Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: RR-E-ft am 19. Juli 2006, 14:50:07

Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 19. Juli 2006, 14:50:07
An dieser Stelle nochmals ganz deutlich:


Es geht nicht um die Billigkeit der Preiserhöhung, sondern immer um die Billigkeit der geforderten Preise, insgesamt bestehend aus Grund- und Arbeitspreis.

Man sollte  als Verbraucher immer wieder ganz klar zum Ausdruck bringen, dass man die jeweils geforderten Preise insgesamt als unbillig rügt.

Sonst läuft man Gefahr, dass Gerichte die Situation falsch beurteilen (so LG Heilbronn, nachdem angeblich nur eine einzelne Preiserhöhung als unbillig gerügt war).

§ 315 BGB findet auf einseitig bestimmte Preise unmittelbar Anwendung (BGH NJW 2006, 684), wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist:

http://www.pontepress.de/pdf/200504U3.pdf

Auf eine Monopolstellung oder eine Angewiesenheitslage kommt es dabei nicht an, sondern nur darauf, dass die Preise einseitig fetgesetzt wurden. Dem Bestimmungsopfer ist es nicht zuzumuten, selbst ein der Billigkeit entsprechendes Entgelt zu bestimmen ( BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05, Tz. 21, ZNER Heft 2006, 136 ff. mit Anmerkung Markert):

http://www.pontepress.de/pdf/200602U2.pdf

Selbst eine analoge Anwendung des § 315 BGB kommt auf Gaspreise in Betracht:

Bei der Gasversorgung handelt es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge (BGH, ZNER 2005, 150):

http://www.pontepress.de/pdf/200502BGH10_02_2005.pdf

Im Bereich der Daseinsvorsorge gilt das Kostendeckungsprinzip (BGH, Urt. v. 21.09.2005 - VIII ZR 7/05; KG Berlin, WuM 2005, 257; Cromme DVBl. 2001, 757 ff.).


Nach der Rechtsprechung des  BGH vom 13.12.2005 - KVR 13/05 (ZNER 2006, 142 f.)

http://www.pontepress.de/pdf/200602U4.pdf

und dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 23.11.2005 (ZNER 2006, 47 [50]):

http://www.pontepress.de/pdf/200601U4.pdf


haben Stadtwerke und Regionalversorger in ihren angestammten Versorgungsgebieten gegenüber Haushalts- und Kleinkunden (HuK) weiter eine Monopolstellung inne und sind keinem Wettbewerb ausgesetzt, ein solcher steht auch nicht absehbar zu erwarten.


Der BGH hat ganz klar ausgeführt:

"Solange nicht davon ausgegangen werden kann, dass für die Gasnetze ein nicht nur rechtlich abgesichertes, sondern auch praktisch handhabbares Durchleitungssystem besteht, das anderen Weiterverteilern die Möglichkeit einräumt, Nachfrager zu Wettbewerbsbedingungen zu beliefern, verfügen Gasversorgungsunternehmen in ihren herkömmlichen Versorgungsgebieten auch weiterhin über ein natürliches Monopol."


Eine notwendige Kooperationsvereinbarung nach § 20 Abs. (1b) Satz 5 EnWG wurde nach aktuellen BGW/ VKU- Angaben von noch keinem einzigen Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft bisher unterzeichnet, für die vollständige Marktöffnung sind erst noch weitere Schritte notwendig.

http://www.bgw.de/pdf/0.1_resource_2006_7_13_2.pdf

Mit anderen Worten:

Die vollständige Marktöffnung ist nach wie vor nicht erfolgt, obschon bereits mit dem EnWG 1998 zum 28.04.1998 angeordnet.

Nur Trippelschritte:

http://www.energate.de/news/84689

http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2006_7_10.html
http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2006_7_10.html?&pagelayout=print

http://www.vik-online.de/index.php?id=71&backPID=71&tt_news=79

Es wurden bisher auch keine Gas- Netzentgelte genehmigt, so dass bisher gar kein handhabbares Durchleitungssystem besteht, welches Wettbewerbern eine Versorgung von Letztverbrauchern mit Erdgas überhaupt ermöglichen könnte.  

Die Marktöffnung ist bisher weiter unvollständig.

§ 30 AVBV erfasst den Einwand der Unbilligkeit einseitiger Leistungsbestimmungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U6.pdf

http://www.pontepress.de/pdf/5_BGH_U_v_30_4_2003.pdf


Man sollte zudem das Gaspreis- Urteil des OLG Karlsruhe vom 28.06.2006 mit übersenden und einen entsprechenden Nachweis der Billigkeit der Preise fordern.

Aus diesem Urteil ergibt sich eindeutig, dass kein fälliger Zahlungsanspruch ohne die Offenlegung der Preiskalkulation besteht.

Dies gilt nach diesem Urteil auch für Sondervertragskunden, auch nach zunächst vollkommen vorbehaltlosen Zahlungen:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3660

Oft sind jedoch auch schon die Preisanpassungsklauseln und andere nach der BGH- Rechtsprechung selbst gem. § 307 BGB unwirksam:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U13.pdf

http://www.pontepress.de/pdf/200504U4.pdf

http://www.pontepress.de/pdf/200503U15.pdf

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3701

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3591




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Juli 2006, 21:12:01
Hanau kommt in seinem aktuellen Aufsatz "Die Billigkeitskontrolle von Gaspreisen", ZIP 2006, S. 1281 ff. zu dem Ergebnis, dass sich bei  Tarifkunden eine einseitige Preisänderungsbefugnis aus § 4 AVBGasV ergibt, auf welche entsprechend der neuesten BGH- Rechtsprechung im "Lichtblick"- Urteil § 315 BGB (ggf. von Anfang an) direkt zur Anwendung kommt.

Der Gaspreis ist demnach bei Tarifkunden ein einseitig bestimmter  Kostenpreis, dessen Kontrolle es erfordert, die Preiskalkulation offen zu legen.

Zudem dem Ergebnis der direkten Anwendung des § 315 BGB auf Gastarifpreise kommt auch erneut Markert in ZNER 2006, 138 [139 ff.] mit überzeugender Begründung im Anschluss an das Urteil des BGH vom 07.02.2006 - KZR 8/05 (ZNER 2006, 136):

http://www.pontepress.de/pdf/200602U2.pdf

Hinsichtlich von Gastarifkunden, auf welche die AVBGasV direkt Anwendung findet, überzeugt dies.

Hinsichtlich sog. Norm- Sonderkunden, bei denen die Bestimmungen der AVBGasV in den Vertrag einbezogen wurden, dürfte die entsprechende Bestimmung nach § 4 AVBV hingegen an § 307 BGB gemessen nach der neusten BGH- Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2005, 1717) keinen Bestand haben, so dass eine entsprechende Klausel insoweit unwirksam wäre, keine Preiserhöhungen darauf gestützt werden können.

Dementsprechend sind m.E. auch die Urteile der LG Bremen (ZIP 2006, 1301) und LG Dresden vom 31.06.2006 zu verstehen, wonach § 4 AVBGasV kein Recht zu einseitigen Preisänderungen gibt (eben da, wo die Vorschrift keine direkte Anwendung findet).

Im Anschluss an Arzt, Fitzner, ZNER 2005, 305 ff. ist davon auszugehen, dass einer unwirksamen Klausel nicht erst zur Wirksamkeit verholfen werden darf, § 306a BGB.  

Sollte eine Preisänderungsklausel nach § 305 BGB wirksam einbezogen sein und diese dann auch nicht gem. § 307 BGB unwirksam sein, wird sich die Preisänderung im Zweifel an § 315 BGB messen lassen müssen.

Dabei ist wiederum die Preiskalkulation offen zu legen, wobei hinsichtlich etwaiger Geheimhaltungsbedürfnisse abzuwägen sei.

Hanau räumt überzeugend auf mit den vielen nicht nachvollziehbaren Thesen in der wahren Veröffentlichungsflut zu § 315 BGB.

Zum letzteren  Ergebnis gelangt auch ein neuer Beschluss des LG Hamburg vom 07.07.2006, nach welchem E.ON Hanse auch nach dem letzten Schriftsatz bisher den notwendigen Beweisantritt noch nicht geführt hat.

Das LG Hamburg hält weiter daran fest, dass der Gasversorger die Billigkeit der erhöhten Preise grundsätzlich durch Offenlegung der Preiskalkulation nachzuweisen hat.

Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass es selbst kein Sachverständigengutachten einholen wird, wenn das Unternehmen die Einholung eines solchen nicht beantragt bzw. entsprechende Tatsachen unter entsprechende Beweisangebote stellt und dass es dem Gericht bisher und wohl auch weiterhin ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht möglich sein wird, die Billigkeit der erhöhten Preise zu beurteilen. (Dies ginge zu Lasten des Gaslieferanten).

Es wird immer enger für den Versorger.

Auch im o. g. Aufsatz von Hanau wird ganz deutlich, wie wichtig es ist, nicht die Preiserhöhung, sondern die erhöhten Preise in ihrer Gesamtheit  als unbillig im Sinne des § 315 BGB zu rügen.

Das ist ein kleiner, aber ganz gewichtiger Unterschied.

Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen.





Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 03. September 2006, 14:51:54
http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?message_id=459&type=info

http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?type=ueber_uns

http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=34AE2C4FD7D643969D51D30513418880&docid=189307
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 13. September 2006, 13:15:59
http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4125
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 27. September 2006, 19:02:54
http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4283
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 02. Oktober 2006, 21:28:10
Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Tarifkunden in der Grundversorgung und Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung (Sondervertragskunden):

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4125
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 20. Oktober 2006, 15:35:00
Kürzungsrecht wohl von Versorgerseite anerkannt:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4538
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: Paul2 am 24. Oktober 2006, 11:41:39
@RR-E-ft
Guten Morgen,
meine Frage? Bedeutet das, dass man nun erneut einen Einspruch an den Versorger schicken muss? In dem von mir versandten Musterbrief aus dem Jahr 2005  wurde nur die PreisERHÖHUNG als unbillig beanstandet!

Vielen Dank
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RuRo am 24. Oktober 2006, 12:04:08
@Paul2

Nicht gut  :cry:

Unbilligkeitseinwand gegen den Verbrauchspreis in seiner gesamten Höhe, in der Gestalt der Preiserhöhung vom xx.xx.xx einlegen.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 24. Oktober 2006, 22:15:32
@Paul2

Diskutieren Sie Ihre Fragen bitte an geeigneter Stelle und nicht in diesem Thread, in dem es um den aktuellen Stand der Diskussion um die Billigkeitskontrolle von Gaspreisen geht. Vielen Dank.


Der aktuelle Stand der Diskussion wird hier ersichtlich:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4576

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4582
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 22. Januar 2007, 17:01:36
Eine unbillige Gaspreisgestaltung lässt sich nachweisen:

In der Bundestags-Drucksache 15/1510 vom 01.09.2003 auf Seite 22 re. Sp. zu den Gaspreisen wird ausgeführt, dass der Abstand der Haushalts- und Industriekundenpreise (nach der halbjährlich erhobenen Eurostat- Statistik) zu den durchschnittlichen Importpreisen (nach der Statistik des BAFA) im Prinzip seit 1998 unverändert war.

Es besteht also ein umittelberer Zusammenhang zwischen der Erdgasimportpreisen und den Haushaltskundenpreisen, der von den Gasversorgungsunternehmen abgestritten wird.

In einem Schaubild III.10 auf Seite 23 der o.g. BT- Drs. ist dargestellt, dass der Abstand des Haushaltskundenpreises mit 23.260 kWh/ Jahr (ohne Steuern) in ct/ kWh von Januar 1998 bis Juli 2002 zum durchschnittlichen Grenzübergangspreis des BAFA in ct/ kWh annähernd konstant war.

Dieser annähernd konstante  Abstand betrug 1,85 ct/ kWh (= 2,6 ct/kWh - 0,75 ct/kWh per Januar 1998).

Die Größe des Abstandes (der auch den kumulierten Gewinn der einzelnen Unternehmen in der Lieferkette bis zum Verbraucher enthält) ist dabei auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Monopolbereich zurückzuführen, sollte bei einer Preisbildung bei wirksamen Gas- zu- Gas- Wettbewerb deshalb noch geringer ausfallen. Bei wirksamen Wettbewerb fallen nämlich die Gewinne geringer aus als in einer Monopolsituation. Folglich müsste bei wirksamen Wettbewerb der Abstand zwangsläufig geringer liegen.

Dieser Abstand kann sich bei einer der Billigkeit entsprechenden Preisbildung nicht vergrößert haben.

Zu den durchschnittlichen Erdgasimportpreisen treten bis zu den abgaben- und steuerbereinigten Verkaufspreisen nur die Netzkosten für den Transport des Gases von der deutschen Grenze zum Verbraucher hinzu. Auch weitere Kosten ändern sich nicht. Gewinne der Gaswirtschaft sollen gerade nicht gestiegen sein.

Dabei ist es unerheblich, welcher Gashändler das Erdgas von der deutschen Grenze bis zum Verbraucher liefert, weil die Netzkosten für den Transport als Summe der Netzentgelte für alle Gashändler gleich sind.

Die Netzkosten für den Transport werden nun für die Ferngasgesellschaften und die Verteilunternehmen nach der GasNEV erstmals staatlich reguliert und werden dabei gegenüber dem unkontrollierten Monopolzeiten abgesenkt.

Mithin müsste sich der o. g. Abstand zwischen den Haushaltspreisen und den Erdgasimportpreisen sogar verringern.

Der Abstand der steuer- und abgabenbereinigten Haushaltspreise (unter Berücksichtigung der Grund- und Arbeitspreise in ct/ kwh) zu den vom BAFA monatlich veröffentlichten  durchschnittlichen Erdgasimportpreisen
ist somit ein hinreichender Indikator, um eine Unbilligkeit der Preisgestaltung von Gasversorgungsunternehmen nachzuweisen.

Der Abstand darf sich gerade nicht vergrößert haben.

Wo die steuer- und abgabenbereinigten Verbraucherpreise stärker gestiegen sind als die Erdgasimportpreise in ct/ kWh liegt deshalb eine nachweisbar unbillige Preisgestaltung vor.

Dies wird die meisten Versorger betreffen, weil die Verkaufspreise fast überall stärker gestiegen sind als die Erdgasimportpreise in ct/ kWh.

Jeder Verbraucher ist in die Lage versetzt, dies selbst zu prüfen:

Von den Nettopreisen sind zur Ermittlung der aktuellen abgabenbereinigten Haushaltskundenpreisen die Erdgassteuer in Höhe von 0,55 ct/ kWh und die Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV in Höhe von 0,03 ct/ kWh abzuziehen.


Jeder Verbraucher kann anhand der Verkaufspreise von 1998, 2002 und den aktuell festgelegten Preisen wie auch den veröffentlichten Erdgasimportpreisen  selbst eine entsprechende Verprobung anstellen.

Es ist einfacher, als man denkt.

Der Erdgasimportpreis ist für alle Gasversorger ein festes Datum, das sie selbst nicht beeinflussen können. Es handelt sich um den Marktpreis für die Ware Erdgas an der deutschen Grenze. Dabei ist es unerheblich, wie dieser Marktpreis zustande kommt.

Der  Marktpreis für eine Ware stellt immer einen Durchschnittspreis dar. So handelt es sich auh bei den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten HEL- Preisen um solche Durchschnittspreise.

Für die einheitliche Ware Erdgas stellt deshalb der Erdgasimportpreis den Marktpreis an der deutschen Grenze dar. Dieser ist für alle Gashändler gleich. Hinzu treten immer die Netzkosten für den Transport von der Grenze zum Verbraucher.

Diese hinzutretenden weiteren Kosten sind immer relativ fix. Sie verringern sich durch die Absenkung der Netzentgelte aufgrund der staatlichen Regulierung.

Hat sich der Abstand zwischen Haushaltskundenpreis und Erdgasimportpreis vergrößert, muss diese zusätzliche Differenz zwischen Gasversorger und Vorlieferanten aufgeteilt bei diesen  unbillig zu höheren Gewinnen geführt haben.

Dieser Zusammenhang liegt für jedes Gasversorgungsunternehmen - auch Stadtwerke - offen zu Tage, so dass Vertragsgestaltungen, die eine entsprechende Unbilligkeit zeitigen, sofort zu beenden waren, jedenfalls nicht zur Rechtfertigung erhöhter Preise gegenüber Haushaltskunden herangezogen werden können.

Der durchschnittliche Erdgasimportpreis betrug im März 2003 noch 1,30 ct/kWh, im November 2006 hingegen 2,23 ct/kWh und ist folglich zwischenzeitlich um 0,93 ct/ kWh (netto) gestiegen.

Die Haushaltspreise sind fast überall deutlich stärker gestiegen.

Fallbeispiel

Etwa bei der SpreeGas wurden die Haushaltspreise zwischen Februar 2003 und November 2006 um 1,89 ct/ kWh erhöht.

Die erste Erhöhung erfolgte dabei im Februar 2003 um 0,10 ct/ kWh, gefolgt von einer Erhöhung am 01.10.2004 um 0,25 ct/kWh, am 01.02.2005 um 0,30 ct/ kWh, am 15.08.2005 um 0,55 ct/kWh, am 15.10.06 um 0,26 ct/ kWh.

In diesem Zeitraum zwischenzeitlich gesunkene Erdgasimportpreise und ebenso gesunkene Erdgasbezugskosten um 0,20 ct/ kWh in den Jahren 2003/04 waren dabei von diesem Unternehmen nicht an Haushaltskunden weitergegeben worden.

Der durschschnittliche Erdgasimportpreis war nach dem Februar 2003 zwischenzeitlich von 1,30 ct/kWh auf 1,10 ct/kWh abgesunken. Der Importeur und Vorlieferant VNG Verbundnetz Gas AG Leipzig  hatte - wie gegenüber anderen Kunden auch- die Bezugskosten für das Unternehmen entsprechend mit zeitlicher Verzögerung im IV. Quartal 2003 um über 0,2000 ct/kWh abgesenkt. Diese Senkung wurde offensichtlich nicht an die Haushaltskunden weitergegeben.

Der Abstand zum Erdgasimportpreis vergrößerte sich so in der Zeit vom Februar 2003 bis zum November 2006 zu Lasten der Haushaltskunden um 0,96 ct/kWh.

Vergegenwärtigt man sich, dass der durchschnittliche Abstand noch im Januar 1998 gerade einmal bei 1,86 ct/ kWh lag, so wird deutlich, wie sich die Erhöhung der Differenz um 0,96 ct/ kWh auf die in den Haushaltskundenpreis einkalkulierten Gewinnanteil des Unternehmens und seines Vorlieferanten (und mittelbaren Gesellschafters VNG) ausgewirkt haben muss - Anstieg um nahezu 50 Prozent.

SpreeGas hatte bereits zum 01.01.2003 die Haushaltspreise wegen der Erhöhung der Mineralölsteuer auf Erdgas von 0,34 ct/ kWh auf 0,55 ct/kWh um 0,21 ct/kWh (netto) erhöht.

Dass der Vorlieferant VNG zum Ausgleich eines Doppelbesteuerungseffekts bei den Bezugskosten regelmäßig nachträglich laufend einen Rabatt zur Tragung eines gehörigen Teils der Erdgassteuer gewährte, wurde den Haushaltskunden nicht mitgeteilt, die Preise auch nicht enstprechend gesenkt. Unter dem Strich blieb wohl auch dabei für das Unternehmen ein zusätzlicher Gewinn übrig.



Dies scheint symptomatisch für die gesamte Branche zu sein:

Es sieht so aus, als wenn die Beute zu Lasten der Haushaltskunden geteilt wird.

Offensichtlich ist auch, dass diese Unbilligkeit durch Vergrößerung des Abstandes der Haushaltskundenpreise zu den Erdgasimportpreisen signifikant einsetzte, nachdem die Gasmarktliberalisierung zum Mai 2003 absehbar war und es galt, noch vor dem Einsetzen eines Wettbewerbs auch für Haushaltskunden diese noch einmal ganz schnell weitestmöglich abzukassieren, nachdem zugleich die Preise für Industrie- und Großkunden durch die für diese eröffnete Wechselmöglichkeit unter erheblichen Wettbewerbsdruck bei einem einsetzenden Gas- zu- Gas- Wettbewerb gerieten.

Dieser Zusammnehang ist ganz offensichtlich.

Anmerkung:

Die o. g. BT- Drucksache wurde dankenswerterweise von SpreeGas zur Verfügung gestellt.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: Schwalmtaler am 23. Januar 2007, 09:03:58
Rechenbeispiel zur Erdgasversorgung Schwalmtal:

Nettoarbeitspreis in ct/kWh

01.03       3,46
01.07       5,20    entspricht +1,74
02.07       4,92    entspricht +1,46

Allerdings sind zwischenzeitlich auch Preissenkungen vorgenommen worden.

Fazit: deutlich unbillige Preiserhöhung!!!

Danke Herr Fricke!!!

Gruß
Schwalmtaler
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2007, 11:51:17
@Schwalmtaler

Der Erdgasimportpreis war bis März 2003 auf 1,30 ct/kWh angestiegen und danach bis auf 1,10 ct/kWh gesunken, um erst hiernach anzusteigen (im Mai 2005 Stand 1,45 ct/ kWh).

Bei den Versorgern, die unmittelbar vom Imorteuer beliefert wurden, war der zwischenzeitlich gesunkene Erdgasimportpreis mit einem Absinken der Bezugskosten um ebenso 0,20 ct/kWh auch etwa zum 01.10.2003 angekommen.

Erdgasimportpreis und Verkaufspreis der Importeure bewegten sich also vollkommen parallel. Jedenfalls in Ostdeutschland im Marktgebiet der VNG war dies nachweislich der Fall. VNG gibt die Entwicklung der Erdgasimportpreise, also der Märkte an seine Kunden weiter, insbesondere Preissenkungen:


http://www.vng.de/Internet/Presse/Presseinformationen/201106/201106_Gaspreis_VNG-Neuvertr__ge_sinken.pdf

Dies sollte auch beim Verbraucher jederzeit ebenso angekommen sein.

 
Deshalb konnten umgekehrt die Bezugskosten der Importeure und somit deren Verkaufspreise, welche zugleich die Beschaffungspreise der Gasversorger in der nachfolgenden Lieferkette darstellen, nachfolgend nicht stärker angestiegen sein als die Erdgasimportpreise in ct/ kWh.

Alles andere widerspräche der inneren Logik.

Die entsprechende Preissenkung um diese 0,20 ct/ kWh hatten viele Versorger unter den Tisch fallen lassen, bzw. wohl in die eigene Tasche gewirtschaftet.

Der Erdgasimportpreis lag erst im November 2004 etwa wieder bei 1,30 ct/ kWh und damit bei dem Stand vom März 2003. Dazwischen lag ein entsprechendes Preis- Tal.

Bis zum 01.10.2004 erfolgten überall die Preiserhöhungen, denen zum 01.01.2005 teilweise noch etwas draufgesetzt wurde. Teilweise summierten sich diese Preiserhöhungen in der Heizperiode 2004/2005 bei einzelnen Versorgern auf 0,55 ct/ kWh (netto) (!!!)

Im Mai 2005 lag der Erdgasimportpreis allerdings erst bei 1,45 ct/kWh, hatte sich also gegenüber März 2003 lediglich um 0,15 ct/ kWh erhöht.

Nicht vergessen darf man dabei, dass das Erdgas, welches in der Heizperiode 2004/2005 geliefert wurde, nicht zu den Erdgasimportpreisen vom Mai 2005 nach Deutschland gelangte, sondern bereits über das gesamte Jahr 2004 bei noch sinkenden Preisen kontinuierlich nach Deutschland geliefert und hier vor dem Verkauf in der Heizperiode zwischengespeichert wurde. Bei VNG sollen etwa 50 Prozent des in einer Heizperiode gelieferten Gases aus einem vorhergehenden Bezug in den Sommermonaten stammen, welche zwischengespeichert wurden.

Siehste auch hier:

http://www.presse-service.de/data.cfm/static/626228.html

Der Anstieg zwischen März 2003 und Mai 2005 um lediglich 0,15 ct/kWh war deshalb zunächst mit den "unterschlagenen" Zusatzgewinnen aus dem Preis-Tal zwischen März 2003 und September 2004 von 0,20 ct/kWh auszugleichen, wo entsprechende zwischenzeitliche Preissenkungen nicht stattgefunden hatten.

Mit anderen Worten:

Zwischen März 2003 und Mai 2005 hätte es nicht zu Preiserhöhungen, sondern in jedem Falle zu Preissenkungen kommen müssen. Dies ergibt sich eindeutig aus der Entwicklung der Erdgasimportpreise.

   

Hat sich der Grundpreis nicht geändert, kann ggf. vereinfachend unmittelbar die Erhöhung der Arbeitspreise der Erhöhung der Erdgasimportpreise in selber Frist gegenübergestellt werden.

Zumeist wurden die Arbeitspreise gegenüber allen HuK- Kunden linear erhöht, so dass auch dies oft keinen Unterschied macht.

Entscheidend ist, dass sich der Abstand- in welchem konkreten Abnahmefall auch immer - grundsätzlich nicht vergrößert haben darf, ohne dass es zu einer Gewinnerhöhung in der Lieferkette ab deutscher Grenze bis zum  Verbraucher kam.

Kam es zu einer Vergrößerung des Abstandes, hätte dies dem Gasversorgungsunternehmen, welches die Letztverbraucher beliefert, auffallen müssen und es hätte zur Meidung eines möglicherweise kartellrechtswidrigen kollusiven Zusammenwirkens gegenüber dem Vorlieferanten sofort gegensteuern müssen.


Dies gilt umso mehr, wo der Vorlieferant auch selbst der Importeur ist.

Schließlich wurden die Gaspreiserhöhungen häufig mit den infolge einer Ölpreisbindung gestiegenen Erdgasimportpreisen begründet, insbesondere vom Branchenverband BGW Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft und dessen Geschäftsführer Herr Martin Weyand. Der Mann muss es wissen:

Gas wird 2006 noch teurer  
18.12.2005 - Berlin (dpa) - Die Verbraucher in Deutschland müssen Anfang 2006 mit weiter steigenden Gaspreisen rechnen.

Um weitere Tarifanhebungen werde man nicht umhin kommen, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft, Martin Weyand, dem «Tagesspiegel». Der Importpreis für Erdgas sei von Januar 2004 bis Oktober 2005 um 60 Prozent gestiegen. Diese Kosten müssten an die Verbraucher weitergegeben werden. Weil sich der Gaspreis am Ölpreis orientiert, sei mit keiner Entspannung zu rechnen.



Nur und ausschließlich diese Kosten durch die veränderten Erdgasimportpreise in Ct/ kWh mussten durch die Gasversorger weitergegeben werden undzwar exakt nach oben wie nach unten, da es sich bekanntlich um keine Einbahnstraße handeln soll und darf. Deshalb darf der Abstand zwischen den Erdgasimportpreisen und den Haushaltskundenpreisen sich gerade nicht vergrößert haben.


Die Aussage des BGW ist also vollkommen korrekt. Man muss sie nur inhaltlich richtig verstehen.



Die oft beschworene Ölpreisbindung aufgrund der langfristigen Importverträge zwischen den Förderländern und den Importeuren wird nämlich im durchschnittlichen Erdgasimportpreis bereits vollständig abgebildet, so dass diese Ölpreisbindung keinen weitergehenden Anstieg bei den Kosten als bei den der durchschnittlichen Erdgasimportpreise rechtfertigen kann.


Die Erdgasimportpreise bewegen sich überhaupt nur wegen dieser Ölpreisbindung, ohne dass es darauf ankäme, an welche Ölsorten etc. dabei konkret wie gekoppelt wäre.

Wer eine Vergrößerung des Abstandes seit 2003 feststellt, wende sich mit einer detaillierten Aufstellung und Begründung wegen des möglichen Verdachts eines kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs ggf. sogleich an die zuständige Kartellbehörde, so dass diese den Vorgang aufgreifen und weiter durchleuchten kann.

Insoweit bedarf es auch einer Sensibilierung und eines Drucks auf die Kartellbehörden, die m. E. wohl oft genug noch einen falschen Ansatz wählen.

Gottlob reicht es, dass der Verbraucher die Unbilligkeit aufzeigen kann.

Einen billigen Preis kann er selbst nicht bestimmen. Er ist also nicht in der Lage, zu bestimmen, wie groß der Abstand nur sein dürfte.

Der Abstand  darf sich nur eben über die Zeit im konkreten Abnahmefall nicht vergrößert haben, schon gar nicht so gravierend wie im Beispielsfall.

Wie man sieht, bin ich der absoluten Auffassung, dass man als Verbraucher selbst einen der Billigkeit entsprechenden Preis  nicht abschätzen und ermitteln kann.

Wo dies jemand behauptet hat, habe ich dies immer wieder deutlich kritisiert. Ich teile deshalb auch nicht die Auffassung, ein bestimmter mehr oder minder aus der Luft gegriffene Preis sei der für allezeit und an jedem Ort angemessene und billige Preis.

Eine unbillige Preisgestaltung lässt sich indes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicher nachweisen.

Nochmals ganz deutlich:

Wenn sich der Abstand nicht vergrößert hat, bedeutet dies nicht, dass der Preis dann der Billigkeit entspricht, weil der Abstand um ein nicht ermittelbares Maß immer noch zu groß sein kann. Schließlich hatte sich der frühere (realtiv konstante) Abstand unter Monopolbedingungen gebildet.


Es spricht eben nichts dafür, dass die früheren Preise der Billigkeit entsprachen, das heißt den fiktiven Preisen entsprachen, die sich in einem wirksamen Wettbewerb als Marktpreis gebildet hätten (vgl. OLG Dresden).

Wo die Beschaffungskosten einzelner Gasversorger tatsächlich stärker gestiegen sein sollten als die Erdgasimportpreise, so läge dies an schlecht ausgehandelten Verträgen. Ein solches unternehmerisches Risiko lässt sich mit Rücksicht auf § 2 Abs. 1 EnWG nicht auf die Kunden abwälzen, weil eine solche Abwälzung gerade unbillig wäre.


@Schwalmtaler

Den konkreten Einzelfall eines einzelnen Versorgers ggf. anderwärts diskutieren.

Hier geht es um die Grundsatzfragen.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Januar 2007, 14:47:49
Kronzeuge Weyand vom BGW

Schließlich wurden die Gaspreiserhöhungen häufig mit den infolge einer Ölpreisbindung gestiegenen Erdgasimportpreisen begründet, insbesondere vom Branchenverband BGW Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft und dessen Geschäftsführer Herrn Martin Weyand.


Gas wird 2006 noch teurer  
18.12.2005 - Berlin (dpa) - Die Verbraucher in Deutschland müssen Anfang 2006 mit weiter steigenden Gaspreisen rechnen.

Um weitere Tarifanhebungen werde man nicht umhin kommen, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft, Martin Weyand, dem «Tagesspiegel». Der Importpreis für Erdgas sei von Januar 2004 bis Oktober 2005 um 60 Prozent gestiegen. Diese Kosten müssten an die Verbraucher weitergegeben werden. Weil sich der Gaspreis am Ölpreis orientiert, sei mit keiner Entspannung zu rechnen.


Einen anderen Grund kann es auch gar nicht geben.


Nur und ausschließlich diese Kosten durch die veränderten Erdgasimportpreise in ct/ kWh mussten durch die Gasversorger weitergegeben werden undzwar exakt nach oben wie nach unten, da es sich bekanntlich um keine Einbahnstraße handeln soll und darf. Deshalb darf der Abstand zwischen den Erdgasimportpreisen und den Haushaltskundenpreisen sich gerade nicht vergrößert haben.


Die Aussage des BGW ist also vollkommen korrekt. Man muss sie nur inhaltlich richtig verstehen.



Die oft beschworene Ölpreisbindung aufgrund der langfristigen Importverträge zwischen den Förderländern und den Importeuren wird nämlich im durchschnittlichen Erdgasimportpreis bereits vollständig abgebildet, so dass diese Ölpreisbindung keinen weitergehenden Anstieg bei den Kosten als bei den der durchschnittlichen Erdgasimportpreise rechtfertigen kann.


Die Erdgasimportpreise bewegen sich überhaupt nur wegen dieser Ölpreisbindung, ohne dass es darauf ankäme, an welche Ölsorten etc. dabei konkret wie gekoppelt wäre.


Der Zeuge Weyand, zu laden über die Anschrift des BGW, sollte in keinem Gerichtsverfahren fehlen und deshalb für diese Tatsachen immer als Zeuge benannt werden, als er die Aussagen bestätigen kann und  unter Eid zu Protokoll geben kann, dass er und der Verband es nicht besser wissen:

http://www.bgw.de/bgw/organisation/zentralbereiche/energiepolitik_im_organigramm/article_2004_9_29_23.html
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RuRo am 25. Januar 2007, 13:04:27
@all

Die vom werten Forumsmitglied RR-E-ft angesprochene Drucksache des Bundestags kann nach Eingabe der Drucksachen-Nr. 15/1510 hier runtergeladen werden:

http://drucksachen.bundestag.de/index.php

BAFA-Statistiken hier (Linkaktualisierung vom 07.03.07):

http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=53736.html
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 14. März 2007, 13:03:02
Quelle: http://www.pr-inside.com/de/print65042.htm


Zitat
BGH verhandelt am 13. Juni erneut über Klage gegen Gaspreiserhöhung

Karlsruhe (ddp). Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt am 13. Juni erneut darüber, ob Gaspreiserhöhungen gerichtlich auf ihre Angemessenheit überprüft werden können.

Das teilte der Vorsitzende Richter des 8. Zivilsenats des BGH, Wolfgang Ball, am Mittwoch in Karlsruhe mit. Das Verfahren dürfte weit reichende Auswirkungen für Gaskunden und Energieversorger haben.

Geklagt hat der als «Gaspreis-Rebell» bekannt gewordene frühere Richter Klaus von Waldeyer-Hartz aus Heilbronn. Er wehrt sich dagegen, dass die Heilbronner Versorgungs-GmbH zum 1. Oktober 2004 den Gaspreis um rund zehn Prozent angehoben hat - von 3,47 auf 3,84 Cent pro Kilowattstunde. Nach Auffassung des Klägers soll der BGH feststellen, dass diese Erhöhung des Gaspreises unbillig und daher unwirksam ist. Das Amtsgericht Heilbronn hatte der Klage stattgegeben. In der Berufung wies dann aber das Landgericht Heilbronn die Klage ab. Dagegen legte Waldeyer-Hartz Revision ein.

Der 8. Zivilsenat hatte bereits am 20. Dezember 2006 in der Sache verhandelt und wollte ursprünglich an diesem Mittwoch sein Urteil verkünden. In der Beratung habe sich aber gezeigt, dass einige wichtige Fragen «bisher nicht ausreichend erörtert wurden», sagte Richter Ball. Zu klären sei etwa, ob bereits die Ausgangspreise vor dem 1. Oktober 2004 «unbillig erhöht» waren. Die Preiserhöhung ab 1. Oktober 2004 könnte dann deswegen unangemessen gewesen sein. Die Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 könnte aber auch angemessen gewesen sein, wenn sie letztlich eine vorherige unbillige Erhöhung ausgeglichen hätte und diese damit nicht voll an die Kunden weitergegeben worden wäre.

Die bisherige Auffassung des Senats, dass es auf den Ausgangspreis nicht ankomme und nur die Erhöhung zum 1. Oktober 2004 Streitgegenstand sei, gelte nun wohl nicht mehr, sagte Ball. Der Senat wolle aber «nicht mit verdeckten Karten spielen» und habe deswegen erneut eine mündliche Verhandlung angesetzt.

 

(AZ: VIII ZR 36/06)

 

ddp.djn/dmu/hwa


Siehe auch hier:


http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2007-03/artikel-7901301.asp


Nach den zutreffenden Aussagen des Senatsvorsitzenden kommt es auf die Gesamtkalkulation an, so dass eine einzelne Erhöhung nicht gesondert betrachtet werden kann.

Der erhöhte Preis muss mithin insgesamt der Billigkeit entsprechen, was sich nicht dadurch nachweisen lässt, dass etwaig nur gestiegene Beschaffungskosten weitergegeben wurden.

Damit würde ein zuvor bereits unbillig überhöhter Preis unzulässig in die Zukunft perpetuiert.

An der Billigkeitskontrolle der Erdgastarifpreise als einseitige Preisfestsetzungen gem. § 315 BGB kann deshalb kein Zweifel mehr bestehen, auch nicht daran, dass die erhöhten Preise insgesamt bzw. nach Preissenkungen die neu festgesetzten Preise insgesamt der Billigkeit entsprechen müssen, was nur durch die Offenlegung der Preiskalkulation nachgewiesen werden kann (vgl. auch OLG Karlsruhe RdE 2006, 356).

Vgl. Rechtswissenschaftliche Forschung und Entwicklung, Band 707, Utz-Verlag München 2004, S. 116:


Zitat
"Die jeweils geltenden Entgelte sind verbindlich, wenn sie insgesamt der Billigkeit entsprechen. Bei Unbilligkeit sind sie daher auch insgesamt unverbindlich, ggf. kann das Gericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ein billiges Entgelt festsetzen. Dagegen gilt bei Preis- oder Zinsanpassungen der ursprünglich vertraglich vereinbarte Preis oder Zins weiter. Dieser unterliegt, da und sofern er in der konkreten Höhe vertraglich vereinbart und nicht einseitig festgelegt ist, keiner Billigkeitskontrolle.

Bei der Kontrolle von Entgelten aufgrund faktischer Bestimmungsrechte kommt eine Überprüfung der Höhe der geforderten Entgelte ebenso in Betracht wie die Betrachtung einer konkreten Erhöhung. Werden über einen bestimmten Zeitraum (einseitig festgesetzte) Entgelte gefordert und diese sodann (einseitig) erhöht, müssen daher nicht nur die letztlich geforderten Entgelte, sondern auch die Erhöhung ihrerseits der Billigkeit entsprechen. Eine Billigkeitskontrolle der Erhöhung neben der Höhe der Entgelte wird beispielsweise vorgenommen durch BGH, Urt. v. 24.11.1977 - III ZR 27/76, ZLW 1979, 140, 146 f.
= LM LuftVZO Nr. 5/6 = WM 1978, 1097 = VRS 55, 18 "



Bei Gastarifpreisen handelt es sich gem.  § 4 Abs. 1 AVBGasV um jeweils geltende Entgelte im vorgenannten Sinne, die jederzeit vom Versorgungsunternehmen einseitig festgelegt wurden und bei denen deshalb der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist als ein einseitig festgelegter Folgepreis (vgl. BGH NJW 2006, 684 Rn. 10).
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: ingobertus am 30. März 2007, 12:44:38
Hallo,

von meinem Widerspruch (Gaspreise) erhielt ich bereits vor 3 Wochen eine Bestätigung meiner Stadtwerke.
Vor kurzem habe ich nun eine Mahnung (in Höhe der nicht gezahlten Rechnungsbeträge) mit Androhung einer Versorgungssperre erhalten.
Daraufhin habe ich bei den Stadtwerken angerufen und diese freundlich aufgefordert, die Versorgungssperre bitte schriftlich zurückzunehmen.  

Ein Mitarbeiter der Stadtwerke hat mir dann erklärt, dass sie keine Monopolisten mehr wären. Es hätte sich ein Versorger gefunden, der bundesweit liefern könne (zumindest hätte er dies schriftlich behauptet). Aber dieser Versorger sei uninteressant, da dessen Gaspreise über denen der Stadtwerke liegen würden.

Somit würde §315 nicht greifen, da eine Monopolstellung nicht mehr gegeben sei. Aber trotzdem würde ich von der Sperre runtergenommen.

Ich habe mich freundlich bedankt und dem Mitarbeiter entgegnet, dass es einen solchen Versorger aus technischen und organisatorischen Gründen auch langfristig nicht geben könne.
Falls dem so sei, dann kann dies doch nur eine Strategie der Energieversorger sein, einen fingierten Alibi-Versorger aufzustellen, um Druck auf Widersprecher auszuüben.

Ist hier etwas bekannt darüber?

mfg
ingo
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2007, 13:47:32
@ingobertus

§ 315 BGB findet nicht nur bei einer Monopolstellung direkte Anwendung:

http://www.forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=5989

Zum bundesweiten Gaspreis- Angebot der E.ON- Tochter E wie einfach ist hier im Forum sehr viel zu erfahren.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: uwes am 11. April 2007, 17:26:17
Zitat von: \"RR-E-ft\"
@ingobertus

§ 315 BGB findet nicht nur bei einer Monopolstellung direkte Anwendung:

http://www.forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=5989


Das scheint der 8. Senat des BGH wohl doch nicht so zu sehen, wenn er in seinem Hinweisbeschluss vom 14.3.2007 ausführt,

"Die (Anfangs-)Tarife der Beklagten unterlägen der Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB, wenn es sich um Tarife eines Monopolunternehmens handelte, das Leistungen der Daseinsvorsorge anbietet, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist...."

Wenn man den BGH so verstehen soll, dann sind für mich die letzten Entscheidungen zu Stromtarifen etc (Lichtblickurteil) allerdings nicht mehr verständlich.

Wird hier zurückgerudert? Knickt jetzt auch der Bundesgerichtshof vor der Lobbymacht der Versorger ein?

Die Erläuterungen von Ihnen, Herr Kollege Fricke überzeugen mich wesentlich mehr. Siehe hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?p=26602#26602
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 11. April 2007, 17:50:37
@uwes

Danke, Herr Kollege.

Dem Senat muss dessen eigene Rechtsprechung ggf. nochmals etwas klarer vor Augen geführt werden.

Mancher sieht womöglich schon den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. :wink:

Immerhin auf die Erhöhung selbst wird § 315 BGB direkt angewendet, ohne dass nach einer Monopolstellung gefragt wird.

Das schon bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht ist indes denknotwendig unteilbar, so dass auch schon der Anfangspreis ebenso einseitig bestimmt ist.


Wie gut, wenn man erst einmal erkannt hat, dass § 4 AVBV ein vertraglich vereinbartes, einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers enthält.:wink:
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: uwes am 12. April 2007, 18:24:28
Zitat von: \"RR-E-ft\"

Wie gut, wenn man erst einmal erkannt hat, dass § 4 AVBV ein vertraglich vereinbartes, einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers enthält.:wink:


Wer hat das erkannt?
Der BGH jedenfalls beantwortet die Frage, woraus sich das Erhöhungsrecht überhaupt ergibt, jedenfalls nicht.

Ich habe diesbezüglich aber auch keine besonders intensive Auseinandersetzung zu diesem Punkt in der Revisionsbegründung entdecken können.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 12. April 2007, 18:36:45
@uwes

Zitat
Wer hat das erkannt?
Der BGH jedenfalls beantwortet die Frage, woraus sich das Erhöhungsrecht überhaupt ergibt, jedenfalls nicht.


Wie sich meiner Stellungnahme zum BGH- Beschluss unschwer entnehmen lässt, habe zumindest ich erkannt, dass § 4 AVBGasV ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht enthält. :wink:

Diese Auffassung vertrete ich seit langem.

Der BGH hat es offensichtlich für die einseitige Preiserhöhung im laufenden Tarifkundenvertrag auch erkannt, weil es sonst schon kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und eine einseitige Preiserhöhungsbefugnis gäbe (vgl. auch Fricke WuM 2005, 547, 550; so auch schon BVerwG NVwZ 1994, 999 zu § 4 AVBEltV sowie Franke in: Theobald/ Schneider, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, S. 934 f. Rn. 52).

Der BGH hält dies offensichtlich für so selbstverständlich, dass es dazu keiner Erörterung bedarf.

Es bedarf allein noch der Erkenntnis, dass dieses vertragsgegenständliche einseitige Leistungsbestimmungsrecht statt der Einigung auf einen Preis schon bei Vetragsabschluss vereinbart wurde (wann auch sonst?) und dass dieses Leistungsbestimmungsrecht denknotwendig unteilbar ist.

Daraus folgt, dass auch der Anfangspreis bereits einseitig festgelegt wude und nicht Gegenstand einer Einigung der Parteien war (vgl. BGH NJW 2006, 684 Rn. 10).


Hingegen ergibt sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten bei (Norm-) Sondervertragskunden nicht  aus § 4 AVBV:

Vgl. de Wyl/ Essig/Holtmeier in Theobald/ Schneider, aaO, S. 472 Rn. 18:

Für den Abschluss dieser Verträge besteht weder eine Anschluss- und Versorgungspflicht, noch gelten die §§ 2 bis 34 AVBV unmittelbar. Ihre Einbeziehung erfolgt anders als im Tarifkundenbereich nicht durch Rechtsetzungsakt, sondern allein durch vertragliche Übereinkunft. Soweit keine individualvertragliche Regelung getroffen wird, handelt es sich um "Allgemeine Geschäftsbeingungen" bezüglich deren Einbeziehung und Wirksamkeit die Regelungen der §§ 305 ff. BGB greifen.


Dabei verstößt eine zu § 4 AVBV inhaltsgleiche AGB- Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB und ist deshalb unwirksam (vgl. nur BGH NJW 2000, 652; BGH KZR 10/03 unter II. 6; a. A. LG Bonn, Urt. v. 07.09.2006).

LG Bonn,aaO. geht auch davon aus, dass es sich bei Norm-Sondervertragskunden um AGB handelt, dass diese aber dem Transparenzgebot entspräche. LG Bonn meint zutreffend, dass sich die Parteien bei Begründung eines Sondervertrages auf einen Anfangspreis einigen.



Bei echten Tarifkunden gibt es aus o. g. Gründen eine solche Einigung aber gerade nicht.

Dem LG Bonn hätte schon auffallen müssen, dass es die elementaren Denkgesetze der Logik verbieten, sich bei Vetragsabschluss einerseits auf einen Anfangspreis verbindlich zu einigen, andererseits zugleich dem Lieferanten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einzuräumen.

Der 8.Zivilsenat scheint - im Gegensatz zum Kartellsenat - bisher möglicherweise dem gleichen Denkfehler aufzusitzen wie das LG Bonn, nur dass die konsequenten Folgen aus der entsprechenden Erkenntnis bei (Norm-) Sondervertragskunden und Tarifkunden nun einmal völlig verschiedene sind.

Eine Revision nach dem Urteil des LG Bonn muss deshalb zu einem völlig anderen Ergebnis kommen als die Revision nach dem Urteil des LG Heilbronn.

Die Revision nach dem Urteil des LG Heilbronn kann dabei nicht andere Grundsätze zu Grunde legen als in der Revision gegen das Urteil des LG Karlsruhe. Im letzteren Fall wird offensichtlich, dass sich der Gastarifkunde nicht auf einen Anfangspreis geeinigt hat (vgl. Urteil des AG Karlsruhe vom 27.05.2005). Es ist schade, dass das zweite Gaspreisverfahren beim BGH bisher zuwenig in den Blick genommen wurde. In diesem geht es bekanntlich nicht um die Billigkeit einer Preiserhöhung, sondern um die Billigkeit des gesamten Gastarifs.

Dabei müsste der BGH wieder zu dem Ergebsnis kommen, dass ein Versorgungsvertrag als Tarifkunde entgegen § 154 Abs. 1 BGB  überhaupt nur zustande gekommen ist, weil der Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat (BGH NJW 2003, 3131).

Ein Sondervertrag lässt sich demgegenüber aus genannten Gründen freilich nicht konkludent begründen.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 03. Mai 2007, 16:25:08
Aus dem Urteil des BGH vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 ergeben sich neue Folgerungen:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?p=27248#27248

Glückliche Norm- Sondervertragskunden?
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: uwes am 07. Mai 2007, 17:10:44
Der nächste Beitrag enthält den Text...
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: uwes am 07. Mai 2007, 17:29:18
Zitat von: \"uwes\"
Zitat von: \"RR-E-ft\"
@uwes

Zitat
Wer hat das erkannt?
Der BGH jedenfalls beantwortet die Frage, woraus sich das Erhöhungsrecht überhaupt ergibt, jedenfalls nicht.


Wie sich meiner Stellungnahme zum BGH- Beschluss unschwer entnehmen lässt, habe zumindest ich erkannt, dass § 4 AVBGasV ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht enthält. :wink:

Diese Auffassung vertrete ich seit langem.


Nun habe ich das seit je so gesehen, dass § 4 AVBGasV nun einmal kein Vertragswerk ist, so dass sich für mich daraus allein kein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht  herleiten lässt.
Nach der neuen Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen Strompreis scheint auch der VIII. Senat diese Frage auch so zu beantworten und hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach § 315 BGB "lediglich" analog anwendbar sein soll, nämlich bei Vorliegen einer Monopolstellung. Außerdem wird klar festgestellt, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBElt ein "gesetzliches Leistungsänderungsrecht" beinhaltet.
Jetzt stellt sich für uns alle aber doch die Frage, ob sich aus dieser Entscheidung dann auch wieder herauslesen lässt, dass eine Preiskontrolle bei Vorliegen einer Ausweichmöglichkeit auf einen anderen Anbieter für den Verbraucher rechtlich nicht durchsetzbar ist.

Der Hinweis des BGH in der Entscheidung vom 28.3.2007 auf das ENWG ab Seite 11 unten soll wohl den Weg weisen. Oder vielleicht doch nicht?

Andererseits scheint sich der BGH in dieser Frage weiterhin nicht festlegen zu wollen, denn die Frage, ob Preiserhöhungen, die innerhalb eines bereits geschlossenen Vertrages erfolgen, möglich sind, hat er ausdrücklich nicht entschieden (Urteil RN 16)
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 07. Mai 2007, 17:50:14
@uwes

Der VIII. Zivilsenat stellt in dem Urteil vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 (Rn. 16) heraus, dass auf die Ausübung eines Preisänderungsrechts gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBV nach Vertragsabschluss § 315 BGB direkt zur Anwendung kommen kann.

Dabei kommt es auf eine Monopolstellung gerade nicht an.

In der ganzen Entscheidung kam es auf § 4 AVBEltV, von dem fraglich war, ob er zwischen den Partein überhaupt Geldtung beanspruchte, nicht an. Deshalb sieht die Befassung auch etwas oberfläch aus:


Der Senat bezeichnet die Bestimmung als ein gesetzliches Preisänderungsrecht.

Wie sich jedoch aus §§ 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBV ergab, handelte es sich bei der Bestimmung des § 4 Abs. 1 und 2  AVBV um einen Teil des Vertragsinhaltes:

"Sie sind Betandteil des Versorgungsvertrages."

An den Text sind auch die Gerichte gebunden (Art. 20 III GG).

Mithin handelte es sich um ein vertragliches Preisbestimmungsrecht.

Das Bundesverwaltungsreicht (BVerwG NVwZ 1994, 999) sprach von einer zivilrechtlichen Umsetzung über § 4 AVBEltV, die nach § 315 BGB zu kontrollieren sei.


Der Kartellsenat hat in seinem Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 = NJW 2006, 684, Rn. 9, 10 die zutreffenden Feststellungen zu Preisen in Form Allgemeiner Tarife getroffen.


Der VIII Zivilsenat hatte in früheren Entscheidungen herausgestellt, dass allein durch die Entnahme von Energie aus dem Netz ein Vetrag zustande kommen kann, auch wenn der Abnehmer dem Vertragsabschluss widerspricht.

Ein solcher Widerspruch sei wegen venire contra factum proprium  unbeachtlich, weil derjenige der die Leistungen des Versorgungsunternehmens entnimmt, weiß, dass diese nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden (vgl. BGH NJW 2003, 3131 unter II 1 a; BGH NJW 2006, 1667 ff. Rn. 16).

Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der konkludente Abschluss eines Vertrages jedoch gerade keine Einigung auf das zu zahlende Leistungsentgelt voraus. Ein Dissens gem. § 154 Abs. 1 BGB bestehe dehalb nicht, weil dem Versorgungsunternehmen regelmäßig ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Leistungsentgelts, also der zu zahlenden Tarife eingeräumt sei (vgl. BGH NJW 2003, 3131 unter II 2 a; BGH NJW 2006, 1667, 1670 Rn. 28 ff.).

Die Annahme des Leistungsangebotes des Versorgungsunternehmens bedeutet deshalb einen Vertragsabschluss, ohne dass zugleich auch ein Vertragspreis in konkreter Höhe vereinbart wird.

Von einem wirksamen Vertragsabschluss zugleich auf die Einigung auf einen Vertragspreis in konkreter Höhe zu schließen, ist deshalb m. E. ein Kurzschluss.

Die fehlende Einigung über den Vertragspreis schließt also gerade wegen des vertraglich vereinbarten  einseitigen Leistungsbestimmungsrechts den wirksamen Vertragsabschluss nicht aus (vgl. auch BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).

Umgekehrt kann dann der Vertragsabschluss auch nicht zugleich als eine Einigung auf einen Vertragspreis gewertet werden.

Gegen eine Einigung auf einen Vertragspreis spricht schon, dass demjenigen, der die Leistung des Versorgungsunternehmens in Anspruch nimmt die gerade geltenden Tarifpreise noch nicht einmal bekannt sein müssen. Diese Unkenntnis würde eine Einigung auf einen konkreten Vertragspreis gem. §§ 145 ff. BGB hindern, hindert jedoch gerade nicht den konkludenten Abschluss eines Vertrages gem. § 2 Abs. 2 AVBV.

Demjenigen, der die Leistung des Versorgungsunternehmens aus dem Verteilnetz in Anspruch nimmt, ist bewusst, dass das Versorgungsunternehmen seine Leistungen nicht unentgeltlich zur Verfügung stellt, ein Preis dafür gezahlt werden muss.

Das ist denknotwendig auch demjenigen klar, der sich auf die Unbilligkeit des geforderten Leistungsentgelts beruft:

Ihm ist klar, dass nur ein angemessenes Entgelt gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für ihn verbindlich und geschuldet ist, ein angemessenes Entgelt ggf. erst mit Rechtskraft einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB für ihn verbindlich und fällig wird.

Schlussendlich bindet sich das Versorgungsunternehmen auch nicht durch die Einigung auf einen Preis im Sinne von pacta sunt servanda, sondern behält sich nach Vertragsabschluss eine jederzeitige Preisänderung vor. Dieser Vorbehalt hindert es, von einer wirksamen Einigung auf einen konkreten Vertragspreis zu sprechen (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04 Rn. 21)

Meines Erachtens kann wie in BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05 Rdn. 12 angenommen werden, dass es regelmäßiger Übung entspricht, dass ein Energieversorgungsunternehmen die Preise von Zeit zu Zeit gegenüber allen seinen Tarifkunden neu festlegt und bestimmt.

Diese Übung war in der letzten Zeit sogar überaus regelmäßig.


Andererseits führt nicht jedwede Energieentnahme aus dem Netz unmittelbar  zu einem (konkludenten) Vetragsabschluss, vgl. nur § 38 EnWG, der darauf abstellt, dass gerade kein Vertragsverhältnis besteht.

Deshalb ist die Entscheidung des VIII. Zivilsenat an mancherlei Stelle widersprüchlich.

Die Rechtsprechung in den früheren Entscheidungen (NJW 2003, 1449; NJW 1998, 3188, [3192] und NJW-RR 1992, 183) wurden nicht erwähnt, so dass insoweit nicht unterstellt werden darf, der Senat habe von dieser Abstand nehmen wollen.

In der Entscheidung NJW-RR 1990, 1204 hatte es der Senat ausdrücklich abgelehnt, einen Preis auf seine Angemessenheit zu kontrollieren, auf den man sich mit einem monopolistischen Stromversorger geeinigt hatte.

In der Entscheidung NJW- RR 1992, 183 unter III 2 b hatte der Senat gerade offen gelassen, ob auch der mit einem Monopolisten vereinbarte Preis einer gerichtlichen Angmessenheitskontrolle unterliegt, wie es eine Literaturmeinung forderte.

In den Entscheidungen NJW 1998, 3188 [3192] und NJW 2003, 1499 ist von einer Monopolstellung und einer Angewiesenheitslage zutreffend gar keine Rede, was auf eine direkte Anwendung des § 315 BGB schließen lässt.

Mit dieser gesamten Rechtsprechung hat sich der Senat überhaupt nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Es kam in entscheidenen Fall schon überhaupt nicht darauf an.

Im Verfahren VIII ZR 36/06 ist zwischen den Parteien das Preisänderungsrecht als solches unstreitig, der Kläger hat lediglich eine Preiserhöhung als unbillig gerügt.

Der Senat hat deshalb, weil er davon ausgeht, der Kläger sei gar kein Tarifkunde, wieder keine Veranlassung sich mit der Frage inhaltlich vertieft auseinderzusetzen, ob § 4 AVBGasV ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht enthält.

Klar ist aber, dass der Senat auf die streitgegenständliche Erhöhung § 315 BGB direkt anwendet. Wegen des Klageantrages ist der Streitgegenstand eigentlich gem. § 308 ZPO beschränkt, so dass es schon bemerkenswert ist, dass der Senat auch die Frage nach der Billigkeit eines (möglicherweise vertraglich vereinbarten) Anfangspreises stellt.

Dass ein vertraglich vereinbarter Anfangspreis (auf den man sich also geeinigt hat) der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in analoger Anwendung des  § 315 BGB unterliegt, ergibt sich ersichtlich aus keiner einzigen Entscheidung.

Nach der st. Rspr. des Senats folgt schon aus der Einigung der Parteien auf das Leistungsentgelt die Richtigkeitsgewähr, so dass es schon keiner gerichtlichen Angemessenheitskontrolle bedarf.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: Gaspreismuffel am 30. Oktober 2007, 18:19:22
Ich hoffe, dass ich meine Fragen hier korrekt eingeklinkt habe (erster Beitrag).

Ich würde gerne 4 Fragen stellen:

1. Der Billigkeitsanspruch richtet sich nur an den unmittelbaren Vertragspartner, der seinem Kunden für die Billigkeit seines Gesamtpreises haftet, z.B. Haftung des lokalen Versorgers hinsichtlich des Billigkeitsanspruchs des Verbrauchers.
Wenn – wie in dem Urteil von 13.7.2007 ausgeführt – der [Gesamt-] Preis schon dann billig sein soll, wenn der lokale Versorger nachweist, dass sein alter Preis billig war (Leitsatz e) und dass seine aktuelle Preisänderung auf die Preisänderung seines Vorlieferanten zurückzuführen ist und er eigene rückläufige Kosten bei der Preisbildung angemessen berücksichtigt hat (Leitsatz d), würde das den Preis des Vorlieferanten grundsätzlich von der Billigkeitskontrolle ausschließen.
Dann läge lediglich eine Teilbilligkeitskontrolle vor, die nur die Preiskomponenten des lokalen Lieferanten erfassen würde und diesem freie Hand ließe, an seinen Lieferanten unbillige Bezugspreise zu zahlen und sie an der Billigkeitskontrolle vorbei an seinen Kunden weiter zu verrechnen.
Kann das sein? Dann könnte eine delinquente Lieferkette konstruiert werden, bei der nur der letzte in der Kette sich überprüfbar verhalten müsste und das nur hinsichtlich seiner Preiskomponenten, während alle davor liegenden munter abschöpfen könnten, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Oder wäre der lokale Versorger verpflichtet seine Billigkeitsansprüche gegenüber seinem Vorlieferanten voll auszuschöpfen, um seinen Billigkeitspflichten gegenüber seinem Kunden zu genügen und wäre er verpflichtet auch das gegenüber seinem Kunden nachzuweisen?
Nur dann gäbe es eine volle Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises (an jeder Stelle der Lieferkette).

2. Es wurde gesagt, dass die Billigkeitskontrolle entfällt, wenn eine Preisformel vereinbart wurde. Ist das so richtig? Wie sieht es aus, wenn die Formel zu unbilligen Preisen führt? Könnte sich z.B. der lokale Versorger von der Billigkeitsprüfung gegenüber seinem Kunden befreien (soweit der Anspruch laut Ziffer 1 gegeben ist), indem er mit seinem Vorlieferanten eine Preisformel vereinbart, die zu unbilligen Preisen führt?

3. Wenn sich A, B und C verabreden, für ihre gleichartigen Produkte alle den gleichen Preis zu verlangen, so ist das wettbewerbsrechtswidrig.
Wenn sich A, B und C verabreden ihren Preis mit einer Formel aus dem Preis des D abzuleiten, der ein anderes Produkt vertreibt (Ölpreisbindung), hat das die gleiche Wirkung: A, B und C verlangen den gleichen Preis, haben sich aber nur indirekt abgesprochen und haben obendrein noch den Wettbewerb mit D ausgeschlossen.
Kann es sein, dass das nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt?

4. Es wird gesagt, dass der Verbraucher nicht nur Ansprüche aus BGB §315, GWB §19 und EnWG §1, 2, 21, 30-33 ableiten könnte sondern auch aus dem noch nicht umgesetzten EG Recht. Welche EG Rechte sind das?
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Oktober 2007, 18:26:02
@Gaspreismuffel

Lesen bildet. (http://www.buchhandel.de/detailansicht.aspx?isbn=978-3-406-51379-4)

Im Übrigen ist es nicht möglich, an dieser Stelle alle Rechtsgrundlagen insbesondere zum Energie- und Energiekartellrecht sowie die europarechtlichen Bezüge aufzuzeigen.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: Gaspreismuffel am 02. November 2007, 14:02:11
Lesen ist bei dem Verweis natürlich eine aufwendige und teure Angelegenheit. Lässt sich hier keine Zusammenfassung zu dem isolierten Punkt der Billigkeitskontrolle der durch die Vorlieferanten verursachten und vom lokalen Versorger durchgereichten Preiskomponenten – immerhin ca. 50% des Gesamtpreises – geben?
Ich meine, das wäre für uns alle wichtig.

Was wir beobachten ist doch, dass die lokalen Versorger versuchen, sich hinsichtlich der von ihnen bezahlten Bezugspreise mit allerlei Argumenten der Billigkeitskontrolle zu entziehen. Dann könnten sie überhöhte Preise an ihre Muttergesellschaften zahlen und diese an die Verbraucher durchreichen, ohne selbst für diese Preiskomponenten gerade stehen zu müssen und sie würden gleichzeitig ihre Muttergesellschaften vor einer Billigkeitskontrolle ihrer Preise abschirmen.

Wenn ihnen das gelingt, wären die Chancen im Protest nur auf den lokal verursachten Teil des Gesamtpreises zu beziehen.
Das würde natürlich das Konzept des billigen Gesamtpreises und die erzielbaren Protesterfolge wesentlich durchlöchern.
Diese Implikation des Verfahrens, dass am 13.7.2007 beim BGH endete, hat mich daher schon etwas alarmiert.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 02. November 2007, 14:36:49
@Gaspreismuffel

Es ist wohl niemand hier, der mit geringerem Aufwand liest oder sich bildet.

Siehste hier. (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=7172)
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: Gaspreismuffel am 04. November 2007, 19:19:27
Herzlichen Dank für den Hinweis, war ein Volltreffer hinsichtlich Frage 1 mit dem (nach meinem Verständnis) schönen Ergebnis, dass der lokale Versorger auch für die Billigkeit der von ihm durchgereichten Beschaffungspreise haftet. Soweit er überhöhte Preise zahlt, dürfen diese nicht an den Kunden durchgereicht werden (nach Meinung des OLG Düsseldorf).

Zu Frage 2 habe ich an der gleichen Referenz (ewerk) positives und negatives gefunden.
Positiv: BGH, Urteil vom 13.12.06 – VIII ZR 25/06, zum angemessenen Ausgleich für die Verwendung von unangemessen benachteiligenden (im Sinne der \"Waffengleichheit\") Preisanpassungsklauseln beim Abschluss von Flüssiggasbelieferungsverträgen.
Negativ: BGH, Urteil vom 11.10.2006 – VIII ZR 270/05, BGH: Keine Billig-keitskontrolle im Falle automatischer Preisgleitklauseln.
Beides trifft aber nicht die Frage einer Klausel die zwar exakt ist und nach §307 BGB formal in Ordnung ist (\"Waffengleichheit\") aber aufgrund der vom Versorger in der Formel vorgegebenen (und vom Verbraucher nicht zu beurteilenden) Konstanten unangemessene Preise liefert z.B. weil der Einfluss der Steuern oder der Rohstoffpreise überbewertet wird. Dies kann ja auch erst nach geraumer Zeit zu merklichen Abweichungen führen d.h. erst spät bemerkt werden.
Vielleicht begegnet Ihnen dazu noch etwas treffenderes.

Frage 3 werde ich auf anderem Wege weiter untersuchen.

Zu Frage 4 ist ggf. die „Charta“ der Kommission, http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?message_id=535&type=info von Interesse.
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: darkstar am 18. Januar 2010, 10:05:47
Neue Aufsätze zu  §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !! (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=67722#post67722)
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 05. März 2010, 15:49:16
Aus meiner Sicht stellt sich der Stand der Billigkeitskontrolle von Preisen der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas nunmehr wie folgt da.


Alle folgenden Grundsätze gelten gleichermaßen bei der leitungsgebundenen Belieferung mit Elektrizität und Gas (BGH VIII ZR 204/08 Rn. 9).

I. Gesetzliche Versorgungspflicht/ Vertragsfreiheit

Die Belieferung eines Kunden kann innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36, 38 EnWG) oder außerhalb einer solchen im Rahmen der Vertragsfreiheit erfolgen (vgl. BGH VIII ZR 225/07 Rn. 16).

Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht ein gesetzliches Recht und eine Pflicht des Grundversorgers, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst effizienten, preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen einseitig festzusetzen, ebenso wie Abschlagszahlungen aufgrund des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts einseitig festgesetzt werden können. Das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht ergibt sich aus dem EnWG selbst (BGH KZR 29/06 Rn. 19, 20). Bei vereinbarten Sonderpreisen gilt das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht nicht (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

Der Versorger darf im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht nicht für ihn besonders vorteilhafte Preise anbieten, weil dies mit dem Vertragszweck unter Berücksichtigung von §§ 1, 2 EnWG unvereinbar wäre (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, a. A. wohl VIII ZR 138/07 Rn. 25). Zu sehen ist aber auch, dass der Allgemeine Preis der Grundversorgung  wegen der gesetzlichen Versorgungspflicht bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit  und weiterer Risiken (BGH EnVR 14/09) ungünstiger kalkuliert sein muss als Preise, die im Rahmen der Vertragsfreiheit angeboten werden können, zu deren Angebot der Versorger jedoch nicht gesetzlich verpflichtet ist (KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).

II. Gesetzliche Leistungsbestimmungsrechte im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB

Zur Wirksamkeit der Ausübung des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts in Bezug auf die Preise bedarf es nach der gesetzlichen Regelung der öffentlichen Bekanntgabe der geänderten Preise.  Die einzelne Ausübung eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts  unterliegt dabei gesondert der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 14, 17, 18, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07). Entscheidend ist allein, dass der Versorger im Rahmen des von den Parteien abgeschlossenen Energielieferungsvertrages kraft Gesetzes berechtigt (und verpflichtet) ist, die Preise einseitig zu ändern (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 16, VIII ZR 36/06 Rn. 17, KZR 2/07 Tz. 29). Der Kunde kann sich nach der gesetzlichen Regelung auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gerade auch dann berufen und einen Billigkeitsnachweis verlangen, wenn ihm die Möglichkeit des Anbieterwechsels offen steht  (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20, 36).

III. Der Billigkeit entsprechende Ausübung gesetzlicher Leistungsbestimmungsrechte

Die Frage der Billigkeit eines Allgemeinen Tarifs bzw. dessen Änderung ist für alle Tarifkunden innerhalb eines bestimmten Tarifs und somit tarifgruppenbezogen einheitlich zu beurteilen. Der Maßstab ist kein individueller, da die Ermessensentscheidung bei der Festsetzung eines geänderten Tarifs gegenüber allen betroffenen Kunden einheitlich erfolgt, unabhängig von individuellen Besonderheiten wie dem Zeipunkt des Vertragsabschlusses. Auch spielt die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Kunden, der innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht beliefert wird, für die Billigkeit des von ihm aufgrund einseitiger Festsetzung des Versorgers geforderten Entgelts keine Rolle (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 17).

Alle einseitigen Tarifänderungen unterliegen gesondert der Billigkeitskontrolle (vgl. LG Köln, Urt. v. 14.08.09 Az. 90 O 41/07 (Kart)).

Preiserhöhungen dürfen nur im Umfang nach der letzten Tariffestsetzung (nachträglich) tatsächlich gestiegener Kosten erfolgen (BGH VIII ZR 225/07 Rn. 26), wobei die Entwicklung aller Kostenbestandteile des konkreten Preissockels berücksichtigt werden muss und nur die Kosten effizienter Betriebsführung berücksichtigungsfähig sind (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 28, 35, 39,  43; VIII ZR 314/07; LG Dortmund, Urt. v. 20.08.09 Az. 13 O 179/08 (Kart)).

Ein für den Versorger bisher besonders nachteilig kalkulierter Preis muss (bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit) beibehalten werden, das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung darf durch eine Preisänderung nicht zu Lasten des Kunden nachträglich abgeändert bzw. verschoben werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25).

Aufgrund der gesetzlichen Bindung der Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit besteht zugleich eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers, im Falle rückläufiger Kosten die Preise nach gleichen Maßstäben abzusenken (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 225/07 Rn. 28, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Dies kann bei sinkenden Großhandelspreisen der Fall sein. Der Anspruch des Kunden auf Preisänderung korrespondiert mit der entsprechenden Verpflichtung des Versorgers und ist über die Unbilligkeitseinrede geltend zu machen.

IV. Vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts

Selten wird außerhalb der Grundversorgung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrechts vertraglich vereinbart, in dem der Kunde die Bestimmung des jeweils zu zahlenden Entgelts vertraglich dem Versorger überlässt. Der Versorger, der einen solchen Vertragsabschluss anbietet, geht damit die Verpflichtung ein, das vom Kunden zu zahlende  Entgelt der Billigkeit entsprechend einseitig zu bestimmen und  unterwirft seine einseitige(n) Entgeltbestimmung(en) somit von Anfang an der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, III ZR 277/06 Rn. 19, 20).


V. Weitergehende Billigkeitskontrolle/ Frage der Transparenz


Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB soll sogar auch außerhalb der gesetzlichen Grundversorgung Anwendung finden, wenn Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen vereinbart wurden, die das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht inhaltlich unverändert übernehmen ( BGH VIII ZR 225/07 Rn. 24, VIII ZR 56/08 Rn. 27, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, jeweils obiter dicta und sehr umstr.).
Dann sollen in einer Art Gleichbehandlung die gleichen Maßstäbe gelten wie in der Grundversorgung (s. o.).

Meine Kritik hieran:

Hierdurch würde eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle auch in Fällen erfolgen, in denen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss von den Vertragsparteien überhaupt nicht vertraglich vereinbart wurde, sich ein solches Recht auch nicht aus dem Gesetz ergibt und deshalb der Anwendungsbereich einer unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB überhaupt nicht eröffnet ist (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

§ 315 BGB würde mithin in nicht zu rechtfertigender Weise entgegen seinem Wortlaut zur Anwendung gebracht. Zudem wäre bei vertraglicher Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bei Vertragsabschluss der Prüfungsumfang ggf. ein anderer. Haben sich die Parteien bei Vertragsabschluss nicht auf einen Preis geeinigt, sondern vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vereinbart oder ergibt sich ein solches Recht im Wege ergänzender Vertragsauslegung, so erfolgt eine Gesamtpreiskontrolle unter Berücksichtigung von § 1 EnWG (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 186; BGH KZR 8/05, KZR 9/05). Eine vertragliche Preisvereinbarung und ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht schließen sich jedoch denknotwendig gegenseitig aus (BGH KZR 24/04, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Bei Abschluss eines Sondervertrages wird regelmäßig ein feststehender Preis vereinbart (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 312/08 Rn. 2).

Ein solcher ist nicht gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden. Wie ein solcher durch freie Preisvereinbarung festgestellter Preis im Übrigen an den Maßstab - welcher - Billigkeit gebunden werden könnte, ist nicht ersichtlich.

Bei einem allgemeinen Tarifpreis knüpft die Billigkeitskontrolle an die Kostenentwicklung der preisbildenden Kostenbestandteile seit der letzten Tariffestsetzung an, mithin an eine Entwicklung seit einem für alle betroffenen Kunden gleichermaßen feststehenden Datum undzwar unabhängig davon, wann mit den einzelnen Kunden die Vertragsverhältnisse individuell begründet wurden (vgl. dazu auch BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.), wobei sich die maßgeblichen Kosten auf die nachvollziehbar geschlüsselten Kosten der Belieferung der einzelnen Tarifgruppe in dem Netzgebiet beschränken, in welchem die Grundversorgung erfolgt. Der Maßstab der Billigkeitskontrolle ist kein individueller, sondern vielmehr tarifgruppenbezogen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17). Die Frage ob ein Allgemeiner Tarif der Billigkeit entspricht oder nicht, beurteilt sich für alle Kunden einer Tarifgruppe somit gleichermaßen. Sie muss sich sogar denknotwendig gleichermaßen beurteilen, weil der Versorger ja auch für alle diese Kunden unter Berücksichtigung ihrer tarifgruppenspezifischen Interessen eine einheitliche Ermessensentscheidung treffen musste und getroffen hatte. Und eben jene Entscheidung kann nur entweder der Billigkeit entsprechen oder eben auch nicht.

Bei einem vereinbarten Sondervertragspreis müsste hingegen - notwendigerweise - an die Kostenentwicklung aller preisbildenden Kostenbestandteile des konkret vereinbarten Vertragspreises seit dem Zeitpunkt des individuellen Vertragsabschlusses jedes einzelnen Kunden abgestellt werden. Denn eine solche  Klausel soll in jedem einzelnen Vertragsverhältnis gerade dazu dienen, den Verwender vor einer Gewinnschmälerung wegen nachträglicher Kostenentwicklungen ebenso zu bewahren, wie sie den Kunden vor der Kalkulation von Risikozuschlägen in den Vertragspreis bei Vertragsabschluss schützen soll (BGH VIII ZR 25/06 Rn. 20, BGH III ZR 247/06 Rn. 10).

Kostenentwicklungen, die vor dem induviduellen Vertragsabschluss lagen und somit in den angebotenen Vertragspreis einklakuliert werden konnten, müssen dabei denknotwendig außen vor bleiben.  

Eine nachvollziehbare stichtagsbezogene Kostenschlüsselung auf den konkreten Vertragspreis steht eher weniger zu erwarten. Der Lieferant, der sich eines entsprechenden Rechts und der damit verbunden Verpflichtung zur Preisänderung im konkreten Vertragsverhältnis berühmt, müsste jedoch eben eine solche nachvollziehbare Kostenschlüsselung - heruntergebrochen bis auf jeden konkret vereinbarten Vertragspreis - vorhalten, damit er seine vorgeblich eingegangene Vertragspflicht überhaupt erfüllen könnte. (Da lohnt es sich ggf. gleich zu Vertragsbeginn nachzufragen, wie es wohl darum bestellt ist). Die Frage, ob eine Preisänderung der Billigkeit entspricht oder nicht würde sich dabei folglich nicht tarifgruppenbezogen beurteilen lassen, sondern nur für jeden einzelnen Kunden individuell (nämlich abhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses und der nachfolgenden Kostenentwicklung).

Beim Abschluss eines Grundversorgungsvertrages könnte die Situation bestehen, dass der Verorger wegen seit der letzten Tariffestsetzung und vor individuellem Vertragsabschluss gestiegener Kosten berechtigt ist, den Tarifpreis nach individuellem Vertragsabschluss gegenüber allen betreffenden Kunden zu erhöhen (BGH VIII ZR 36/06). Ebenso gut könnte auch die Situation bestehen, dass der Versorger wegen seit der letzten Tariffestsetzung und vor individuellem Vertragsabschluss gesunkenen Kosten verpflichtet ist, den Tarifpreis nach individuellem Vertragsabschluss zugunsten aller betreffenden Kunden anzupassen (BGH VIII ZR 81/08]. Bei Abschluss eines Grundversorgungsertrages kann der Kunde folglich nicht wissen, ob der Versorger aus v. g. Gründen gerade berechtigt ist, die allgemeinen Preise zu erhöhen oder aber verpflichtet ist, die allgemenen Preise zugunsten der Kunden anzupassen, so dass auch kein feststehender Preis vereinbart sein kann.

Bei einem Sondervertrag kann diese Situation gerade nicht bestehen, weil der Preis bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, Kostenentwicklungen vor Vertragsabschluss folglich nicht für Preisänderungen nach Vertragsabschluss aufgrund einer Preisänderungsklausel herangezogen werden dürfen. Damit regeln das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht einerseits und Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen andererseits vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalte und üben unterschiedliche Funktionen aus.
 

Mit dem Transparenzgebot des § 307 BGB hat der Gesetzgeber zudem zum Ausdruck gebracht, dass er unbestimmte Leistungsänderungsvorbehalte am weiten Maßstab der Billigkeit nicht billigt (BGH KZR 10/03 unter II. 6 für § 9 AGBG, BGH XI ZR 78/08 Rn. 32, 37, 38). Die Anwendung von § 315 BGB würde demnach contra legem erfolgen.
 
Es ist nicht ersichtlich, wie bei im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Sonderverträgen eine (lediglich vorgeblich) bestehende Verpflichtung des Versorgers zur Preisabsenkung wegen rückläufiger Kosten im Wege einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle vom Kunden durchgesetzt werden sollte/ könnte (BGH XI ZR 78/08 Rn. 38]. Die Vorstellung ist vollkommen lebensfremd.

Dies wäre auch mit Rücksicht auf die [durch BGH Urt. v. 23.06.09 KZR 21/08 zwischenzeitlich als unzutreffend widerlegten] Erwägungen in BGH VIII ZR 138/07 Rn. 23 wohl vollkommen unhaltbar (vgl. auch BGH VIII ZR 314/07 Rn. 17).

Die Vorstellung, dass sich nun sogar sämtliche Lieferanten, die im Rahmen der Vertragsfreiheit Verträge mit entsprechenden Preisänderungsklauseln anbieten, sich im Zweifel einer gerichtlichen Preis- und notwendigen Kostenkontrolle zu stellen haben, und die Beurteilung dabei für jeden einzelnen Kunden abhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses individuell erfolgt, ist wohl einfach nur absurd. Dies würde etwa bundesweite Anbieter von Strom und Gas wie Lichtblick betreffen, wenn diese entsprechende Klauseln verwenden.  

Die vom VIII.Zivilsenat des BGH mehrfach obiter dicta geäußerte und in amtliche Leitsätze gegossene Rechtsauffassung erscheint in ihrer Konsequenz deshalb nicht durchdacht. Auch nimmt der Senat dabei bewusst eine Alleinstellung gegenüber der Rechtsprechung der anderen Senate ein und dies, obschon er kein Energierechtssenat ist, sondern für das Kaufrecht zuständig ist und somit eher zufällig auch mit Energielieferungsverträgen befasst ist.  

VI. Fazit zur Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB

Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist immer dann anwendbar, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB besteht und mit einem solchen untrennbar verbunden.

Wo § 315 BGB hingegen keinen Anwendungsbereich hat, besteht auch kein Recht zur einseitigen Entgeltbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB und der Versorger ist an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden, ohne diesen im laufenden Vertragsverhältnis einseitig abändern zu dürfen (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 326/07, VIII ZR 81/08].

Im Falle unwirksamer oder nicht wirksam einbezogener Preisänderungsklauseln in einem Sondervertrag ergibt sich auch bei einer Monopolstellung des Versorgers grundsätzlich im Wege  einer ergänzenden Vertragsauslegung  kein Recht zur einseitigen Preisänderung(BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 326/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 312/08].

VII. Umstrittene Preisvereinbarungsfiktion


Umstritten ist, dass ein (zunächst) einseitig bestimmter Preis zu einem - keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliegenden - vereinbarten Preis werden soll, wenn die einseitige Leistungsbestimmung nicht zeitnah als unbillig gerügt wird (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07). Eine solche Vereinbarung wäre wohl schon mit der o. g.  gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit und der daraus folgenden Verpflichtung zur Preisabsenkung, wenn diese den Kunden günstig ist, denknotwendig unvereinbar. In Anbetracht der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit und der daraus folgenden Verpflichtung zur Anpassung an die Kostenentwicklung erscheint die Auffassung des VIII. Zivilsenats des BGH zweifelhaft, wonach auch bei Abschluss eines Tarifkundenvertrages ein feststehneder und kein von Anfang an variabler Preis vereinbart wird (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 15, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 314/07 Rn. 16, VIII ZR 320/07 Rn. 46). Auf eine Variabilität der Preise  deuten auch die gesetzlichen Regelungen in §§ 4 Abs. 1 AVBGasV/ AVBEltV, §§ 5 Abs. 1 StromGVV/ GasGVV hin, wonach die Belieferung zu den \"jeweiligen\" Allgemeinen Taifen/ Preisen erfolgt, die der Versorger aufgrund des gesetzlichen Tarifbestimmungsrechts einseitig bestimmt (BGH KZR 2/07 Rn. 29, KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Bei einer unwiderruflichen Willenserklärung, mit welcher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, handelt es sich nicht um einen auf Annahme gerichteten Antrag. Die Erklärung kann auch nicht in einen solchen Antrag umgedeutet werden. Mangels Antrag gem. § 145 BGB ist eine vertragliche Einigung durch (konkludente) Annahmeerklärung des Kunden ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 = NJW-RR 2005, 1464). Diese Preisneuvereinbarungsfiktion gilt zudem nur bei normativ bestehendem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB, jedoch nicht, wenn ein solches Recht im konkreten Vertragsverhältnis überhaupt nicht besteht (vgl. Büdenbender NJW 2009, 3125, 3131 dort unter IV. 2 b).

Der Tarifkunde vertraut darauf, dass die zur Abrechnung gestellten Tarifpreise den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend kalkuliert wurden und die Verbrauchsabrechnungen \"in Ordnung sind\". Der Missbrauch dieses Vertrauens kann eine Bestrugsstrafbarkeit der für die Tariffestsetzung und Abrechnung Verantwortlichen des Versorgungsunternehmens zur Folge haben (vgl. BGH, B. v. 09.06.2009 Az. 5 StR 394/08].

Im weiteren Energiebezug liegt auch keinerlei Erklärungsgehalt des Energiekunden auf eine Neuvereinbarung (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 VIII ZR 144/06 Tz. 20 = NJW 2007, 1672).

Schließlich wohnt auch der vorbehaltlosen Zahlung auf eine gestellte Verbrauchsabrechnung kein Erklärungsgehalt hinsichtlich einer Entgeltneuvereinbarung/ Anerkenntnis zur Abrechnung gestellter Forderungen inne (BGH, Urt. v.  11.11.08 VIII ZR 265/07 = NJW 2009, 580).

Auf Widerspruch und Vorbehaltszahlung kommt es im Falle eines fehlenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts  grundsätzlich nicht an (vgl. auch Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3131 dort unter IV. 2).

Stellt ein Vertragspartner in Ausübung eines vermeintlichen einseitigen Leistungsbestimmungsrecht über Jahre hinweg einseitig erhöhte Entgelte zur Abrechnung und zahlt der andere Vertragspartner darauf vorbehaltlos die erhöhten Entgelte, kommt hierdurch keine Entgeltneuvereinbarung zustande, sondern es besteht ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der über Jahre hinweg rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 = NJW-RR 2005, 1464).

Für die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung unwirksam erhöhter Preise ist es belanglos, ob in den konkreten Vertrag von Anfang  an gar keine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen war (§ 305 Abs. 2 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) oder aber eine einbezogene Preisänderungklausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) unwirksam war. Erweist sich eine über AGB des Versorgers einbezogene Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB als unwirksam, besteht nicht nur ein Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB, sondern es kommt ebenso ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo in Betracht (vgl. Palandt, BGB, Vor § 307 Rn. 14). Durch die Verwendung unangemessen benachteiligender Klauseln verletzt der Verwender vorvertragliche Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Vertragspartner und kann deshalb schadensersatzpflichtig sein. Für den Lauf der Verjährung solcher Ansprüche kommt es auf die Kenntnis des Kunden von diesen an, § 199 BGB. Dies gilt auch bei Vorbehaltszahlungen auf einseitig erhöhte Entgelte (BGH EnZR 49/08].

VIII. Die Einrede

Der betroffene Kunde muss, um ggf. zu einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle zu gelangen, die einseitig festgesetzten und geforderten Entgelte unter Berufung auf deren Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einredeweise als unbillig rügen. Dies sollte die Entgelte  insgesamt, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, wie auch auf diesen beruhende einseitig festgesetzte Abschläge betreffen. Er sollte ggf. auch das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung bestreiten, aber auch einen Billigkeitsnachweis fordern.

Ein Recht zur Versorgungseinstellung gem. § 19 StromGVV/ GasGVV besteht bei streitigen Zahlungsrückständen, die auf einseitigen Leistungsbestimmungen beruhen, nach Unbilligkeitseinrede nicht (siehe auch BGH X ZR 60/04 unter II 1.)





Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Jena 05.03.10
Titel: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Oktober 2011, 11:01:10
Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen! (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=16367)