, dass es sich bei dem Angebot \"G. -Aktiv\" nicht um ein Angebot zum Abschluss eines Tarifvertrages im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG 1998 (Grundversorgungsvertrages nach § 36 Abs. 1 EnWG 2005), sondern um ein (an Haushaltskunden gerichtetes) Ange-bot zum Abschluss eines Sondervertrages handelt. Nach § 1 Nr. 1 der Allge-meinen Geschäftsbedingungen beliefert die Beklagte jeden Kunden als Tarif-kunden auf der Grundlage der AVBGasV, \"der faktisch Gas aus dem Versor-gungsnetz (…) entnimmt, ohne zuvor (…) einen Erdgasversorgungsvertrag zu Sonderkonditionen abgeschlossen zu haben\". Demgegenüber gelten gemäß § 1 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Abschluss eines Erd-gasversorgungsvertrages mit Sonderpreiskonditionen vorrangig die Allgemei-nen Geschäftsbedingungen. Der vom Kläger gewählte Tarif \"G. -Aktiv\" wird ausdrücklich als Preisangebot mit Sonderpreiskonditionen benannt, für das in den §§ 14 und 15 weitere \"Besondere Geschäftsbedingungen\" formuliert sind.
.... damit hat das Weiterdenken des VIII. Senat auch in dieser hochspannenden Frage wieder zu den Interpretationsmechanismen der Rechtsgeschäftslehre geführt, welche von den \"unteren Instanzen\" gerne mit einigen wenigen Federstrichen vom Tisch gewischt wird (\"... und so schließt der Jurist messerscharf : Was nicht sein kann, nicht sein darf\").
Doch warum ist der VIII. Senat in dieser Frage wieder auch auf halbem Weg stehen geblieben, wenn er doch gerne mit orbiter dicta arbeitet ?
In dieser spannenden Frage steckt schließlich mehr drin, als das was auf irgendwelchen Tarifveröffentlichungen, Angeboten, etc. drauf steht !
Immerhin hat diese Frage schon einmal den Bundesfinanzhof beschäftigt (Urteil vom BFH-Urteil vom 31.7.1990 (I R 171/87) BStBl. 1991 II S. 315 (http://http://www.bfh.simons-moll.de/bfh_1991/XX910315.HTM)). In dieser Entscheidung befaßte sich der BFH mit dem Urteil des BGH vom 12.12.1984 (s.o.) und mit den Pflichttarifen der BTO-Gas. Der Sachverhalt dort lag in etwa so:
Mit Kunden, die Gas zu dem Tarif ZH 1 beziehen wollten, wurden regelmäßig gleichlautende (standardisierte) Verträge, sogenannte Sonderabkommen ZH 1, geschlossen. Jedoch wurde auch nicht selten der Tarif ZH 1 bei Kunden angewandt, mit denen ein solches schriftliches Sonderabkommen nicht getroffen worden war. Andererseits berechnete die Klägerin bei Kunden, mit denen ein solches Sonderabkommen getroffen worden war, nicht den Tarif ZH 1, sondern den Tarif H II, wenn dies für den Kunden günstiger war.
Warum lag nach Auffassung des BFH damals in dem Tarif ZH1 kein \"Allgemeiner Tarif\" vor, obgleich er veröffentlicht gewesen war ? Die Antwort gibt der BFH wie folgt:
Als Allgemeiner Tarifpreis ist nur der Tarif anzusehen, mit dem das Energieversorgungsunternehmen seiner Verpflichtung gemäß § 6 Abs. 1 EnWG nachkommt; dies ist im Streitfall nur hinsichtlich der Kleinverbrauchstarife für Haushaltsbedarf und Gewerbe und der Grundpreistarife für Haushaltsbedarf und Gewerbe der Fall. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach dem Tarif ZH 1 auch mit Kunden abrechnete, die kein Sonderabkommen abschlossen. Es handelt sich insoweit um ein Zugeständnis der Klägerin innerhalb des Allgemeinen Tarifs, das den Tarif ZH 1 nicht insgesamt zu einem Allgemeinen Tarif machte.
Der Terminus \"Zugeständnis\" deutet auf die Gestaltungsform der freien vertragsrechtlichen Basis hin, welche auch vom VIII. Senat am 15.07.2009 betont wird. Doch der Bundesfinanzhof geht in seinen Überlegungen noch weiter, um sich dem Verdacht der reinen Förmelei zu entziehen. Er führt weiter aus, indem er auf Ziffer 17 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zur Konzessionsabgabenordnung und zu ihrer Ausführungsanordnung vom 17. Februar 1943 (Mitteilungsblatt des Reichskommissars für die Preisbildung 1943 S. 228 ) verweist:
Danach gelten als Entgelte für Lieferungen aus Sonderverträgen Entgelte für Lieferungen, deren Preisstellung sich zwar an die Allgemeinen Tarifpreise anlehnt, bei denen jedoch wegen der Besonderheit der Abnahmeverhältnisse ein Nachlaß auf die Allgemeinen Tarifpreise eingeräumt ist (vgl. auch Eiser/Riederer/Obernolte, Energiewirtschaft, Kommentar, § 6 EnWG I Anm. 4 b).
Ein Blick zurück auf den Sachverhalt der Entscheidung des BFH zeigt, dass auch im dort entschiedenen Fall der Kunde \"halt einfach so eingestuft wurde, wenn dies für den Kunden günstiger war\" (kömmt doch irgendwie bekannt vor - gell).
Das entscheidende Argument - das die Sache auf den Boden derjenigen das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschenden Grundsätze zurück bringt - folgt sodann auf dem Fuße:
Für die Ansicht des Senats ist entscheidend, daß im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf die Regelungen in der KAE abgestellt wird. Es soll damit verhindert werden, daß die von den Sonderabnehmern bezogenen Roheinnahmen unverhältnismäßig hohe Unkosten und Konzessionsabgaben auslösen.
Wer wollte bei all den \"grundversorgten Haushaltskunden mit Gasabnahmen von 35.000 bis 70.000 kWh bestreiten, dass deren Einordnung in die Grundversorgung und der hierdurch ausgelösten Höhe der Konzessionsabgabe, im Verhältnis zur Höhe der Konzessionsabgabe eines Sondervertragskunden, eine unverhältnismäßig höhere Kostenbelastung auslöst.
Ich wünsche mir, dass endlich ein \"Unterrichter\" einmal soviel Zivilcourage aufbringt, um diese Frage urteilsmäßig durchzudeklinieren, damit sich der VIII. Senat einmal mit der Frage befasst, ob das EVU Haushaltskunden nicht nur Sonderkonditionen anbieten darf, sondern dazu nachgerade verpflichtet ist (§ 2 Abs. 1 EnWG).
Dass diese Konzessionsabgaben irgendwo versacken, ist schon Skandal genug. Dass aber, so wie unlängst geschehen, das Amtsgericht Ravensburg auch noch Sheriff von Nottingham spielen muß und den dezidierten \"Sonderkundentarif\" schlicht zur Grundversorgung umpolt, ist zuviel des Guten. Ja Sherwood-Forrest scheint wohl überall möglich.
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Anmerkung Schwintowski (http://www.ewerk.hu-berlin.de/Ewerk/Rechtsprechung/Preisanpassungsklauseln%E2%80%93auf_dem_Weg_zum_Grossen_Senat_des_BGH)
Siehe auch Anmerkung Markert in ZNER 2009, 193 (198 ff.).
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Hierzu siehe auch posting vom 23.11.2009 (Markert) (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=65602#post65602)
Das, was Schwintowski hier beschreibt (andere Senate setzen sich mit dem VIII. nicht auseinander), erscheint angesichts der Entscheidung des II. Senats vom 02.09.2009 nicht unbedingt mehr in einem neuen Lichte.
In der Entscheidung des II. Senats (Az.: II ZB 35/07) lag der Fall allerdings noch weit eklanter so, nämlich dass harsche Kritik an der Rechtsfindung des VIII. Senats geübt wurde. Dort war der II. Senat nur deshalb nicht gezwungen den Großen Senat anzurufen, weil doch tatsächlich der Gesetzgeber (§ 15a RVG) zwischenzeitlich tätig geworden war (!) und der Entscheidungslage des VIII. Senats den Boden entzogen hatte.
Was Schwintowski nicht erwähnt ist, dass auch der Kartellsenat des BGH (29.04.2008, Az.: KZR 2/07, Tz. 25, 26) in der Leitbildfrage grundsätzlich gegen den VIII. Senat steht (\"Leitbild im weiteren Sinne\").
Der Begriff des \"Leitbildes\" besitzt leider eine fatale Wirkung, weshalb er eigentlich untauglich ist, das Verhältnis zwischen Sonder- und Tarifkunden zu definieren.
Denn es geht nicht um diese Differenzierung, sondern um die Frage der Klauselwirksamkeit gem. § 307 BGB. Wird mit der Klausel vom \"Leitbild\" gesetzlicher Bestimmungen zum Nachteil des Kunden abgewichen (§ 307 Abs. 3 BGB), dann indiziert dies die Rechtsfolge.
Mit Nichten ist das \"Leitbild\" des VIII. Senats ein Allheilmittel für allweilige Klauseln. Erst die Backform formt den Kuchen und nicht der Teig (oder anders ausgedrückt kommt es auf die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen an - so ausdrücklich der Kartellsenat (Tz. 25, 26). Und das Tarifkundenverhältnis ist vom Kontrahierungszwang geprägt, im Gegensatz zum Sonderkundenvertragsverhältnis.