Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest => Thema gestartet von: RR-E-ft am 28. Mai 2008, 14:11:35

Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 28. Mai 2008, 14:11:35
Verhandlungsbericht vom 28.05.2008 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=43316#post43316) (schneller als die Feuerwehr, vielen herzlichen Dank!)

Pressestimmen:

BGH denkt neu nach, noch nichts zementiert (http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=24267)

BGH für eingeschränkte Billigkeitskontrolle (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Bundesgerichtshof-Gaspreise;art271,2539557)

BGH erscheint Kontrolle der Gastarifpreise kaum machbar. (http://www.handelsblatt.com/News/Recht-Steuern/Meldungen/_pv/_p/204886/_t/ft/_b/1435345/default.aspx/bgh-kontrolle-von-gastarifen-kaum-machbar.html)

Hintergrund:

Ein Gastarifkunde vereinbart bei Vertragsabschluss keine für alle Zeit geltende Entgelthöhe.

Die vom Tarifkunden zu zahlenden Entgelte wurden nach Vertragsabschluss durch das Versorgungsunternehmen gem. § 4 AVBGasV einseitig festgesetzt.

Dabei war eine Entgeltneufestsetzung \"über Nacht\" durch Veröffentlichung in der Tagespresse branchenüblich.

Wer also am 30.08.2004 einen Tarifvertrag abgeschlossen hatte, konnte also von einer am 31.08.2004 veröffentlichten Tarifneufestsetzung zum 01.09.2004 betroffen sein, ohne dass er deren Erforderlichkeit und Angemessenheit einschätzen konnte.

So hatte etwa die Oldenburger EWE zum 01.09.2004 die Gastarifpreise um über 12 Prozent erhöht. Dabei wurden gegenüber einzelnen Tarifkunden durch Auhebung der bisherigen Allgemeinen Tarife Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G durch einen einheitlichen Basistarif BT  neben den Arbeitspreisen auch die Grundpreise neu festgelegt. Ob zu recht oder nicht, konnte kein betroffener Tarifkunde erkennen.

Die Höhe der vom Tarifkunden zu zahlenden Entgelte stand also nicht kraft Vereinbarung für beide Vertragsteile bindend fest, sondern  hing somit jederzeit von der Ermessensentscheidung des Versorgers ab, die Entgelte nach Vertragsabschluss zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten.

All diese Ermessensentscheidungen, ob und ggf. in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Entgelte neu festgsetzt werden, müssen der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, weil der willkürlichen Ausübung der eingeräumten und unzweifelhaft bestehenden  Rechtsmacht sonst Tür und Tor geöffnet wären. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist die Kehrseite eines im konkreten Vertragsverhältnis bestehenden einseitigen Leistungsbetimmungsrechts gem. § 315 Abs. 1 BGB.

Das entsprechende einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers folgt aus § 4 AVBGasV.

Eine Erhöhung der Entgelte nach Vertragsabschluss entspricht der Billigkeit, wenn der Versorger nur zwischenzeitlich (insgesamt) gestiegene Kosten, die ihm bei der Belieferung der Tarifkunden entstehen, auf die Tarifkunden weitergewälzt hat (BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06).

Der Kartellsenat des BGH hat festgestellt, dass im Falle eines gesetzlichen einseitigen Leistungsbestimmunsgerchts die Entgelte vom Energieversorgungsunternehmen unter Beachtung der energiewirtschaftlichen Bestimmungen zu bilden sind (Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06).

Der Kartellsenat des BGH hat weiter festgestellt, dass es gegenüber Gastarifkunden gerade auch der Billigkeit entsprechen kann, die Entgelte bei rückläufigen Kosten abzusenken. Eine entsprechende Verpflichtung zur Entgeltabsenkung folge bereits aus dem Gesetz (Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und BGH- PM Nr. 86).

Demnach kann eine der Billigkeit entsprechende Entgeltfestsetzung gegenüber einem Tarifkunden es auch erfordern, das Entgelt unter die bei Vertragsabschluss geltende Entgelthöhe abzusenken, nämlich dann, wenn seit Vertragsabschluss die Kosten des Versorgers zwischenzeitlich rückläufig waren.

Der Senat ist ersichtlich bemüht, Grundsätze für eine Billigkeitskontrolle der Gastarifpreise aufszustellen. Nach Gerichtsverfassungsgesetz und Zivilprozessordnung gehört es schon nicht zu den Aufgaben des Revisionsgerichts, Grundsätze zur inhaltlichen Billigkeitskontrolle aufzustellen. Die  Billigkeitskontrolle ist vornehmliche Aufgabe der Tatsacheninstanzen und unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Kontrolle (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Rn. 21):

Zitat
Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301). Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/ Rieble aaO Rn. 302).

Mit seinem Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 scheint dem Senat nun die von ihm angestrebte Aufstellung entsprechender Grundsätze wohl selbst auch noch nicht gelungen zu sein.

Der Kartellsenat hatte zutreffend festgestellt, dass es bei der Billigkeitskontrolle in Form Allgemeiner Tarife einseitig festgesetzter Entgelte  zu willkürlichen Zufallsergebnissen führen muss, wenn man die einheitliche Preisvereinbarung  künstlich in einen \"vereinbarten\" Anfangspreis und in einseitig festgesetzte Folgepreise aufspaltet (Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04).

Diese Gefahr besteht nach den bisher vom Senat aufgestellten Grundsätzen tatsächlich, wie ein fiktiver Fall hoffentlich eindrucksvoll belegt:

Zitat
Ein Gastarifkunde habe seinen Vertrag ab 02.01.20004 abgeschlossen.

Die dem Versorger durch die Belieferung entstehenden Kosten sind zum 01.04.2004 um 0,3 Ct/ kWh, zum 01.07.2004 um 0,8 Ct/ kWh, angestiegen, zum 01.10.2004 um 0,2 Ct/ kWh gesunken.

Der Versorger nahm diesen zwischenzeitlichen (für ihn unvermeidbaren)  Kostenanstieg zum Anlass, die Entgelte gegenüber seinen Tarifkunden zum 01.11.2004 um 0,8 Ct/ kWh anzuheben.

Diese Entgeltneufestsetzung entspricht gegenüber dem vorgenannten Tarifkunden, der den Vertrag am 02.01.2004 abgeschlossen hatte, somit der Billigkeit.

Die gleiche Entgeltneufestsetzung gilt jedoch auch für einen Tarifkunden, der seinen Vertrag erst am 15.09.2004 abgeschlossen hat.

Diesem gegenüber kann der Versorger sich indes gerade nicht darauf berufen, dass sich seine Kosten seit Vertragsabschluss entsprechend erhöht hätten. Denn die Kosten waren seit Vertragsabschluss mit diesem Kunden sogar rückläufig !

Somit wäre die Billigkeit ein und der selben einseitigen Entgeltneufestsetzung gegenüber verschiedenen Tarifkunden des Versorgers (abhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) unterschiedlich zu beurteilen, obschon der Versorger von allen Tarifkunden die gleichen (ausdrücklich) Allgemeinen Tarife verlangen muss.

Wenn beide Tarifkunden aus dem fiktiven Fall (die selbstredend die tatsächliche Kostenentwicklung des Versorgers gar nicht kennen können) gleichermaßen wegen der Unbilligkeit der Entgeltneufestsetzung zum 01.11.2004 geklagt hätten, so fiele das Ergebnis aus deren Sicht - bei Zugrundelegung der bisherigen Grundsätze aus dem Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 - vollkommen zufällig und willkürlich aus.

Womöglich könnte man in einer Würfelbude auf dem Jahrmarkt den Ausgang vorher besser abschätzen. So darf es jedoch gerade nicht sein.

Entgegen anderlautenden Pressestimmen betrifft das Verfahren VIII ZR 138/07 nicht die Klage eines Kunden der Stadtwerke Dinslaken, sondern eine Zahlungsklage der Stadtwerke Dinslaken, mit denen die erhöhten Tarifpreise eingefordert werden, die der Kunde insgesamt als unbillig gerügt hat.

Streitgegenstand ist deshalb nicht die Billigkeit einer einzlenen Erhöhung, sondern der Zahlungsanspruch des Versorgers und dabei incident die Billigkeit der von diesem einseitig erhöhten Tarife.

Sowohl der von einseitigen Tarifneufestsetzungen betroffene Tarifkunden wie auch das im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht Tarifkunden beliefernde Versorgungsunternehmen muss ein gewisses Maß an Rechtssicherheit erwarten können.

Für die gerichtliche Entgeltkontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB ist lediglich erforderlich, dass einem Vertragsteil hinsichtlich der Entgelthöhe ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Auf eine Monopolstellung oder Angewiesenheitslage des anderen Vertragsteils  kommt es dabei überhaupt nicht an.

Ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Entgelthöhe wurde den Gasversorgern gegenüber Tarifkunden gem. § 4 AVBGasV durch den Gesetzgeber eingeräumt (zutreffend LG Duisburg, Urt. v. 10.05.2006).

Man wird gesetzlich versorgungspflichtigen EVU auch weiterhin nicht das einseitige Entgeltfestsetzungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB  hinsichtlich Allgemeiner Tarife absprechen können, welches dazu führt, dass sich der betroffene Kunde gegenüber der einseitigen Leistungsbestimmung auf § 315 Abs. 3 BGB berufen kann.

Fraglich ist nur, wie man die Billigkeit einer einseitigen Entgeltneufestsetzung bzw. das Festhalten an einer bestehenden Tarifpreisfestsetzung (= Unterlassen einer Entgeltneufestsetzung) bzw. die Billigkeit eines aktuell einseitig  festgesetzten Tarifpreises beurteilen soll.

Sowohl eine Tariferhöhung, die über einen tatsächlichen Kostenanstieg hinausgeht, als auch eine unterlassene Tarifherabsetzung bzw. eine Tarifherabsetzung, die hinter einer eingetreten Kostenabsenkung zurückbleibt, führt zur Erhöhung des in den Tarif einkalkulierten Gewinnanteils und ist somit unbillig.

Hat das Versorgungsunternehmen nach der Rechtsprechung des Kartellsenats bei der Preisbildung die energiewirtschaftlichen Bestimmungen zu beachten, so kommt es vornehmlich auf die gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung gem. § 1 EnWG an (vgl. auch § 2 Abs. 1 EnWG).

Dies schließt notwendig eine Kosten- und Gewinnkontrolle ein.

Eine Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Entgelte erfordert immer die Abwägung der naturgemäß gegenläufigen Interessen beider Vertragspartner (BGH, Urt. v. 18.10. 2007 - III ZR 277/06 Tz. 20).

Der Kunde hat durch die einschlägigen energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen ein rechtlich anerkanntes Interesse an einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung, welche bei der einseitigen Entgeltfestsetzung durch ein EVU zu beachten ist (vgl. BGH NJW-RR 1992, 183).

Welches berechtigte Interesse des Versorgungsunternehmens hiergegen abzuwägen ist, muss ggf. geklärt werden.

Bisher ging die Rechtsprechung davon aus, dass ein EVU ein Interesse an der Deckung der allgemeinen und besonderen Kosten hat, die ihm bei der Belieferung entstehen, und ihm darüber hinaus auch ein angemessener Gewinn zusteht, aus dem es notwendige Investitionen bestreiten und das eingesetzte Kapital verzinsen kann. Damit würde den Interessen eines zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung verpflichtetem EVU Rechnung getragen (BGH, NJW-RR 1992, 183).

Fraglich, ob man einem gesetzlich versorgungspflichtigem EVU dieses Interesse neuerdings absprechen kann. Dies erscheint sehr zweifelhaft.

Dazu käme es jedoch wohl, wenn nicht auf die konkrete Preis- und Kostenkalkulation des einzelnen gesetzlich versorgungspflichtigen EVU abgestellt würde.

Soweit der VIII. Zivilsenat die Beachtung energiewirtschaftsrechtlicher Bestimmungen ausblenden wollte, würde er - im Widerspruch zur Rechtsprechung des Kartellsenats - wohl den eindeutigen Willen des Gesetzgebers sehenden Auges untergraben.

Die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG liefe praktisch leer. Zudem wären keine Interessen der Vertragspartner greifbar, die bei einer einseitigen Leistungsbestimmung des EVU notwendig gegeneinander abzuwägen wären.

Schließlich sind die notwendigen und angemessenen Gewinne des Versorgers (Verzinsung des eingesetzten Kapitals) bereits in den (von den Regulierungsbehörden deutlich abgesenkten) Netzkosten kalkulatorisch enthalten. Die behördlich genehmigten Netzentgelte tragen auch allen unternehmensindividuellen Besonderheiten Rechnung.

Gerade weil die behördlich genehmigten Netzkosten den unternehmensindividuellen Besonderheiten Rechnung tragen, diese Kosten die örtlichen Gaspreise maßgeblich beeinflussen, ist es unmöglich, auf einen Vergleich der Tarifpreise anderer Gasversorger abzustellen, deren Kosten sich insoweit schon völlig anders darstellen.

Im vollkommenem Wettbewerb entspricht der Preis den Grenzkosten.
Einen Unterschied zwischen Kostenpreis und fiktivem Wettbewerbspreis gibt es deshalb eigentlich gar nicht.

\"Als Marge wird der Gewinn pro Mengeneinheit verstanden. In einem wettbewerbsintensiven Markt konvergiert dieser Gewinn gegen null.\" [vgl. Pilgram in: Zenke/ Wollschläger, § 315 BGB, Streit um Versorgerpreise, S. 138].

Für den Gashandelsbereich (Vertrieb) als solchen braucht also kein mit den Tarifpreisen abzudeckender  Gewinn übrig bleiben, wenn nur die behördlich regulierten Netzkosten abgedeckt sind, ggf. auch Vertriebskosten (einschließlich auf den Gasvertrieb geschlüsselte Overhead- Kosten eines Mehrspartenunternehnens).

Die behördlich genehmigten Netzkosten (Entgelte) sind veröffentlichungspflichtig und stellen deshalb schon keine Betriebsgeheimnisse dar.

Die gerichtliche Gewinnkontrolle, die den Senat umzutreiben scheint, ist deshalb wohl ein Scheinproblem.

Die durch die Regulierung deutlich abgesenkten Netzkosten würden schließlich nicht an die Tarifkunden weitergegeben und auch dadurch der eindeutige Wille des Gesetzgebers sehenden Auges untergraben.

Schließlich kann nicht auf die Preisentwicklung alternativer Energieträger abgestellt werden:

Nach Aussage des BDEW gegenüber der Süddeutschen Zeitung - dort berichtet am 30.04.2008 - sind die meisten der 1,8 Millionen Gaskunden, die mit Gas heizen, Sondervertragskunden.

Bei Sondervertragskunden besteht jedoch regelmäßig schon kein einseitiges Leistungbestimmungsrecht, so dass sich die Frage der Billigkeitskontrolle gar nicht erst stellt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).

Die bis 1998  in der BTOGas geregelten Gastarife Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G betreffen in der Regel Tarifkunden, die Gas nur zum Kochen oder zum Kochen/ Warmwasseraufbereitung bei einem Jahrsesverbrauch unter 10.000 kWh einsetzen.

Gerade in diesem Anwendungsbereich kommt seltenst Heizöl, Fernwärme oder Kohle zum Einsatz.

Den Verbraucher, der mit Heizöl oder Fernwärme kocht, mit Kohle oder Heizöl ausschließlich Warmwasser aufbereitet, wird man erst noch zu suchen haben, um ihn dann ggf. nach der Entwicklung seiner Kosten zu befragen. Schlimm, wenn man dann an einen Verbraucher gerät, der seinen rustikalen Badeofen nur mit getrockneter Borke oder Torf befeuert.

Bei Heizölpreisen gibt es schon keine verbrauchsunabhängigen Grundpreise. Die Preisbildung folgt völlig anderen Regeln (OLG Dresden, RdE 2007, 58; Lutz, RdE 2000, 62).

Die Gaspreise werden hingegen maßgeblich durch die mit den Preisen abzudeckenden behördlich genehmigten Netzentgelte sowie durch die auf den Preisen lastenden Steuern und Abgaben (Energiesteuer, Konzessionsabgabe) beeinflusst.

So mögen die Heizölpreise eine zwischenzeitliche Hochpreisphase erfahren, die Mehrheit der gut bevorateten Heizölnutzer diese jedoch boykottieren, in dem sie gar kein Heizöl zu diesen angebotenen  Preisen kaufen.... Dass Heizölpreise sich zudem nicht im freien Wettbewerb bilden, sondern maßgeblich durch das OPEC- Preiskartell beeinflusst werden, ist allgemein bekannt.

Es gibt ersichtlich nur einen objektiven Wert, den man heranziehen könnte:

Die nominale Veränderung der Erdgasimportpreise (Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze) nach den monatlichen Veröffentlichungen des BAFA.

Besteht ein wirksamer Wettbewerb, so können sich die Bezugskosten der Versorger nominal nicht stärker erhöhen als der Wert der überwiegend importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze.

Zudem würden sich bei wirksamen Wettbewerb die Erdgasbezugspreise aller Versorger auf einem vorgelagerten Beschaffungsmarkt  über Angebot und Nachfrage bilden ud entsprechen. Sie wären somit marktöffentlich und könnten allein deshalb keine Geschäftsgeheimnisse eines einzelnen Unternehmens darstellen.

Der nominale Anstieg der Erdgasimportpreise seit 2003 in Ct/ kWh ist bei den Gas- Haushaltskunden am Ende der Lieferkette jedoch  mit dem Faktor 2 angekommen.

Es darf zu keinen  Wertungswidersprüchen zwischen der Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Gastarifpreise für Gaslieferungen an Haushaltskunden  und deren kartellrechtlicher Preishöhenkontrolle gem. § 29 GWB führen, die auch eine Kosten- und Gewinnkontrolle einschließt.

Und dabei ist offensichtlich, dass ein gem. § 29 GWB kartellrechtswidrig überhöhter Gastarifpreis jedenfalls nicht mehr im Rahmen der Billigkeit gem. § 315 Abs. 3 BGB liegen kann. Er ist sogar gesetzlich verboten.  

Zudem besteht für Gasversorger zunehmend  die Möglichkeit des Gasbezugs ohne Ölpreisbindung.

Gestiegenen Heizölpreisen stehen deshalb nicht ebenso gestiegene Kosten des Gasversorgers gegenüber. Der Gasversorger, der seine Entgelte stärker erhöht, als seine Kosten zwischenzeitlich tatsächlich gestiegen sind, erhöht unweigerlich seinen in die Entgelte einkalkulierten Gewinnanteil, was evident unbillig wäre.

Auf Geschäftsgeheimisse kann es auch nicht ankommen.

Denn schon zur  AGB- rechtlichen Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln ist in der Rechtsprechung des BGH seit langem anerkannt, dass dabei die Kosten- und  Preiskalkulation bereits innerhalb der Klausel selbst offen gelegt werden muss (BGH, Urt. v.  15.11.2007 – III ZR 247/06):

Zitat
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Schließlich steht einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle der einseitigen Entgeltfsetsetzung auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber keine behördliche Preiskontrolle vorgesehen habe. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Kartellsenat des BGH nimmt die gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Stromnetztarife gerade auch für eine Zeit vor, in der keine behördrliche Entgeltkontrolle stattfand (Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06). Erfolgt hingegen eine bindende behördliche Entgeltfestsetzung wie bei Telekom-Tarifen, so ist für eine gerichtliche Billigkeitskontrolle gerade gar kein Platz. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle beruht darauf, dass dem EVU bei der Entgeltfestsetzung ein Gestaltungsspielraum verbleibt.

Nach der langjährig gefestigten Rechtsprechung des BGH gilt Folgendes (vgl. Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Rn. 20):

Zitat
Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319).

Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).

Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, dass die gerichtliche Billigkeitskontrolle bezüglich der Landeentgelte von Flughafenbetrieben geeignet ist, nicht jedoch für die einseitig festgsetzten Entgelte von Energieversorgungsunternehmen.



Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: uwes am 10. Juni 2008, 17:30:49
Zitat
Original von RA Fricke

Zudem besteht für Gasversorger zunehmend  die Möglichkeit des Gasbezugs ohne Ölpreisbindung.

Woher wissen Sie das? Gibt es dafür Erfahrungswerte oder Nachweise/Angebote? Diese Frage stellt sich jetzt gerade in einem Rechtsstreit.

Uwes
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juni 2008, 18:25:39
@uwes

Zum Beispiel die Stadtwerke Jena ließen in der Presse verlautbaren, ihnen seien Gaslieferverträge mit Endkunden mit zwei Jahre fix vereinbartem Gaspreis deshalb möglich, weil sie aufgrund von Ausschreibungen des Gasbezugs entsprechende Angebote gefunden hätten.

Siehste nur heute hier (http://www.tlz.de/tlz/tlz.onlinesuche.volltext.php?zulieferer=tlz&redaktion=redaktion&dateiname=dateiname&kennung=on1tlzLOKStaJena39607&catchline=catchline&kategorie=kategorie&rubrik=Stadt®ion=Jena&bildid=&searchstring=Gas&dbserver=1&dbosserver=1&other=) und hier. (http://www.otz.de/otz/otz.onlinesuche.volltext.php?zulieferer=otz&redaktion=redaktion&dateiname=dateiname&kennung=on1otzLOKStaJena39607&catchline=catchline&kategorie=kategorie&rubrik=Stadt®ion=Jena&bildid=1219366&searchstring=Gas&dbserver=1&dbosserver=1&other=)

Zitat
Möglich ist das, weil der Energieversorger Ende 2007 seine Gaslieferverträge neu ausgeschrieben und sich auf einen Deal mit dem Großhändler eingelassen hatte: Statt nur für ein Jahr gilt der Liefervertrag für zwei Jahre. Der exorbitante Anstieg des Ölpreises, an den der Gaspreis gekoppelt ist, war damals noch nicht abzusehen. Den erzielten Preisvorteil geben die Stadtwerke nun an ihre Kunden in Jena und Pößneck weiter.

Zitat
Frank Schöttke erinnerte daran, dass die Stadtwerke Anfang des Jahres Erdgas günstig einkaufen konnten. Zuvor waren 21 - darunter auch internationale - Lieferanten kontaktiert und acht Angebote eingeholt worden. So könnten die Stadtwerke nun günstige Einkaufskonditionen zu großen Teilen per Festpreis für zwei Jahre an Kunden weitergeben, erläuterte der Vertriebs-Chef. Inbegriffen sei hier, dass der Preis im Juli \"einen kleinen Tick nach oben\" gehe (0,1 Cent je Kilowattstunde), \"also nix in der Größe dessen, was jetzt durch die Nachrichten geht\".

Werden Gaslieferungen über ein oder zwei Jahre ausgeschrieben, lassen sich mit Vorlieferanten durchaus Festpreise vereinbaren. Den genannten verantwortlichen Vertriebsleiter Herrn Frank Schöttke erreicht man über die Stadtwerke Jena- Pößneck GmbH unter Tel. (03641) 688 - 0.

\"E wie einfach\" bieten seinen Kunden auch einen Preisdeckel, möglicherweise durch Ausschreibung des Bezugs innerhalb des E.ON- Konzerns. Auf der diesjährigen Bilanzpressekonferenz der E.ON Ruhrgas AG war zu vernehmen, dass E.ON Ruhrgas nicht nur mit Ölpreisbindung importiert, auch gaspreisindexierte Kontrakte bestehen....

Siehe auch hier. (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=40184#post40184)
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juli 2008, 15:27:56
Der ursprünglich  auf den 16.07.2008 festgesetzte Verkündungstermin wurde auf den 24. September 2008 verschoben, wie Nachrichtenagenturen melden. (http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=topNews&storyID=2008-07-10T111154Z_01_KRO040305_RTRDEOC_0_DEUTSCHLAND-BGH-GAS.xml&archived=False)

Entgegen der Agenturmeldungen geht es um eine im Wege der Widerklage erhobene Zahlungsklage des Gasversorgers, welche das Landgericht Duisburg wegen mangeldenem Billigkeitsnachweises des einseitig erhöhten und zur Abrechnung gestellten Gaspreises abgewiesen hatte. Hiergegen richtet sich die Revision des Gasversorgers.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: tangocharly am 10. Juli 2008, 18:38:44
@ RR-E-ft

Die Pressemitteilungen des BGH schweigen hierzu noch.

Verkündungstermin ist ja auch der 16.07.; warum sollte der BGH dann schon am 10.07. etwas verkünden ?

Allerdings findet sich auch in den PM des BGH zu der Verhandlung des Kartellsenats vom 08.07.2008, Az.: KVR 42/07 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2008&Sort=3&nr=44310&pos=8&anz=133&Blank=1), noch nichts. Dort hatte die Netzagentur einem kommunalen Versorger bei den Netzentgelten eine Verzinsung über 4,8% hinaus gecancelt.

Nunmehr auch Pressemitteilung vom 14.08.2008 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&client=%5B%2712%27%2C+%2712%27%5D&client=%5B%2712%27%2C+%2712%27%5D&nr=44911&linked=pm&Blank=1)

Wenn man bedenkt, dass dort Maßstäbe gesetzt werden (§ 111 Abs. 3 EnWG (http://www.buzer.de/gesetz/2151/a30600.htm)), dann muß überlegt werden, wie man diese Früchte in den § 315 BGB einbaut.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juli 2008, 18:46:31
Der Verkündungstermin BGH, Az. VIII ZR 138/07 wurde verlegt auf den 24.09.2008, 10.00 Uhr,  Saal N 004, wie den Prozessbeteiligten bzw. deren Vertretern am 10.07.2008  mitgeteilt wurde.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 27. August 2008, 12:18:08
Der Verkündungstermin im Verfahren VIII ZR 138/07 wurde erneut verschoben.

Neuer Verkündungstermin wurde bestimmt auf den

19.11.2008, 10.00 Uhr

Es scheint so, als ob dem Senat gewärtig geworden ist, dass die in der Entscheidung vom 13.06.2007 aufgestellten Grundsätze in entscheidenden Punkten neu überdacht werden müssen.

Anders wäre die erneute Verschiebung schwer zu erklären.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: tangocharly am 27. August 2008, 14:48:36
Wenn möglich, bitte bald eine offizielle Kundgabestelle mitteilen.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 29. August 2008, 15:57:12
@tangocharly

Das ist hier eine öffentlich zugängliche und somit offizielle Kundgabestelle. ;)

Die Mitteilung darüber lag den Prozessbeteiligten bzw. deren Bevollmächtigten am 26.08.2008 vor. Ich kann die mir vorliegenden Informationen aus als zuverlässig eingeschätzten Quellen nur an dieser Stelle mitteilen bzw. kundgeben.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: tangocharly am 01. September 2008, 16:13:33
@ RR-E-ft

Klar doch, aber ich kann (und will) doch unmöglich den Richtern einen Abdruck Ihres Beitrags vorlegen (auch wenn der VIII. Senat einen Ihrer Beiträge in seiner Entscheidung vom 13.06.2007 zitierte)     :D
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 01. September 2008, 16:40:17
@tangocharly

Entsprechende Beschlüsse werden nicht in die Entscheidungssammlung unter http://www.bundesgerichtshof.de aufgenommen.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 22. September 2008, 20:27:53
Was wir hier schon länger wissen. (http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=25575)
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2008, 17:28:58
Pressemitteilung des BGH Nr. 211/2008 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2008&Sort=3&nr=45938&linked=pm&Blank=1)

Tariferhöhungen eines gesetzlich versorgungspflichtigen Versorgungsunternehmens unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB.

Der Versorger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit.
Es bedarf dazu zunächst eines schlüssigen Vortrages und im Falle, dass dieser Vortrag bestritten wird, enstprechender Beweise.

Der Versorger kann sich aller nach der ZPO zulässigen Beweismittel bedienen, so dass der Zeugenbeweis nicht ausgeschlossen ist.

Nichts Neues.

Es kommt für die Billigkeit der Gastarife eines Stadtwerks  nur auf die Kosten der Gassparte an und nicht auf die Kosten der Wasser- und Stromsparte eines Stadtwerks. Auch klar. Die Kosten der Wassersperte sind für die Billigkeit der Wassertarife maßgeblich, die Kosten der Stromsparte für die Billigkeit der Stromtarife.

Interessant, dass der BGH wohl nur solche Kostenerhöhungen gelten lässt, denen der Versorger selbst nicht rechtlich/ tatsächlich  begegnen konnte und die er auch bei wirksamen Wettbewerb nur hätte weiterwälzen können, also nicht sämtliche (beliebige) eingetretene Kostensteigerungen.

Zitat
Ferner kann für die Unbilligkeit einer Tariferhöhung von Bedeutung sein, ob der Versorger im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und Preissteigerungen akzeptiert hat, die er - auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums - ohne die Möglichkeit einer Weitergabe durch Tariferhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Dafür, dass dies bei der von der Beklagten angeführten Ölpreisbindung der Fall gewesen wäre, gab es jedoch nach dem Parteivortrag keine Anhaltspunkte.


Der Streit, ob die Zahlungsklage des Versorgers im konkreten Fall begründet ist, ist noch nicht entschieden. Die Sache wurde an das LG Duisburg als Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Berufung zugrunde lag ein Urteil des Amtsgerichts Dinslaken, mit dem der Verbraucher zur Zahlung nachträglich erhöhter Gaspreise verurteilt wurde. Hierüber ist noch nicht abeschließend entschieden.

Der Beklagte hatte die Gesamtpreise als unbillig gerügt. Das Berufungsgericht hatte zudem eine Monopolstellung des Gasversorgers festgestellt.

Dass der 8. Senat wiederum von einem vereinbarten Preissockel ausgeht, der keiner Billigkeitskontrolle unterliege, steht im Widerspruch zur Entscheidung des Kartellsenats vom 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 23, 26, wonach Gastarife in direkter Anwendung des § 315 BGB  dem Maßstab der Billigkeit unterliegen und der Versorger deshalb bei rückläufigen Kosten auch zu Preissenkungen verpflichtet ist.

Zitat
Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu. Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasver-sorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist


Die Annahme eines vereinbarten Preises und eines zugleich bestehenden einseitigen Preisbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB, welches eine Verpflichtung beinhaltet, die Preise nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend festzusetzen, verstößt gegen Denkgesetze, vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 (KZR 24/04).

Abwegig erscheint der Schluss, dass auch bei einer festgestellten Monopolstellung eine analoge Anwendung des § 315 BGB ausscheide, weil der Gesetzgeber keine staatliche Preiskontrolle im Gasbereich vorgesehen habe.

Zitat
Vertragspreise können zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer gerichtlichen Kontrolle in entsprechender Anwendung von § 315 BGB unterliegen, wenn der Anbieter, wie die Beklagte, eine Monopolstellung innehat. Die Analogie zu § 315 BGB würde jedoch bei den allgemeinen Tarifen für Gas der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der – anders als für die Strompreise – eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat.

Dies steht bereits im Widerspruch zu den Urteilen des BGH vom 05.07.2005 (X ZR 60/04), wonach die Straßenreinigungsgebühren der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen, obschon eine staatliche Preisaufsicht über Straßenreinigungsgebühren nicht besteht, noch nie bestand.

Nicht anders verhält es sich mit den Krankenhaustarifen und den Gasnetzanschlusskosten, zu denen auch eine Billigkeitskontrolle erfolgt und die keiner staatlichen Preiskontrolle unterlagen. Man könnte meinen, gerade wo keine staatliche Preisaufsicht besteht, sei die gerichtliche Billigkeitskontrolle von Monopolanbietern besonders wichtig und selbst da, wo eine staatliche preisaufsicht erfolgt, schließt sie eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nicht aus.

Nach dem Urteil des 8. Zivilsenats vom 30.04.2003 (VIII ZR 279/02) unterliegen die Trinkwassertarife der gerichtlichen Billigkeitskontrolle, obschon eine staatliche Preisaufsicht über die Trinkwassertarife nicht besteht, m.E. noch nie bestand.

Schließlich betreffen die Urteile vom 18.10.2005 (KZR 36/04) vom 09.02.2006 (KZR 9/05) und vom 04.03.2008 (KZR 29/06) Stromnetzentgelte in einer Zeit, als für diese gerade keine staatliche Preiskontrolle vorgesehen war. Der Kartellsenat hat darin ausgeführt, dass die gerichtliche Billigkeitskontrolle nicht daran scheitert, dass eine staatliche Preiskontrolle nicht vorgesehen ist.  

Trinkwassertarife unterliegen der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht, Gastarife auch, sogar in verschärfter Form, worauf BDEW/ VKU anlässlich der aktuellen  Entscheidung des OLG Frankfurt/ M. zu einer Verfügung der hessischen Landeskartellbehörde zur Wasserentgeltsenkung hinweisen.

Zudem sieht § 29 GWB eine kartellrechtliche Preismissbrauchskontrolle der Gaspreise vor, auch eine Form der staatlichen Preisaufsicht.

Die Argumentation des Senats kann deshalb an dieser Stelle nicht überzeugen. Sie steht ganz offensichtlich im Widerspruch zur Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH, zur Rechtsprechung des 10.Zivilsenats und zur früheren Rechtsprechung des 8. Zivilsenats.

Meines Erachtens kommt es auf eine analaoge Anwendung des § 315 BGB schon nicht an, weil der Gastarifpreis insgesamt dem Maßstab der Billigkeit in direkter Anwendung des § 315 ABGB  unterliegt, vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rdn. 23, 26.

Der Senat hat meines Erachtens juristisch getrickst, um verbraucherfeindlich eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises auch dann nicht zu ermöglichen, wenn der Gasversorger eine Monopolstellung einnimmt.

Das ist allerdings skandalös:

Der Trick im Urteil vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) lag noch darin, eine Monopolstellung des Gasversorgers durch einen angeblich bestehenden Substitutionswettbewerb auf einem einheitlichen Wärmemarkt zu verneinen. Nachdem sich dies nach der Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 (KZR 2/07) nicht mehr halten ließ, erklärte er in seiner Entscheidung vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07)  trickreich  einfach die Billigkeistkontrolle des Gesamtpreises auch im Falle einer bestehenden  Monopolstellung des Gasversorgers kurzerhand für unzulässig, weil eine solche angeblich einer bestehenden Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufe.

Damit wird mit der übrigen Rechtsprechung des BGH gebrochen, die der Senat noch in seiner Entscheidung vom 13.06.2007 wie folgt zitiert hatte:

Zitat
Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. BGHZ 73, 114, 116 zu Krankenhauspflegesätzen; BGHZ 115, 311, 316 zu tariflichen Abwasserentgelten; BGH, Urteil vom 5. Juli 2005, aaO, unter II 1 a; Urteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05, aaO, unter II 1 zu Baukostenzuschüssen zur Wasserversorgung). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden, gilt aber auch für den Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs (Senatsurteil vom 21. September 2005, aaO).

Diese Rechtsprechung ist hier indessen nicht einschlägig. Einem Anschluss- oder Benutzungszwang unterlag der Kläger hinsichtlich der Gasversorgung nicht. Es fehlt auch an einer Monopolstellung der Beklagten als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB (Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313, 1314 f.; Schulz-Gardyan, N&R 2005, 97, 100, 102 f.; Ehricke, aaO, 604 f.; Salje, ET 2005, 278, 284; aA OLG Karlsruhe NJOZ 2006, 2833, 2834; Fricke, aaO, 549; Hanau, aaO, 1285).

Dies steht im Widerspruch zur Entscheidung des Kartellsenats vom 04.03.2008 (KZR 29/06) Rdn. 22 f.

Zitat
Der damit eröffneten Nachprüfung der Billigkeit des Netznutzungsentgelts, das die Zedenten zu zahlen haben, steht auch nicht entgegen, dass in dem Netznutzungsvertrag durch die Bezugnahme auf das Preisblatt die Höhe des Erstentgelts betragsmäßig bestimmt worden ist und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass das streitige, seit dem 1. November 2001 zu zahlende Entgelt aufgrund der vertraglich vorgesehenen jährlichen Überprüfung erhöht worden ist.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch bei einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht eine etwaige Unbilligkeit eines bei Vertragschluss vereinbarten (oder durch vorbehaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum vereinbarten Preis gewordenen) Preises nicht zu prüfen und selbst bei der Nachprüfung eines erhöhten Preises nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 29, 36). Diese Rechtsprechung beansprucht jedoch ausdrücklich keine Geltung für den Fall, dass bei Leistungen der Daseinsvorsorge wegen einer Monopolstellung des Versorgers oder wegen eines Anschluss- und Benutzungszwanges eine Überprüfung der Billigkeit des Preises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB geboten ist (aaO Tz. 33-36).[/B] Sie ist auch bei einem Netznutzungsvertrag nicht anzuwenden, bei welchem dem Netzbetreiber das Recht zusteht, das Netznutzungsentgelt nach billigem Ermessen festzusetzen. Denn auch in dieser Konstellation tragen das Leistungsbestimmungsrecht und die damit verbundene Nachprüfungsmöglichkeit gerade dem Umstand Rechnung, dass der Netzbetreiber typischerweise ein Monopol innehat und seine Preisbildung daher, anders als es der VIII. Zivilsenat für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt angenommen hat, nicht durch den Wettbewerb kontrolliert wird.

Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausdrücklich erwähnt, spricht jedoch dafür, dass eine solche in seiner Intention lag.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: tangocharly am 19. November 2008, 17:47:06
@ RR-E-ft

Zitat
Trinkwassertarife unterliegen der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht, Gastarife auch, sogar in verschärfter Form, worauf der BDEW anlässlich der aktuellen Entscheidung des OLG Frankfurt/ M. zur kartellrechtlichen Verfügung einer Wasserentgeltsenkung hinweist.

Eine interessante Entscheidung, von der ich annahm, dass das OLG FFm den zu erwartenden Entscheidungen des VIII. Senats nur vorgreifen wollte. Ist das Urteil des OLG FFm schon irgendwo veröffentlicht ?

Die Frankfurter Richter hatten argumentiert (so im Pressebericht), dass der Versorger einen höheren Preis als andernorts verlangt habe, ohne diesen höheren Preis durch Besonderheiten im eigenen Verhältnis begründen zu können. Das wäre dem argumentum \"Vergleichsmarkt-Preis\" angelehnt.

Und noch etwas; wer hätte das gedacht, dass ein Versorger -  nur um seine Preise halten zu können - darauf zielt, sich der Kartellaufsicht entziehen zu müssen:

Zitat
Enwag geht in Revision
Während die Verbraucherzentrale Hessen das OLG-Urteil als \"Etappensieg für den Verbraucherschutz\" bewertete und künftig angemessene Wasserpreise erwartet, kündigte enwag bereits Revision beim Bundesgerichtshof  (http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?key=standard_document_35777754&jmpage=1&rubrik=34954#titel1)an. Zudem wolle man die Wasserversorgung wieder zurück in kommunale Hände geben, die nicht unter die Kontrolle der Kartellbehörde fallen, erklärte Geschäftsführer Wolfgang Schuch.

Rhiel forderte bereits, auch dieser Möglichkeit einen Riegel vorzuschieben. So dürften auch die 256 hessischen Versorger, die keine Preise, sondern von den Kommunalparlamenten beschlossene Gebühren verlangten, nicht außen vor bleiben. Hier einen Weg zu effektiven Kontrollen zu finden, sei Sache der Kommunalaufsicht im Innenministerium, so der Minister.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2008, 18:02:55
@tangocharly

Das erwähnte Urteil des OLG Frankfurt diskutieren wir ggf. an anderer Stelle.

Gerichtliche Billigkeitskontrolle und kartellrechtliche Preismissbrauchskontrolle unterliegen unterschiedlichen Grenzen und folgen anderen Regeln.

Dieser Thread möge sich weiter mit der Entscheidung des BGH vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 befassen, in welcher der Senat eine trickreiche Pirouette drehte. Im Juni 2007 hatte er noch gesagt, dass der Gastarif dann insgesamt der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt, wenn der Anbieter eine Monopolstellung einnimmt.Das soll nun nicht mehr gelten, begründet mit einem so schwachen Argument, wie man es selten bei einem Bundesgericht findet. Diese Rechtsprechung hat er geändert. Auch dann nicht, mit der möglichen Folge, dass sogar ein kartellrechtswidrig überhöhter Preis vom ordentlichen Gericht als billig hinzunehmen sei.

Mal sehen, wann es die nächsten Festvorträge der Branche mit promintenen Referenten aus der gehobenen Justiz gibt....
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: energienetz am 20. November 2008, 08:24:25
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat sich erneut mit seinem jetzigen Urteil vom 19.11.2008 zur Frage des Nachweises der Billigkeit von Gaspreisen bei Tarifkunden geäussert. Hierbei liegt dieser Entscheidung ein Ausgangsverfahren aus dem Gerichtsbezirk Duisburg zu Grunde und setzt die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates aus Juni 2007 fort. Auch wenn der Bundesgerichtshof nach wie vor nur eine Überprüfung der Preiserhöhung und keine Überprüfung des sogenannten Preissockels für zulässig erachtet, hat die Entscheidung weitreichende Folgen für die Anforderungen an die Versorgungswirtschaft, die Billigkeit ihrer Gaspreise gerichtsfest nachzuweisen. Nach dem jetzigen Urteil wird der Nachweis der Billigkeit von Gaspreisen ausschliesslich durch die Überprüfung angeblicher Bezugskostensteigerungen seitens des Versorgers geführt werden müssen. Die den Verbrauchern bisher vorgelegten Privatgutachten oder die Einordnung des Verorgers in eine Preistabelle dürfen daher ab sofort als völlig ungeeignet bezeichnet werden. Dies ist insbesondere deshalb zu begrüssen, da viele Verbraucher aussergerichtlich durch derartige Privattestate verunsichert wurden, ob ihr Preisprotest tatsächlich haltbar war. Im Hinblick auf die Bezugskostensteigerungen meint der Bundesgerichtshof hierbei zwar, dass der Versorger nicht notwendiger Weise seine Bezugsverträge vorlegen muss bzw. seine absoluten Bezugspreise zu offenbaren braucht. Jedoch wird gleichzeitig gefordert, dass auch die Preisanpassungsklauseln des Vorlieferanten jetzt auf dem Prüfstand stehen. Kommt der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass der bisherige Vortrag angeblicher Bezugskostensteigerungen für ihn nach dem Vortrag des Versorgers nicht überzeugend ist, bleibt der Weg zu einem Sachverständigengutachten ausdrücklich eröffnet. Die jetztige Entscheidung des Bundesgerichtshofes bestätigt daher die seit dem letzten Jahr auch im OLG -Bezirk Düsseldorf bereits geübte Prozesspraxis der Gerichte, nach der Behauptung der Versorger hinsichtlich angeblich weitergegebener Bezugskostensteigerungen an den Endverbraucher Sachverständigengutachten einzuholen. Mit freundlichen Grüssen Leonora Holling
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: energienetz am 20. November 2008, 11:51:58
http://www.vzhh.de/~upload/vz/VZTexte/TexteEnergieBauen/Gas_Argumente.htm
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: energienetz am 20. November 2008, 15:38:28
http://www.energieverbraucher.de/index.php?itid=1700&st_id=1700&content_news_detail=7505&back_cont_id=1700
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 20. November 2008, 15:51:04
Die Sache wurde an das Landgericht Duisburg zurückverwiesen, welches das angefochtene Berufungsurteil am 10.05.2007 erlassen hatte.

Der 8. Zivilsenat des BGH bestätigt, dass Gastarifpreiserhöhungen der Billigkeitskontrolle unterliegen und stellt sich damit gegen den Kartellsenat des BGH, der in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) Rn. 23, 26 davon ausgeht, dass der jeweilige Tarif dem Maßstab der Billigkeit unterliegt und Gasversorger deshalb gegenüber Tarifkunden auch gesetzlich verpflichtet sind, den Tarif abzusenken, wenn es die Kosten zulassen und dies für die Kunden günstig ist.

Der 8. Zivilsenat meint hingegen, dass aus § 315 BGB keine gesetzliche Verpflichtung folge, die Tarife auch  abzusenken, wenn dies für die Tarifkunden günstig ist, weil der bisher gezahlte Preis vereinbart sei und der vereinbarte \"Preissockel\" keiner gerichtlichen Kontrolle unterliege. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf die der andere Teil im Bedarfsfall angewiesen ist, einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen, lehnt der 8. Zivilsenat eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises auch dann ab, wenn der Gasversorger eine Monopolstellung einnimmt. Zuvor hatte er im Juni 2007 noch entschieden, dass (nur) bei festgestellter Monopolstellung des Gasversorgers der Gesamtpreis auf seine Billigkeit zu kontrollieren sei. Diese jüngste Rechtsprechung steht somit im offenen Widerspruch zu früheren Entscheidungen des 8. Zivilsenats und vieler anderer Senate.

Der 8. Senat zeigt eine nicht mehr nachvollziehbare Beliebigkeit bei der Rechtsfindung, als er in der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) noch ausführte:

Zitat
Dem steht auch nicht die - Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten gemäß § 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 5 Satz 2 AVBGasV betreffende - Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 1986 (VII ZR 77/86, WM 1987, 295, unter II 2 b, c) entgegen. In dem dort entschiedenen Fall hatte das beteiligte Gasversorgungsunternehmen nach den Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts eine Monopolstellung inne, so dass § 315 BGB nach der so genannten Monopol-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend anzuwenden war. Im Gegensatz dazu hat das Berufungsgericht vorliegend - von der Revision unangefochten - festgestellt, dass die Beklagte einem Substitutionswettbewerb auf dem Wärmemarkt ausgesetzt war.


Das Landgericht Duisburg hatte just eine Monopolstellung des Gasversorgers festgestellt und der Kartellsenat des BGH hatte zudem am 29.04.2008 (KZR 2/07) entschieden, dass ein einheitlicher Wärmemarkt und ein wirksamer Substitutionswettbewerb wegen der als Marktzutrittsschranken wirkenden Transaktionskosten gerade nicht besteht.

Rechtsprechung als überraschende Wurstigkeit, je nachdem, welches Ergebnis den Richtern gerade beliebt, so könnte man bedauerlicherweise den Eindruck gewinnen.

Selbst gemessen an der Entscheidung des 8. Zivilsenats vom 13.06.2007 hatte das Landgericht Duisburg nämlich den Umfang der Billigkeitskontrolle zutreffend beurteilt, weil bei Monopolisten nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der einseitig festgesetzte Gesamtpreis zur gerichtlichen  Billigkeitskontrolle steht.

Der Senat führt seine eigene Rechtsprechung ad absurdum.
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: DieAdmin am 21. November 2008, 19:28:37
hier BGH Urteil vom 19.11.2008 VIII ZR 138/07 (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=49545#post49545)

oder hier Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen (http://www.verbraucherzentrale-bremen.de/download/energie/081120-bgh-gaspreis.pdf)
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: DieAdmin am 26. November 2008, 11:01:35
Pressemitteilung der Thüringer VZ zum BGH-Urteil vom 19.11.2008 VIII ZR 138/07 (http://forum.bdev.de/thread.php?threadid=10929)

oder hier Urteil betrifft nur geringen Teil der Gaskunden  (http://www.vzth.de/UNIQ122769266829694/link519461A.html)
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 15. Dezember 2008, 16:49:48
Das Urteil liegt den Prozessparteien im Wortlaut vor.
Dem Bund der Energieverbraucher liegt das Urteil ebenfalls vor.

Es steht zu erwarten, dass es in Kürze in der Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs abgerufen werden kann.

Es ist wieder einmal für jeden etwas mit dabei. ;)
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Dezember 2008, 17:17:57
Das Urteil ist veröffentlicht. (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&client=13&nr=46275&pos=0&anz=1)

Der achte Zivilsenat des BGH hängt bedauerlicher Weise weiter seiner These an, durch einen unwidersprochenen Weiterbezug und vorbehaltslose Zahlungen des Tarifkunden käme es zu einer konkludenten Preisneuvereinbarung, die als solche keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliege.

Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein konkludenter Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV dann ausgeschlossen ist, wenn bereits ein Vertrag abgeschlossen wurde (BGH, Urt. v. 28.03.2007 VIII ZR 144/06 und Urt. v. 10.12.2008 VIII ZR 293/07).

Es widerspricht zudem der zutreffenden Rechtsprechung des Kartellsenats im Urteil vom 29.04.2008, KZR 2/07 Rn. 23, 26, wonach aus dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht auch eine gesetzliche Verpflichtung des Gasversorgers besteht, die Tarifpreise im laufenden Vertragsverhältnis abzusenken, wenn es die Kostenentwicklung des Gasversorgungsunternehmens zulässt und dies für die Kunden günstig ist, was einen vereinbarten \"Preissockel\" denknotwendig ausschließt.

Es widerspricht zudem der rechtlichen Regelung, wonach die Willenserklärung, mit welcher ein bestehendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, schon kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB darstellt und sein kann, dessen Geltung ausschließlich von einer fristgerechten Annahme abhängt.

Die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 BGB folgt nun einmal anderen Gesetzen als ein Vertragsabschluss gem. §§ 145 ff. BGB hinsichtlich Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen.

Bei direkter Anwendung des § 315 BGB bei einem bestehenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB  kommt es auf die sog. Monopolsrechtsprechung eigentlich schon nicht an.

Soweit der Senat nunmehr erkannt hat, dass seine Ablehnung der sog. Monopolrechtsprechung des BGH mit der bisherigen Begründung (einheitlicher Wärmemarkt) offensichtlich unhaltbar geworden ist (eigentlich schon immer war), meint er nun,  eine Anwendung der sog. Monopolsrechtsprechung liefe einer Intention des Gesetzgebers zuwider.

Der Gesetzgeber hätte ja mit der Kartellrechtsverschärfung auf die ergangene und bekannte Rechtsprechung dieses Senats zur Billigkeitskontrolle von Gastarifpreisen reagieren können.

Und dies obschon die Entscheidung vom 13.06.2007 zum einen maßgeblich mit einem beschränkten Streitgegenstand gem. § 308 ZPO (Erhöhung) und zum anderen mit einem angeblichen Substitutionswettbewerb auf einem angeblich bestehenden einheitlichen Wärmemarkt gründete, den der Gesetzgeber gerade bei der Kartellrechtsverschärfung in § 29 GWB als nicht dazu geeignet ansah, die Gastarifpreise monopolisitischer Anbieter wirksam zu beschränken.

Die Neuregelung des § 29 GWB kennt zwar die Beweislastumkehr zu Lasten der Energieversorgungsunternehmen nur im Verfahren vor den Kartellbehörden,   schließt es jedoch nicht aus, dass Gastarifkunden wie auch sonstige Kunden  in Kartellzivilverfahren die kartellrechtswidrig überhöhten Preise der letungsgebundenen Energieversorgung marktbeherrschender Energieversorger gem. §§ 33, 29 GWB angreifen.

Direktansprüche bestehen seit der 6. Kartellrechtsnovelle.

Den einzelnen Kunden ist es demnach unbenommen und keinesfalls gesetzlich verwehrt, die gesamten, selbst vertraglich vereinbarten Energiepreis kartellzivilrechtlich gerichtlich überprüfen zu lassen, soweit nur der Energieversorger als Vertragspartner eine marktbeherrschende Stellung auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt inne hat. Allein die Beweislastumkehr des § 29 GWB, die nur für Kartellbehörden gilt, kommt ihnen dabei nicht zu Gute.

So auch das vom Bund der Energieverbraucher veröffentlichte Gutachten von Prof. Markert. (http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=954&file=dl_mg_1196269074.pdf)

Der Intention des Gesetzgbers entsprach es, den gesetzlich versorgungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB gegenüber ihren im Rahmen der gesetzlichen Lieferpflicht versorgten Kunden einzuräumen. Aus diesem Recht folgt zugleich die gesetzliche Verpflichtung, die Entgelte im laufenden Vertragsverhältnis immer wieder am Maßstab der Billigkeit unter Beachtung energierechtlicher Bestimmungen neu zu bestimmen. Diese Intention des Gesetzgebers ist also klar erkennbar. Schließlich blieb sie dem Kartellsenat des BGH auch nicht verborgen.  

Schlussendlich führt es zu einem eklatanten Wertungswiderspruch, wenn kartellrechtswidrig überhöhte Gaspreise von Zivilgerichten als der Billigkeit entsprechend gewertet werden müssten.  

Zutreffend BGh, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rn. 15:

Zitat
Zwar nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass eine Preiserhöhung, mit der die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen würde, auch vertragsrechtlich nicht angemessen wäre und nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspräche.

Der Gesetzgeber wollte mit § 29 GWB offensichtlich die Verbraucherrechte nicht beschneiden, sondern diese gerade stärken, weil er hierfür eine dringende Notwendigkeit erkannt hatte.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sich die Lobby der Energieversorger im Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Frage der Beweislastumkehr nur im kartellbehördlichen Verfahren (wieder einmal) erfolgreich durchsetzen konnte.

Der Senat erscheint relativ vermessen, wenn  er meint, der Gesetzgeber habe sich auf die Rechtsprechung dieses Senats einzustellen und dies etwa auch dann, wenn sie in offenem Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des BGH steht. Der Senat läuft damit Gefahr, sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen. Der Gesetzgeber kann gewiss nicht in dem Takt tätig werden, wie ein einzelner Senat des BGH seine Rechtsprechung ändert bzw. fragwürdig neu begründet. Das liefe auf ein \"Ping Pong\" zwischen Legislative und Judikative hinaus.

Demnach müsste der Gesetzgeber wohl auch nunmehr auf die neuerliche Entscheiung des Senats reagieren, so jedenfalls dessen konkludent geäußerte Erwartung.

Es darf gleichwohl abgewartet werden, ob nicht etwa eine Fraktion des Deutschen Bundestages auf entsprechendes Wirken der Verbraucherverbände eine entsprechende Gesetzesinitiative ergreift, um klarzustellen, dass Allgemeine Preise der gesetzlichen Grund- und Ersatzversorgung gem. §§ 36, 38 EnWG immer wieder vom Grundversorger am Maßstab der Billigkeit unter Beachtung der § 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu festzusetzen sind (BGH, Urt. v. 29.04.2008, KZR 2/07 Rn. 23, 26), nicht feststehend vereinbart sind,  und deshalb der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelberer Anwendung des § 315 BGB unterliegen und dies vollkommen  unbeschadet der Möglichkeit einer kartellzivilrechtlichen Überprüfung vertraglich vereinbarter  Preise marktbeherrschender Unternehmen gem. §§ 19, 29, 33 GWB.

Das könnte doch auch eine Frage sein, an der sich die politischen Wettbewerber noch vor der Bundestagswahl politisch profilieren könnten, quasi auch als indirektes, dringend notwendiges  Binnen- Konjunktuprogramm für die Verbraucher, welches der BDEW sonst oft schmerzhaft vermisst, wenn es nach Hildegard Müller geht.    

Das Verfahren betraf einen sog. Altfall, auf den §§ 102, 108 EnWG noch keine Anwendung fanden.

Die Entscheidung überzeugt also in vielen Punkten nicht.

Dies gilt auch, soweit der Senat etwa meint, streitgegenständlich sei auch diesmal nur die Erhöhung gewesen. Die Revision betraf nämlich allein die Widerklage (Zahlungsklage des Versorgers). Den Streitgegenstand legte insoweit gem. § 308 ZPO der Versorger fest. Der Streitgegenstand steht also nicht in der Macht des Gerichts. Der Versorger hatte sich dazu entschieden, streitige vertragliche Zahlungsansprüche einzuklagen und gerade nicht isoliert die Billigkeit zwischenzeitlicher Entgelterhöhungen zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Nach der Unbilligkeitseinrede des Kunden stand es dem Versorger frei, eine Feststellungsklage zu erheben, dass seine getroffenen Leistungsbestimmungen der Billigkeit entsprachen. Das hat der Versorger jedoch gerade nicht getan. Nachdem also der Streitgegenstand gem. § 308 ZPO immer Sache des Klägers ist, der sich mit seinem Antrag festlegt.

Der achte Zivilsenat macht jedoch auch deutlich, mit welchen Argumenten die Gasversorger bisher deutlich auf dem Holzweg sind (u.a. angeblich Billigkeitsnachweis durch Preisvergleiche mit anderen Gasversorgern;  Weiterwälzung auch beliebiger Bezugskostensteigerungen; Unerheblichkeit anderer preisbildender Kostenfaktoren des bisherigen Preissockels; alles überragendes Geheimhaltungsbedürfnis hinsichtlich der Kalkulationsgrundlagen, dem angeblich im gerichtlichen Verfahren nicht Rechnung getragen werden könne).

Der Senat lässt schon offen, ob überhaupt in jedem Fall ein Grundrechtsschutz besteht, und zeigt auf, dass ein Geheimhaltungsinteresse dargelegt werden muss und wie einem solchen ggf. im gerichtlichen Verfahren Rechnung getragen werden kann.


Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Titel: BGH, Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 138/07 - Erdgas- Tarifkunde
Beitrag von: tangocharly am 14. Februar 2009, 22:37:53
Einem höchsten deutschen Bundesgericht, das in seinen Urteilsgründen folgende Erwägungen einstellt (ganz abgesehen davon inwieweit dies seine Entscheidungen heute, in der Vergangenheit und in der Zukunft geprägt hat oder prägen wird)

Zitat
Zudem hat der Gesetzgeber auch im Übrigen die Einbindung der Zivilgerichte in die Missbrauchskontrolle reduziert. Die in § 29 Nr. 1 GWB in der Fassung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 16/5847, S. 5) vorgesehene Darlegungs- und Beweislast der Energieversorgungsunternehmen dafür, dass im Vergleich zu anderen Versorgungsunternehmen ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen sachlich gerechtfertigt sind, ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Verfahren vor den Kartellbehörden beschränkt worden, um eine von den Energieversorgern befürchtete Prozessflut bei den Zivilgerichten zu verhindern (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wirtschaft und Technologie vom 14. November 2007, BT-Drs. 16/7156, S. 9 f.; BT-Plenarprotokoll 16/126 vom 15. November 2007, S. 13169 f.). Der Anwendungsbereich der Vorschrift, die in ihrer ursprünglichen Fassung zu einer deutlichen Aufwertung der zivilrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten der Kunden gegenüber der Preisgestaltung von Gasversorgungsunternehmen hätte führen können, ist ausdrücklich so eingeschränkt worden, dass sie keine Grundlage für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mehr bieten sollte (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/126, S. 13170). Angesichts der erklärten Absicht des Gesetzgebers, überhöhte Preise im Bereich der Versorgung mit Gas und Strom ausschließlich durch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und nicht im Wege zivilrechtlicher Auseinandersetzungen bekämpfen zu wollen, sind die Zivilgerichte zu einer entsprechender Anwendung von § 315 BGB und einer darauf gestützten umfassenden Billigkeitskontrolle allgemeiner Tarife von Gasversorgungsunternehmen nicht legitimiert (vgl. BVerfGE 82, 6, 12 f.)

muss letztendlich seine demokratische Legitimation abgesprochen werden (\"Im Namen des Volkes !\"). Gerade deshalb und dann besteht doch Veranlassung zur Vorlage an supranationale Gerichte und/oder an das BVerfG, die die Kompetenz haben Gesetze, welche die Rechte der Bürger einseitig eingeschränken, droppen zu dürfen (der BGH als Vollstrecker der Energiewirtschaft ?)

Einem Legislativ-Organ, das in seinen (dort) zitierten Aussprachen (BT-Drucksachen) von den Befürchtungen der Energiewirtschaft geleitet wird, welche darin gipfeln in einer Welle von Verbraucherprozessen untergehen zu können, wäre das gleiche Schicksal zu attestieren, wenn dieses Organ dann solche Gesetze verabschiedet haben sollte, die den Bürger von seinem Recht auf effektivem Rechtsschutz abschnitten. Natürlich wird eine Prozessflut auch die bundesdeutschen Gerichte in die Knie zwingen. Dann muß man aber nicht solche Gesetze bringen, die \"halb-fiel-sie,-halb-zog-sie-ihn-hin\", alle Türchen offen lassen und dem Bürger Sand in die Augen streuen.

Nur so lassen sich Urteile verstehen und darstellen, die zum Ausdruck bringen, dass  übervorteilte Gaskunden gezwungen sind, sich mit ihrem Versorger zu reiben, Letzterer aber nicht einmal daran denken muß, sich mit seinem Vorlieferanten zu reiben.

Erst wieder eine neue Entscheidung des Kartellsenat vom 10.02.2009 (KVR 67/07 (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=53561#post53561)), mußte nun (und man beachte den Zeitraum zwischen der Entscheidung des Bundeskartellamtes -2006- und dem Datum der BGH-Entscheidung -2009-) nach annähernd drei Jahren ein Fanal setzen, damit endlich höchstrichterlich klargestellt ist, was unter Marktbeherrschung und Wettbewerbsversperrung verstanden wird.

Gesetze gelten halt nur für die Doofen. Und die Schlaumeier verbandeln sich im Kartell, für das die \"das ganze (!) Energiewirtschaftsrecht beherrschenden Grundsätze\" (§§ 1 Abs. 1,  2 Abs. 1 EnWG) keine Gültigkeit besitzen  -  ganz abgesehen von den europarechtlichen Vorgaben der Gas- und Stromrichtlinien und der Verbraucherrichtlinie  (RiLi 13/93 EWG).

Der BGH durfte sich im Jahr 2003 damit befassen, dass eine Klauselkontrolle (zu der AVBWasserV) deshalb erübrigt sei, weil dies zwar nach der Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (13/93 EWG) vorgesehen, aber wegen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB dahin gestellt bleiben könne (?).

Angesichts der Entwicklung, was aus der Rechtsprechung zu § 315 BGB wurde, kann es dabei den Betrachter eigentlich nur noch grundlegend mit Brechreiz würgen ......