Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Grundsatzfragen => Thema gestartet von: tangocharly am 21. Oktober 2010, 13:02:06

Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 21. Oktober 2010, 13:02:06
... ja, so hätten es die EVU\'s gerne (und ihre Anwälte füllen ständig seitenweise Schriftsätze dazu, warum dem Richter eine Prüfung nach § 315 BGB verboten sei).

Und weil dies so ist, dann wird auch gelegentlich sogar der BGH bemüht, der dies angeblich bereits entschieden habe (so z.B. die AGFW). Dies soll der BGH am 11.10.2006, VIII ZR 270/05 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=38026&pos=20&anz=24&Blank=1.pdf), zum Ausdruck gebracht haben. Stichwort: Keine Billigkeitskontrolle, weil § 30 AVB dagegen stehe.

Nur (nicht einschüchtern lassen !), was hat der BGH am 11.10.2006 wirklich entschieden (betrifft zwar einen Sachverhalt der Fernwärmeversorgung, tut aber in der Sache keinen Abbruch) ?

Zitat
Tz 16
bb) Mit dem Einwand, der von der Klägerin bei der Ermittlung des Arbeitspreises zugrunde gelegte gewichtete Jahresdurchschnittspreis des Gases von 3,220 Cent/KWh sei zu hoch angesetzt und entspreche nicht den tatsächlichen Gaspreisen des Jahres 2001, ist der Beklagte zu 1 nach § 30 AVBFernwärmeV im vorliegenden Rechtsstreit ausgeschlossen.

So, und warum ist das so ?

Zitat

Tz 19
[...] Voraussetzung für eine Überprüfung der Preisgestaltung nach § 315 Abs. 3 BGB ist aber stets, dass das Energieversorgungsunternehmen den entsprechenden Tarif einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Parteien vertraglich die Berechnungsfaktoren für eine Preisänderung im Einzelnen so bestimmen, dass bei der Berechnung des geänderten Preises ein Ermessensspielraum des Energieversorgungsunternehmens nicht besteht (sogenannte automatische Preisgleitklausel - OLG Hamm, WuM 1991, 431, 432; OLG Düsseldorf, ZNER 2005, 171, 172; OLG Brandenburg, ZNER 2006, 162, 163; Büdenbender, Zulässigkeit der Preiskontrolle von Fernwärmeversorgungsverträgen nach § 315 BGB, 2005 S. 72 ff.; vgl. auch Arzt/Fitzner, ZNER 2005, 305, 312 m.w.Nachw.).

Also ! Nix isses mit Ausschluß der Billigkeitskontrolle nach § 30 AVB.

Merke:
(1) § 315 Abs. 3 BGB stellt eine Regelung des Vertragsrechts dar, welcher ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zukommt (vgl. BGH, 13.06.2007, Az.: VIII ZR 36/06, Tz. 18 ).
 
(2) Die Antwort auf die Frage nach der An-/oder Unanwendbarkeit kann mit einer einfachen \"Wenn-Dann-Konstellation\" beantwortet werden:
Wenn einseitiges, ermessensgebundenes Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 Abs. 1 BGB), dann Billigkeitskontrolle (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB).

(3) Fehlt es an einer einseitigen, ermessensgebundenen Bestimmung, dann ist schon § 315 BGB nicht anwendbar, dann kommt man somit auch nicht zur Billigkeitskontrolle.

Nota bene:
Nur, weil der BGH ab und an \"Haken schlägt wie Hase\" bekommt man auch zu lesen, dass der Sonderabnehmer eine Billigkeitskontrolle (nach § 315 BGB) verlangen könne (obgleich sich alle Welt auf § 307 BGB stürzt, wo es bekanntlich nicht um Ermessen geht). Das ist aber wieder ein anderes Thema. Und dieses Thema hängt wiederum direkt damit zusammen, dass eine Auffassung im Vordringen ist, man könne sich auch durch schlichte Übernahme der AVB\'s in Sonderabnehmerverträge zu einer wirksamen Preisanpassungsbestimmung verhelfen. Diese sei dann nach § 315 BGB zu prüfen. Aber, dadurch gelangt man eben zu den \"Gummi-Paragraphen\" der § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV, d.h. zur Ermessensausübung  -  und damit stimmt zumindest die Ausgangsbasis hierbei.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 23. Oktober 2010, 13:53:06
Zitat
Zitat von tangocharly

Nix isses mit Ausschluß der Billigkeitskontrolle.....

Dass die Beseitigung/Vermeidung/Einengung der Billigkeitskontrolle im Bereich der Sonderverträge derzeit das angestrebte Ziel der Versorger ist, kann ich nur bestätigen. Die Anläufe dazu sind vielfältig:

Neben dem vorstehend gebrachten Beispiel berichtet price  (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14439)von Verträgen bei denen sich der Versorger vorbehält zu kündigen, wenn Preiserhöhungen mit dem § 315 BGB angegriffen werden.
Der Gasversorger Entega schreibt sogar in seine AGB hinein, dass Preisänderungen ausschließlich nach Maßgabe der Billigkeit erfolgen. Das ist zwar zunächst nur eine Behauptung, der Versorger wird aber jedem Neukunden einreden, dass er die Billigkeit bei Vertragsabschluss vereinbart hat.

Man scheut offenbar die Billigkeitsprüfung wie der Teufel das Weihwasser. Der VIII. Senat hilft bei diesem Vermeidungsszenario mit, indem er die Billigkeitskontrolle jetzt auch für Sondervertragskunden einengt. Bei einer unveränderten Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechts, z.B. gemäß  § 5 Abs. 2 GasGVV  in einen Sonderkundenvertrag, verliert der Kunde sein Recht auf eine Billigkeitskontrolle, wenn er nach Übersendung einer auf einer einseitigen Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit zu beanstanden. Dass die zuvor einseitig erhöhten Preise nicht mehr der Billigkeitskontrolle unterfallen wird vom Senat als interessengerecht gewertet. Welches Interesse ist damit wohl gemeint?

Der Verbraucher hat offenbar konkludent, das scheint es jetzt auch bei Sonderverträgen zu geben, die in der Jahresabrechnung enthaltenen Preise akzeptiert. Sie gelten von da an als vereinbart. Siehe (http://www.energieverbraucher.de/files_db/1281438933_5955__12.pdf) Rn 65, 66, BGH VIII ZR 246/08.

Nachdem der VIII. Senat den Sonderabnehmern schon die Klauselkontrolle aus der Hand geschlagen, sie gleichzeitig auf die zuvor noch abgespeckte Billigkeitsprüfung zurückgeworfen und den Versorgern im gleichen Atemzug  ein einseitiges ermessengebundenes Preisbestimmungsrecht spendiert hat,  ist es jetzt noch dieser Rest von Gegenwehr, diese Billigkeitsprüfung, die die Versorger bei ihren Gewinnmaximierungsbemühungen stört. In diese Karten soll keiner hineinschauen können.


Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 24. Oktober 2010, 16:59:20
Im Sonderabnehmerverhältnis, d.h. in demjenigen außerhalb der Grundversorgung (§§ 41, 115 Abs. 3 EnWG), verbleibt es generell zunächst bei der Klauselprüfung gem. § 307 BGB.

Die Klauselprüfung besteht aber aus zwei Elementen

(a) die unangemessene Benachteiligung

und

(b) das Transparenzgebot.

Der BGH hat mit der Übernahme der AVB\'s bislang noch nicht beide Kontrollinstrumente abgehakt.

Abgehakt wurde bislang nur, dass mit der Übernahme keine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Denn der Gesetzgeber hat sich, so der VIII. BGH-Senat (15.07.2009, VIII ZR 225/07, Tz. 24),  mit dem Erlaß der Verordnungen für  Regelungen entschieden (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV), die die Maßstäbe für eine Preisänderung beschreiben (obgleich die Rechtsprechung hieran nun schon seit Jahren \"herumeiert\", muß man das halt mal so stehen lassen - wenngleich die Rechtswirklichkeit in aller Regel geradewegs ein anderes zeigt - siehe die Summe banal-trivialer juristischer Billigkeitsentscheidungen der unteren Instanzen).

Nicht abgehakt ist allerdings das zweite Element, d.h. die Einhaltung des Transparenzgebotes. Die Einhaltung dieser Vorgabe ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn unklar bleibt, ob die Einbeziehung der AVB auch die Einhaltung der - ungeschriebenen - Voraussetzungen einer Preisanpassung gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV umfaßt (15.07.2009, VIII ZR 225/07, Tz. 30).
Und um diese Frage zutreffend zu beantworten,  bedarf es einer genauen Würdigung der Vereinbarungen zwischen den Parteien im Sondervertrag.

Dass die AVB-Regelungen alles andere als klar sind, kommt schon in der Entscheidung vom 17.12.2008 (Az.: VIII ZR 274/06, Tz. 21 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&Seite=1&nr=46649&pos=32&anz=41&Blank=1.pdf)) zum Ausdruck

Zitat
Gleichwohl bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob deswegen eine entsprechend den Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV gestaltete Preisanpassungsklausel einer Prüfung gemäß § 307 BGB standhielte (vgl. dazu von Westphalen, ZIP 2008, 669, 671 ff.). Denn eine entsprechende Übernahme dieser Regelungen lässt sich der von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklausel schon deshalb nicht entnehmen, weil – wie oben dargelegt – keine Klarheit darüber besteht, in welcher Weise die Preisänderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erfolgen haben. Insbesondere folgt aus der Klausel nicht klar und verständlich, ob der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll, wie es sich aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ergibt (BGHZ 172, 315, 320 f.; Senatsurteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2).

Und warum das heute, mit § 5 GasGVV, anders sein sollte, darauf hat auch noch niemand eine klare und für den Verbraucher verständliche Antwort gegeben.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 25. Oktober 2010, 08:39:04
Zitat
Original von tangocharly
Abgehakt wurde bislang nur, dass mit der Übernahme keine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Denn der Gesetzgeber hat sich, so der VIII. BGH-Senat (15.07.2009, VIII ZR 225/07, Tz. 24),  mit dem Erlaß der Verordnungen für  Regelungen entschieden (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV), die die Maßstäbe für eine Preisänderung beschreiben (obgleich die Rechtsprechung hieran nun schon seit Jahren \"herumeiert\", muß man das halt mal so stehen lassen - wenngleich die Rechtswirklichkeit in aller Regel geradewegs ein anderes zeigt - siehe die Summe banal-trivialer juristischer Billigkeitsentscheidungen der unteren Instanzen).
Da kann ich Ihnen nur zustimmen.  HIER (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=75197#post75197) gibt\'s auch so ne Entscheidung, wo man meint, der Richter hätte besser einen anderen Beruf ergriffen, wenn er die gesetzlichen Regelungen so verdreht und eigenmächtig erweitert.

Da kann man nur hoffen, dass dem VIII. Senat nicht noch weitere \"prima Ideen\" kommen, wie er Entscheidungen, die gar nicht anstehen, trotzdem für die Zukunft schon mal im Sinne der Energieversorger vorzementiert.  Was da teilweise abläuft, scheint mir manchmal doch etwas weit vorgegriffen, bei allem Respekt vor dem obersten deutschen Gericht, aber diesen Respekt muss man sich auch verdienen und das tut der VIII. Senat im Energiebereich leider zu oft nicht, zumindest nicht aus Verbrauchersicht.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 28. Oktober 2010, 18:21:37
Zitat
Zitat von tangocharly
Im Sonderabnehmerverhältnis, .............,verbleibt es generell zunächst bei der Klauselprüfung gem. § 307 BGB.

@tangocharly

Offenbar haben Sie mich damit tatsächlich auf dem linken Fuß erwischt, da ich der Meinung bin, dass der VIII. Senat den Sonderabnehmern die Klauselkontrolle schon aus der Hand geschlagen, zerbröselt und verdampft hat. Sie machen mir also Hoffnung, dass auch in Zukunft bei Prüfung der Preisklausel in Sonderverträge unter Zuhilfenahme des § 307 BGB doch noch etwas geht, auch dann, wenn es sich bei der Preisklausel um das unverändert in den Vertrag übernommene gesetzliche Preisbestimmungsrecht handelt.

Dennoch, ich komme nach Prüfung Ihrer Hilfestellungen im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung und muss diesen schmalen Pfad der Hoffnung wieder verlassen.

Wenn ich die von Ihnen angezogene Rn 24,  VIII ZR 225/07 voll durchlese, dann stoße ich auf folgende Sätze:

Zitat
Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Mit einer unveränderten Übernahme von § 4 AVBGasV in das Sonderkundenverhältnis wird das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht, Sonderkunden nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen als Tarifkunden. Es ist nicht ersichtlich, dass dafür im Bereich von Sonderverträgen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung gestellt werden müssten, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 AVBGasV unmittelbar erfüllt werden.

Hat der Senat damit nicht auch das Transparenzgebot abgehakt?

Schon im  Vorspann zu dieser Aufhellung, und zwar in Rn 19 sagt er, dass bei dieser Implementierung keine unangemessene Benachteiligung im Hinblick auf  Klarheit und Verständlichkeit im Sinne von Abs. 1 Satz 2 § 307 BGB besteht:

Zitat
a) Allerdings stellt eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (BGHZ 172, 315, Tz. 13 ff.) unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 dar.

Ich komme daher nicht mehr an der Feststellung vorbei, dass auch das Transparenzgebot  abgehakt ist.

Die Unklarheit, die Sie noch hinsichtlich der  - ungeschriebenen - Voraussetzungen einer Preisanpassung gem. § 4  Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV sehen, entstehen doch nur, wenn es  um eine dem § 4  Abs 1 und 2 nachgebildete vertragliche Preisanpassungsregelung geht. Hier muss der Klauselverwender Sorgfalt walten lassen, damit er alles beisammen hat,  was im gesetzlichen Preisanpassungsrecht, und dort in dem billigen Ermessen, versteckt ist.
 
Oder kann man das noch anders sehen? Ich meine nicht!
Siehe hierzu auch die Entscheidung VIII ZR 246/08, Rn 36

Zitat
(b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Markert, aaO, 294) ist es auch nicht erforderlich, die aus der Bindung an den Maßstab billigen Ermessens folgenden Anforderungen hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in der Klausel tatbestandlich zu konkretisieren. Insoweit sind - auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz - im Bereich von Sonderverträgen keine höheren Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung zu stellen, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und im Bereich der Grundversorgung nunmehr durch § 5 GasGVV unmittelbar erfüllt werden. Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden oder dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24, und VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 27).


Auch die von Ihnen zitierte  Rn 21 der Entscheidung vom 17.12.2008 VIII ZR 274/06, Tz. 21   kann keinen Beitrag für eine andere Sicht zu der Frage bringen, wie es um die Klarheit von AVB-Regelungen bestellt ist. Wir müssen unterscheiden, welchen Charakter eine Preisklausel hat, über die wir diskutieren. Nur darin sehe ich einen Weg zum Verstehen der jeweiligen  Klarheit.

Dem konkreten Streitfall liegt keine Klausel zu Grunde, die das gesetzliche Preisanpassungsrecht unverändert übernimmt.  Deswegen bedarf es auch keiner Entscheidung, ob eine solche Klausel der Inhaltskontrolle in vollem Umfange Stand hält oder nicht. Es geht vielmehr um eine Klausel,  die im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit individuell gestaltet wurde und nicht erkennen lässt, ob sie der Beklagten überhaupt ein einseitiges Preisgestaltungsrecht  verschafft. Vom § 4 AVBGasV weiß man das inzwischen. Insoweit besteht dort Klarheit in dieser Frage. Aber die individuell gestaltete Klausel, um die es hier geht, ist einfach unbrauchbar, hält der Klauselkontrolle nicht Stand und wird auch vom Senat verworfen.

Zitat
von tangocharly
Und warum das heute, mit § 5 GasGVV, anders sein sollte, darauf hat auch noch niemand eine klare und für den Verbraucher verständliche Antwort gegeben.

Ich meine, dass es mit der AVBGasV § 4 Abs 1 und 2 die gleiche Bewandtnis hat, wie mit der GasGVV § 5 Abs 2. Beide Regelungen beinhalten das gesetzliche Preisänderungsrecht, und beide stellen dort, wo sie ihre Heimat haben, nämlich in der Grundversorgung, ihre eigenen Anforderungen an die Transparenz. Wenn diese Rechtsvorschriften in ein Vertragssystem der allgemeinen  Vertragsfreiheit implantiert werden, entwickeln sie dort auch nicht mehr Ansprüche an die Transparenz. Die Billigkeitsprüfung soll es richten.

Darüber kann man sich entrüsten. Einige nennen es sogar Gleichmacherei. Das führt aber zu keinem anderen Ergebnis. Auch dann nicht, wenn es „zunächst“ bei der Klauselprüfung bleibt. Dafür hat der BGH mit seiner Übernahmerechtsprechung gesorgt. Übernahmerichter werden sie umsetzen und die Versorger ihren Gaskunden neue Verträge schmackhaft machen. Die Übernahmerechtsprechung ist möglicherweise auch zum Teil Ordnungspolitik in eigner Sache. Sie sorgt dafür, dass der Senat in Zukunft verschon bleibt, von den vielen, im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit phantasievoll gestrickten Preisklauseln und nicht immer wieder von neuem im Stechschritt durch den Honig muss.

Ich sehe mich also nach all diesen Betrachtungen nach wie vor als ein Sonderabnehmer, der auf die Billigkeitsprüfung zurückgeworfen ist. Wenn es einmal ernst werden sollte, dann werde ich, mein professioneller Vertreter und auch der Richter im Sumpf des weiten Spielraums der Billigkeit einen festen Halt suchen. Wie so etwas ausgehen kann, das zeigt das vorstehende, von bolli ins Spiel gebrachte Beispiel.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 29. Oktober 2010, 07:51:38
@Jagni

Das die Billigkeitsprüfung gegenüber der Prüfung nach §§ 305/307 BGB das deutlich anspruchsvollere Terrain ist, ist wohl unbestritten. Aber letztendlich ist es doch wohl die einzige halbwegs faire Möglichkeit, zu angemessenen Preisen aus beider Seiten Sicht zu gelangen.

Das wegen der unwirksamen oder nicht wirksam einbezogenen Preisanpassungsklauseln mein Sondervertrag auf dem Preis von 1978 stehen geblieben ist, ist zwar im ersten Augenblick schön (so denn dem VIII. Senat des BGH nicht noch Sonderregelungen einfallen), hilft mir aber auf Dauer nicht weiter, da die Versorger solche Altfälle mit niedrigen Grundpreisen eben kündigen werden. Dann heisst\'s einen neuen Vertrag mit jetzigem Preis abzuschließen und der beinhaltet auch bei unwirksamer Klausel einen hohen Einstiegspreis, egal bei welchem Versorger.

Nur wenn ich im Rahmen der Billigkeitsprüfung die Angemessenheit der Preise prüfe, komme ich (möglicherweise) von diesem hohen Sockel wieder runter. Dieses aber natürlich auch nur, wenn diese unsinnige Sockelpreistheorie des VIII. Senats gekippt wird. Ich frage mich eh, wie ich die Angemessenheit der Preise bei Kunden mit unterschiedlichen Vertragsbeginndaten und somit unterschiedlichen Grundpreisen gleich beurteilen will, wenn ich nur den Veränderungsbetrag der Billigkeitsprüfung unterziehen will. Vielleicht kann ich da im Sondervertrag wegen der individuellen Vertragsinhalte noch ne Begründung für finden, in der Grundversorgung mit den gesetzlichen Regelungen sehe ich dafür aber wie auch der Kartellsenat keinen Spielraum. Da ist der billige Preis EIN Preis und nicht ein in Sockelbetrag und Preisänderung unterteilter Preis .

Alles in allem werden wir, wenn überhaupt noch, aber nur über die Billigkeitsprüfung zu angemessenen Preisen kommen. Alles andere sind Hilfskrücken, die uns zwar heute ein paar Euro bescheren, aber morgen nicht weiterhelfen.

Die Problematik der kompetenten (oder eben auch nicht kompetenten) Richter/Gerichte hat man übrigens auch schon bei einfachsten Sachverhalten in der Sonderversorgung. Da Bedarf es erst garnicht der komplizierten Billigkeitskeitsverfahren. Selbst wenn man an die laut EnWG zuständigen, angeblich so kompeteten Kammern für Handelsrecht kommt, kann man manchmal sein \"blaues Wunder\" erleben, wie hier einige Fälle zeigen. Eine Garantie für Kompetenz gibt\'s nicht, zumal der Obsiegende in dem Verfahren das sowieso anders sehen wird.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 01. November 2010, 15:48:34
@ bolli

Standen am Anfang in diesem Thread noch der Hinweis, wie Versorger den Weg zur Billigkeit verbauen wollen und ergänzend Beispiele, wie die Scheu der Versorger vor einer Billigkeitsprüfung um sich greift, wie sie Bogen schlagen, um auch noch den Rest an Gegenwehr auszuhebeln, fällt es mir schwer, das zu preisen, was der BGH uns rübergeschoben hat aus dem Tarifrecht der Grundversorgung: Die Billigkeitskontrolle mit dem hohen Gerechtigkeitsgehalt, als, wie Sie sagen, „letztendlich ...  doch wohl die einzige halbwegs faire Möglichkeit, zu angemessenen Preisen aus beider Seiten Sicht zu gelangen.“

Wenn ich einerseits die Billigkeitsprüfung als letzten Hort der AGB-Kontrolle in dieser Sache erkenne, der jetzt auch noch angegriffen wird, dann ist das für  mich aber kein Grund, gleichzeitig die Fahne der Billigkeitsprüfung zu schwenken und „Hosianna“ zu rufen, schon gar nicht, wenn mir klar wird, welche Chance vertan wurde.

Mag sein, dass es irritiert, wenn ich in Verbindung mit der Billigkeitskontrolle von einem Sumpf rede. Der weite Spielraum des letzten Horts ein Sumpf?  Aber, was ist gegen einen Sumpf zu sagen? Alles ist organisch! Es gibt sogar Bemühungen trockengelegt zu renaturieren, und manche rühren neue an. Ich bleibe daher beim Sumpf und stimme Ihnen zu, bolli: Es ist ein „anspruchsvoller“, bei dem die Versorger befürchten, dass ein Verbraucher durchsteigt, ihre Geheimnisse lüftet und ich mich sorge, den richtigen Halt dabei zu finden, wenn ich hineingezogen werde oder selbst tapfer, den fairen Preis suchend, hineinschreite.

Mit Relativierungen, wie „halbwegs“ mag ich mich aber nicht zufrieden geben. Und eine Hilfskrücke, die ein paar Euro beschert, ist die Klauselkontrolle schon gar nicht.
Oder habe ich Sie damit falsch verstanden? Es geht hier eben nicht um ein paar Euro!  Die Sache hat einen anderen Anstrich.

Würde unsere oberste Gerichtsbarkeit dem Versorgerlager den Weg gewiesen haben, „selbst“ eine im Rahmen der Vertragsfreiheit gestaltete Preisklausel, die der Inhaltskontrolle standhält, in die Energiewelt zu bringen, dann würde diese wirksame Klausel in allen Unternehmen des Versorgerlagers unmittelbare Auswirkungen in den Unternehmensstrukturen zeigen, vom Vertrieb, über den Einkauf, das Controlling bis in die Kostenrechnungssystematik hinein. Sie wäre ein präventiver Schutz.  Die Rechtsfolgen daraus würden sich unmittelbar von der Klausel selbst ableiten.
So wäre auch dem im  § 1 des EnWG festgezurrten Willen des Gesetzgebers beizukommen.

Während eine wirksame und daher verpflichtende Klausel, geradezu wie eine Selbstverpflichtung, als Schutzschild im Vorfeld funktioniert, gleicht die aus dem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht heraus angewendete Billigkeitskontrolle eher einem Reparaturbetrieb weit hinten im Gefüge, mit zunächst hinhaltender Wirkung, bis das Verfahren dann letztlich bei einem Richter aufschlägt. Bestimmt müssen wir nun auch auf diese Einzelbetrachtungen setzen, die evtl. Wirkung erzielen. Wie spektakulär waren aber denn die Ergebnisse in den letzten 5 Jahren?   Wie viel Zeit wird noch verstreichen, bis in den Versorgerköpfen über den Weg einer Billigkeitskontrolle flächig Gedanken Einzug halten, dass z.B. nicht nur Kostensteigerungen, sondern auch Kostensenkungen weiterzugeben sind?

Will man auf eine solche Einsicht der Versorger warten? Eher geht doch wohl ein Kamel durch das berühmte Nadelöhr, als ein Gewinnmaximierer sich zu einem solchen Handeln  hinwendet. In Fensterreden ja, die werden wir hören, aber nicht in der täglichen Praxis.

Dass mit Hilfe der Billigkeitskontrolle ein Umdenken in den Versorgungsunternehmen erreicht wird, wie es mit einer im Rahmen der Vertragsfreiheit gebildeten „wirksamen“ Klausel zu erreichen wäre, ist für mich nicht erkennbar. Ich lasse mich jedoch gerne überzeugen.

Wenn Sie, bolli, sagen, dass wir „wenn überhaupt....,nur noch über die Billigkeitsprüfung zu angemessenen Preisen kommen“, dann will ich in dem Zusammenhang aber doch noch auf einen anderen Weg hinweisen, der eher Breitenwirkung erzielen kann: Wir dürfen nicht den massenhaften Versorgerwechsel hin zu dem günstigeren und kundenorientierten Versorger übersehen, mit dem die Verbraucher sich zwar nicht den fairen, auch nicht den angemessenen, aber den wettbewerbsfähigen Preis erarbeiten können. „Erarbeiten“ sage ich, er wird uns nicht zufliegen. Sicher kann man anzweifeln, dass es ihn gibt – diesen kundenorientierten Versorger. Aber mit diesem Zweifeln wird auch gleichzeitig verhindert, dass es ihn geben kann. Und auf die Frage: „Wann? „ folgt die Antwort: „ .... eben dann, wenn wir Verbraucher ihn uns erarbeitet haben“. Blicken wir, nur mal als Beispiel,  auf den Strompreis bei den Genossenschaften!
 
Auf den Wettbewerbspreis  kommt es in dem, unter der Regie der Versorger umfassend  kommerzialisierten Energieversorgungsbereich  in Zukunft besonders an. Nutzen wir in dem Zusammenhang auch die Gier der Versorger nach Kunden und daneben natürlich den Reparaturbetrieb der „Billigkeitskontrolle“.


Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 02. November 2010, 11:53:41
Die Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB ist vom Rechtssatz her genau das, was @Bolli hier angesprochen hat, nämlich \"eine Regelung des Vertragsrechts, der ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zukommt\" (vgl. BGH, 13.06.2007, Az.: VIII ZR 36/06, Tz. 18 -).

Alle \"billig und gerecht Denkenden\" werden sich in Ehrfurcht vor diesem Rechtssatz verneigen, nur halt nicht die gewinnmaximierenden Gegenparts, unterstützt von Entscheidern die es lieben, auf jeden Fall einen kurzen Prozess mit der Billigkeitsprüfung zu zelebrieren.

Das Schlimme an diesem Rechtssatz, zumindest im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung, ist allerdings der Umstand, dass die Parameter der das Ermessen bindenden Entscheidung, wie die vielen Entscheidungen der unteren Instanzen zeigen, in ihrer Erkennbarkeit so im Dunkeln bleiben, dass die Figur eines \"Erlkönigs\" dagegen noch eine Lichtgestalt verkörpert.

Wohin diese Entwicklung geführt hat, das sollte in dem Eingangssatz dieses Threads vermittelt werden.

Die Krone wird diesem Problem mit der Argumentation dann noch aufgesetzt, wenn dem Abnehmer der Unbilligkeitseinwand mit dem Gegeneinwand abgeschnitten werden soll, sein Verhalten sei als widersprüchlich zu bezeichnen, weil er trotz seines Widerspruchs gegen den Energiepreis auch noch weiterhin Energie aus dem Leitungsnetz des Versorgers bezogen habe.

Man hat den Eindruck, dass es als lästiges Übel verstanden wird, wenn Verbraucher deren berechtigte Interessen wahren und sich auf eine Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB festlegen. Liegt es wirklich in den Händen der Verbraucher, in der leitungsgebundenen Energieversorgung Wettbewerb durch Versorgerwechsel herzustellen ?
 
Ich weiß es nicht - und will es auch gar nicht wissen - ob der Gesetzgeber des EnWG diese Vorgänge bei dieser Novelle sich so vorgestellt hat:

(1) Wettbewerb durch Versorgerwechsel;
(2) ein Heer von Wechslern, die ständig von einem Versorger zum anderen wechseln;
(3) Versorger, die mehr Energie dafür verwenden, eine Masse von Versorgerwechseln zu organisieren, als deren Energiepreise vernünftig zu kalkulieren;

Bei der leitungsgebundenen Energieversorgung stellt sich der Versorgerwechsel eben nicht so dar, wie in der Waschmittelwerbung; ob ARIEL weißer wäscht als WEIßER RIEßE, das zeigt der Versuch (denn Versuch macht kluch).

Und die Vorstellung, dass ein Versorgerwechsel in der leitungsgebundenen Energieversorgung so leicht wird, wie der Wechsel des Waschmittels, die mag erst einmal verifiziert werden.

Schließlich braucht es auch für den Wechsel des Waschmittels keiner GELi-Gas (\"Geschäftsprozesse Lieferanten Wechsel Gas\"). Und wenn man dann nach 10 Monaten Dauer immer noch vergeblich auf den Lieferantenwechsel wartet, dann wird auch deutlich, warum der Vergleich eines Versorgerwechsels mit einem Waschmittelwechsel ein Vergleich zwischen \"Birnen und Äpfeln\" ist.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 02. November 2010, 13:13:06
In der Diskussion werden häufig Dinge verwirrend miteinander vermengt.

Es gilt, die klaren Grundsätze im Auge zu behalten, und sich möglichst auf den wesentlichen Kern zu beschränken.


Zitat
BGH Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 56/08 Rn. 20

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Insbesondere ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle durch § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV ebensowenig ausgeschlossen wie nach § 30 AVBGasV.


Die Allgemeinen Tarifpreise sind gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was nach der gesetzlichen Regelung die Verpflichtung einschließt, rückläufige Kosten durch Preisanpassungen zugunsten der Kunden weiterzugeben.

Zitat
BGH, Urt. v. 13.01.10  VIII ZR 81/08 Rn. 18.

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009- VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).

Zitat
Ausdrücklich heißt es in BGH VIII ZR 56/08 Rn. 36:

Im Gesamtzusammenhang gewährleisten die Vorschriften damit, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen.Daneben hat er die Möglichkeit, sich aus dem Vertragsverhältnis zu lösen und den Lieferanten zu wechseln.

Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle scheidet freilich dort aus, wo dem Versorger weder gesetzlich noch vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt wurde.

Die Einräumung des einseitigen Leistungsbestimmmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB ist immer Voraussetzung für die Zulässigkeit einer einseititgen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB.

Den Versorger trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass zu seinen Gunsten überhaupt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB besteht wie auch für dessen wirksame Ausübung gem. § 315 Abs. 2 BGB.

Eine demnach dem Grunde nach zulässige einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 Abs. 2 BGB ist für den anderen Teil nach der gesetzlichen Regelung  gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB immer nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.

Im Falle der Unbilligkeitsrüge und des Bestreitens trägt immer der Versorger die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.2009 VIII ZR 314/07 Rn.19 m. w. N., juris).

Durch die einseitige Preisänderung bzw. ein Unterlassen einer für den Kunden günstigen Preisanpassung darf der Versorger insbesondere  seinen im Preis enthaltenen Gewinnanteil nicht erhöhen. Bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle abzustellen ist auf die zwischenzeitliche Entwicklung sämtlicher preisbildender Kostenfaktoren seit der vorhergehenden Tariffestsetzung.


Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.2008 VIII ZR 138/07 Rn. 39:

Eine auf eine Bezugskostensteigerung gestützte Preiserhöhung kann allerdings - wie die Revisionserwiderung zu Recht einwendet - unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315, Tz. 26).

Unter diesem Gesichtspunkt müssen jedenfalls die Kostenbestandteile des Preissockels in die Beurteilung der Billigkeit der Preiserhöhung einbezogen werden, auch wenn dieser in seiner Gesamtheit, wie ausgeführt (oben unter 1), einer Billigkeitskontrolle entzogen ist (vgl. Dreher, ZNER 2007, 103, 107).

Ferner ist beachtlich, dass die gesetzliche Verpflichtung der Versorger aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen leistungsgebundnen Versorgung mit Elektrizität und Gas Auswirkungen auf die Billigkeitskontrolle haben kann, sich mithin auf diese auswirkt (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt nicht nur bei einer unbilligen Leistungsbestimmung in Betracht, sondern auch dann, wenn eine gebotene (neue) Leistungsbestimmung entgegen der gesetzlichen Verpflichtung unterlassen oder verzögert wird.

Das ordentliche Kündigungsrecht ist für Grundversorger gem. § 20 GVV gesetzlich ausgeschlossen. Unbilligkeitseinrede gibt dem Grundversorger auch keine keine Berechtigung zur außerordentlichen  Kündigung des Grundversorgungsvertrages.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 03. November 2010, 10:37:39
Zur Inhaltskontrolle nach Transparenzgebot (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=75403&sid=#post75403)

Sind Preisänderungsklauseln unwirksam oder schon nicht wirksam in Sonderverträge einbezogen, soll es für die Unwirksamkeit einseitiger Preisänderungen und darauf beruhender Preisforderungen nicht auf einen Widerspruch des Kunden ankommen (BGH VIII ZR 246/08]. Insbesondere eine gerichtliche  Billigkeitskontrolle findet in dieser Situation nicht statt, weil der Anwendungsbereich des § 315 BGB schon nicht eröffnet ist (BGH VIII ZR 274/06).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 03. November 2010, 13:50:51
Zitat
Original von RR-E-ft
Ferner ist beachtlich, dass die gesetzliche Verpflichtung der Versorger aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen leistungsgebundnen Versorgung mit Elektrizität und Gas Auswirkungen auf die Billigkeitskontrolle haben kann, sich mithin auf diese auswirkt (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
An dieser Stelle lassen wir dann aber mal die Preissockeltheorie des VIII. Senats in der gesetzlichen Grundversorgung außen vor, denn diese dürfte ja wohl kaum in Einklang mit der preisgünstigen Versorgung UND dem Unbilligkeitseinwand bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht zu bringen sein, da der VIII. Senat den Unbilligkeitseinwand eben nicht auch den \"günstigen Preis\" sondern nur auf das einseitige Leistungsbestimmungsrecht bezieht und die früheren Preisfestlegungsgründe außen vor lässt. Lediglich die Gewinnmarge darf nicht erhöht werden (die man aber erstmal rausbekommen muss, was bei Analyse mancher Bilanzen natürlich möglich ist, wie Sie ja schon gezeigt haben.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 03. November 2010, 14:08:40
Wenn der Preis stärker erhöht wird als sich die konkret preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preises insgesamt erhöht haben (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39) oder aber der Preis nicht im Umfange rückläufiger preisbildender Kostenfaktoren unverzögert und vollständig abgesenkt wird (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], dann erhöht sich jedenfalls unzulässig der Gewinnanteil am Preis.

Die konkrete Höhe des Gewinnateils am jeweiligen Preis muss man für diese Betrachtung nicht kennen.

Dessen Kenntnis wäre nur dann erforderlich, wenn es etwaig um die Unangemessenheit des Gewinnanteils am Preis selbst ginge.

Das soll jedoch zumeist nicht der Fall sein (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25).
Der Senat meint dort, dem Versorger müsse die Gewinnspanne auch bei einem für den Versorger besonders vorteilhaft kalkulierten Preis erhalten bleiben.

Dies erscheint wenig nachvollziehbar:

Selbstredend sollte es wegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1, 36 EnWG ausgeschlossen sein, dass der Versorger den öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Tarif für sich besonders vorteilhaft kalkuliert.
Ein so kalkulierter Allgemeiner Tarif kann ja wohl per se  nicht der gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas entsprechen.
Einen für den Versorger besonders vorteilhaft kalkulierten Tarifpreis dürfte es mithin nach dem Sinn und Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes und entsprechend der gesetzlichen Regelungen gar nicht geben können.  
Erst recht kann wohl kein berechtigtes Interesse des Versorgers  an der Fortschreibung eines für den Versorger besonders vorteilhaft kalkulierten  Allgemeinen Tarifpreises in die Zukunft bestehen.

Diese kann jedoch eine Rolle spielen, wenn sich der Kunde gegenüber dem verlangten Preis auf §§ 1, 19, 29, 33 GWB iVm. § 134 BGB beruft.
Ein kartellrechtswidrig überhöhter Energiepreis im Sinne des § 29 GWB kann auch nicht der Billigkeit entsprechen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 03. November 2010, 17:28:21
@RR-E-ft

Grundsätzlich kann ich der Darstellung in dem eingefügten Link  \"Zur Inhaltskontrolle nach Transparenzgebot\" folgen. Es gibt allerdings mehrere Stellen bei denen ich einhaken muss, um zu klären, ob mein Gedankengang richtig ist oder nicht.



Zitat
BGH, Urt. v. 13.07.04 KZR 10/03 unter II. 6,:
Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel lässt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).

Kann man daraus auch schließen, dass der weite Spielraum der Billigkeit „nie“ genügen wird?

Der VIII. Senat hat inzwischen ein System entwickelt, wie mit dem weiten Spielraum der Billigkeit umzugehen ist. Er prüft alles, was darin zu finden ist, danach, ob das Äquivalenzverhältnis stimmt oder nicht. Alles was ihm  dabei unter die Finger kommt, prüft er Schritt für Schritt und stellt fest, ob eine ungerechtfertigte Benachteiligung vorliegt, und zwar hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben oder hinsichtlich eines Verstoßes  gegen das Transparenzgebot.

Hinsichtlich des Transparenzgebotes, von dem  auch Tangocharly sagt, dass es noch nicht abgehakt ist, kommt er zu der Aussage:

Zitat
Entscheidung VIII ZR 246/08, Rn 36:

b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Markert, aaO, 294) ist es auch nicht erforderlich, die aus der Bindung an den Maßstab billigen Ermessens folgenden Anforderungen hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in der Klausel tatbestandlich zu konkretisieren. Insoweit sind - auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz - im Bereich von Sonderverträgen keine höheren Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung zu stellen, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und im Bereich der Grundversorgung nunmehr durch § 5 GasGVV unmittelbar erfüllt werden. Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden oder dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24, und VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 27).

Die Formulierung:  „.....in der Klausel tatbestandlich nicht zu konkretisieren“ bedeutet doch, dass der Inhalt, den wir alle von einer Klausel erwarten, nicht in Worte gefasst werden muss, die den Inhalt erklären.

Die Wortaneinanderreihung des § 5 Abs 2 reicht dem Senat aus. Sie reicht ihm aus, weil er den Inhalt sowieso an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sieht. Es ist somit nur noch zu klären, ob die in den   -ungeschriebenen - Voraussetzungen einer Preisanpassung gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV/§ 5 Abs 2 GasGVV zusammengefassten Grundsätze dem Maßstab billigen Ermessens folgen oder nicht.

In den - ungeschriebenen Voraussetzung – ist alles versammelt, was bisher schon oder in Zukunft noch dem  Transparenzgebot unterfallen wird. Ob sie alle dem Maßstab der Billigkeit  genügen, prüft er dann ebenfalls mit Hilfe des Äquivalenzverhältnisses.

Man kann ja bestreiten, dass die Systematik des VIII. Senats weder folgerichtig und rechtskonform ist, dass er aber gesagt hat, und zwar:

„... ist es auch nicht erforderlich, die aus der Bindung an den Maßstab billigen Ermessens folgenden Anforderungen hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in der Klausel tatbestandlich zu konkretisieren.“,

lässt sich aber  nicht mehr bestreiten. Der Senat hat damit den Weg freigemacht für eine Klausel, die nichts mehr aussagt und dennoch Stand hält.

Erst wenn ich den Gedankengang des BGH verstanden habe, kann ich mich der Gegenargumentation widmen.

Vielleicht gelingt es Ihnen, mir klar zu machen, dass das, was ich vorstehend geschrieben habe,  nur eine Fata Morgana meines Gehirns ist.  Auch das wäre mir eine Erleichterung.

Zu anderen Haken ein andermal.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 03. November 2010, 19:56:34
Ich weiß, ich weiß, ich schramme am Rande des Themas. Aber nur, weil vieles mit vielem zusammenhängt.  So auch der hohe Gerechtigkeitsgehalt der Billigkeitskontrolle mit dem aufkeimenden Wettbewerb durch Versorgerwechsel.

Daher noch eine Reflexion in die Gedankengänge von tangocharlys Beitrag, und zwar trotz bereits ergangenem Ordnungsruf, Dingen nicht verwirrend miteinander zu vermengen.
Ich erkenne aber weder den Sachverhalt einer Vermengung, noch befürchte ich wegen der überschaubaren Argumente eine ungerechtfertigte Verwirrung.


Zitat
Zitat von tangocharly

Das Schlimme an diesem Rechtssatz, zumindest im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung, ist allerdings der Umstand, dass die Parameter der das Ermessen bindenden Entscheidung, wie die vielen Entscheidungen der unteren Instanzen zeigen, in ihrer Erkennbarkeit so im Dunkeln bleiben, dass die Figur eines \"Erlkönigs\" dagegen noch eine Lichtgestalt verkörpert.

Stimmt: Deswegen keine Breitenwirkung für ein Umdenken bei den Versorgern alleine mit der Billigkeitskontrolle.

Zitat
Zitat von tangocharly

Ich weiß es nicht - und will es auch gar nicht wissen - ob der Gesetzgeber des EnWG diese Vorgänge bei dieser Novelle sich so vorgestellt hat:

(1) Wettbewerb durch Versorgerwechsel;
(2) ein Heer von Wechslern, die ständig von einem Versorger zum anderen wechseln;
(3) Versorger, die mehr Energie dafür verwenden, eine Masse von Versorgerwechseln zu organisieren, als deren Energiepreise vernünftig zu kalkulieren;


Zu den in den Ziffern (1) – (3) aufscheinenden Unsicherheiten, die ich nachvollziehen kann, denen ich mich aber entgegenstellen muss:

(1) Wie könnte Wettbewerb anders initiiert werden? Gibt es einen anderen Weg? Die Versorger haben die Grundversorgung ausgehöhlt  und das Massengeschäft umfassend kommerzialisiert. Und damit sie dort auch ordentlich zupacken können, hat man ihnen auch noch das Recht aus der Daseinfürsorge, das einseitige gesetzliche Preisbestimmungsrecht, um den Hals gehängt.

Nachdem der herkömmliche Hausbrand das Zeitliche gesegnet hatte, wurde die Lizenz zur Geldschöpfung ausgepackt. Und jetzt, wenn wir Verbraucher anfangen wach zu werden, zeigen sie ihre Flexibilität und scheren ein - in den Wettbewerb. In Kurz- und Mittelfristplanungen wird kalkuliert, mit welchen Preisnachlässen wie viel Kunden in anderen Grundversorgungsgebieten akquiriert werden können und müssen, weil der Kundenschwund drückt. Sie helfen also mit, beim Entstehen von Wettbewerb durch Versorgerwechsel. Wo ist das Problem?
Wenn der Versorger z.B. seinen Kunden,  mit 3 in zeitlicher Reihenfolge immer wieder neu lockend angepassten Vergleichsangeboten,  bei der Stange halten will, was sagt das aus? Doch wohl auch sehr deutlich, dass Kundenschwund Probleme bereitet.

(2) Das Heer wird schrumpfen, wenn die Versorger durch Umdenken das Signal dazu geben.  Wer will schon als Wechselaktivist enden? Es gibt Besseres, um die Lebenszeit zu füllen.

(3) Über diese Widersinnigkeit müssen sich die Versorger sorgen. Nur wegen des hohen Gerechtigkeitsgehalts der Billigkeitskontrolle  werden sie nicht „ordentlich“ kalkulieren, und schon gar nicht, wenn der Wettbewerb schläft.

Zitat
Zitat von tangocharly

Und die Vorstellung, dass ein Versorgerwechsel in der leitungsgebundenen Energieversorgung so leicht wird, wie der Wechsel des Waschmittels, die mag erst einmal verifiziert werden.

Erfahrungen müssen gemacht werden. Viele haben mitgeholfen, dass diese Möglichkeit überhaupt besteht und es auch klappt. Der Verordnungsgeber, indem er diverse Regelungen dazu fixiert hat, sogar der VIII. Senat mit dem nochmaligen Hinweis auf die Wechselmöglichkeit, die Landeskartellbehörden,  die den evtl. verbliebenen bremsenden Seilschaften einheizen und,  denken wir vor allem auch an die Hilfen hier im Forum durch Tipps, wie man Sand aus dem Getriebe bekommt und wem man auf die Füße treten muss, damit es voran geht; „immer treiben, nie treiben lassen“.

Und auch keine Zurückhaltung wegen des Vergleichs mit der Waschmittelwerbung!  Der Vergleich war gut!

Wie in der Werbung bei den Waschmitteln gilt auch bei der Energieversorgung der Slogan: Der Versorgerwechsel zwingt wettbewerbsunfähige raus und wettbewerbsfähige rein, und das selbst dann, wenn  die Energieversorgung leitungsgebunden ist.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 03. November 2010, 22:24:28
@Jagni

Der weite Spielraum der Billigkeit passt regelmäßig schon nicht in das enge Korsett, derjenigen Konkretisierung, welche das Transparenzgebot nach der sonstigen Rechtsprechung des BGH erfordert. Nur wenige Beispiele herausgegriffen:

Zitat
BGH Urt. v. 20.07.2005 (ZIP 2005, 1785)

\"Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht darf sich der Verwender durch Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Eine Befugnis zur einseitigen Festlegung kann ebenso wie eine solche zur einseitigen Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen nur dann formularmäßig begründet werden, wenn schwerwiegende Gründe dies rechtfertigen. Erforderlich ist weiterhin, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind\"

Zitat
BGH, Urt. v. 19.10.1999 (BGH NJW 2000, 651)

\"Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, wenn sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben.\"

Klar und verständlich:


Zitat
BGH, Urt. v. 15.11.2007 III ZR 247/06 Rn. 10:

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

Grundsätzlich muss der Kunde die Möglichkeit haben, die  Berechtigung einer Preisänderung anhand der Klausel selbst zu kontrollieren. Das Transparenzgebot erfordert deshalb gerade regelmäßig, dass bereits in der Preisänderungsklausel bei Vertragsabschluss die Preiskalkulation offen gelegt wird.


Zitat
BGH, Urt. v. 13.12.2006 VIII ZR 25/06 Rn. 23

Die Klausel in Vertragsabschnitt A Nr. 4 der \"Liefervereinbarung für Flüssiggas\", die eine Preisanpassung durch die Beklagte erlaubt, wenn Änderungen des Einstandspreises und/oder der Kosten eintreten, benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten schon deshalb unangemessen, weil sie ganz allgemein auf Kostenänderungen abstellt und nicht erkennen lässt, in welchem Bereich diese Kostenänderungen auftreten können und müssen (BGH, Urteil vom 16. März 1988 – IV a ZR 247/84, NJW-RR 1988, 819 unter 7). Darüber hinaus kennen die Kunden der Beklagten weder den Einstandspreis noch die sonstigen Kosten der Beklagten und können diese auch nicht in Erfahrung bringen. Ferner fehlt es an einer Gewichtung der in Betracht kommenden Kostenelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Flüssiggaspreises. Für die Vertragspartner der Beklagten ist deshalb weder vorhersehbar, wie sich etwa ein allgemeiner Anstieg der Gaspreise – eines wesentlichen Elements des Einstandspreises der Beklagten – oder sonstiger (welcher?) Kostenfaktoren auf den vereinbarten Flüssiggaspreis auswirken werden, noch haben sie eine realistische Möglichkeit, Preiserhöhungen der Beklagten auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Schließlich erlaubt die Klausel – jedenfalls in ihrer im Verbandsprozess zugrunde zu legenden kundenfeindlichsten Auslegung (st. Rspr., z.B. BGHZ 158, 149, 155) – der Beklagten eine Preiserhöhung bereits dann, wenn zwar ein Kostenfaktor sich nach oben verändert hat, der Anstieg aber durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird und die Beklagte daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen hat, als dies bei Abschluss des Belieferungsvertrags der Fall war. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 21. September 2005 aaO), gibt eine solche Klausel dem Verwender insgesamt einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne zu Lasten seiner Vertragspartner und benachteiligt diese deshalb unangemessen.

Offensichtlich steht der Sondervertragskunde eines Gasversorgers diesbezüglich nicht besser da als der Kunde eines Flüssiggas- Anbieters, welcher solche Preisänderungsklauseln verwendet.

Der Kunde kennt weder den Einfluss einer Änderung der Bezugskosten auf den vereinbarten  Gaspreis noch die weiteren preisbildenden Kostenfaktoren und hat somit keine realistische Möglichkeit, die Preisänderungen anhand der Klausel zu kontrollieren, was dem Versorger einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne verschafft. Schon gar nicht ist der Kunde durch die Klausel in der Lage versetzt, überhaupt zu erkennen, wann und in welchem Umfange eine Verpflichtung zur Preisabsenkung besteht, was dem Versorger wiederum die Möglichkeit verschafft, durch die praktisch unkontrollierbare unterlassene Weitergabe gesunkener Kosten einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.

Markant und zutreffend die Rechtsprechung des BGH zu Preisänderungsklauseln im Übrigen:

Zitat
BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 55/08 Rn. 38:

Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).

Dass die vom VIII. Zivilsenat als zulässig erachteten Klauseln nicht den Anforderungen entsprechen, welche die Rechtsprechung des BGH sonst nach dem Transparenzgebot verlangt, erkennt immerhin  auch der VIII. Zivilsenat selbst an.

Zitat
BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 225/07 Rn. 26:

Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass eine § 5 Abs. 2 GasGVV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen genügt, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, Tz. 25; BGHZ 164, 11, 26 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2). § 5 Abs. 2 GasGVV regelt nur, dass Änderungen der Allgemeinen Preise (im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss, und dass das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu der beabsichtigten Änderung zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362, Tz. 25). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung der Allgemeinen Preise (des Allgemeinen Tarifs) an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 26).

Er leitet gerade deshalb eine Ausnahme von den strengen Erfordernissen - m. E. ohne überzeugende Begründung - aus § 310 Abs. 2 BGB  her. Er will Sondervertragskunden und grundversorgte Kunden - einer gewissen inneren Logik folgend - wohl gleich schlecht behandelt wissen:

Fraglich, wie der betroffene Kunde überhaupt eine vertragliche Verpflichtung zur Preisabsenkung wegen rückläufiger Kosten durchsetzen sollte, wenn der VIII. Zivilsenat schizophrener Weise sogar das Postulat aufstellt, der bisherige Preis sei vertraglich vereinbart und unterliege somit gar keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle könne nur dann und soweit erfolgen, wie der Versorger den Preis nachträglich zu Lasten des Kunden einseitig abändert, also erhöht.

Auch für den grundversorgten Kunden ist deshalb nicht ersichtlich, wie er die gesetzliche Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18] durchsetzen sollte. Dass der Senat immer wieder diese - zugestandenerweise anhand enstprechender Klauseln schon nicht erkennbare - Verpflichtung des Versorgers immer wieder betont, ist also wohl halbwegs als lyrisches Beiwerk anzusehen, die gerade nach der Rechtsprechung dieses Senats praktisch nicht durchsetzbar erscheint.

Manch betroffener Rechtssuchende mag sich darob von dieser Rechtsprechung insgesamt an der Nase herumgeführt vorkommen.

Gäbe es § 310 Abs. 2 BGB nicht, käme auch der VIII.Zivilsenat nicht zu seiner wenig nachvollziehbaren Folgerung, der Gesetzgeber habe selbst den Maßstab für die Transparenz entsprechender Preisänderungsklauseln im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung geschaffen.

§ 310 Abs. 2 BGB lässt jedoch auch schon seinem Wortlaut nach keine Abstriche an der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB entsprechender Klauseln erkennnen. § 310 Abs. 2 BGB bezieht sich ausdrücklich nur auf die Inhaltskontrolle gem. §§ 308, 309 BGB.  

Erst recht scheint diese Auslegung mit den EU- Richtlinien, die auch zur Neufassung des § 307 BGB gegenüber dem § 9 AGBG führten, unvereinbar. Hierauf wies etwa das OLG Oldenburg in mündlicher Verhandlung am 02.11.10 in Sachen EWE zutreffend hin, welches deshalb eine Vorlage zum EuGH in Erwägung zieht.  

Zudem hatte der Gesetzgeber bei § 5 Abs. 2 GVV - wie andernorts bereits erörtert - das Transparenzgebot des § 307 BGB auch schon gar nicht zu entsprechen und wollte es auch gar nicht, sondern dem Grundversorger in Bezug auf die Allgemeinen Tarifpreise (von Anfang an) ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht  einräumen. Es handelt sich um ein Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht (BGH KZR 2/07 Rn. 26).

Das gesetzliche Preisbestimmungs- und -änderungsrecht (und die gesetzliche Verpflichtung hierzu) hat mit dem Transparenzgebot des § 307 BGB ebensowenig zu tun, wie ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (Preisbestimmungsrecht) gem. § 315 Abs. 1 BGB.

Der VIII. Zivilsenat meint, bei solchen Sonderverträgen müsse wie bei Tarifkunden eine Billigkeitskontrolle erfolgen. An anderer Stelle versagt er jedoch gerade die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB, wenn bei Vertragsabschluss ein bestimmter Preis und deshalb gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32 und VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Grundsätzlich kann bei Vertragsabschluss nur entweder ein bestimmter Preis oder aber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart worden sein.
Das eine schließt das andere denknotwendig aus.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 04. November 2010, 09:40:41
Zitat
Original von Jagni
 fällt es mir schwer, das zu preisen, was der BGH uns rübergeschoben hat aus dem Tarifrecht der Grundversorgung: Die Billigkeitskontrolle mit dem hohen Gerechtigkeitsgehalt, als, wie Sie sagen, „letztendlich ...  doch wohl die einzige halbwegs faire Möglichkeit, zu angemessenen Preisen aus beider Seiten Sicht zu gelangen.“
...

Mit Relativierungen, wie „halbwegs“ mag ich mich aber nicht zufrieden geben. Und eine Hilfskrücke, die ein paar Euro beschert, ist die Klauselkontrolle schon gar nicht.
Oder habe ich Sie damit falsch verstanden? Es geht hier eben nicht um ein paar Euro!  Die Sache hat einen anderen Anstrich.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass ich die Inhaltskontrolle der AGB-Richtlinien deshalb als \"Hilfskrücke\" bezeichnet habe, weil die Mehrheit der Verbraucher vor allem \"aus ihrer Sicht angemessene Preise\" haben möchte. Wie der im einzelnen aussieht oder aussehen müsste, können sicherlich mehr als 90% der Verbraucher nicht GENAU bestimmen. Sie haben nur in den letzten Jahren anhand verschiedener Faktoren und Informationen das GEFÜHL entwickelt, dass die Versorger sie \"über den Tisch ziehen\" (wenn z.B. die Preise an der Energiebörse fallen, gelcihzeitig aber die Versorger umständlich darlegen, warum sie LEIDER  8) trotzdem die Preise erhöhen mussten). Daraufhin hat man erst massenhaft angefangen sich zu wehren und dieses Wehren zunächst auf §1 EnWG, GasGVV und §315 BGB bezogen. Das war so ab 2004. Erst Ende 2008 hat der BGH den Sondervertragskunden unter diesen Protestlern (und das war der deutlich größte Anteil) die Tür über §307 BGB geöffnet. Da hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum einer Gedanken drüber gemacht (selbst die Anwaltschaft nur begrenzt) und es hatte ja auch nichts mit einem angemessenen Preis zu tun sondern eröffnete nur den Weg, die bisherigen Preissteigerungen wegen möglicherweise unwirksamen oder nicht wirksam einbezogenen Preisanpassungsklauseln \"umgehen\" zu können. Das dabei ein Vertragsanfangspreis von 1978 heute genausowenig angemessen ist wie die heutigen Energiepreise der Versorger, versteht sich aus meiner Sicht von selbst. Aber da ich als Sondervertragskunde kein anderes Recht als das mir vom BGH eingeräumte habe und andererseits aufgrund Verjährungsregeln möglicherweise nicht alle zu viel gezahlten Forderungen aus dem Vertrag zurückgefordert werden können, hab ich zunächst mal kein Problem damit, solche Maximalforderungen (Preis von 1978 ) zurückzufordern . Freiwillig zahlen die Versorger ja zu 99,9% eh nichts zurück, auch nicht andere ungerechtfertigte Bereicherungen.
Aber nochmal gesagt: Ein gerechter Preis dürfte weder der eine noch der andere sein.

Das Wort \"halbwegs\" benutze ich deshalb im Rahmen der Billigkeitskontrolle, weil ich davon ausgehe, dass auch bei Offenlegung von Kosten und Preisen immer noch Diskusssionen bestehen werden, welche Kosten bzw. Einbeziehungen gerechtfertigt sind und welche nicht. Hier gibt es Spielräume, die der individuellen Beurteilung, im Zweifel der Gerichte, unterliegen und die sicherlich nicht immer das positive Echo beider Parteien finden werden.

Zitat
Original von Jagni
Würde unsere oberste Gerichtsbarkeit dem Versorgerlager den Weg gewiesen haben, „selbst“ eine im Rahmen der Vertragsfreiheit gestaltete Preisklausel, die der Inhaltskontrolle standhält, in die Energiewelt zu bringen, dann würde diese wirksame Klausel in allen Unternehmen des Versorgerlagers unmittelbare Auswirkungen in den Unternehmensstrukturen zeigen, vom Vertrieb, über den Einkauf, das Controlling bis in die Kostenrechnungssystematik hinein. Sie wäre ein präventiver Schutz.  Die Rechtsfolgen daraus würden sich unmittelbar von der Klausel selbst ableiten.
So wäre auch dem im  § 1 des EnWG festgezurrten Willen des Gesetzgebers beizukommen.
Na, dass dürfte aber wohl Ihrem Wunschdenken entsprechen. Ohne eine halbwegs fundierte Ausbildung und umfangreichem Zahlenmaterial des Versorgers dürfte es Ihnen schlechterdings kaum möglich sein, die Einhaltung dieser \"sauberen\" Preisanpassungskausel zu überprüfen bzw. diese nachzuvollziehen. Da dürfte tatsächlich ne Menge an Zahlen in den Bereich der Geschäftsgeheimnisse fallen, auch wenn es um Daseinsvorsorge geht.
Ich verweise in diesem Zusammenhang nur mal auf das Informationsrecht  gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz und die Tatsache, dass der Staat an einigen Stellen, auch solchen zur Daseinsvorsorge, ganz massiv mit der Informationsherausgabe \"mauert\" und sich auf Geheimhaltungsvorschriften beruft. Das dürfte privaten Anbietern wie den Versorgern nicht anders ergehen.

Zitat
Original von Jagni
Wenn Sie, bolli, sagen, dass wir „wenn überhaupt....,nur noch über die Billigkeitsprüfung zu angemessenen Preisen kommen“, dann will ich in dem Zusammenhang aber doch noch auf einen anderen Weg hinweisen, der eher Breitenwirkung erzielen kann: Wir dürfen nicht den massenhaften Versorgerwechsel hin zu dem günstigeren und kundenorientierten Versorger übersehen, mit dem die Verbraucher sich zwar nicht den fairen, auch nicht den angemessenen, aber den wettbewerbsfähigen Preis erarbeiten können. „Erarbeiten“ sage ich, er wird uns nicht zufliegen. Sicher kann man anzweifeln, dass es ihn gibt – diesen kundenorientierten Versorger. Aber mit diesem Zweifeln wird auch gleichzeitig verhindert, dass es ihn geben kann. Und auf die Frage: „Wann? „ folgt die Antwort: „ .... eben dann, wenn wir Verbraucher ihn uns erarbeitet haben“. Blicken wir, nur mal als Beispiel,  auf den Strompreis bei den Genossenschaften!

Auch hier sehe ich die derzeitige Situation deutlich pessimistischer als Sie:
Aus meiner Sicht handelt es sich im wesentlichen um einen Pseudowettbewerb. Natürlich kann ich von Versorger A zu Versorger B wechseln, der 1,5 ct preiswerter ist, aber

1.) bezieht auch dieser Versorger B sein Gas über den Großversorger C. Und hier gibt es nur eine handvoll Großimporteure, die zunächst einmal ihren Grundlieferpreis festlegen. Dieser muss nicht identisch mit dem Handelspreis sein, wie derzeit eine Menge Verträge der Versorger zeigen (oder zumindest behaupten die Versorger dieses) und

2.) gibt es nur wenige Versorger, die noch den ehrenhaften Vorgaben des § 1 EnWG genügen wollen, und nur bescheidene (angemessene) Preise nehmen. Die allergrößte Anzahl agiert nachg dem Gewinnmaximierungsprinzip. Und dieses veranlasst die Wettbewerbsteilnehmer, sich auf einem möglichst hohen Niveau einzupendeln.

Wenn Sie sich mal den Mineralölmarkt anschauen, können Sie gut erkennen, wie der Markt funktioniert, nämlich garnicht. Die Großkonzerne wechseln sich bei ihren Preiserhöhungen wie zufällig ab, die freien Tankstellen bleiben, wie zufällig, einen Cent unter diesem Preis und die Preise gehen regelmäßig rauf und runter. Ein System, welches einen Zusammenhang mit Handelspreisen von irgendwelchen beteiligten Gütern (Öl, Leichtöl oder wsa auch immer) nahelegen würde, ist kaum zu erkennen. Eher schon ein System, z.B. Preise zu erhöhen, wenn viele Leute Auto fahren (z.B. zu Ferienbeginn oder zum Wochenende). Klar liegt auf dem Benzinpreis eine hohe Abgabenlast, aber eben diese ist langfristig konstant und erklärt eben nicht die Preisschwankungen.

Auch im Strombereich, wo der Wettbewerb ja schon ein paar Jahre länger existiert, kommen keine deutlich geringeren Preise zustande, trotz Tiefstständen an der Börse und deutlich geringeren Bezugspreisen in anderen Ländern, die abgesehen von den Steueranteilen zeigen, dass der Strom auch preisgünstiger sein könnte.

Dazu kommt, dass, wie tangocharly schon ausführte, der Wechsel nicht ganz so einfach ist, wie manchmal dargestellt. TROTZ zahlreicher rechtlicher Rahmenbedingungen, die den Wechsel vereinfachen sollen, gibt es noch zahlreiche Fälle, in denen den Verbrauchern Knüppel in die Beine geworfen werden, und wo den Betroffenen, oft trotz anwaltlicher Hilfe, nur langsam und zeitaufwändig zu ihrem Recht verholfen werden kann. Da ist ne Menge Enthusiasmus gefragt, den aber nicht alle in diesem Maße aufbringen, was ich durchaus verstehen kann.

Wer mal einen \"einfachen Wechsel seines Telefonanbieters (mit DSL-Anschluss)\" vornehmen wollte, zwischen die Anbieterfronten geraten ist und sich anschließend \"über einige telefonfreie Wochen oder gar Monate freuen\" konnte, wird dieses für den Energieversorgungsbereich nicht unbedingt anstreben und lieber klein bei geben.

Sicher ist da mit einstweiligen Verfügungen, Beschwerden und anderem auch beizukommen aber nicht jeder braucht das. Der Arbeitstag ist auch so genug ausgefüllt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 13:18:04
Die mit Sonderverträgen angebotenen Preise sind regelmäßig günstiger als die Allgemeinen Tarife, die ungünstiger kalkuliert sein müssen (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 O 160/06).
Dies gründet bei Gaslieferverträgen schon darauf, dass die in die Preise einzukalkulierenden Konzessionsabgaben deutlich geringer ausfallen.

Der dabei bei Vertragsabschluss vom Lieferanten  im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotene und vereinbarte Preis unterliegt keiner Billigkeitskontrolle.

Ob der Preis in einem Sondervertrag nachträglich abgeändert werden kann und muss, richtet sich danach ob überhaupt eine Preisänderungsklausel einbezogen wurde und ob diese Klausel wirksam ist.
Ist dies nicht der Fall, gilt nach allgemeinem Vertragsrecht der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis bis zur Vertragsbeendigung durch ordnungsgemäße Kündigung fort.

Diese Frage hat ganz offensichtlich weder etwas mit der Frage von Wettbewerb noch mit der Frage der Angemessenheit der Preise zu tun.

Der Gesetzgeber hat den Grundversorgern in Bezug auf die Allgemeinen Tarife ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt und sie zugleich zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet und ihnen aufgegeben, die von ihnen in Erfüllung des gesetzlichen Rechts zur Preisbestimmung und der gesetzlichen Verpflichtung zur Preisbestimmung, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, §§ 36, 2, 1 EnWG.

Gedankliche Voraussetzung für die öffentliche Bekanntgabe solcher Allgemeinen Preise ist zuvor deren einseitige Festlegung durch den Grundversorger. Sie sind demnach wohl per se weder Ergebnis von Preisverhandlungen zwischen Versorger und Kunden noch einer Marktpreisbildung durch Wettbewerb, sondern Ergebnis einer besonderen kostenbasierten Preiskalkulation des Grundversorgers. Der Grundversorger muss entsprechend gesetzlicher Verpflichtung den Allgemeinen Preis der Grundversorgung insbesondere auch dann kostenorientiert kalkulieren, wenn Wettbewerber gar nicht vorhanden sind.

Der Gesetzgeber hat sowohl das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers hinsichtlich der Preise für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht als auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle dergestalt einseitig bestimmter Preise für Elektrizität und Gas ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung. Allgemeine Tarife sind (wohl von Anfang an) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 04. November 2010, 14:49:57
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Gesetzgeber hat sowohl das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers hinsichtlich der Preise für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht als auch die gerichtliche Billigkeitskontrolle dergestalt einseitig bestimmter Preise für Elektrizität und Gas ausdrücklich vorgesehen, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 Grundversorgungsverordnung. Allgemeine Tarife sind (wohl von Anfang an) gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Nur mit Billigkeitseinwand darf man sie nach der Interpretation des VIII. Senats des BGH nicht angreifen. Das dürfte wohl keinen Sinn machen. Ich kann in besagtem Urteil bei Rd. 18 allerdings auch die Verpflichtung (=von Anfang an) zu Beginn nicht erkennen. Da ist nämlich von Preisänderungsrecht und Tarifanpassungsrecht die Rede was im Sprachgebrauch des VIII. Senats eben nicht gleich \"allgemeine Preise\"  oder \"Tarifpreise\" bedeutet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 15:11:21
Nicht erst laut BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18  besteht auch eine Pflicht zur Tarifanpassung, wenn diese den Kunden günstig ist (zu deutsch: Tarifabsenkung).

Diese gesetzliche Verpflichtung besteht von Anfang an.
(Von welchem Zeitpunkt aus gesehen denn auch sonst?).

Zitat
Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009- VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).

Das kann insbesondere auch eine Pflicht zur Absenkung unter das bei Vertragsabschluss geltende Preisniveau beinhalten.

Der Grundversorger kann bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Anpassung zugunsten der Kunden verpflichtet sein, nämlich dann, wenn seit der letzten Tarifveröffentlichung die Kosten der konkret preisbildenden Kostenfaktoren des Allgemeinen Preises  gesunken sind.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 04. November 2010, 15:57:49
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Grundversorger kann bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Anpassung zugunsten der Kunden verpflichtet sein, nämlich dann, wenn seit der letzten Tarifveröffentlichung die Kosten der konkret preisbildenden Kostenfaktoren gesunken sind.

Bei Vetragsschluss mag diese Verpflichtung gegenüber schon bestehenden \"Altkunden\" bestehen. Der aktuell abschließende Kunde kann sich nach der Sockelthorie aber darauf nicht berufen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 16:12:17
@Black

Immerhin räumen Sie selbst ein, dass für Bestandskunden bei rückläufigen Kosten der Sockel entsprechend gesetzlicher Regelung abzutragen ist.

Auch der Neukunde in der Grundversorgung soll nach dem vom Versorger zu bestimmenden, öffentlich bekannt gegebenen  Allgemeinen Preis beliefert werden.

Und es gibt nun einmal für Neu- und Bestandskunden nur einen einheitlichen (öffentlich bekannt gemachten) Allgemeinen Preis der Grundversorgung (der gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist).

Soll etwa der Grundversorger seine Allgemeinen Preise der Grundversorgung für die einzelnen Kunden spalten, nämlich abhängig davon, wann der Vertrag jeweils abgeschlossen wurde und wie sich die konkret preisbildenden Kostenfaktoren seit dem jeweils verändert haben?! Das liefe doch der gesetzlichen Regelung der §§ 36, 2, 1  EnWG deutlich zuwider. Schließlich hätte der Grundversorger bei Preisänderungen infolge nachträglicher Kostensteigerungen dann ebenso zu differenzieren.

Das passiert jedoch nicht. Lag die letzte öffentliche Bekanntage des Allgemeinen Preises im Dezember 2009 und sind seit dem die Kosten bis einschließlich September 2010 gestiegen, dann wird der Grundversorger den Allgemeinen Preis auch gegenüber denjenigen grundversorgten Kunden erhöhen, die den Vertrag erst nach dem Eintritt entsprechender Kostensteigerungen abgeschlossen hatten und sich von diesen nicht an einem vertraglich vereinbarten Preis festhalten lassen wollen, was er nach Ihrer Lesart aber wohl müsste.  


Das Gesetz fordert ausdrücklich Allgemeine Preise der Grundversorgung, was individuelle Preisvereinbarungen in diesem Bereich ausschließt.


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Gasversorgungsunternehmen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein an kein Ermessen gebundenes freies Preisbestimmungsrecht einräumen wollte. Dies kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben (so aber Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung, Kommentar, Stand 2003, E § 4 Absatz 2 d). Allgemeine, für jedermann geltende Tarife schließen eine Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB nicht von vornherein aus. Zwar ist richtig, dass es bei der Bestimmung der Billigkeit auf die Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks ankommt (Senatsurteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183, unter III 1). Die Berücksichtigung der typischen
Interessenlage beider Parteien und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sind aber auch bei einem Massengeschäft möglich (vgl. BGHZ 115, 311 zu Abwasserentgelten und BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 zur Abfallentsorgung).

Eine entsprechende Preisspaltung (welche konkret vertragsindividuelle Preiskalkulationen voraussetzt) praktiziert  kein einziger Grundversorger.
Es ist auch nicht ersichtlich, wie dies in der Praxis überhaupt umgesetzt werden könnte und sollte.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 04. November 2010, 16:56:47
Da der Versorger seine allg. Tarife nicht spalten kann, müßte er unter praktischen Erwägungen die Absenkung auch für den Neukunden vornehmen. Nur kann sich der Neukunde darauf nicht berufen, da er darauf keinen eigenen Anspruch hat.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 17:01:14
@Black

Na und spiegelbildlich andersherum?

Erhöhung des Allgemeinen Preises nach Vertragsabschluss wegen Kostensteigerungen, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren.

Da hat dann der Grundversorger gegenüber entsprechenden Neukunden in der Grundversorgung auch keinen Anspruch darauf bzw. kann sich nicht darauf berufen, weil er den Preis vertraglich vereinbart hatte?

Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 22:

Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (Begründung zu § 4 AVBGasV, BR-Drs. 77/79, S. 38; vgl. auch BGHZ 97, 212, 222 f.). § 4 Abs. 2 AVBGasV beruht insoweit auf den gleichen Erwägungen, mit denen die Wirksamkeit von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kostenelementeklauseln bei anderen langfristigen Lieferverträgen begründet wird. Für diese ist anerkannt, dass sie ein geeignetes und zulässiges Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung darstellen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, unter II 2; Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 2 m.w.N.).

Und deshalb doch (auf Dauer) Preisspaltung?

Was dem einen Teil recht ist, sollte dem anderen Teil wohl billig sein (müsen).

Ist es nicht doch eher so, dass alle grundversorgten Kunden gem. §§ 36, 2, 1 EnWG  nur Anspruch auf die Belieferung zu den vom Grundversorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig festgelegten Allgemeinen Preisen haben, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind?

Der Anspruch der grundversorgten Kunden kann nicht weiter reichen als die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers.

Zitat
BGH VIII ZR 225/07 Rn. 16:

Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20:

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Deshalb stellt sich m.E. immer die Frage, ob die vom Grundversorger einseitig festgelegten und sodann öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preise entsprechend gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG der Billigkeit entsprechen, was für alle betroffenen Kunden unabhängig vom individuellen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gleichermaßen zu beurteilen ist, weil individuelle Betrachtungen dabei von vornherein ausgeschlossen sein müssen, da auch die gerichtlich zu überprüfende Tarifkalkulation und darauf gründende Tarifbestimmung  schon nicht individuell erfolgt, die vom Grundversorger öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preise vielmehr nach der gesetzlichen Regelung  für alle grundversorgten Haushaltskunden gleichermaßen gelten sollen.

Jede andere Betrachtung führt wohl zwangsläufig zu einer dauerhaften Preisspaltung, spätestens wenn sich grundversorgte Kunden gegen eine erfolgte einseitige Tariffestsetzung über § 315 BGB zur Wehr setzen und eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB getroffen wird (BGH VIII ZR 314/07 Rn. 34).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 04. November 2010, 18:34:38
Zitat
Original von RR-E-ft
Und deshalb doch (auf Dauer) Preisspaltung?

Was dem einen Teil recht ist, sollte dem anderen Teil wohl billig sein (müsen).

Ist es nicht doch eher so, dass alle grundversorgten Kunden gem. §§ 36, 2, 1 EnWG  nur Anspruch auf die Belieferung zu den vom Grundversorger durch öffentliche Bekanntgabe einseitig festgelegten Allgemeinen Preisen haben, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind?

Das Problem der Aufspaltung haben Sie doch schon, wenn Kunde A einem tatsächlich unbilligen Preis rechtzeitig widerspricht und Kunde B ihn unbeanstandet hinnimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH gäbe es dann verschiedene angemessene Preise je nach Kunde (trotz gleichem Tarif).

Es war der BGH, der sich für eine individualisierte Betrachtung entschieden hat.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 18:47:43
Zitat
Original von Black

Es war der BGH, der sich für eine individualisierte Betrachtung entschieden hat.

Es war der VIII. Zivilsenat des BGH, der sich dafür entschieden hat, weil die gerichtliche Billigkeitskontrolle dadurch verkürzt werden kann. Damit mag zwar den Gerichten die Arbeit erleichtert werden.

Dem Grundversorger hilft es aber bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG nicht weiter und für die betroffenen grundversorgten Kunden ist es auch wenig hilfreich.

In der Praxis erweist sich mithin - wie zutreffend erkannt - die Untauglichkeit der zu Grunde liegenden Methode.  

Zitat
Original von Black

Das Problem der Aufspaltung haben Sie doch schon, wenn Kunde A einem tatsächlich unbilligen Preis rechtzeitig widerspricht und Kunde B ihn unbeanstandet hinnimmt. Nach der Rechtsprechung des BGH gäbe es dann verschiedene angemessene Preise je nach Kunde (trotz gleichem Tarif).

Es führt aber nicht nur zwangsläufig zu gesetzlich unzulässigen  Preisspaltungen, sondern auch zu willkürlichen  Zufallsergebnissen bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle der einseitigen Tariffestsetzung.

Und darauf hat der Kartellsenat des BGH in vergleichbarer Konstellation (unter Mitwirkung des jetzigen Vorsitzenden des VIII. Zivilsenats) zutreffend hingewiesen.

Zitat
BGH KZR 36/04 Rn. 10

Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird.

Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

Ersetzt man \"Netzbetreiber\" durch \"Grundversorger\" und \"Netznutzer\" durch \"grundversorgten Kunden\", so passt plötzlich wieder alles zu einander. Dann entspricht die gerichtliche Billigkeitskontrolle wieder dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers in Bezug auf die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die nach der gesetzlichen Regelung gem. §§ 36, 2 , 1 EnWG für alle grundversorgten Haushaltskunden eines Grundversorgers gleichermaßen Geltung beanspruchen sollen.

Diese Auffassung darf sich wohl als vom Kartellsenat des BGH bestätigt ansehen:


Zitat
BGH KZR 29/06 Rn. 20:

Der jeweilige Netzbetreiber ist hiernach gehalten, nach Art eines Tarifs
allgemeine Preise zu bilden, die den in vergleichbaren Fällen tatsächlich oder kalkulatorisch angesetzten internen Leistungsentgelten entsprechen und in den Verträgen mit externen Netznutzern nur unter-, aber nicht überschritten werden dürfen, wobei regelmäßig wegen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch eine Unterschreitung im Einzelfall ausscheidet.

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

Der Kartellsenat des BGH stellt dabei nochmals deutlich die Parallelen zum gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht der Netzbetreiber in Bezug auf die Netznutzungsentgelte gem. § 6 EnWG 1998 zum gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht gegenüber Tarifkunden gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 in Bezug auf die Allgemeinen Tarifpreise heraus.

Bemerkenswerter Weise fehlt es bisher in der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zur Billigkeitskontrolle  Allgemeiner Tarifpreise an einer wohl notwendigen Abgrenzung  zu dieser überzeugenden Entscheidung des Kartellsenats des BGH KZR 36/04. Eine überzeugende Abgrenzung dürfte wohl auch schwer fallen.


Es ist nicht nur ein Gebot der Logik, sondern auch der Fairniss gegenüber dem gesetzlich leistungsbestimmungsberechtigten und - verpflichteten Grundversorger:

Wenn der Grundversorger bei seiner einseitigen Leistungsbestimmung nach der gesetzlichen Regelung nicht auf eine individualisierte Betrachtung abstellen kann und darf, dann kann und darf auch ein Gericht, welches dessen Ermessensausübung danach entsprechend  der gesetzlichen Regelung auf seine Billigkeit hin zu kontrollieren hat, nicht auf eine individuelle Betrachtung  abstellen, weil sonst Prüfungsgegenstand und Prüfungsumfang nicht kongruent sind und es allein deshalb aus methodischen Gründen nicht zu einem zutreffenden Prüfungsergebnis  kommen kann.

Der Prüfer darf nicht einen anderen Maßstab anlegen als derjenige, dessen Arbeit überprüft werden soll.

Schließlich lässt sich auch mit einem Winkel schlecht die Einhaltung eines Längenmaßes kontrollieren bzw. mit einer Wasserwaage ein bestimmtes Bogenmaß oder mit einem Gliedermaßstab (Zollstock) eine bestimmte elektrische Spannung.

Mehr lässt sich wohl dazu nicht sagen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 04. November 2010, 22:11:12
Da die Diskussion derzeitig verstärkt in die bereits häufig diskutierte Problematik des Sinns und/oder Unsinns der vom VIII.Senat aufgestellten \"Sockeltheorie\" abdriftet (die möglicherweise einen richtigen Kopf, aber einen falschen Schwanz aufweist), führe ich noch einmal kurz zurück.

Es stellte sich die Frage nach der Prüfung an Hand von § 307 BGB und zwar nach den dort statuierten Kriterien, d.h. dem Benachteiligungsverbot und dem Transparenzgebot, im Falle einer Einbeziehung der AVB-Verordnungen.

Dass hierzu (wie hatte @RR-Ef-t richtig glossiert; um  Sonderkunden den Tarifkunden gleich schlecht zu stellen), der VIII. BGH-Senat wieder (ein Vergleich an die Django-Figur des Wilden Westen drängt sich zwanglos auf) sich von den Erkenntnissen des Kartellsenats verabschiedet, zeigt sich auch an der Entscheidung (13.07.2004, KZR 10/03 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=30405&pos=9&anz=43&Blank=1.pdf); ):

Zitat
-Unter Ziff. II. 6.b. - zweiter Absatz-;
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).

Nun haben wir es in der leitungsgebundenen Energieversorgung eben nicht nur mit dem Rechtsgedanken gem. § 315 BGB zu schaffen, der einen weiten Spielraum aufweist. Es lag auf der Hand, angesichts der in vielen höchstrichterlichen Entscheidungen zitierten \"Grundsätze die das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschen\"(vgl. BGH. 02.10.1991, Az.: VIII ZR 240/90), dass dieser weite Spielraum innerstaatlich, wie auch europarechtlich, beschränkt werden mußte.

Diese Beschränkungen wurden geschaffen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, § 2 Abs. 1 EnWG), d.h. kodifiziert; weshalb diese sowohl für die EVU\'s, aber natürlich auch für die Richter bindend sind (Letzteres nimmt dann doch immer wieder wunder, wenn man in vielen amtsrichterlichen Entscheidungen liest: der Anspruch ergäbe sich (nur) aus § 433 Abs. 2 BGB und in den Bestimmungen des EnWG fände sich keine für den Rechtsstreit erhebliche Anspruchsgrundlage - Stichwort: §§ 102 ff. EnWG).

Die Existenz dieser Beschränkungen hat der Kartellsenat unlängst, in seiner Entscheidung vom 20.07.2010, (Az.: EnZR 23/09) (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=53376&pos=17&anz=29&Blank=1.pdf) mit bestechender Klarheit zum Ausdruck gebracht:

Zitat
Tz 32.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 341 - Stromnetznutzungsentgelt I und vom 7. Februar 2006 - KZR 8/05, WuW/E DE-R 1730 Rn. 13 - Strom- 32 - 14 - netznutzungsentgelt II) wird der allgemeine Maßstab des billigen Ermessens, den § 315 Abs. 1 BGB vorsieht, durch § 6 Abs. 1 EnWG aF konkretisiert. Danach wird das Ermessen des Netzbetreibers in zweifacher Hinsicht gebunden. Neben der Beachtung des - hier nicht relevanten - Diskriminierungsverbots muss sich die Preisbildung daran orientieren, dass die Bedingungen guter fachlicher Praxis nach § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG aF einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG aF) und darüber hinaus der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs dienen sollen.

Dass der Kartellsenat in diesem Fall Strompreise im Visier hatte und darüber hinaus auch noch altrechtliche EnWG-Normen angesprochen werden, tut der Sache keinen Abbruch. Denn auf den Gaspreisfall umgesetzt findet sich diese zweifache Bindung in

(1) - hinsichtlich einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 Abs. 1 EnWG)      

und

(2) - hinsichtlich der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs (§ 1 Abs. 2 EnWG).

Es fragt sich nun, ob der VIII.Senat den weiten Spielraum des § 315 BGB nun, d.h. durch die Einwirkung von § 1 und § 2 EnWG, so weit eingegrenzt gesehen hat, dass mit Hilfe der, in Anwendung von § 39 EnWG erlassenen, Verordnungen ein \"Leitbild im weiteren Sinne\" ausgemacht werden konnte (BGH, 25.02.1998, Az.: VIII ZR 276/96, Tz. 23, 24 zitiert nach juris; ), welches für die Inhaltskontrolle maßgeblich werden könnte.

Diese Frage hängt aber weiter davon ab, ob diese Leitbilder in dem betreffenden Vertragsverhältnis auch grundsätzliche Geltung beanspruchen können (BGH, VIII ZR 276/96, Tz. 23 nach juris; ). Dies ist zunächst die Frage nach dem Wirkungskreis der Verordnungen (für die Allg. Versorgung). Dann schließt sich die Frage nach einer wirksamen Einbeziehung an (§ 305 Abs. 2 BGB). Und abschließend stellt sich die Frage, ob dem Abnehmer bei Lektüre der AVB\'s hinlänglich bekannt wird, dass neben der einseitigen Ermächtigung zur Preisbestimmung durch den Versorger, diese von seinem Ermessen abhängig gemacht und ferner auch dessen Verpflichtung zur Absenkung des Preises besteht, wenn dies für den Abnehmer günstig ist.

Diese Faktoren müssen wenigstens in der Vertragsurkunde ersichtlich werden. Erst dann werden sie auch von dem Vereinbarungswillen der Parteien abgedeckt (§§ 145 ff. BGB). Andernfalls gibt es nur wiederum Krücken, d.h. solche wie die \"Sockeltheorie\" und die Theorie vom vereinbarten Preis, wenn in überschaubarer Zeit der Schlußrechnung nicht widersprochen wurde.

Will man dem Abnehmer unterstellen, dass er (unausgesprochen) jegliche Preisänderung akzeptiere, insbesondere solche, die (nur) im Ermessen seines Gegenübers stünden, dann geht das nur wiederum mit Hilfe von \"Krücken\" ! (zu einer gesetzlichen Verordnung hierzu hat sich der Bundesgesetzgeber bis dato nicht entschließen können, § 41 Abs. 2 EnWG  - Warum nur ? Weil er der Auffassung war, dass zwischen dem Tarif- und Sonderkunde kein Unterschied besteht und Richterrecht das Problem schon richten wird ?).

Die Geschehnisse in Stuttgart muten zu einer Abschlußnote an: dort heißt das Schlagwort \"Oben bleiben\". Hier müßte es lauten \"Auf dem Teppich bleiben\". Und der Teppich der Allg. Versorgung (mit Kontrahierungszwang und Donatierung der Versorger) stellt einen anderen Teppich dar, als derjenige Teppich des freien Wettbewerbs unter Sonderkunden.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Lothar Gutsche am 04. November 2010, 22:42:00
Die hier mal wieder diskutierten Probleme gehen zurück auf die völlig unhaltbare Preissockeltheorie und die dadurch verursachten logischen Widersprüche. Dazu hatte ich mich schon mit heftiger Kritik am VIII. Zivilsenat des BGH mehrfach ausführlich geäußert, u. a. in den beiden Artikeln bei Cleanstate unter http://www.cleanstate.de/Preissockel_Energiepreise.html (http://www.cleanstate.de/Preissockel_Energiepreise.html) und http://www.cleanstate.de/Kartellrecht_Energiepreise.html (http://www.cleanstate.de/Kartellrecht_Energiepreise.html).

Das Bundeskartellamt hat in der Entscheidung B 8 – 107/09 vom 30.11.2009 zur Übernahme der Thüga durch das integra-Konsortium in Randnummer 45 auf sehr plausible Art eine marktbeherrschende Stellung für Grundversorger festgestellt, siehe Seite 19 unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion09/B8-107-09.pdf (http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion09/B8-107-09.pdf):
Die jeweils lokal abgegrenzten Märkte für die Belieferung von Grundversorgungskunden mit Strom werden jeweils von dem Grundversorger beherrscht. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung, dass in jedem Versorgungsnetz jeweils ein einzelnes Unternehmen vom Netzbetreiber als Grundversorger festgelegt wird und folglich die hieraus erwachsenden Aufgaben und Pflichten des Grundversorgers übernehmen muss. Durch die durch das EnWG vorgesehene Feststellung der Grundversorgereigenschaft ergibt sich keine Möglichkeit für einen potenziellen Marktzutritt als Grundversorger und ebenso wenig die Möglichkeit für das als Grundversorger benannte Energieversorgungsunternehmen, die Grundversorgereigenschaft abzulehnen. Somit gibt es in jedem Versorgungsnetz genau einen Grundversorger, der entsprechend als Monopolist und damit als marktbeherrschendes Unternehmen anzusehen ist.

§ 19 GWB (http://dejure.org/gesetze/GWB/19.html) verbietet dem Grundversorger den Missbrauch seiner  marktbeherrschenden Stellung. Insbesondere untersagt § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB jegliche sachlich ungerechtfertigte Preisspaltung. Der Grundversorger missbraucht demnach seine marktbeherrschende Stellung insbesondere dann, wenn er ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen verlangt, als er sie selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist.  Eine sachliche Rechtfertigung zur Preisdifferenzierung zwischen zwei grundversorgten Kunden erscheint undenkbar. Deshalb wäre jede Preisspaltung in der Grundversorgung einfach kartellrechtswidrig. Aus der Kartellrechtswidrigkeit der Preissetzung folgt deren Unbilligkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. November 2010, 23:25:17
@Lothar Gutsche

Möglicherweise besteht ein gewisser Grundversorger- Preisspaltung- Reflex.  ;)

Kartellrecht ist wieder eine vollkommen andere Baustelle.
Hatten wir das Thema Kartellrecht in diesem Thread etwa ganz vergessen?

Die Annahme des BKartA, dass der Grundversorger immer Monopolist und Marktbeherrscher sei, wurde schon als halbwegs abwegig hier im Forum besprochen:

Wenn morgen fast alle Haushaltskunden eines Grundversorgers A zu Fremdanbieter B wechseln, bleibt A weiter Grundversorger, bis vielleicht B eines Tages  gem. § 36 Abs. 2 EnWG zum neuen Grundversorger gekürt wird. Der Grundversorger muss keinesfalls marktbeherrschend sein. Selbst bei einem Markanteil von unter 5 Prozent kann man gem. § 36 Abs. 2 EnWG zum Grundversorger gekürt werden, wenn man damit nur zum maßgeblichen Stichtag die meisten Haushaltskunden im relevanten Netzgebiet beliefert, alle anderen Lieferanten also jeweils weniger Haushaltskunden beliefern.  Versorgen alle Lieferanten jeweils nur drei Haushaltskunden und ein Lieferant aber fünf Haushaltskunden, wird der mit den fünf Haushaltskunden neuer Grundversorger, vorher war vielleicht ein anderer Grundversorger, der dann wegen des Wechselverhaltens auch nur noch drei Haushaltskunden belieferte....

Erst recht gibt es bisher ersichtlich keinen Grund zu beklagen, ein Grundversorger betreibe gegenüber seinen grundversorgten Kunden in dem Netzgebiet, in dem er Grundversorger ist, eine kartellrechtswidrige Preisspaltung. Alle grundversorgten Haushaltskunden werden ersichtlich ausschließlich nach den gem. § 36 Abs. 1 EnWG vom Grundversorger festgelegten und sodann öffentlich bekannt gemachten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung beliefert. Eine Preisspaltung ist dabei, insbesondere in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des Grundversorgungsvertrages, aus o. g. Gründen schon nach §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG unzulässig. Kartellrechtliche Geschütze braucht man dafür nicht auch noch auffahren, denn das gilt selbst dann, wenn der Grundversorger im o. g. Beispielsfall von 178.000 Haushaltskunden im maßgeblichen Netzgebiet gerade noch drei oder fünf selbst in der Grundversorgung beliefert. Denn auch diese wenigen grundversorgten Kunden  muss er als Grundversorger immer noch nach den von ihm selbst festgelegten und öffentlich bekannt gegeben Allgemeinen Preisen der Grundversorgung beliefern.

Selbstredend steht es jedem Grundversorger frei, außerhalb der Grundversorgung im Rahmen der Vertragsfreiheit auch andere Preise als die Allgemeinen Preise der Grundversorgung anzubieten.
Ob er überhaupt Sonderverträge und dabei Sonderverträge mit oder ohne Preisänderungsklausel anbietet, steht ihm auch vollkommen frei.

Seine marktbeherschende Stellung- wenn er denn noch über eine solche verfügt - darf er jedoch nicht missbräuchlich ausnutzen.

(Kartellrechtlich bedenklich kann es sein, wenn ein Monopolist nur hochpreisige Zehnjahresverträge ohne Preisanpassungsmöglichkeit anbietet.)

Wenn nun aber in einem Sondervertrag eine Preisänderungsklausel nicht einbezogen oder unwirksam wäre, könnte sich auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht auf ein vertragliches Preisänderungsrecht mit der Begründung berufen, es würde sonst seine marktbeherrschende Stellung durch unzulässige Preisspaltung verletzen, weil mit den anderen Kunden wirksame Klauseln vereinbart seien, welche die Preiserhöhungen zuließen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Lothar Gutsche am 05. November 2010, 08:31:19
@ RR-E-ft

Das Bundeskartellamt definiert als Markt der Grundversorgung für Strom die vom Grundversorger mit Strom belieferten Kunden. Als Markt der Grundversorgung mit Gas würde nach Auffassung des Bundeskartellamtes die Menge der vom Grundversorger mit Gas belieferten Kunden gelten. Bei dieser Markt-Definition hat ein Grundversorger immer ein Monopol, er hat einen Marktanteil von 100 % in dem so definierten Markt und ist demzufolge nach § 19 Abs. 2 GWB (http://dejure.org/gesetze/GWB/19.html) immer marktbeherrschend.

In Ihrem Beitrag gehen Sie von einer anderen Marktdefinition aus, deshalb heißt es bei Ihnen z. B. \"Selbst bei einem Markanteil von unter 5 Prozent kann man gem. § 36 Abs. 2 EnWG zum Grundversorger gekürt werden ...\". Die Angabe von z. B. 5 Prozent bezieht sich auf einen \"Gesamt\"-Markt, wie immer der räumlich und unter Wahl verschiedener Energieträger definiert ist. Ich erinnere da an die Diskussion um den sogenannten \"einheitlichen Wärmemarkt\", die in früheren Jahren am BGH zwischen dem Kartellsenat und dem VIII. Zivilsenat geführt wurde.

Meine Aussage ist, dass nicht nur aus den von Ihnen genannten energiewirtschaftsrechtlichen Gründen, sondern auch aus kartellrechtlichen Gründen ein Grundversorger zwei Kunden in seiner Grundversorgung immer zum gleichen Preis beliefern muss, wenn er eine Preisdifferenzierung nicht sachlich rechtfertigen kann.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 05. November 2010, 10:46:31
@Lothar Gutsche

Die bekannte  Auffassung des BKartA ist eben halbwegs abwegig. Man könnte auch von Quark reden.
Ursache ist eine fehlerhafte Marktabgrenzung des Bundeskartellamtes.
 
Marktgebiet ist das Netzgebiet im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG, auf welches es auch für die Kür des Grundversorgers ankommt. Das erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die spezifischen Netzkosten bzw. Netzentgelte des Netzbetreibers erheblichen Einfluss auf die Preiskalkulation der Lieferanten haben. Diese Netzkosten unterscheiden sich in verschiedenen Netzgebieten erheblich.  

Und auf diesem sachlich wie räumlich  abgegrenzten Markt für die leitungsgebundene Versorgung von Haushaltskunden mit Gas kann der Grundversorger auch einen Marktanteil von unter 5 Prozent haben, in Extremo soagar nur einen einzigen Haushaltskunden beliefern, wenn nämlich nur alle bisherigen grundversorgten Kunden nach der Kür des Grundversorgers zu einem Drittlieferanten wechseln.

Gegenüber diesem letzten Einhorn hätte dann der Grundversorger nach Auffassung des BKartA noch eine Monopolstellung, weil dieser in der Grundversorgung verbliebene Kunde nach dieser kruden Auffassung die gesamte Marktgegenseite des Grundversorgung darstellen würde, seinerseits wohl sogar Nachfrage- Monopolist wäre.  

Zutreffend ist allein, dass derzeit oftmals die Grundversorger noch jeweils eine marktbeherrschende Stellung haben, die bereits ab einem Marktanteil von einem Drittel gesetzlich vermutet wird.

Es ist aber sogar die Konstellation denkbar, dass ein Drittlieferant bei der Belieferung von Haushaltskunden einen weit größeren Marktanteil hat, was mit der stichtagsbezogenen Kür des Grundversorgers zusammenhängt. Der Drittlieferant könnte einen Marktanteil von 50 Prozent errungen haben und der Grundversorger, ehemals Monopolist, könnte immer noch über 40 Prozent verfügen.

Es findet unbestreitbar  - entgegen der Auffassung des BKartA - sehrwohl ein Wettbewerb um Haushaltskunden statt, der etwa dazu führte, dass zumindest in einem maßgeblichen Netzgebiet zum Beispiel Lichtblick den bisherigen Grundversorger E.ON Hanse schon verdrängt hat und nunmehr selbst gem. § 36 Abs. 2 EnWG zum neuen Grundversorger gekürt werden konnte.

Alles kein Problem, da selbst ohne marktbeherrschende Stellung schon  § 36 Abs. 1 EnWG eine Preisspaltung ausschließt, weil die Verpflichtung des Grundversorgers zur Belieferung aller grundversogten Haushaltskunden nach den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung besteht.

Problematisch ist allein, dass die Rechtsprechung des VIII.Zivilsenats zur Billigkeitskontrolle, wie von Black nochmals deutlich aufgezeigt, zwangsläufig eine nach § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich unzulässige dauerhafte Preisspaltung in diesem Bereich zur Folge hat.

Der VIII.Zivilsenat stellt eben bei der Billigkeitskontrolle - entgegen BGH KZR 36/04 Rn. 10 - auf individuelle Preisvereinbarungen mit grundversorgten Kunden ab, obschon die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers dahin geht, alle grundversorgten Haushaltskunden zu den vom Grundversorger festgelegten und öffentlich bekannt gemachten Allgemeinen Preisen (die ihrerseits gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind) zu beliefern. Diese gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers schließt im Bereich der Grundversorgung individuelle Preisvereinbarungen gerade aus.

Individuelle Preisvereinbarungen, die der VIII. Zivilsenat seiner Methode zu Grunde legt, widersprechen mithin schon den energiewirtschaftsrechtslichen Bestimmungen gem. §§ 36, 2, 1 EnWG.  

Dafür bedarf es an dieser Stelle gerade keiner Diskusion über Kartellrecht.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 07. November 2010, 16:36:42
Ob die Einbeziehung der GasGVV, insbesondere dann § 5 Abs. 2 GasGVV, dem Transparenzgebot genügen kann, muß und wird sich danach richten, ob dem Abnehmer bei Konfrontation mit diesen Bestimmungen (Kenntnis bei Vertragsschluß - § 305 Abs. 2 BGB), die Tragweite (Inhalt und Umfang) des hierin liegenden Preisanpassungsrechtes klar und deutlich wird.

Mit seiner Entscheidung vom 19.11.2008 (Az.: VIII ZR 138/07) hat der BGH in den Raum gestellt (wenn auch in der Endkonsequenz offen gelassen) dass eine Preiserhöhung auch nach Vergleichs- und/oder Marktpreisen vorgenommen werden könne (Az.: VIII ZR 138/07, Tz. 48 ff.). Zu den Kriterien hierzu, nämlich von welchen Faktoren eine solche Preisanpassung abhängig sein würde, hat er aber Stellung genommen. Nicht gesagt hat der BGH, dass diese Methode der Preisanpassung von vornherein ausscheide.

Wenn man dies berücksichtigt, dann kommt man zu folgenden Preisanpassungsmethoden:

(1) Kostenpreis;
(2) Marktpreis;
(3) Vergleichspreis.

Für das Transparenzgebot gem. § 307 BGB bedeutet dies, dass sich der Abnehmer, der sich schon vergeblich die Augen reibt, um in seinem Versorgungsvertrag die Parameter für eine Preisanpassung zu erkennen, damit konfrontieren lassen muss, dass sein Vertrag deshalb transparent sei, weil sich die zulässige Preisanpassungsmethode nach dem Kostenpreis richte.

Soll nun der Sonderabnehmer nicht besser gestellt werden, als der Tarifabnehmer, dann wäre nur konsequent, also für den Fall, dass man die Vergleichspreis-Anpassungsmethode auch von den Prinzipien der energiewirtschaftsrechtlichen Preisfindung (§ 1 u. § 2 EnWG) gedeckt ansieht, dies in den Sondervertrag zu übertragen, wenn man die komplette Einbeziehung der gesetzlichen AVB\'s für ausreichend erachtet.

Damit brächte § 5 Abs. 2 GasGVV für den Sonderabnehmer eine Klausel, welche nach ihrem Wortlaut zwei weitere Preisberechnungsmethoden beinhaltet (welche dann zulässig wären), ohne dass dies dem Abnehmer bei Lektüre der Klausel eindeutig erkennbar wird und dem Versorger die Möglichkeit gibt, jenseits des reinen Kostenpreises zu einer, und damit unangemessenen, Erhöhung des Preises zu gelangen.

Dass eine derartige Klausel das Transparenzgebot gem. § 307 BGB verletzen kann, hat der BGH bereits am 26.09.2007 (Az.: VIII ZR  143/06, Tz.: 31 f. (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=41671&pos=16&anz=23&Blank=1.pdf))

Zitat
Tz. 31
Die Formulierung der Klausel schließt eine solche Berechnung der Abgeltungsquote jedenfalls nicht aus und gibt damit dem Vermieter zumindest die Möglichkeit, den Mieter auf eine unangemessen hohe Quote in Anspruch zu nehmen, ohne dass der Mieter dem unter Hinweis auf den Wortlaut der Klausel entgegen treten könnte. Das soll durch das nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich normierte Transparenzgebot verhindert werden. Es schließt das Bestimmtheitsgebot ein, nach dem die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden müssen, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGHZ 165, 12, 21 f., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die hier zu beurteilende Klausel aus den vorgenannten Gründen nicht.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 08. November 2010, 13:02:33
Dem Klauselverwender darf durch eine Preisänderungsklausel nicht die Möglichkeit eröffnet werden, seinen Gewinnanteil am vereinbarten Preis nachträglich zu erhöhen.

Deshalb dürfen Preiserhöhungen nur im Umfang tatsächlich nachträglich gestiegener Kosten erfolgen und müssen Kostensenkungen ebenso über Preisanpassungen weitergegeben werden.

Deshalb kann und darf bei Preisanpassungsklauseln und für Preisänderungen in Sonderverträgen gerade nicht  auf Vergleichspreise oder Marktpreise abgestellt werden.

Steigt der Vergleichspreis oder Marktpreis - ohne dass sich die Kosten für den Versorger entsprechend erhöht haben - hätte eine entsprechende Preisänderunge eine Erhöhung des Gewinnanteils zur Folge. Eine Preisänderungsklausel ist nur dann zulässig, wenn sie die Möglichkeit der nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils sicher ausschließt.

Auch bei der Ausübung des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts darf der Gewinnanteil am Preis nachträglich nicht erhöht werden (BGH VIII ZR 138/07).

Deshalb kann insbesondere auch bei der Billigkeitskontrolle hinsichtlich der Änderung Allgemeiner Preise der Grundversorgung nicht auf einen Markt- oder Vergleichspreis abgestellt werden. Es kommt dafür vielmehr auf die zwischenzeitliche Änderung aller konkret preisbildenden Kostenfaktoren der besonderen Preiskalkulation der Allgemeinen Preise der Grundversorgung seit der vorhergehenden Tariffestsetzung an (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 09. November 2010, 12:35:00
Zitat
Original von tangocharly
Wenn man dies berücksichtigt, dann kommt man zu folgenden Preisanpassungsmethoden:

(1) Kostenpreis;
(2) Marktpreis;
(3) Vergleichspreis.


Nein, zulässig ist nur (1) die Preisanpassung unter Berücksichtigung eigener Kosten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 09. November 2010, 13:03:51
Nach meinem Dafürhalten entspricht eine solche Preisänderungsklausel in Sonderverträgen auch unter Berücksichtigung der EU- Richtlinien nicht dem Transparenzgebot. Der Sondervertragskunde wird insbesondere nicht in die Lage versetzt, zu erkennen, wann und in welchem Umfange der Versorger zur Preisanpassung zugunsten des Kunden verpflichtet ist, was dem Versorger einen praktisch unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am vereinbarten Preis eröffnet. Um dies auszuschließen müsste der Kunde bereits die bei individuellem Vertragsabschluss zu Grunde liegende Preiskalkulation kennen. Diese kennt er jedoch gerade nicht.

Zudem gilt in Sonderverträgen das Preisspaltungsverbot des § 36 Abs. 1 EnWG nicht.

Preisänderungen in Sonderverträgen anhand der nachträglichen Kostenentwicklung nach individuellem Vertragsabschluss werden den Versorgern aus bekannten Gründen schon gar nicht möglich sein.

Es kann und darf dabei nämlich gerade nicht auf eine Kostenentwicklung seit Tarifveröffentlichung vor Vertragsabschluss abgestellt werden, sondern es muss in jedem Fall auf die Kostenentwicklung nach  Vertragsabschluss abgestellt werden, wobei wohl solche Kostenänderungen nicht berücksichtigt werden dürfen, die für den Versorger bei Vertragsabschluss bereits bekannt oder vorhersehbar waren.

In der Praxis existieren solche individuellen Kostenkalkulationen, auf die es dabei zwingend ankäme, wohl schon gar nicht.
Sie werden soweit ersichtlich nirgends abgebildet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 10. November 2010, 00:03:50
@ RR-E-ft

Leider konnten mir Ihre Beispiele (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=75442#post75442) aus der sonstigen Rechsprechung nicht helfen, meine Sorge hinsichtlich eines wirksamen Verbraucherschutzes aufzulösen. Im Gegenteil, sie hat sich verfestig.

Die eindrucksvollen Beispiele von Entscheidungen, denen Klauseln zugrunde liegen, die alle im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit gebildet wurden und auch die passenden Begründungen dazu, warum sie gescheitert sind, machen schlagartig klar, wie stark der Verbraucherschutz durch die neue Systematik des BGH, oft auch als obiter dicta-Rechtsprechung oder Übernahmerechtsprechung bezeichnet, massiv eingebrochen ist. Mit ihr hat der VIII. Senat zu verstehen gegeben, wie mit dem weiten Spielraum des billigen Ermessens umzuspringen ist.

Die Systematik  hat sich in der Wirklichkeit der heutigen Rechtsprechung schon festgesetzt und sogar im gesamten Land bis in die AGB der Versorger hinein, die darauf gewartet haben, ihre Spuren hinterlassen. In absehbarer Zeit wird in allen Sonderverträgen das gesetzliche Preisänderungsrecht  prangen.  

Steht hinter diesem System inzwischen nicht schon der BGH in seiner Gesamtheit? Ist die Hoffnung auf die Anrufung des Großen Senats zerstoben? Ist der Kartellsenat zu der von ihm getragenen Rechtsprechung noch zu vernehmen?

Es wird kein Glanzpunkt für die deutsche Rechtsprechung sein, wenn eine Überprüfung durch den EuGR in Anspruch genommen werden muss, um im eigenen Land den Verbraucherschutz wieder ins Lot zu bringen.

Wenn ich anfänglich aus einem Gefühl heraus gesagt habe, dass ich nicht „Hosianna“ rufe, wenn mir der BGH unverhofft eine Billigkeitskontrolle in einem Sondervertragsverhältnis verschafft und damit übertüncht wird, welch ein Einbruch gleichzeitig der Verbraucherschutz erfährt, dann ist mir der Zusammenhang jetzt durch Ihren Anstoß richtig bewusst geworden.

Es mag ja sein, dass man dazu neigt, sich zu freuen, wenn einem etwas zuteil wird, hier beispielweise eine Billigkeitskontrolle. Aber Vorsicht! Wie bei einer Erbschaft kann das mit einem Haken verbunden sein. Und dieser Haken, um den es hier geht, ist darin zu sehen, dass  gleichzeitig den Versorgern ein wirksames Preisänderungsrecht, und zwar das gesetzliche, mit seinem billigen Ermessen durch „unveränderte“ Übernahme zugeteilt wurde. Beides, also die Verleihung einer Billigkeitskontrolle sowie die Verleihung eines einseitigen Preisbestimmungsrechts ist nur gelungen, durch die Implantation einer Rechtsvorschrift aus dem Tarifrecht der Grundversorgung in das unter dem Dach der Privatautonomie angesiedelte System der allgemeinen Vertragsfreiheit. Die Implantation des gesetzlichen Preisänderungsrechts ist gewissermaßen das Kernstück des Richtungswechsels der Rechtsprechung im Energierecht.

Ich spreche hier bewusst von einer Implantation, weil das Implantat im Rechtskörper – also dort wo es hineinverpflanzt wurde, gravierende Unverträglichkeiten bewirkt hat. Gerade auf diese Unverträglichkeiten haben Sie immer wieder hingewiesen, und sie mit Beispielen belegt.

Mit dem Angriff auf den Verbraucherschutz wird die differenzierte Typisierung der Rechtstatbestände und damit ein Zweck der Norm, § 307 BGB, urplötzlich aufgehoben. Der Zweck der Norm, schon als Schutz bei Vertragsabschluss zu wirken, besteht nicht mehr. Aus dem Wortlaut der Klausel heraus wird jetzt nicht mehr klar, ob der Vertragnehmer ungerechtfertigt benachteiligt wird oder nicht.  Und gerade das ist die zentrale Forderung eines wirksamen Verbraucherschutzes. Dafür gibt es hinreichend Belege aus der sonstigen Rechtsprechung (siehe insbesondere ihre Beispiele).

Der Verfassungsgrundsatz, der sich zunächst an die gesetzgebende Gewalt richtet, sagt jedoch, dass nur Gleiches rechtlich gleich, Ungleiches jedoch ungleich zu behandeln ist ( zu den Anfängen des Gedankens   BVerfGE  1, 418;  3, 135 f.;  4, 7.)  Der Gesetzgeber hat diesen Anforderungen in vollem Umfange entsprochen, indem er das Recht entsprechend den unterschiedlichen Sachverhalten gestaltet  hat. Dem ist auch die herkömmliche Rechtsprechung in der Vergangenheit gefolgt.

Wie sieht es aber mit dem neuen System des VIII. Senats aus, der obiter-dicta-Rechtsprechung? Die Judikative ist natürlich auch den Grundsätzen des Gleichheitsgedankens verpflichtet. Dem Richter ist es daher verwehrt, ein vom Gesetzgeber auf den differenzierten Sachverhalten aufgebautes Rechtsgefüge, beispielsweise für die Energieversorgung von Sonderabnehmern und Tarifabnehmern, das eindeutig ist, und zwar nach Wortlaut und Sinn, zu dem auch schon eine umfassende Rechtsprechung besteht,  umzuorganisieren und dem ganzen Gefüge, insbesondere  einer einzelnen Norm (§ 307 BGB) einen anderen Sinn zu geben. Das darf auch nicht gelingen, wenn der Richter bei seiner Rechtschöpfung eine nach seiner Ansicht „verfassungskonforme“ Auslegung  (gleiches Recht für Tarif- und Sonderabnehmer) zu Hilfe nimmt  und damit einen entgegengesetzten Sinn herbeiführt.

Dem Gleichheitssatz steht es somit entgegen, wenn ein Sondervertragskunde, mit einem Tarifkunden gleichgesetzt wird, weil letzterer den unmittelbaren Schutz des § 307 BGB nicht hat. Er muss sich seinen Schutz  über das billige Ermessen herbeilenken. Ihm bleibt lediglich die Hoffnung, dass sein Recht in dem weiten Spielraum des billigen Ermessens gefunden wird, wenn er es in Anspruch nehmen will. Es scheint also stimmig zu sein, wenn Sie sagen, dass beide, sowohl Tarif- als auch Sonderabnehmer durch diese neue Rechtsprechung „gleich schlecht behandelt“ werden.

Sehe ich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei den Tarifkunden möglicherweise als noch gewahrt, weil dort in der Daseinsvorsorge  für  die schwächere Form der Durchsetzung von Verbraucherrechten die Versorgungspflicht ausgleichend wirkt, wird das Recht des Sonderabnehmers jetzt beschädigt.

Zu den Obliegenheiten des Klauselverwenders gehört es, die Wirksamkeit des Preisbestimmungsrechts das er sich verschaffen will, unmittelbar in der Klausel darzustellen. Andernfalls fällt die Klausel von Anfang an der Unwirksamkeit anheim. Dieser Schutz des Verbrauchers ist untergegangen.  Er verliert diese Kontrollmöglichkeit nach § 307 BGB und ist auf den Weg der Billigkeitskontrolle zurückgeworfen.

Das vom BGH entwickelte System ist daher sachverhaltsfremd. Dies deutet daraufhin, das dem vollen Inhalt des Gleichheitssatzes nicht mehr Rechnung getragen wird, denn es wurde gleiches Recht  für unterschiedliche Sachverhalte im Wege der Rechtsprechung durchgesetzt.

Sachverhaltsfremd ist es auch, den Willen des Gesetzgebers neu zu deuten, um eine Parallelgestaltung hinsichtlich der Weitergabe von Kostensteigerungen an die Verbraucher zu begründen. Die Versorger hatten bereits die Möglichkeit der Kostenweitergabe an die Sonderabnehmer. Sie mussten nur den Willen aufbringen, die Klausel, die ihnen dieses Bestimmungsrecht verschaffen soll, wirksam zu gestalten, so wie Sie es hier (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=58808#post58808) im Ansatz vorgemacht haben. Davon wurden die Versorger durch die Rechtsprechung des VIII. Senats befreit.

Von einer solchen Betrachtung kann auch nicht Abstand genommen werden, durch die Aussagen des Senats, dass eine sachliche Gleichbehandlung der Haushaltskunden mit den Tarifkunden geboten ist,  VIII ZR 56/08 vom 15.7. 2009, Rn. 24. Mit der Sachlichkeitsbetrachtung wird einfach zu spät eingesetzt.
Das Gebot des Gleichheitssatzes, so wie es an dieser Stelle verwendet wird,  gilt in diesem Falle gerade nicht, weil sich bereits aus der Typisierung der Rechtstatbestände ungleiche Sachverhalte ergeben und es zu einer Einordnung von Sonder- und Tarifkunden auf gleicher Stufe gar nicht kommen darf. Die Sachverhaltsbetrachtung muss schon bei dem Vorgang der Implantation einsetzen, denn damit wird die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte eingeleitet. Von dieser Sicht wird geradezu abgelenkt.

Es ist ferner zu prüfen, ob die vom Senat gestaltete sachliche Gleichbehandlung nicht gerade deswegen dem Gleichheitssatz widerspricht, weil sich aus seiner praktischen Auswirkung eine Ungleichheit ergibt. Während der Tarifkunde weiterhin in einem ausgeglichenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ruht, wird das Rechte des Sonderabnehmers gemindert. Zudem steht ihm die dem Tarifabnehmer gewährte Versorgungspflicht nicht zur Verfügung. Dieses ungleiche Ergebnis ist ursächlich auf die rechtliche Ausformung des VIII. Senats zurückzuführen.

Weiterhin ist dem Gedanken nachzugehen, ob eine sachfremde Rechtsprechung gleichzeitig auch als willkürlich bezeichnet werden muss, wenn den Tatbeständen nicht mehr Rechnung getragen und damit der Weg der Gerechtigkeit verlassen wird.



Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. November 2010, 01:23:13
Ersichtlich kann meine Kritik an der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zur Zulässigkeit entsprechender Klauseln nachvollzogen werden.

Aus BGH KZR 2/07 ergibt sich wohl insbesondere schon deutlich, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag dem Versorger nicht die Entscheidung über die Temine überlassen darf, zu denen Preisänderungen im Umfange geänderter Kosten erfolgen dürfen bzw. müssen.

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 21

Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Einstandskosten umgehend, niedrigeren Einstandskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.

Ohne zeitliche Bezugspunkte driftet alles ins Beliebige ab. Zumindest die Preisrevisionstermine müssen also im Vornherein feststehen.

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26

Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.

Keine Rechtfetigung also, in der Preisanpassungskausel eines Sondervertrages u.a. die Preisrevisionstermine nicht im Vornherein festzulegen.
Nichts davon beim VIII.Zivilsenat des BGH.

Andere haben bereits angemerkt, dass sich der Senat insoweit auf einer Art Geisterfahrt befände.

Es steht sehr zu hoffen, dass es in dem Verfahren vor dem OLG Oldenburg tatsächlich zur EuGH- Vorlage kommt. Die Revision bzw. Revisionserwiderung in dem Verfahren VIII ZR 246/08 hatte sich ausführlich mit der Problematik der Unvereinbarkeit mit Europarecht befasst. Bemerkenswerter Weise ist der VIII.Zivilsenat des BGH mit keiner Silbe darauf eingegangen und überlässt dies nun dem OLG Oldenburg, zu dem die Akten zurück gelangten.

Natürlich erschien es nach den obiter dicti in VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08 ... nicht leicht für den Senat, ohne einen gewissen Gesichtsverlust davon wieder Abstand zu nehmen. Aber das darf ja wohl kein Maßstab sein.

Die Instanzrechtsprechung - mit Ausnahme des OLG Oldenburg - folgt der Rechtprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zur Zulässigkeit entprechender Klauseln bisher kritiklos, was auf mangelndem Problembewusstsein einerseits und fehlender Problemdurchdringung andererseits begründet liegen mag.

Dass Versorger in Sonderverträge massenhaft auf die vom BGH für zulässig erklärten Klauseln umstellen, ist verständlich. Dass ein Gericht, erst recht der BGH erklärt, welche Klausel zulässig sei, ist im Rahmen der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 9 AGBGB, § 307 BGB wohl einmalig. Bisher beschränkte sich die Rechtsprechung - mit gutem Grund - darauf, unzulässige Klauseln zu verwerfen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 10. November 2010, 08:33:13
Zitat
Original von RR-E-ft
Dass ein Gericht, erst recht der BGH erklärt, welche Klausel zulässig sei, ist im Rahmen der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 9 AGBGB, § 307 BGB wohl einmalig. Bisher beschränkte sich die Rechtsprechung - mit gutem Grund - darauf, unzulässige Klauseln zu verwerfen.
Na ja, nachdem Herr Ball den Versorgern ja nicht mehr in Seminaren erläutert , wie sie ihre Verträge gerichtsfest machen, tut er dieses halt nun \"kostenlos\" im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungen mittels entsprechender Entscheidungen mit Obiter Dicta Bestandteilen.

Wollen wir mal hoffen, dass er nach seinem Ruhestand nicht noch einen gut bezahlten Beraterjob bei der Versorgungsindustrie annimmt (wenn man böse denkt: für den er die Beratungsleistung schon früher erbracht hat  8) ). Wäre ja nicht der erste Fall in der Politik, zu der ich ihn hier mal rechne.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 10. November 2010, 16:04:59
Zitat
Original von bolli
Wollen wir mal hoffen, dass er nach seinem Ruhestand nicht noch einen gut bezahlten Beraterjob bei der Versorgungsindustrie annimmt (wenn man böse denkt: für den er die Beratungsleistung schon früher erbracht hat  8) ). Wäre ja nicht der erste Fall in der Politik, zu der ich ihn hier mal rechne.

Es ist wieder einmal typisch für schlichte Gemüter, dass immer wenn die Kundenseite verliert \"natürlich\" der Richter in irgendeiner Weise zugunsten der Versorger befangen sein mußte. Weil man ja selber auf keinen Fall im Unrecht gewesen sein kann. :rolleyes:

Wenn der BGH oder Herr Ball tatsächlich so Versorgerfreundlich wären, wie hier gerne behauptet, dann wären einige aktuelle Entscheidungen des BGH wohl so nicht gefallen.

- Entscheidung des BGH zur HEL Bindung
- Entscheidung des BGH zu Rückzahlungsansprüchen von Sonderkunden bei fehlendem Widerspruch
etc.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. November 2010, 16:16:12
@bolli

Es erscheint nach wie vor wenig zielführend und unbehelflich, den Senatsvorsitzenden polemisch anzugreifen.

Der hatte immerhin an den Entscheidungen BGH KZR 10/03, KZR 36/04, VIII ZR 25/06 mitgewirkt. Ob er die (m.E. zutreffenden)  Begründungen zu jenen Entscheidungen seinerzeit mitgetragen hatte und von diesen zutreffenden Begründungen auch in späteren Fällen selbst gar nicht abgerückt ist, ist nicht ersichtlich, da es sich immer um Entscheidungen des Senates handelt und die Einzelvoten der an den Entscheiungen mitwirkenden Senatsangehörigen und auch des Vorsitzenden immer dem Spruchkörpergeheimnis unterliegen. Nicht auszuschließen, dass der Senatsvorsitzende andere Auffasungen vertritt, sich mit diesen bei der Entscheidungsfindung des Senates jedoch jeweils nicht durchsetzen konnte.

Die Argumente für und wider sollten sachlich diskutiert werden:

Nach Zurückverweisung nach dem Verfahren BGH VIII ZR 246/08 hat das OLG Oldenburg am 02.11.2010 die Klage nochmals verhandelt und dabei zutreffend ausgeführt, dass die Auslegung des BGH zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln der Bekl. vor dem 01.04.2007 nach dem Transparenzgebot nicht mit den EU- Richtlinien, insbesondere auch  dem nach Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgeschriebenen Transparenzgebot, vereinbar erscheint, weshalb eine Vorlage zum EuGH erwogen wird.

Das OLG Oldenburg hatte dort einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach die Bekl. die Preisänderungen im Zeitraum 01.08.04 bis 01.04.07 zu 2/3 an die Kl. zurückzahlen soll und die Preisänderungen ab dem 01.04.07 vollständig zurückzahlen soll. Sollte dem OLG Oldenburg innerhalb einer Stellungnahmefrist von drei Wochen keine Erklärung der Parteien dazu vorliegen, so soll eine Entscheidung am 14.12.10 verkündet werden.

Tatsächlich ergibt sich bereits aus BGH KZR 2/07 Rn. 21, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag dem Versorger nicht die Entscheidung über die Temine überlassen darf, zu denen Preisänderungen im Umfange geänderter Kosten erfolgen dürfen bzw. müssen. Zumindest die Preisrevisionstermine müssen mithin bereits in der Klausel geregelt sein.

Der VIII. Zivilsenat des BGH führt selbst aus, dass die von ihm für wirksam erachteten Klauseln nicht den Erfordernissen entsprechen, die die Rechtsprechung des BGH sonst an Preisänderungsklauseln stellt (vgl. bereits BGH  VIII ZR 225/07 Rn. 26). Er führt insbesondere ausdrücklich auf, dass solche Klauseln die Kunden über vieles im Unklaren lassen. Allein dies müsste jedoch bei kundenfeindlichster Auslegung schon zur Unwirksamkeit entsprechender Klauseln führen (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 19).

Der VIII. Zivilsenat begründet seine Auffassung zur Wirksamkeit mit § 310 Abs. 2 BGB. Indes lässt diese Norm schon keinerlei  Einschränkung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 307 BGB zu (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 25; BGH KZR 10/03 unter II.6.b)).

Andernfalls verstieße die gesetzliche Regelung der §§ 305 ff. BGB gegen  Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (vgl. auch Palandt, BGB, 68.Aufl., § 310 Rn. 22 ff., 26).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 11. November 2010, 07:42:43
Zitat
Original von Black
Es ist wieder einmal typisch für schlichte Gemüter, dass immer wenn die Kundenseite verliert \"natürlich\" der Richter in irgendeiner Weise zugunsten der Versorger befangen sein mußte. Weil man ja selber auf keinen Fall im Unrecht gewesen sein kann. :rolleyes:

Na, dann passe ich ja voll in die Welt, vor allem der Juristerei. Anders wäre das nämlich sonst nicht zu erklären, was da manchmal passiert, nicht nur in der Versorgungsbranche. Hab auch schon häufiger mit der Jugend- und Sozialgerichtsbarkeit zu tun gehabt, dass ist manchmal tatsächlich nur mit einem schlichten Gemüt auszuhalten. Aber das ist hier OT.

Zitat
Original von Black
Wenn der BGH oder Herr Ball tatsächlich so Versorgerfreundlich wären, wie hier gerne behauptet, dann wären einige aktuelle Entscheidungen des BGH wohl so nicht gefallen.

- Entscheidung des BGH zur HEL Bindung
- Entscheidung des BGH zu Rückzahlungsansprüchen von Sonderkunden bei fehlendem Widerspruch
etc.

Na ja, zumindest bei den Rückzahlungsansprüchen bei fehlenden Widersprüchen in Sonderverträgen hat er ja wohl nur seine bisherige Rechtssprechung bestätigt. Und berichtigen/verändern einer solchen schon geschehenen Rechtssprechung ist nicht unbedingt sein Ding.


Zitat
Original von RR-EF-t
@bolli

Es erscheint nach wie vor wenig zielführend und unbehelflich, den Senatsvorsitzenden polemisch anzugreifen.
Es fällt einem manchmal bei Ansicht der getroffenen Entscheidungen schwer, immer sachlich zu bleiben, weil einem manchmal schlicht die Argumente fehlen. Nicht die, den Gegenüber zu überzeugen sondern die, die ihn bewogen haben könnten, SO zu entscheiden. Der Vorsitzende des VIII. Senats ist ja wohl nur deshalb so im Blickpunkt, weil komischerweise richtungsweisende und richtungsändernde Entscheidungen dieses Senats mit seiner Mitglied- und Vorsitzendenschaft zusammenfallen und z.B. die Obiter dicta Entscheidungen dieses Senat, zumeist in Richtung Versorgerfreundlichkeit, zugenommen haben. Dazu die ungeschickte Ansammlung von Vortragstätigkeiten in der Versorgungswirtschaft zu einem Thema, dass federführend an seinem Senat entschieden wird. Das fordert geradezu zu solchen Gedanken heraus.

Aber sie haben natürlich Recht, dass kann alles Zufall sein und er wird zu Unrecht verdächtigt. Er möge mir verzeihen. Ich kann mich da nur auf mein schlichtes Gemüt berufen und um Demut bitten.  ;)

Ich frage mich nur, warum erst ein unteres Gericht die Auslegung eines obersten Gerichtes als nicht mit dem EU-Recht vereinbar erklären muss und dann den EuGH anrufen muss. Das ist aus meiner Sicht schon recht blamabel und wirft nicht unbedingt das beste Licht auf diese Entscheidungsträger beim BGH. Ich weiss, ich weiss, die Unabhängigkeit der Richter. Ein hohes Gut. Da antworte ich nur: Manchmal.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 11. November 2010, 09:59:56
Zitat
Original von bolli
...und wirft nicht unbedingt das beste Licht auf diese Entscheidungsträger beim BGH. Ich weiss, ich weiss, die Unabhängigkeit der Richter. Ein hohes Gut. Da antworte ich nur: Manchmal.

Sie unterstellen also einerseits, dass sich einige Richter des BGH vermeintlich den Interessen der Versorgungswirtschaft unterstellt haben und beklagen gleichzeitig das Institut der richterlichen Unabhängigkeit?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 11. November 2010, 12:16:19
Persönliche Befindlichkeiten des einen oder des anderen sollten hier nicht diskutiert werden, auch keine Bauchgefühle.
Deswegen erspare man dies der Welt und uns. ;)


Diskussionswürdig sind sachliche Argumente für und wider.

Da es sich bei der Entscheidung des OLG Oldenburg - im Gegensatz zur Entscheidung des BGH mit Rückverweisung - um eine Letztentscheidung handeln wird, das OLG Oldenburg das Problem der Vereinbarkeit der Auslegung mit EU- Richtlinien jedenfalls erkannt hat, muss das OLG Oldenburg die Sache ggf. wohl dem EuGH vorlegen.

Sollte das OLG Oldenburg hingegen dazu gelangen, dass die Bestimmungen der AVBGasV schon nicht wirksam in die betroffenen Vertragsverhältnisse einbezogen wurden, so käme es dann  auf die Auslegung auch schon nicht an. In diesem Falle bräuchte es also auch keiner Vorlage zum EuGH.

In der Entscheidung des BGH VIII ZR 246/08 war die Frage nach der wirksamen Einbeziehung der Bedingungen der AVBGasV vollkommen offen und die Rückverweisung erfolgte auch, damit das OLG Oldenburg dazu überhaupt erst Feststellungen trifft. Bekanntlich hatte das OLG Oldenburg zuvor entschieden gehabt, dass es auf die Frage der wirksamen Einbeziehung nicht ankäme, weil die Klauseln selbst im Falle einer wirksamen Einbeziehung jedenfalls unwirksam seien. Und an dieser Stelle hat es der BGH auf die Revision für die Klauseln vor dem 01.04.07 anders gesehen. Lertztere Auffassung vermag ersichtlich das OLG Oldenburg wohl nicht zu teilen, mit guten Argumenten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 11. November 2010, 13:13:40
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von bolli
...und wirft nicht unbedingt das beste Licht auf diese Entscheidungsträger beim BGH. Ich weiss, ich weiss, die Unabhängigkeit der Richter. Ein hohes Gut. Da antworte ich nur: Manchmal.

Sie unterstellen also einerseits, dass sich einige Richter des BGH vermeintlich den Interessen der Versorgungswirtschaft unterstellt haben und beklagen gleichzeitig das Institut der richterlichen Unabhängigkeit?
Was ist daran nicht zu verstehen ?  
WEGEN eben dieses Instituts kann man Ihnen kaum \"ans Zeug flicken\". Ein kleiner Beamter in der Verwaltung darf heute schon keinen Kalender mehr annehmen, ohne in den Verdacht der Bestechlichkeit bzw. Beeinflussbarkeit zu geraten und andere höhere Herren (dazu zählen eben auch die Richter, und hier insbesondere in der Vergangenheit Herr Ball), haben die Unverfrorenheit, Seminare bei Firmen abzuhalten, für die sie einerseits mit Sicherheit Kost, Logie und Aufwandsentschädigung ;) erhalten und wo sie andererseits diese Firmen in einem der kommenden Prozesse als Prozessparteien wiedersehen werden.

Tut mir leid: Da hab ich wirklich ein Problem mit, wenn dieses dann nicht verhindert wird/werden kann, weil diese Herrschaften ja eben unabhängig sind, quasi einer höheren Macht gleichgestellt.

Zur Sache:
Es ist weniger erfreulich, wenn erst ein unteres Gericht die Argumentationsprobleme des obersten deutschen Zivilgerichtes aufdecken muss (und darauf war auch der erste Teil des Zitates von Black aus meinem Beitrag
Zitat
Original von bolli
...und wirft nicht unbedingt das beste Licht auf diese Entscheidungsträger beim BGH.
gerichtet, (aber er mag ja solche leichten Provokationen,  ;)) aber es beruhigt, dass es dann doch noch solche Richter gibt, die sich dieses \"trauen\". Warten wir es mal ab.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 11. November 2010, 14:23:35
Zitat
Original von RR-E-ft
Persönliche Befindlichkeiten des einen oder des anderen sollten hier nicht diskutiert werden, auch keine Bauchgefühle.
Deswegen erspare man dies der Welt und uns. ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: DieAdmin am 13. November 2010, 11:21:21
Für den Ausstausch lateinischer Sprüche ist nun ein Extra Thread:

Sammlung lateinischer Sprüche (http://forum.bdev.de/thread.php?threadid=14602)

Wem es ein Bedürfnis ist, lateinisch zu korrespondieren, bitte dort den Thread nutzen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 13. November 2010, 15:39:39
@ Evitel2004


Super!, Evitel, ich bewundere Ihren Ordnungssinn und Ihre Durchsetzungskraft.

Allerdings sehe ich in Ihrer Entscheidung auch ein leuchtendes Beispiel für
sachliche und persönliche Unabhängigkeit, so wie es das Rechtsstaatsprinzip  unseren  Richtern vorgibt. Gehen wir davon aus, dass es für die, die auch \"Hüter\" der Verfassung sind, ein heiliges Prinzip darstellt.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 14. November 2010, 22:11:34
@bolli

Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.

Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.

Allerdings  kann man ihm insoweit zustimmen, als dass ein fortwährendes Lamento uns nicht vorwärts bringt. Wir hängen augenblicklich an einer Hoffnung.  Der Hoffnung nämlich, dass das jetzt im Feuer stehende Instanzengericht kein Übernahmegericht ist. Und das, was RR-E-ft dazu informativ zur Verfügung stellt, lässt erkennen, dass es eine berechtigte Hoffnung  ist.

Sie selbst haben mich schon einmal auf eine solches Gericht aufmerksam gemacht, das sich dem Gesetz und dem Recht verpflichtet sieht und seine Entscheidungen alleine in seiner ureigenen Verantwortung trifft. Gehen wir einfach davon aus, dass all unseren Gerichten dieser hohe Anspruch innewohnt. Anders wäre es nicht auszuhalten. Und wenn es Ausnahmen gibt, muss man denen beikommen. Dazu hat RR-E-ft auch schon Beispiele geliefert.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 14. November 2010, 23:26:12
Zitat
@jagni
Das darf auch nicht gelingen, wenn der Richter bei seiner Rechtschöpfung eine nach seiner Ansicht „verfassungskonforme“ Auslegung (gleiches Recht für Tarif- und Sonderabnehmer) zu Hilfe nimmt und damit einen entgegengesetzten Sinn herbeiführt.

Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.

Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.

Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.

Wenn aber der Gesetzgeber mit den Bestimmungen gem. § 1 und § 2 EnWG Regeln aufgestellt hat, welche er zudem in § 39 Abs. 1 EnWG noch explizit erwähnt, nach denen Allg. Preise gebildet werden müssen (jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber auch noch in die Tastatur der Preisbildung greifen hätte wollen), dann stellt sich die Frage, wodurch sich eine verfassungskonforme Auslegung mit Hilfe des § 315 BGB begründen lassen soll.

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?

Die mit dieser Theorie eingetretenen Verbiegungen (die individuelle Betrachtung des Preisgefüges jeweils danach, ob oder ob nicht widersprochen wurde) kennt man ja.

Es kann bezweifelt werden, ob der gesetzgeberische Wille vor dem Hintergrund der §§ 1 und 2 EnWG und im Zusammenhang mit den AVB\'s eine Sockelpreistheorie im Auge gehabt hat.

Möglicherweise hätte spätestens am 13.06.2007 Anlaß bestanden, die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV auf den Prüfstand der hierzu berufenen Prüfinstitution zu stellen, anstelle mit einer \"Krücke\" das Problem \"verfassungskonform\" zu lösen.

Ganz abgesehen davon, wie anmaßend erscheint, das gesetzliche Modell der Allg. Preise zu denen Jedermann an die öffentliche Versorgung anzuschließen ist nach dem EnWG, durch die Sockelpreistheorie zu konter karieren.

Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren.

Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.

Bislang ist davon auszugehen, dass im Zeichen der Privatautonomie die Parteien im Rahmen einer Individualvereinbarung vereinbaren, dass dem Gegenüber eine einseitige Leistungsbestimmung nach Vertragsabschluß nach billigem Ermessen zustehen soll.

Welche Interessenlage des Versorgers ist dabei schützenswert, sich mit Hilfe einer nebulösen Klausel eines billigen Ermessens zu versichern, wo doch die Maßstäbe für den Preis aus den Bestimmungen gem. §§ 1 und 2 EnWG hergeleitet werden müssen.

Dass billiges Ermessen auch dann Geltung besitzt, obwohl die Parteien keine Vereinbarung hierüber getroffen haben, dafür aber entsprechende gesetzliche Regelungen bestehen die dies vorsehen, zeigt sich anhand einer Fülle von Bestimmungen (z.B. §§ 660, 745, 971, 1024, 1246, 1382, 2048, 2156 BGB - weiter Beispiele aus anderen Normen könnten noch folgen).

Ist es aber so, wie soeben beschrieben, dann existiert hierfür eine klare, verständliche und bestimmte Rechtsgrundlage, so wie dies Art. 20 Abs. 3 GG verlangt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 15. November 2010, 10:17:27
Zitat
Original von Jagni
@bolli

Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.

Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.
ICH werde wegen RR-E-ft\'s Bemerkungen nicht die Ohren hängen lassen. Und die regelmäßigen Leser des Forums werden sicherlich auch seine Bemerkungen dazu kennen.

Ich möchte auch nicht unnötig lamentieren sondern nur auf die Besonderheiten dieses Senats aufmerksam machen, auf die man sich einstellen muss, wenn man mit ihm zu tun bekommt und wo man versuchen muss, ggf. mikt anderen Meinungen sauber gegenzuargumentieren.

Um aber die Unsäglichkeit des sogenannten Sockelpreises aufzuzeigen gilt es neben den sachlichen Argumenten in gesetztesmaterieller Hinsicht auch die sachlichen Argumente, die der VIII. Senat in seiner derzeitigen Besetzung liefert, aufzuzeigen.

Und da sind solche \"Nebentätigkeiten\" wie die von Herrn Ball eben auch \"sachliche Argumente\". Ebenfalls in diese Kategorie fallen aus meiner Sicht die zahlreichen Obiter dicta Entscheidungen,  die in dieser Häufung  nach den Äußerungen der hier im Forum anwesenden RAe doch eher ungewöhnlich sind.

@tangocharly
Sie stellen einige schöne Fragen, die ja nicht neu sind, wo es aber immer wieder neu interessant wäre, sie mal vom VIII. Senat beantwortet zu bekommen.

Zitat
Original von tangocharly
Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?

Im Gegenteil finde ich derzeit nur mal wieder den Ansatz des Kartellsenats des BGH, die er in seinen Urteilen zum Stromnetznutzungsentgelds vom 18.10.2005 - KZR 36/04, 04.03.2008 - KZR 29/06 und zuletzt vom 20.07.2010 - EnZR - 23/09 immer wieder die Überprüfung des GESAMTEN Preises bejaht, was (natürlich) auch meiner Lesart der entsprechenden Vorschriften entspricht.
Zitat
Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 Rdnrn. 22 u. 23
3. Der damit eröffneten Nachprüfung der Billigkeit des Netznutzungsentgelts, das die Zedenten zu zahlen haben, steht auch nicht entgegen, dass in dem Netznutzungsvertrag durch die Bezugnahme auf das Preisblatt die Höhe des Erstentgelts betragsmäßig bestimmt worden ist und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass das streitige, seit dem 1. November 2001 zu zahlen-de Entgelt aufgrund der vertraglich vorgesehenen jährlichen Überprüfung er-höht worden ist.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch bei einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht eine etwaige Unbilligkeit eines bei Vertragschluss vereinbarten (oder durch vorbehaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum vereinbarten Preis gewordenen) Preises nicht zu prüfen und selbst bei der Nachprüfung eines erhöhten Preises nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 29, 36). Diese Rechtsprechung beansprucht jedoch ausdrücklich keine Geltung für den Fall, dass bei Leistungen der Daseinsvorsorge wegen einer Monopolstellung des Versorgers oder wegen eines Anschluss- und Benutzungszwanges eine Überprüfung der Billigkeit des Preises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB geboten ist (aaO Tz. 33-36). Sie ist auch bei einem Netznutzungsvertrag nicht anzuwenden, bei welchem dem Netzbetreiber das Recht zusteht, das Netznut-zungsentgelt nach billigem Ermessen festzusetzen.

Da es in beiden Fällen um ein einseitiges gesetzlich begründetes Leistungsbestimmungsrecht geht und auch die Rechtsgrundlage des EnWG identisch ist, dürfte eine Übertragung der Ansicht sowie der Rechtssprechung des Kartellsenats auf \"normale\" Energielieferungen zulässig sein.

Leider kommen im Augenblick keine entsprechenden Entscheidungen aus der Kartellrechtsebene an den Kartellsenat, so dass bei einer beabsichtigten abweichenden Rechtssprechung von der des VIII. Senats eine Anrufung des Obersten Senats erfolgen müsste.
Im Gegenteil ist der letzte Fall, der an und für sich von seinem bisherigen Instanzenweg vor dem Kartellsenat hätte landen müssen, ( BGH VIII ZR 178/09 - Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=14345)) urplötzlich beim VIII. Senat \"aufgeschlagen\". Ein Grund für diese Verschiebung ist mir bisher leider noch nicht bekannt geworden. Durch Rücknahme der Revision hat es dort allerdings auch keine Verhandlung und somit kein Urteil gegeben.

Zitat
Original von tangocharly
Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren
Auch hier befindet sich der VIII. Senat mal wieder auf dem Holzweg. Aus meiner Sicht vergleicht er Äpfle mit Birnen und versucht anschließend weiterhin sortenreines Obst heraus zu bekommen.
Da die Grundlage für die beiden Vertragsarten nun mal grundsätzlich unterschiedlich ist (hier die allgemeine Grundversorgung gem. EnWG und Strom- bzw. GasGVV und somit GESETZLICHE Lieferpflicht mit dem RECHT der Preisbestimmung aber auch der PFLICHT, die übrigen gesetzlichen Regelungen einzuhalten
und dort die individuelle Vereinbarung auf Energielieferung nach individuell vereinbarten vertraglichen Regelungen (Sondervertrag) . Da kann ich mir doch nicht das RECHT der Preisbestimmung herauspicken und dieses dann in den Sondervertrag \"einpflanzen\" OHNE die anderen gesetzlichen Regelungen des GV-Vertrags mitzunehmen.
Das sieht doch ein Hund mit Krückstock, dass da was nicht stimmt. Nur der VIII. Senat WILL es nicht sehen (oder kann er es nicht?)

Zitat
Original von tangocharly
Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.
Schon die \"normale\" Auslegung des Transparenzgebotes des BGH überfordert die Mehrzahl der Verbraucher, da sie zwar wenigstens z.B. die Preisbestandteile genannt bekommen, von denen ihr Preis abhängt, aber bei entsprechenden Erhöhungen nicht nachvollziehen können, wie sich der Preis der einzelnen Bestandteile verändert hat, da ihnen viele Quellen nicht zugänglich sind oder sie die \"passenden\" Preise nicht herausfinden können. Aber letztlich ist das ja auch egal, da ihnen im Falle, dass ihnen der Preis nicht angemessen erscheint, ja eh nur der Weg zu einem anderen Anbieter bleibt (dessen Preise komischerweise ähnlich hoch sind und dessen Konzern ähnlich hohe Gewinne erwirtschaftet, wie das Unternehmen, welches sie zu verlassen beabsichtigen).

Mit der \"Vorlage\" des VIII. Senats aus seinem Urteil 17.12.2008 VIII 274/06 im Rücken tun sich die Versorger natürlich leicht, die Einbeziehung des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts in ihre Verträge zu übernehmen obwohl dieses Recht ja normalerweise NUR für die GESETZLICHE GRUNDVERSORGUNG gilt (wo dann auch alle anderen gesetzlichen Regelungen gelten und insofern eben keine Gleichstellung zwischen GV-Kunden und SV-Kunden gegeben ist  :evil:). Aber dem VIII. Senat sei Dank, das kriegen wir schon hin. (@Black: ich weiss, ich weiss, es gab auch VERBRAUCHERfreundliche Urteile. Aber darum geht es nicht, es geht um Nachvollziehbarkeit und saubere Argumentation).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 18. November 2010, 14:54:33
@ tangocharly

Die Adventszeit ist noch nicht greifbar, aber dennoch geben Sie mir schon auf, Nüsse zu knacken. Mir reicht es eigentlich, wenn ich hierzu Aufträge meiner Frau entgegen zu nehmen habe.
Allerdings reizen mich Ihre Anforderungen.

Zitat
von tangocharly

Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.

Ihrem Gedanken entnehme ich, dass wir die gleiche Stoßrichtung haben. Lediglich in der Wahl der  Verletzungstatbestände, mit der die neue Rechtsetzung des VIII. Senats angegriffen werden soll, unterscheiden wir uns noch.  Während Sie die gebotene Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt sehen,  halte ich mich zunächst an der Grundrechtsverletzung fest.
Wichtig ist, dass die jeweiligen Argumente tragen.

Bei meiner nachfolgenden Betrachtung orientiere ich mich an der neuen Rechtschöpfung des VIII. Senats, weil sie, zwar bestritten und weiterhin angegriffen, dennoch Realität geworden ist. Die Rückfindung zu dem herkömmlichen Recht ist noch offen.

Zitat
von tangocharly

Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.
Die Bestimmung, z.B. § 5 Abs 2 GasGVV ist bei ihrer Verlagerung aus dem Tarifrecht der Daseinsvorsorge zunächst als Rechtsvorschrift, die das gesetzliche Preisänderungsrecht umschreibt, gestartet und dann wundersam als Preisklausel im allgemeinen Vertragsrecht gelandet. In ihr ist jetzt die einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB, das billige Ermessen und die Wirksamkeit vereinigt. Man könne geradezu von einer Dreifaltigkeit sprechen.

Mit der “unveränderten“ Übernahme der Rechtsvorschrift wandert auch der ganze Schweif an Rechtsfolgen  in den Sondervertrag mit hinein. Dazu gehört eben auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht, und zwar das gesetzliche. Das billige Ermessen kommt daher unmittelbar/direkt aus dem Gesetz (§ 315 BGB) heraus zur Anwendung. Mit Vertragsschluss vereinbaren die Vertragspartner sogar, dass einer von ihnen die Leistung zu bestimmen hat.

Jeder Klauselverwender, der sich eine solche Rechtsmacht verschafft hat, oder durch Gesetz verliehen bekommt, muss kontrolliert werden können!  

Die entgegenstehende Meinung, dass der Gedanke einer Verknüpfung von wirksamer Preisänderungsklausel mit dem billigen Ermessen in einem Sondervertrag nicht trägt, argumentiert aus dem herkömmlichen Recht heraus. Ihr ist nicht zu widersprechen, so lange sie dort verweilt.

Mein Versorger, der vorausschauende, hilft sich selbst weiter, um einem  Vorwurf der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes auszuweichen.  Er erklärt in seinen AGB, dass alle Preisanpassungen ausschließlich nach Maßgabe der Billigkeit erfolgen.

Es wird einem daher nicht gelingen, bei Betrachtung der Klausel im Sondervertrag die Möglichkeit zur Ausübung der Billigkeitskontrolle zu übersehen. Daher zieht an dieser Stelle wohl auch nicht der Willkürvorwurf, der im folgenden Zitat auftaucht:

Zitat
von tangocharly

Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.

Aus dem Zitat wird nicht deutlich, wen Sie angreifen wollen. Die in ihrer eigenen Unsicherheit zitternde Klausel, oder die besagten Rechtsvorschriften in den Verordnungen?

Will man mit dem Bestimmtheitsgrundsatz angreifen, wäre m.E. dort zuzuschlagen, wo die Rechtsvorschrift ihre Heimat hat, denn dort ist sie von ihrem Wortlaut her genau so unbestimmt, wie in dem Sondervertrag, in dem sie die Verwirrung auslöst. Wir können uns jedoch nicht ausschließlich am Wortlaut  festhalten.
Es gibt viele Beispiele, in denen unter Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes Gesetze zu Fall kamen. Warum auch nicht eine Rechtsverordnung. Ist das aber unsere Zielrichtung? Ich meine nicht.

Wenn Sie aber die implantierte Preisklausel angreifen wollen, was ich eher vermute, dann steht folgender Gedankengang im Weg:

Jede rechtskräftige Erklärung ist dem Bestimmtheitsgebot unterworfen. Insoweit bin ich bei Ihnen. Es stellt sich nun die Frage, wie dem Gebot Genüge getan wird, wenn die Preisklausel auf dem Prüfstand steht. Bei dieser Prüfung wird auf ausreichend erkannt, wenn die Bestimmung an billiges Ermessen gebunden ist. Siehe hierzu Rechtsgutachten Prof. Schwintowski  (http://www.neue-energieanbieter.de/data/uploads/05_03_04_LichtBlick-Gutachten%20von%20Prof%20Schwintowski%20Anwendbarkeit%20%A7%20315%20BGB.pdf)S. 7, 2. a), entnommen einer Aufsatzbesprechung (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=35692#post35692) von RR-E-ft.
Die Bindung hat der VIII. Senat umfänglich eingefädelt.

Wenn wir uns über den Gedankengang des VIII. Senats  verständigen können, dass es einen hinreichend erkennbaren Weg zu dem Instrument der Billigkeitskontrolle gibt, ist jetzt noch Ihre Frage offen:


Zitat
von tangocharly

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\"?

Offen gesagt, habe ich dieses Problem noch nicht ausreichend durchdacht. Bei erster Betrachtung erscheint es mir aber auch der schwierigere Weg zu sein, einen verfassungskonformen Ansatz zu suchen, um diese Sockelpreistheorie zu rechtfertigen oder anzugreifen.
Ich würde an ein solches Problem eher im umgekehrten Sinne herangehen und fragen, in welchem meiner  Rechte bin ich durch die Staatsgewalt verletzt?  Staatsgewalt wird auch durch die vollziehende Tätigkeit, im Sinne von rechtsprechender Gewalt ausgeübt und unterliegt daher ebenfalls der Kontrolle des Verfassungsgerichts. Ich will dieses Thema daher zunächst auf eine Bank schieben, die hoffentlich keine lange ist. Vielleicht greift hier aber auch @Black, der abseits des schlichten Gemüts argumentierende Versteher der Materie ein und löst die Frage auf. Er hat aus dem Dunstkreis dieses Themas sowieso noch eine Bringschuld (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=74121#post74121)  (siehe auch hier (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=74009#post74009)).



Sollte der Anlauf zur Zurückgewinnung des mit dem EU-Recht in Einklang stehenden Verbraucherschutzes über den Weg des EuGH nicht erfolgen, aus welchen Gründen auch immer, braucht es einen weiteren Weg zur Durchsetzung des Verbraucherrechts.

Als Bürger, hier Verbraucher, kann ich mich gegen Verletzungen durch die Staatsgewalt wehren, wenn ich mich  auf die in Art 93 Abs 1 Nr. 4a GG genannten Fälle berufe (Verfassungsbeschwerde). Untersuchen wir dagegen Verletzungen vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips, also einem tragenden Verfassungsgrundsatz, wird das beim Ergebnis eines Verstoßes weitere Tore öffnen, die zum Verfassungsgericht führen.

Denkbar wäre aber auch, dass ein Gericht, z.B. das OLG Oldenburg, von sich aus die verfassungsmäßige Vereinbarkeit prüfen lässt. Das wäre aber der langwierige Weg.

Unter Zuhilfenahme des Art 20 Abs 3 GG, auf den Sie zugesteuert sind, wäre  noch weiter zu prüfen, inwieweit sich der Senat  bei seiner Rechtschöpfung  an Gesetz und Recht gebunden sah, ob eine Rückführung auf ein formelles Gesetz erkennbar ist, ob der Wille des Gesetzgebers für eine solche Rechtsetzung vorliegt und wenn ja, ob er auch richtig gedeutet und nicht gar missdeutet wurde, wie es um die Rechtssicherheit bestellt ist, wenn so nebenbei ein derart gewaltiger Umbruch im Recht erfolgt, ob das herkömmliche Recht in ausreichendem Maße gewürdigt, oder ob ihm sogar Gewalt angetan wurde, ob die Anrufung des Großen Senats bewusst und aus welchem Grund umgangen und damit dem Rechtsuchenden möglicherweise der gesetzliche Richter entzogen wurde und letztlich, ob aus der Summe der Erkenntnisse jene unerträgliche Verwerfung entstanden ist,  die das neue Recht des VIII. Senats als ein unrichtiges Recht ausweist.

Es gibt also noch andere Wege die nach Rom führen. Sie, tangocharly,  haben einen aufgezeigt.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 19. November 2010, 15:26:41
Zitat
Original von Jagni

Zitat
von tangocharly

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\"?

Offen gesagt, habe ich dieses Problem noch nicht ausreichend durchdacht. Bei erster Betrachtung erscheint es mir aber auch der schwierigere Weg zu sein, einen verfassungskonformen Ansatz zu suchen, um diese Sockelpreistheorie zu rechtfertigen oder anzugreifen.... Vielleicht greift hier aber auch @Black, der abseits des schlichten Gemüts argumentierende Versteher der Materie ein und löst die Frage auf.

Der Preissockel basiert auf dem Grundgedanken des Schuldrechts, dass sich zwei Parteien bei Vertragsschluss auf die wesentlichen Inhalte des Vertrages einigen. Dazu gehört auch der Preis.

Insoweit geht der BGH von einem vereinbarten Anfangspreis aus. Wenn der Versorger sich von diesem ursprünglich vereinbarten Preis lösen möchte, um einseitig einen neuen Preis zu bestimmen, dann muss diese Bestimmung der Billigkeit entsprechen.

Ich sehe daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2010, 15:49:12
Der VIII.Zivilsenat verkürzt das gesetzliche Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht (BGH KZR 2/07 Rn. 29) auf ein Tarifänderungsrecht.


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 29

Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (1998] jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV).


Dies kollidiert m.E. mit der gesetzlichen Bindung Allgemeiner Tarife an den Maßstab der Billigkeit, die den Versorger gesetzlich auch zu Tarifanpassungen zugunsten der Kunden - also Tarifsenkungen - verpflichtet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], welche ihrerseits eine - die Billigkeitskontrolle ausschließende - (individuelle) Preisvereinbarung (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 58] schon denknotwendig ausschließen muss.  Es liegt wohl zuvörderst ein Verstoß gegen zu beachtende Denkgesetze vor.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 59

nicht zweifelhaft, ob das Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt anpassen durfte; es besteht lediglich Ungewissheit darüber, ob die Preisanpassung der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB standhält. Diese gerichtliche Billigkeitskontrolle findet nur statt, wenn der Kunde die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch Klage geltend macht oder wenn er gegenüber der Leistungsbestimmung des Versorgers den Einwand der Unbilligkeit erhebt undder Versorger im Wege der Leistungsklage vorgeht (vgl. MünchKomm BGB/Gottwald, 5. Aufl., § 315 Rdnr. 47; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl.,§ 315 Rdnr. 17; jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hält der Senat es weiterhin für gerechtfertigt, das Verhalten des Kunden, der nach Übersendung einer auf einer einseitigen Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, dahin auszulegen, dass er die Billigkeit der Preiserhöhung nicht in Frage stellt und ihr unter diesem Aspekt zustimmt. Hingegen kommt eine weiter gehende Auslegung des Kundenverhaltens dahin, dass er nicht nur die Billigkeit der jeweiligen einseitigen Preisänderung, sondern - soweit es darauf ankommt - auch die Berechtigung des Versorgungsunternehmens zur einseitigen Preisänderung an sich akzeptiert, nicht in Betracht.


Der Kartellsenat des BGH unterscheidet hingegen wohl deutlich zwischen einem Allgemeinen Tarifpreis, der gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist, und einem vereinbarten Preis.

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 29:

Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26:

Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu.

Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist

Der in Verbrauchsabrechnungen ausgewiesene Allgemeine Tarif gründet nicht nur auf Tariferhöhungen in der laufenden Abrechnungsperiode, sondern immer auch auch auf unterlassenen Tarifabsenkungen in der laufenden Abrechnungsperiode und ist deshalb wohl insgesamt Ergebnis der einseitigen Bestimmungen des Versorgers und dessen einseitige Tariffestsetzungen, an denen der grundversorgte Tarifkunde nicht beteiligt ist.

Die gesetzliche Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit und die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung steht also schon gedanklich einer (individuellen) Preisvereinbarung entgegen, die der VIII.Zivilsenat jedoch fingiert.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 65

Wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (BGHZ 172, 315, Tz. 36; vgl. auch BGHZ 178, 362, Tz. 15 f.).

Die gesetzliche Rechtspflicht zur Tarifabsenkung würde dadurch ausgehebelt. Die richterliche Fiktion infolge dieser Auslegung läuft damit jedoch wohl ganz offenbar der gesetzlichen Regelung zuwider. Die Auslegung des Senats erscheint deshalb mit der gesetzlichen Regelung schlicht unvereinbar.  

Grundversorgte Kunden müssten - um keine Rechtsnachteile in Kauf zu nehmen -  Verbrauchsabrechnungen immer zeitnah insbesondere auch dann widersprechen, wenn keine Tarifänderung in der Abrechnungsperiode eingetreten war.

Dies deshalb, weil nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass der Versorger gerade hierdurch seiner gesetzlichen Rechtspflicht zur Tarifabsenkung zuwider gehandelt hatte.

Der zur Abrechnung gestellte Tarifpreis könnte sich gerade auch deshalb als unbillig und mithin  gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unverbindlich erweisen. Hat der Versorger entgegen gesetzlicher Rechtspflicht den Allgemeinen Tarif nicht abgesenkt, muss erst eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu einer verbindlichen Tariffestsetzung führen, also der Festsetzung eines geringeren Tarifs.

Zitat
BGh X ZR 60/04 unter II 1 b):

Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der rich-terlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu fest- gesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsun- ternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Was für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB bereits gilt, muss wohl bei direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf das gesetzliche Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht erst recht gelten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 19. November 2010, 16:38:16
Was dem Preissockel demnach entgegengehalten werden könnte ist also nicht die Verfassung sondern möglicherweise die Rechtsprechung des Kartellsenates.

Da der Kartellsenat dem VIII. Senat aber nicht übergeordnet ist, handelt es sich damit um (nur) eine gleichrangige Rechtsauffassung.

Wenn man die Auffassung des VIII. Senates nicht als absolute Wahrheit ansehen möchte, dann kann das auch nicht für den Kartellsenat gelten. Das Argument taugt also nicht um irgendeinen \"Verstoss\" des VIII. Senates gegen die Verfassung oder auch nur gegen \"Denkgesetze\" zu rechtfertigen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2010, 16:50:18
Letztere luftige Argumentation errinert mich an Kollegen Dr. Schulz-Gardyan.

Nicht ersichtlich, ob Denkgesetze Verfassungsrang genießen.
Sie sind jedoch unzweifelhaft von der Rechtsprechung zu beachten.

Auch gesetzliche Regelungen sind von der Rechtsprechung zu beachten.

Und wenn die gesetzliche Regelung nun einmal eine Rechtspflicht zur Tarifabsenkung zugunsten der grundversorgten Tarifkunden statuiert, so darf die Rechtsprechung sich hierzu nicht in Widerspruch stellen, deren Durchsetzbarkeit vereiteln.

Der VIII.Zivilsenat erkennt auch die gesetzliche Rechtspflicht zur Tarifabsenkung an (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], schaltet jedoch die Gedanken daran wohl in einer Art Multitasking und von durchschnittlich Verständigen logisch nicht mehr nachvollziehbaren Art und Weise ständig an und aus.

Normalerweise würde man BGH VIII ZR 246/08 Rn. 65 und VIII ZR 81/08 Rn. 18 als sich logisch ausschließende Auffassungen zu verstehen und deshalb wohl  eine Art schizophrener Störung zu attestieren haben.

Eine Preisvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB und ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht gem. § 315 BGB  (gleichviel, ob gesetzlich oder vertraglich eingeräumt) schließen sich gegenseitig denknotwendig aus.

Sie stehen sich bereits vom Gesetzgeber als gleichwertige Alternativen geschaffene Institute des Vertragsrechts und allgemeinen Schuldrechts gegenüber, wie sich bereits aus den Motiven zum BGB ergibt. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht geht nach der gesetzlichen Regelung immer mit der Verpflichtung einher, die Leistungsbestimmung nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend zu treffen.

Motive des Gesetzgebers (http://www.baurechtsexperte.de/315-bgb-motive-des-gesetzgebers-db30504.html)

In einem Dauerschuldverhältnis besteht diese Verpflichtung zur Leistungsbestimmung fortlaufend. Nach der gesetzlichen Regelung soll der Allgemeine Preis der Grundversorgung, zu dem die Belieferung erfolgen muss, gerade nicht von einer individuellen Preisabrede mit einzelnen Kunden abhängen, sondern vom Grundversorger immer wieder neu der Billigkeit entsprechend festgesetzt werden. Der Grundversorgung ist nicht nur zur Festsetzung der Billigkeit entsprechender Allgemeiner Preise der Grundversorgung berechtigt, sondern hierzu gesetzlich verpflichtet, §§ 1, 2, 36 EnWG.


Der Gesetzgeber geht eben nicht davon aus, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die vom grundversorgten Tarifkunden zu zahlen sind, auf einseitigen Leistungsbestimmungen des Grundversorgers beruhen können, die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann, sondern dass die Allgemeinen Preise des Grundversorgers, die vom grundversorgten Tarifkunden zu zahlen sind, auf der einseitigen Leistungsbestimmung des Grundversorgers beruhen, weil dieser gesetzlich zur einseitigen Festlegung der selben verpflichtet ist.


Bei einem vereinbarten Preis gibt es kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und auch keine gesetzliche Rechtspflicht zur Absenkung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 19. November 2010, 17:30:19
Wer einen Verstoss gegen Denkgesetze monieren muss, kann wohl auf formelle Gesetze nicht mehr zurückgreifen.

Die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung findet sich in § 5 GVV nicht niedergeschrieben. Es handelt sich um einen Rechtsgrundsatz der erst von der Rechtsprechung des BGH entwickelt wurde.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dieser Rechtsgrundsatz falsch wäre. Es verstößt aber ebenso gegen Denkgesetze, wenn man einerseits richterliche Rechtsfortbildung kritisiert und sich gleichzeitig darauf berufen möchte.

Für die schlichteren Gemüter: Man kann die Rechtsprechung des BGH nicht mit anderer Rechtsprechung des BGH als \"falsch\" widerlegen. Man kann damit maximal eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung belegen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2010, 17:47:11
Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 1, 2, 36 EnWG muss die Belieferung grundversorgter Tarifkunden durch den Grundversorger zu Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger verpflichtet ist, einseitig festzulegen und zu veröffentlichen,  und die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann.

Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15:

Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.


Zitat
VIII ZR 56/08 Rn. 20:

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Das Wort \"können\"ist deplaciert, weil nach der gesetzlichen Regelung der Grundversorger gerade verpflichtet ist, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung - ohne Mitwirkung der Kunden - einseitig festzulegen und hiernach öffentlich bekannt zu geben.

Zitat
BGH KZR 29/06 Rn. 29:

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. fürjedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 19. November 2010, 17:50:21
Zitat
Original von RR-E-ft
Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 1, 2, 36 EnWG muss die Belieferung grundversorgter Tarifkunden durch den Grundversorger zu Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger verpflichtet ist, einseitig festzulegen und zu veröffentlichen,  und die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann.

Faszinierend



Zitat
VIII ZR 56/08 Rn. 20:

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Genau. Hergeleitet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 19. November 2010, 18:19:58
Zitat
Original von Black
Die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung findet sich in § 5 GVV nicht niedergeschrieben. Es handelt sich um einen Rechtsgrundsatz der erst von der Rechtsprechung des BGH entwickelt wurde.
Na ja, Fakt ist aber mal, dass die Tarifabsenkung in der Formulierung von § 5  Abs. 2 GasGVV (Änderung der allgemeinen Preise...) enthalten ist. Ebenso Fakt ist, dass die Versorger gem. § 1 Abs 1  EnWG u.a. eine preisgünstige und verbraucherfreundliche Energieversorgung sicherzustellen haben.  Für sein darauf fusendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (nix vertraglich vereinbarte Preise) muss sich der Versorger halt eine Überprüfung der Billigkeit (Angemessenheit) seiner Preise gefallen lassen, wenn der Vertragspartner die Billigkeit gem. § 315 BGb anzweifelt.
Das sind klar gesetzliche Regelungen und da ist nichts mit vereinbarten Preisen enthalten.

Genauso ist die Übertragbarkeit des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts (als Änderung der Preise in § 5 Abs. 2 GasGVV bezeichnet) als Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag aus meiner Sicht mehr als fraglich .

Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht aus § 5 Abs. 2 GasGVV ist lediglich ein Teil des gesamten gesetzlichen Rahmens des Gasbezugs. Damit in untrennbarem Zusammenhang stehen die anderen gesetzlichen Regelungen zum Gasbezug, wie z.B. Kündigungsrecht u.a., die aus meiner Sicht bei einem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht gelten müssen.

Es ist aus meiner Sicht nicht nur verkürzt gedacht sondern schlichtweg nicht zulässig, sich der Einfachheit halber diese eine genehme Position aus dem gesetzlichen Recht zu entleihen (weil man da eine intransparente Preisänderungsklausel, die wohl § 307 BGB nicht standhalten würde, verwenden darf, aber eben nur bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im Kontext mit allen anderen gesetzlichen Regelungen zulässig ist) und die anderen Regelungen lässt man mal locker außen vor.

Wer die Preisänderungsklausel aus § 5 Abs. 2 GasGVV verwenden will, soll seine Leistungen auf der Basis der gesetzlichen Regelungen mit allem wenn und aber anbieten. Wer dieses nicht will, muss seine Klausel so formulieren, dass sie einer Prüfung gem. § 307 BGB standhält.

Mir erscheint die Rechtssprechung des VIII. Senats mittlerweile in einigen Punkten leider allzusehr beliebig und nicht mehr begründbar.

Da helfen auch Ihre (Black\'s) Verwindungen nicht wirklich weiter. Und bevor Sie antworten nochmal: Es gibt gesetzliche Regelungen, nur werden sie vom VIII. Senat leider nicht so angewendet, wie es sich aus den verschiedenen ergänzenden Informationen ergibt. Aber klar, auch der VIII. Senat darf seine Interpretationen verbreiten, seien sie auch noch so falsch. Es muss erstmal bewiesen werden.

Edit: Da war RR-E-ft schneller. Hab zu lange zum Schreiben gebraucht.  :evil:
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 19. November 2010, 18:22:21
@Black

Stellen wir uns mal vor, wir hätten die Juristenausbildung erfolgreich absolviert, würden die Rechtsprechung des BGH dazu nicht kennen und müssten uns deshalb anhand der Gesetzesmaterialien die Rechtslage selbst - wie gelernt - erarbeiten. Das Beste auf dieser Welt ist immer noch der zum selbständigen Denken befähigte Mensch, der auch die Muße dafür findet und in Demut davon Gebrauch macht.

Wir werden allein anhand der gesetzlichen Regelungen erkennen müssen, dass sich das einseitige Leistungsbetimmungsrecht des Versorgers für die Belieferung im Rahmen der  gesetzlichen Versorgungspflicht schon  aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst ergibt und nicht aus § 5 GVV. § 5 II GVV regelt nur mit Rücksicht auf § 315 Abs. 2 BGB die Ausübung desjenigen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts besonders, welches sich selbst jedoch bereits aus der gesetzlichen Regelung des EnWG ergibt. Es soll nach der gesetzlichen Regelung eben nicht - wie sonst - des (schwer nachweisbaren) Zugangs der (unwiderruflichen) Willenserklärung der zur Leistungsbestimmung berechtigten Partei beim anderen Vertragsteil ankommen, sondern allein auf eine entsprechende öffentliche Bekanntgabe. Selbst wenn man sich die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung hinwegdenkt, verbleibt es bei diesem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst.

Diese Erkenntnis werden wir uns schrittweise zu erarbeiten haben.

Darüber, dass der Grundversorger gem. §§ 36, 2, 1 EnWG gesetzlich verpflichtet ist, die (jeweiligen)  Allgemeinen Preise der Grundversorgung - ohne Mitwirkung der Kunden- einseitig festzulegen und öffentlich bekannt zu geben und zu diesen sodann grundversorgte Kunden zu versorgen, wird wohl noch Einigkeit bestehen.

Dass dabei eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers als Energieversorgungsunternehmen  zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung besteht, lässt sich wohl auch nur schwer leugnen.

An welcher Stelle diese zum Zuge kommen sollte, wenn nicht bei der Tariffestsetzung, ist nicht ersichtlich.

Nicht anders die Vorgängeregelung § 10 Abs. 1 EnWG (hierzu BGH KZR 29/06 Rn. 20).

Dass es sich um die gesetzliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zugunsten des Grundversorgers handelt, wird wohl auch Einigkeit bestehen. Dieser hat die jeweiligen Allgemeinen Preise festzusetzen, zu denen er sodann hiernach  die grundversorgten Kunden versorgen muss.

Dabei hilft ihm niemand. Der Grundversorger allein verfügt über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse. Unzweifelhaft nimmt der (potentiell) grundversorgte Kunde an dieser Preisfestlegung des Grundversorgers nicht teil. Kein einziger grundversorgter Kunde hat Einfluss auf die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, zu denen ihn der Grundversorger versorgen muss. Kein grundversorgter Kunde hat somit Einfluss auf den eigenen  vertraglichen Anspruch gegen den Grundversorger zur Belieferung zu bestimmten jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung.

Welchen vertraglichen Lieferanspruch der grundversorgte Kunde insoweit inne hat, bestimmt deshalb jeweils allein der Grundversorger durch Festlegung seiner jeweiligen Allgemeinen Preise [und Bedingungen] der Grundversorgung, in deren Verhältnis  mithin einseitig.

Der Grundversorger bestimmt also einseitig die vertragliche Leistung, die der grundversorgte Kunde von ihm vertraglich nur beanspruchen kann, weil der Grundversorger seine vertragliche Leistung gegenüber dem grundversorgten Kunden nur zu den von ihm selbst festgelegten jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erbringen muss und erbringt.

Nach der gesetzlichen Regelung, die auch den Vertragsinhalt des Versorgungsvertrages zwischen Grundversorger und grundversorgtem Kunden ausmacht, bestimmt also der Grundversorger nach Vertragsabschluss die zu erbringende Leistung einseitig.

Dass auch ein solches einseitige Leistungsbestimmungsrecht der direkten Anwendung des § 315 BGB unterliegt, weil schon mit Rücksicht auf §§ 1, 2 EnWG nicht angenommen werden kann, dass dem Grundversorger ein schrankenloses Leistungsbestimmungsrecht vom Gesetzgeber eingeräumt werden sollte, ist wohl unschwer nachvollziehbar.

Dass das dem Grundversorger eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht eine Leistungsbestimmungspflicht beinhaltet, ergibt sich bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG (Pflicht zur Tariffestsetzung und- veröffentlichung).

Dass die Erfüllung dieser Verpflichtung sich nicht in einem einmaligen Akt erschöpfen kann, ist wohl auch klar.
Schließlich erlischt das eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht ja auch nicht mit einmaliger Festsetzung und Veröffentlichung bzw. erschöpft sich darin.

Oder meinen Sie, mit einem einmaligen Akt wäre der gesetzlichen Verpflichtung genüge getan und das eingeräumte Recht habe sich dadurch erschöpft?

Ließe sich ja diskutieren. Nur darf man dann bei Kostenerhöhungen nicht nach der Möglichkeit von einseitigen Tarifänderungen fragen.  

Wenn der Allgemeine Tarif - allein infolge der fehlenden bindenden Vereinbarung eines feststehenden Preises - auf die Dauer der Vertragsbeziehung veränderlich ist, dann schafft doch wohl § 315 BGB den besten Interessenausgleich.

Wäre hingegen zunächst ein feststehender Preis vertraglich vereinbart und somit für beide Seiten bindend und führte deshalb zu einem punktuell vereinbarten Äquivalenzverhältnis, wäre ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB wegen des weiten Spielraums der Billigkeit zu dessen Wahrung denkbar ungeeignet, weil jeweils im Umfange des weiten Spielraums etwas weiter zu verrutschen droht.

Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht steht das vertragliche Äquivalenzverhältnis nicht fest, sondern die zur Leistungsbestimmung berechtigte und verpflichtete Partei legt dieses fest. Ob dieses einseitig bestimmte Äquivalenzverhältnis für den anderen Vertragsteil verbindlich ist, bemißt sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle durch den grundversorgten Kunden berücksichtigt hat, diese also voraussetzt, ist wohl auch nicht von der Hand zu weisen.  

Nach alldem stellt die Frage, ob Sie mit ihrem vorhergehenden Beitrag das gesetzlich eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht in Zweifel ziehen möchten oder eher nur die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB darauf oder etwa davon überzeugt sind, ein solches Recht sei ohne entsprechende (laufende) Verpflichtungen eingeräumt worden, wozu nicht nur Kollege Dr. Schulz-Gardyan schon allerlei m.E. Absonderliches veröffentlicht hat.

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Die Betrachtungsweise erscheint auch einseitig:

Zitat
Original von Black
Der Preissockel basiert auf dem Grundgedanken des Schuldrechts, dass sich zwei Parteien bei Vertragsschluss auf die wesentlichen Inhalte des Vertrages einigen. Dazu gehört auch der Preis.

Insoweit geht der BGH von einem vereinbarten Anfangspreis aus. Wenn der Versorger sich von diesem ursprünglich vereinbarten Preis lösen möchte, um einseitig einen neuen Preis zu bestimmen, dann muss diese Bestimmung der Billigkeit entsprechen.

Wenn sich zwei Parteien bei Vertragsabschluss auf einen Preis einigen, dann ist diese Einigung grundsätzlich für die Dauer der Vertragsbeziehung für beide Vertragsteile gleichermaßen bindend. Ein Preis ist dann fest vereinbart und beide Partner sind an diesen fest vereinbarten Preis gebunden, mit allen daraus erwachsenden Chancen und Risiken. Hier sei der Versorger an diesen vereinbarten Preis nicht gebunden, sondern er könne darüber entscheiden, ob er sich von diesem lösen möchte.  In einem solchen Fall kann doch wohl von vertraglicher Bindung an den Preis kaum die Rede sein.

Bei der vertraglichen Vereinbarung eines Preises gilt der Grundsatz pacta sunt servanda mit der Folge, dass man sich aus einer, für den anderen Vertragsteil günstigen vertraglichen Bindung nicht einseitig lösen kann.

Es kommt wohl im Vertragsrecht nicht oft vor, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss einseitig darüber entscheiden darf, den Preis neu zu bestimmen (ob, wann, in welche Richtung, in welchem Umfang).

Das geht grundsätzlich nur, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss keinen festen Preis vereinbart haben, sondern statt dessen vereinbart haben, ein Vertragsteil solle nach Vertragsabschluss den Preis [einseitig] bestimmen, was die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB zur Folge hat. (Das lässt sich auch etwa  an der Tankstelle, beim Heizölhändler oder an der Bockwurstbude individuell vereinbaren, wenn man denn einen findet, der sich darauf einlässt).

Genau dieser Fall liegt bei der Grundversorgung vor.

Die Parteien vereinbaren bei Vertragsabschluss gerade keinen feststehenden Preis, sondern satt dessen nur, dass die Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, die wiederum der Grundversorger festzulegen und öffentlich bekannt zu geben hat.

Dass die Belieferung zu den jeweiligen (und somit veränderlichen, nicht feststehenden) Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, ergibt sich aus § 6 Abs. 1 GVV (früher § 4 Abs. 1 AVBV). Bei der Grundversorgung soll die Versorgung also nicht zu einem feststehend vereinbarten Preis und nicht zu dem einen Allgemeinen Preis der Grundversorgung erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils (einseitig) festlegt und öffentlich bekannt gibt.

Eigentlich sieht das wohl auch der VIII.Zivilsenat des BGH, nur scheint es ihm nicht recht zu gefallen.


Zitat
BGH VIII ZR 225/07 Rn. 23

§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV regelt nur, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt und Änderungen der allgemeinen Tarife erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden.

Weitere vertragliche Abreden, etwa die Vereinbarung eines feststehenden Preises, gab es tatsächlich gar nicht und die Bestimmungen der AVBV waren gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBV kraft Gesetzes Vertragsbestandteil des Versorgungsvertrages mit Tarifkunden. Nicht anders heute die Bedingungen der Grundversorgungsverordnungen.  

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Bemerkenswert erscheint nun, dass Versorger - angespornt durch Kollegen und deren Referate etwa beim BDEW-Infotag am 09.12.10 in Bonn - nunmehr auch im Bereich der Vertragsfreiheit und der Sonderverträge bei Vertragsabschluss davon abgehen wollen, feststehende Preise zu vereinbaren und statt dessen Vertragslösungen wählen, die zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führen sollen und sie deshalb auch zu Preisabsenkungen verpflichten, soweit solche nur möglich sind (vgl. BGH VIII ZR 246/08 Rn. 42, VIII ZR 225/07 Rn. 23 f.).  Das hätte man noch vor Kurzem für kaum möglich gehalten. Und möglicherweise schon am 09.02.11 fliegt nicht nur den Freunden vom Gaswerk der Laden um die Ohren, weil entsprechende Vertragsbestandteile sich als unwirksam erweisen.

Tatsächlich hat der VIII.Zivilsenat die Versorger mit seiner in diesem Punkt schizophrenen Denke in ein unsägliches Dilemma geführt.

Er hat Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt, welche für den Kunden die Möglichkeit der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausschließen (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).

Am Ende wird sich aber wohl doch die seit Langem bestehende Rechtsprechung des BGH durchsetzen, wonach gerade auch Preisänderungsklauseln unwirksam sind, die den Kunden auf die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verweisen (BGH XI ZR 55/08 Rn. 32, 37, 38; KZR 10/03 unter II.6).

Denn für einen anderen Maßstab der Transparenz- und Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen als in sonstigen Massengeschäft- Verträgen (etwa Banken und Sparkassen) fehlt am Ende denn wohl doch eine überzeugende Begründung.

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Die Unterscheidung zwischen vertraglicher Preisvereinbarung einerseits und einseitigem Leistungsbestimmungsrecht andererseits lässt sich schon bei Zugrundelegung allgemeinen Vertragsrechts praktisch sehr anschaulich erfahren:


Der Sondervertragskunde, der bei Vertragsabschluss einen feststehenden Preis vereinbart hatte (vgl. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46) kann auch fast 20 Jahre später noch (!!!) die Belieferung zu diesem,  bei Vertrasgabschluss fest vereinbarten Preis vertraglich beanspruchen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart.; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09).

Pacta sunt servanda.

Im Gegensatz dazu kann der grundversorgte Kunde noch nicht einmal zwei Monate später noch die Belieferung zu den bei Vertragsabschluss geltenden Allgemeinen Preisen der Grundversorgung vertraglich beanspruchen, eben weil bei Vertragsabschluss gerade kein feststehender Preis vertraglich vereinbart wurde, sondern nur die Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die nun mal allein der Grundversorger nach Vertragsabschluss jeweils festlegt und öffentlich bekannt gibt.

Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 315 BGB.

Der grundversorgte Kunde kann deshalb lediglich beanspruchen, dass die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils festlegt und zu denen der Grundversorger ihn beliefern muss, jeweils der Billigkeit entsprechen, undzwar unter Berücksichtigung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und umfassender Würdigung des Vertragszwecks einer möglichst sicheren, preisgünstigen, effizienten leitungegbundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas unter Berücksichtigung von §§ 1, 2 EnWG (vgl. nur BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).  

Weil dem grundversorgten Kunden im konkreten Vertragsverhältnis keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, diejenige vertragliche Leistung zu beeinflussen, die er vom Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht vertraglich nur beanspruchen kann, eröffnet ihm § 315 BGB die - mittlerweile weithin bekannte - Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Es geht nur um die Abwägung der gegenläufigen Interessen der Vertragspartner des konkreten Vertragsverhältnisses, in dem das einseitige Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Es geht darum, welcher Preis im Verhältnis Grundversorger zum grundversorgten Kunden unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragteile jeweils angemessen ist.

Und deshalb hat die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB nichts mit einer Monopolstellung und nichts damit zu tun, ob Wettbewerber vorhanden sind und auch nichts mit Marktpreisen oder irgendwelchen Preisvergleichen (so bereits ausdrücklich BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).


Zitat
BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183 unter III.:

Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht dadurch genügt, dass sie zur Begründung ihrer Preisbestimmung auf die in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Bandbreite der Strompreise und auf diejenigen Entgelte verwiesen hat, die sie von anderen Stromabnehmern fordert.

1.   Allerdings kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Grundsätzlich ist indessen eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Auf., § 315 Rdnr. 38]; Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl., S. 215; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 119 f) sowie der Interessenlage beider Parteien (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 aa0 unter 12) erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (vgl. die Übersichten bei v. Hoyningen-Huene, aa0; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rdnr. 16).

2.   a) Für Verträge, die - wie hier - die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, dass die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist.

Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muss in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass sich der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet.

Über die Deckung der Kosten für die Erzeugung und Leitung der elektrischen Energie sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht der Klägerin allerdings auch ein Gewinn zu, aus dem sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist ihr eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (Büdenbender aa0 Rdnr. 72 ff; Lukes aaO; Köhler aaO). Auf diesem Weg wird auch den Belangen der Klägerin Rechnung getragen.



Kommt es somit für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung der Klägerin der Billigkeit entspricht, darauf an, inwiefern der geforderte Strompreis zur Deckung der Kosten der Stromlieferung und zur Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient, so steht damit zugleich der Umfang der erforderlichen Darlegungen im Prozess fest.

Es oblag der Klägerin, im einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung der Beklagten mit elektrischer Energie entstehen, abzudecken waren; ferner, welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen ihrer Aktionäre mit dem der Beklagten berechneten Preis erzielen wollte.

Heute wird es um Netzentgelte, Strombezugskosten, Vertriebskosten, Steuern und Abgaben gehen, die mit den Preisen abzudecken sind.

Klar ist, dass wegen des gesetzlich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts des Grundversorgers die jeweiligen Allgemeinen Tarife bzw. jeweiligen Allgemeinen Preise gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind mit der nicht überraschenden Folge, dass Kostenerhöhungen zur Tariferhöhung berechtigen, Kostensenkungen hingegen zur Tarifabsenkung verpflichten.  

Mit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB kann der grundversorgte Kunde deshalb nur klären, welcher Preis angemessen ist, zu dem ihn der Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht jeweils versorgen muss.

Der Kunde wird dabei die Frage aufwerfen, ob die vom Grundversorger einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG entsprechen, aus denen sich spiegelbildlich die vertragliche Leistung des grundversorgten Kunden ergibt.

Unzweifelhaft ist auch, dass der jeweilige Allgemeine Preis der Grundversorgung höher kalkuliert sein muss als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotener Sondervertragspreis (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06). Beim Gas folgt dies allein aus der höheren Konzessionsabgabe. Zudem können sich die Lieferanten im Rahmen der Vertragsfreiheit ihre Kunden aussuchen, unterliegen keinem Kontrahierungszwang. Der Grundversorger muss alle Haushaltskunden versorgen, auch wenn diese sich etwa durch schlechte Bonität und Zahlungsmoral auszeichnen, was entsprechende Risikoaufschläge rechtfertigen könnte.

Dem Sondervertragskunden, der bei Vertragsabschluss einen feststehenden Preis vereinbart hatte, steht die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle schon deshalb nicht offen, weil kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wurde. Gesetzlich ist es auch nicht eingeräumt.

Die Richtigkeitsgewähr des Preises (im Verhältnis der Vertragspartner zueinander) folgt allein aus der vertraglichen Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit. Und da mag nun einmal jeder einen anderen Preis für angemessen halten und diesen deshalb  feststehend vereinbaren, auch wenn es ihn später vielleicht reut wie die Regionalgas Euskirchen. Gleichwohl wird sich kein Gericht bereit finden, einen anderen - \"gerechteren\" Preis zu bestimmen.

Anders liegt es jedoch dann, wenn bei Vertragsabschluss statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wird, dieser also nach Vertragsabschluss die vertragliche Leistung einseitig festsetzen können soll.
Auch dann findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle durch den Kunden ist dann die Kehrseite des vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts. Da es sich bei dem Lieferanten um ein Energieversorgungsunternehmen handelt, wird auch dieser §§ 1, 2 EnWG bei der Preisbestimmung und somit der Leistung, auf welche der Kunde einen vertraglichen Anspruch hat, zu beachten haben, was auch bei diesem eine Kostenkontrolle notwendig machen wird.

Niemand hat die Parteien dabei gezwungen, im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Vertragsabschluss  statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten vertraglich zu vereinbaren.

Wenn sie es dann aber getan haben, ergeben sich die rechtlichen Konsequenzen daraus enstprechend.  Wurde etwa ein Tarifbestimmungs- und änderungsrecht wie nach den gesetzlichen Regelungen der Grundversorgung vertraglich vereinbart, dann sollten kraft vertraglicher Anwendungsvereinbarung auch die o. g. Grundsätze zur Anwendung kommen.

Klar ist, dass immer dann, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss (wann auch sonst?) vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart haben, § 315 BGB von Anfang an unmittelbare Anwendung findet (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Klar ist ferner, dass § 315 BGB nicht zur Anwendung kommt, wenn ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht nicht vertraglich vereinbart wurde und ein solches auch nicht gesetzlich eingeräumt ist.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 22. November 2010, 08:29:06
@RR-E-ft

!!!
Sehr gut hergeleitet, wie ja auch schon in einzelnen Teilen in anderen Threads.

Aber ich befürchte, die jenigen, die es nicht wahrhaben wollen, wird man selbst mit (dieser) Logik nicht erreichen.
Black freut sich für seine Klientel weiter über die Rechtsauffassung des VIII. BGH-Senats und sieht das natürlich auch so ( 8) ) und ob die Herrschaften des VIII. Senats selbst mal die Größe besitzen, ihre Meinung zu revidieren, darf wohl bezweifelt werden, erst recht dann, wenn diese vertretene Meinung vielleicht nicht durch unüberlegte oder zu Ende überlegte  Gedankengänge zustande kam sondern möglicherweise sogar bewusst in die Welt gesetzt wurde.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 22. November 2010, 15:25:25
@RR-E-ft

Ihre Argumente sind mir alle bekannt und nicht neu. Und ich bin sicher Sie oder ihresgleichen haben diee Argumente auch schon mehrfach bei diversen Gerichten vorgetragen.

Die Rechtsprechung des BGH zum Preissockel aber besteht mittlerweile seit über 3 Jahren und ist mehrfach bestätigt worden. Eine Gesamtpreiskontrolle wie Sie von Ihnen gewünscht wird findet  vor deutschen Gerichten nicht statt.

Insoweit ist es schon erstaunlich, wie hier in der Subkultur dieses Forums die Leser noch immer aus allen Wolken fallen, weil es so etwas wie einen Preissockel gibt und die müßige Diskussion darüber jedes mal erneut heruntergebetet werden muss.

Schon rein praktisch gesehen wäre die Gerichte nicht in der Lage eine vollständige verbindliche Preiskalkulation für einen Versorger zu erstellen. Man beachte nur den Aufwand, den die BNetzA im Rahmen der Netzentgeltgenehmigungsverfahren betreiben muss. Hinzu kommt, dass eine solche vollständige Preiskontrolle nur im Rahmen der Grundversorgung stattfinden könnte und die Rechtsprechung dort mehrfach betont hat, dass Allg. Tarife (in Abgrenzung zu Sondertarifen) eher deutlich teurer kalkuliert werden müssten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 22. November 2010, 15:50:49
Zitat
Zitat von Black

Wer einen Verstoss gegen Denkgesetze monieren muss, kann wohl auf formelle Gesetze nicht mehr zurückgreifen

Und wer vordergründig auf das Schuldrecht zusteuert und dabei ausblenden will, dass die Schuldrechtsverhältnisse hier zuvörderst durch das Energierecht geprägt werden, dem ist sehr wohl auch mit Denkgesetzen weiterzuhelfen.

Das Denkgesetz hat die Logik zur Grundlage  und hilft als Naturgesetz des Denkens auch in der Jurisprudenz aus, um über das Recht zur Gerechtigkeit zu gelangen – also zu dem richtigen Recht.

Dabei ist es ohne Ansehen, was da an „gleichrangiger Rechtsauffassung“ nebeneinander steht, um von dem Denkgesetz geschüttelt und gerüttelt zu werden. Das Ergebnis, aus der Logik heraus, weist den Weg. Und wenn das Ergebnis der Denkanstrengung dann auch noch in der praktischen Handhabung seine Richtigkeit unter Beweist stellt, feiert die Logik einen weiteren Siegeszug. Das formelle Gesetz hinkt begeistert hinterher und denkt: „Genau, das habe ich eigentlich sagen wollen“.

Deswegen: Keine Sorge, wenn das formelle Gesetz ein schlichtes Gemüt nicht  plakativ mit der Nase auf das stößt, was nur gemeint sein kann, wenn es darum geht, dem Recht den Weg zu bahnen.

Jedenfalls, und das muss ich nun auch noch anhängen, ist es RR-E-ft beeindruckend gelungen,  Licht ins Dunkle zu bringen.
Wird es helfen, auch bei Black die Blockade zu lösen?

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 22. November 2010, 17:25:18
Zitat
Original von Jagni
Dabei ist es ohne Ansehen, was da an „gleichrangiger Rechtsauffassung“ nebeneinander steht, um von dem Denkgesetz geschüttelt und gerüttelt zu werden. Das Ergebnis, aus der Logik heraus, weist den Weg. Und wenn das Ergebnis der Denkanstrengung dann auch noch in der praktischen Handhabung seine Richtigkeit unter Beweist stellt, feiert die Logik einen weiteren Siegeszug.

sweet
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 22. November 2010, 18:39:01
Vorsicht @Black! Am Ende legt Evitel auch noch einen Extra-Thread für solche aus dem übergeordneten Kulturbereich an.
Ihre An- und Herausforderungen würden bestimmt hier fehlen.
 

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 22. November 2010, 18:53:53
@ RR-E-ft

Angenommen, man würde Ihrer Theorie folgen, dass § 5 GVV kein Preisänderungsrecht eines vereinbarten Anfangspreises darstellt, sondern ein generelles Leistungsbestimmungsrecht des EVU (einschliesslich des Anfangspreises). Was würde das bei der Einbeziehung in einen Sonderkundenvertrag bedeuten?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 22. November 2010, 23:27:57
@Black

Sie geben zwar immer wieder vor, meine Auffassung wie kein anderer  zu kennen. Nur im Detail nachvollzogen wurde diese wohl jedenfalls noch nicht, wie wohl allein die Fragestellung verdeutlicht.

Auf einen Sondervertrag findet m.E.  § 315 BGB dann und nur dann, wenn  dann aber von Anfang an unmittelbare Anwendung, wenn bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde. Ein feststehender Preis wurde dann gerade nicht vereinbart (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Bei der Ausübung eines derart vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts wären auch  §§ 1, 2 EnWG zu beachten.

§ 5 Abs. 2 GVV ist gibt m.E. kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, sondern gestaltet nur die Ausübung eines solchen - anderweits bereits bestehenden Leistungsbestimmungsrechts - gem. § 315 Abs. 2 BGB aus, indem bewusst auf das Zugangserfordernis verzichtet wird.

Die Einbeziehung der Bestimmung des § 5 GVV  als AGB in einen Sondervertrag vermittelt deshalb  m.E. weder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht noch ein wirksames Preisänderungsrecht im Hinblick auf einen bei Vertragsabschluss fest vereinbarten Sonderpreis.

Das wurde weiter oben sehr umfassend dargelegt.

Für den Bereich der Grundversorgung besteht m. E. von Anfang an ein gesetzlich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, eingeräumt breits durch §§ 36, 2, 1 EnWG selbst, zuvor bereits durch § 10 Abs. 1 EnWG (BGH KZR 29/06 Rn. 20).  

Deshalb sind die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung an den Maßstab der Billigkeit gebunden.

Der Grundversorger allein bestimmt durch seine Festlegungen diejenigen vertraglichen Leistungen, welche die grundversorgten Kunden beanspruchen können. Der Grundversorger selbst bestimmt nach der gesetzlichen Regelung das jeweilige vertragliche Äquivalenzverhältnis.


Auf diese Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses findet die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung statt. M.E. ist dabei mithin kein Äquivalenzverhältnis vertraglich vereinbart, weshalb ein solches auch nicht bewahrt werden kann oder darf, etwa wenn die Tarifbildung bisher gegen §§ 1, 2 EnWG verstieß.

Ein bisher wegen §§ 1, 2 EnWG objektiv unzulässiger (oder unzulässig gewordener) Allgemeiner Preis darf auch dann nicht aufrecht erhalten werden, wenn die bisher grundversorgten Kunden noch nicht widersprochen haben. Genauso muss ein Allgemeiner Preis der Grundversorgung im Umfange rückläufiger Kosten herabgesetzt werden, selbst wenn die grundversorgten Kunden von den Umständen, die zu dieser Rechtspflicht führen, keine Kenntnis haben und deshalb noch kein entsprechendes Verlangen an den Grundversorger herangetragen haben.

Wollte man eine andere Auffassung vertreten, so habenjedenfalls  all diejenigen Grundversorger ein massives Problem, welche z.B. zwischenzeitlich die Allgemeinen Tarife Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G im Gasbereich durch einen einzigen Basistarif BT ersetzt haben (wie etwa die Oldenburger EWE).

Ich wollte dies allein anhand der gesetzlichen Regelungen zumindest für jeden Juristen nachvollziehbar dargelegt haben.
Weder ich noch \"meinesgleichen\" haben dies - soweit ersichtlich - je bei Gericht bisher so detailliert vorgetragen. Tatsächlich gilt es auch dort etwas \"vom Kopf auf die Füße\" zu stellen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 23. November 2010, 09:55:07
@Black
Zitat
Original von Black
Die Rechtsprechung des BGH zum Preissockel aber besteht mittlerweile seit über 3 Jahren und ist mehrfach bestätigt worden. Eine Gesamtpreiskontrolle wie Sie von Ihnen gewünscht wird findet  vor deutschen Gerichten nicht statt.
Bekanntermaßen wird diese Meinung bisher \"lediglich\" vom VIII. BGH-Senat so vertreten, während der Kartellsenat dieses in einigen ähnlichen Entscheidungen, (die sich leider nicht mit Endkunden-Vertragsverhältnissen beschäftigten, aber eben auch mit Lieferungen aufgrund eines einseitigen gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts) anders sieht (z.B. im Urteil vom 04.03.2008 KZR 29/06).
Aber das wissen wir ja alle, nicht wahr? ;)

Zitat
Original von Black
Insoweit ist es schon erstaunlich, wie hier in der Subkultur dieses Forums die Leser noch immer aus allen Wolken fallen, weil es so etwas wie einen Preissockel gibt und die müßige Diskussion darüber jedes mal erneut heruntergebetet werden muss.
Wir fallen nicht aus den Wolken in der Erkenntnis, dass es ihn gibt sondern sind erstaunt über die Unfähigkeit (oder Unwilligkeit), die damit verbundenen Problemstellungen zuerkennen.
Das den Versorgern und Ihnen als Vertreter von solchen eine derartige Beharrlichkeit nicht gefällt, zumal ein Fall dieser Preissockeltheorie die nächste Bastion, auf die man sich nun gerne zurückziehen würde, einstürzen lassen würde und die Versorger das nächste Problem hätten, ist mehr als verständlich.  ;)

Zitat
Original von Black
Schon rein praktisch gesehen wäre die Gerichte nicht in der Lage eine vollständige verbindliche Preiskalkulation für einen Versorger zu erstellen.

Wie sollte § 315 Abs. 3 S. 2 BGB denn wohl vollzogen werden, wenn die Gerichte nicht in der Lage  wären, solche Kalkulationen vorzunehmen. Dieses sollte dem Fachgericht auch für den gesamten Preis gelingen, ggf. unter Zuhilfenahme von Sachverständigen. Nicht zuletzt deshalb hat man doch wohl auch die Zuständigkeitsregelung in § 102 EnWG getroffen, um den nötigen Sachverstand zur Verfügung zu haben.


@RR-E-ft
Zitat
Original von RR-E-ft
Auf einen Sondervertrag findet m.E.  § 315 BGB dann und nur dann, wenn  dann aber von Anfang an unmittelbare Anwendung, wenn bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde. Ein feststehender Preis wurde dann gerade nicht vereinbart (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Bei der Ausübung eines derart vertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrechts wären auch  §§ 1, 2 EnWG zu beachten.
Da hab ich aber mal eine Frage zu:

Wenn ich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in einem Sondervertrag vertraglich fest vereinbare, ist dieses ja nicht gesetzlicher Art und muss es doch wohl auch nicht sein (kann es natürlich ggf., aber dann trifft natürlich Ihre Aussage zu).

Warum sollte sich dann aber die Ausübung dieses Leistungsbestimmungsrechts an den §§ 1, 2 EnWG orientieren MÜSSEN? Diese §§ geben doch lediglich den Rahmen des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts vor. Individuell kann ich doch was anderes vereinbaren, oder? Ich hab natürlich derzeit auch keine anderen Kriterien zur Preisbildung, frage mich nur, warum sich die SV-Regelung am gesetzlichen Recht messen lassen muss?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 23. November 2010, 10:25:03
Zitat
Original von bolli
@Black
Zitat
Original von Black
Die Rechtsprechung des BGH zum Preissockel aber besteht mittlerweile seit über 3 Jahren und ist mehrfach bestätigt worden. Eine Gesamtpreiskontrolle wie Sie von Ihnen gewünscht wird findet  vor deutschen Gerichten nicht statt.
Bekanntermaßen wird diese Meinung bisher \"lediglich\" vom VIII. BGH-Senat so vertreten, während der Kartellsenat dieses in einigen ähnlichen Entscheidungen, (die sich leider nicht mit Endkunden-Vertragsverhältnissen beschäftigten, aber eben auch mit Lieferungen aufgrund eines einseitigen gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts) anders sieht (z.B. im Urteil vom 04.03.2008 KZR 29/06).
Aber das wissen wir ja alle, nicht wahr? ;)

Na dann stehen Sie ja kurz vor dem Durchbruch mit ihrer Rechtsauffassung
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. November 2010, 11:36:22
@bolli

§§ 1, 2 EnWG gelten für alle Energieversorgungsunternehmen, nicht nur für Grundversorger.

Energieversorgungsunternehmen  haben diese Grundsätze zu beachten, soweit ihnen gesetzlich oder vertraglich das Preisbestimmungsrecht eingeräumt wurde, also gleichviel ob sich das Leistungsbestimmungsrecht aus Gesetz oder Vertrag ergibt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 23. November 2010, 12:18:51
Zitat
Original von bolli
Wie sollte § 315 Abs. 3 S. 2 BGB denn wohl vollzogen werden, wenn die Gerichte nicht in der Lage  wären, solche Kalkulationen vorzunehmen. Dieses sollte dem Fachgericht auch für den gesamten Preis gelingen, ggf. unter Zuhilfenahme von Sachverständigen. Nicht zuletzt deshalb hat man doch wohl auch die Zuständigkeitsregelung in § 102 EnWG getroffen, um den nötigen Sachverstand zur Verfügung zu haben.

Die Gerichte müssten dann aber verbindlich festlegen, welche Gewinnmarge für ein EVU noch als billig anzusehen ist und welche nicht. 5 %, 7 %, 10 % ....?

Vermutlich würden verschiedene Gerichte dies verschieden beurteilen. So dürfte vielleicht ein Versorger in einem Versorgungsgebiet 9 % Gewinnmarge erwirtschaften und der Nachbarversorger im Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichtes nur 6 %.

Hinzu kommt dass Versorger A, weil er vielleicht sehr effektiv wirtschaftet, mit 8 % Gewinnmarge im Gesamtpreis günstiger ist als Versorger B, der zwar nur 6 % Marge erwirtschaftet, aber ansonsten zu teuer wirtschaftet. Trotzdem könnte der billigere Preis dann für unbillig erklärt werden, weil ein Gericht mal 6 % als billig erklärt hat.

Vielleicht müßte dann irgendwann nach Jahren der BGH eine bundesweit einheitliche  Entscheidung zur zulässigen Marge treffen. Das hätte aber den Effekt, dass ein großer Versorger mit einer eher geringen Marge wegen seiner Marktmacht und vielen Kunden noch immer sehr gut darsteht, während ein kleines Stadtwerk mit der gleichen Marge vielleicht nicht mehr rentabel wäre.

Das wären dann quasi die Wiedereinführung von genehmigten Tarife durch die Hintertür. Der Gesetzgeber hat aber die Pflicht zur Genehmigung von Tarifen gerade abschaffen wollen und nicht auf die Gerichte übertragen.

Warum dann überhaupt noch Wettbewerb? Warum dann nicht gleich einen einzigen Versorger, der gerichtlich oder staatlich genehmigt zum maximal preiswerten Angebot alle Kunden beliefern muss? Das wäre doch dann noch preiswerter.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. November 2010, 13:59:58
@Black

Berücksichtigungsfähig sind von Anfang an nur die Kosten effizienter Betriebsführung (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Gerade um eine Zersplitterung zu vermeiden, wurden die Regelungen in §§ 102, 108 EnWG getroffen und sieht § 103 EnWG eine Ermächtungsgrundlage für eine weitergehende Konzentration vor, ebenso §§ 106, 107 EnWG.

Bei der Frage welcher Gewinn zur Eigenkapitalverzinsung notwendig ist, wird man sich an den Regelungen der Netzentgeltverordnungen orientieren können.

Die in den Preisen bereits einkalkulierten Netzentgelte, die ihrerseits keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliegen und somit als unkontrollierbarer Kostenbetandteil Eingang finden müssen, enthalten bereits den notwendigen Zinsanteil für die Eigenkapitalverzinsung auf notwendige Betriebsmittel.

Bei Wassertarifen und Straßenreinigungstarifen findet auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle statt, ohne dass es dafür je einen staatliche Genehmigungspflicht gab.
Auch für Gastarife gab es bisher keine staatliche Genehmigungspflicht, sondern nur für Stromtarife gem. § 12 BTOElt.

Die Stromtarifgenehmigung nach § 12 BTOElt verdrängte indesssen schon die gerichtliche Billigkeitskontrolle auch nicht (vgl. nur BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 e).


Zitat
Diese Bestimmung spricht damit aber lediglich eine dem öffentlichen Recht angehörende preisrechtliche Reglementierung aus. Im Verhältnis der privatrechtlich miteinander verbundenen Vertragsparteien regelt sie die Frage der Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung durch den Stromlieferanten nicht abschließend. Dies ergibt sich daraus, daß § 12 BTOElt a.F. in seinem sachlichen Wirkungsbereich ohne Rücksicht darauf gilt, ob die Festsetzung des Strompreises auf einer (zweiseitigen) Vereinbarung zwischen Liefer- und Verteilerunternehmen oder auf einer (einseitigen) Preisbestimmung beruht. Überdies ist die Ausübung staatlicher Aufsicht über einseitig festgelegte Entgelte, selbst wenn es sich dabei um behördlich genehmigte Preise handelt, grundsätzlich nicht für die privatrechtliche Überprüfung anhand des § 315 BGB präjudiziell. Trotz einer derartigen Genehmigung unterliegen einseitige Leistungsbestimmungen der richterlichen Inhaltskontrolle mit dem möglichen Ergebnis, daß der einseitig bestimmte und von der zuständigen Behörde gebilligte Preis die von § 315 BGB gesetzten Grenzen überschreitet (so zu § 43 LuftVZO BGH, Urteil vom 24. November 1977 - III ZR 27/76 = WM 1978, 1097 unter I 2 m.w.Nachw.; zur beschränkten Bedeutung von § 12 BTOElt a.F. im zivilrechtlichen Verhältnis der Parteien des Liefervertrages siehe auch Evers, Das Recht der Energieversorgung, 2. Aufl., S. 169).

Es wurde bereits dargelegt, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung regelmäßig höher kalkuliert sein müssen als sog. Wettbewerbspreise (zutreffend KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).

Das Gericht kann nur die Frage überprüfen, ob die vom Grundversorger einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise im Verhältnis Grundversorger zu grundversorgtem Kunden objektiv unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen und umfassender Würdigung des Vertragszwecks und dabei wiederum des des zu beachtenden  eenrgiewirtschaftlichen Grundsatzes der effizienten und möglichst kostengünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas der Billigkeit entspricht (hierzu BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Die Frage des Wettbewerbs hat damit rein gar nichts zu tun. Die Billigkeitskontrolle steht dem Wettbewerb auch in keiner Weise entgegen.

Wenn etwa bei den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung mit Elektrizität die verbrauchsunabhängigen Grundpreise bei den Stadtwerken Energie Jena- Pößneck GmbH doppelt so hoch ausfallen wie die entsprechenden Grundpreise der benachbarten Stadtwerke Eisenberg GmbH, gebiert dies Zweifel an der Billigkeit. Ähnliche Zweifel gebieren die deutlichen Unterschiede bei den Kosten des Messstellenbtriebs, der Messung und der Abrechnung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 23. November 2010, 14:13:59
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Berücksichtigungsfähig sind von Anfang an nur die Kosten effizienter Betriebsführung (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

(...)

Bei der Frage welcher Gewinn zur Eigenkapitalverzinsung notwendig ist, wird man sich an den Regelungen der Netzentgeltverordnungen orientieren können.
(...)

Die Frage des Wettbewerbs hat damit rein gar nichts zu tun.

Das würde in ein Verfahren vergl. der Netzentgeltgenehmigungen führen. Wenn man das möchte müßte man jedoch politisch eine entsprechendes Verfahren zur Tarifgenehmigung schaffen und dies einer Behörde zuweisen.
Dann müßte der Gesetzgeber jedoch vergl. z.B. der ARegV ein entsprechendes Regelsystem aufstellen und könnte dies nicht pauschal \"nach Billigkeit\" den jeweils einzelnen Gerichten überlassen.

Warum soll z.B. die Eigenkapitalverzinsung der Netzentgelte übertragbar sein? Die Erwirtschaftung von Netzentgelten unterliegt aufgrund der Monopolstellung des Netzes und der Absicherung durch Konzessionsverträge einem viel geringeren Risiko als der Vertrieb von Energie.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. November 2010, 14:20:36
Zitat
Original von Black
Wenn man das möchte müßte man jedoch politisch eine entsprechendes Verfahren zur Tarifgenehmigung schaffen und dies einer Behörde zuweisen.

Aus Lichtstadt ist oberlehrerhaft folgendes anzumerken:

Black scheint der rechtsirrigen Auffassung aufzusitzen/ anzuhängen, die gerichtliche Billigkeitskontrolle führe zur Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen, notwendig sei aber ein behördliches Tarifgenehmigungsverfahren, ferner der BGH als Revisionsgericht werde zu entscheiden haben, was im Einzelfall der Billigkeit entspricht.

Die Auffassung überzeugt nicht.
Sie findet schon im Gesetz keinerlei Stütze.

Es gibt die gesetzliche Regelung des § 315 Abs. 3 BGB.

Diese allein besagt, dass einseitige Leistungsbestimmungen der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (vgl. BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 e).
Voraussetzung ist nur, dass einem Vertragsteil vertraglich oder gesetzlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist.
Diese gerichtliche Kontrolle ist nach der gesetzlichen Regelung den ordentlichen Gerichten zugewiesen.
Die Billigkeitskontrolle ist Aufgabe des Tatrichters.

Dies gilt auch - aber nicht nur - für einseitige Leistungsbestimmungsrechte der Energieversorgungsunternehmen.
Sie gilt etwa auch für einseitige Leistungsbestimmungen hinsichtlich der zu fordernden Honorare der Patentanwälte, Architekten, Ärzte usw.

Die einzige Besonderheit bei einseitigen Leistungsbestimmungen von Energieversorgungsunternehmen liegt darin, dass dabei §§ 1, 2 EnWG Berücksichtigung finden müssen (vgl. BGH VIII ZR 240/90 unter III.).
M.E. besteht deshalb eine ausschließliche Sonderzuständigkeit gem. §§ 108, 102 EnWG.


Zitat
Original von Black
Warum soll z.B. die Eigenkapitalverzinsung der Netzentgelte übertragbar sein? Die Erwirtschaftung von Netzentgelten unterliegt aufgrund der Monopolstellung des Netzes und der Absicherung durch Konzessionsverträge einem viel geringeren Risiko als der Vertrieb von Energie.

An dieser Stelle ist Black beizupflichten, wenn er die Frage nach dem warum eigentlich aufwirft.  

Wer der Meinung ist, dass der Vertrieb von Energie mit hohen Risiken verbunden sei und deshalb im Wettbewerb eine Eigenkapitalverzinsung eher ungewiss sei [siehe E.ON Ruhrgas 2010], der wird dann auch in der Grundversorgung wohl keine Verzinsung zusprechen können (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Bekanntlich sind E.ON Ruhrgas und RWE derzeit durch den Wettbewerb gezwungen, das mit Ölpreisbindung zu teuer bezogene Gas zu deutlich niedrigeren Marktpreisen und somit zu Preisen deutlich unterhalb der eigenen Bezugskosten abzugeben. Selbst eine Kostendeckung ist also nicht garantiert. Wenn die Weitergabe der Kosten im Wettbewerb nicht möglich wäre, soll auch eine Weitergabe solcher Kosten durch einseitige Leistungsbestimmungen des Energieversorgungsunternehmens  ausgeschlossen sein (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).  

Wenn aber schon die Weiterwälzung unwirtschaftlicher Kosten nicht zulässig ist, dann gibt es erst recht keinen garantierten Gewinnanteil am einseitig bestimmten Entgelt.

Folglich kann die gerichtliche Billigkeitskontrolle im Einzelfall auch ergeben, dass ein vom Gericht zu bestimmendes Entgelt der Billigkeit entspricht, welches nicht kostendeckend ist, also noch nicht einmal ausreicht, um die tatsächlich durch die Belieferung entstehenden (unnötigen, unwirtschaftlichen) Kosten abzudecken.

Bei Lichte betrachtet:

Die gesetzlich geforderte möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Vertragszweck eines jeden Grundversorgungsverhältnisses schließen es  eben gerade aus, dass unwirtschaftliche Kosten über einseitige Leistungsbestimmungen auf die Kunden abgewälzt werden dürfen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Die Frage der Berechtigung von eingepreisten Risikozuschlägen ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.
(Ob der Papst dazu etwas sagt, und ob dies dann ggf. dem Unfehlbarkeitsdogma unterfiele, ist ungewiss).

Ein weiterer Blick in die Rechtsprechung des BGH mag die Sinne schärfen.

Zitat
BGH, Urt. v. 18.10.07 III ZR 277/06 Rn. 19 ff.


Das Recht des Flugplatzunternehmers, für die den Benutzern zur Verfügung gestellten Leistungen durch einseitig festgesetzte Allgemeine Geschäftsbedingungen Benutzungsentgelte zu bestimmen, steht unter dem Vorbehalt, dass die Bestimmung der (Gegen-)Leistung der Billigkeit entspricht. Unbeschadet der behördlichen Genehmigung der Flughafenbenutzungsordnung nach § 43 LuftVZO unterliegt die Entgeltregelung der richterlichen Inhaltskontrolle nach § 315 BGB (Senatsurteile vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. I.; vom 23. Januar 1997 aaO S. 1019 unter 2. a); BGH, Urteil vom 17. Juni 1993 - VII ZR 243/91 - NVwZ 1993, 914, 915 unter II. m.w.N.).

aa) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319). Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).

Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).

bb) Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301).

Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/Rieble aaO Rn. 302).


Warum es bei den jeweiligen Allgemeinen Preisen für die leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas, die der Grundversorger oder ein vertraglich zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigtes Energieversorgungsunternehmen gegenüber seinen Kunden einseitig festsetzt, anders sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Auch dabei geht es nur um die elementare Vertragsgerechtigkeit, nicht jedoch um die Marktgerechtigkeit der einseitig festgesetzten Entgelte. Ob die jeweiligen Allgemeinen Preise der Energielieferungen marktgerecht sind, hat das Gericht im Rahmen einer Billigkeitskontrolle folglich nicht zu prüfen (vgl. schon BGH VIII ZR 240/90 unter III  2 a).

Zitat
BGH VIII ZR 240/90 unter III.

Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht dadurch genügt, daß sie zur Begründung ihrer Preisbestimmung auf die in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Bandbreite der Strompreise und auf diejenigen Entgelte verwiesen hat, die sie von anderen Stromabnehmern fordert.

1.   Allerdings kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird.

Grundsätzlich ist indessen eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Auf., § 315 Rdnr. 38]; Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl., S. 215; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 119 f) sowie der Interessenlage beider Parteien (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 aa0 unter 12) erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (vgl. die Übersichten bei v. Hoyningen-Huene, aa0; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rdnr. 16).

2.   a) Für Verträge, die - wie hier - die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, daß die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist (dazu Büdenbender, Energierecht, 1982, Rdnr. 70, 72; Lukes, BB 1985, 2258, 2262).

Abweichend von anderen Wirtschaftszweigen kommt hier dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung nur eingeschränkte Bedeutung zu (Büdenbender aa0, Rdnr. 73; Lukes aaO; Köhler ZHR 137 (1973) S. 237, 251, 253). Das Prinzip der Preiswürdigkeit der Energieversorgung hat seinen Niederschlag in den einschlägigen Gesetzen und Rechtsverordnungen gefunden (Präambel zum EnergWG; § 103 Abs. 5 GWB, § 1 der Verordnung über allgemeine Tarife für die Versorgung mit Elektrizität vom 26. November 1971 in der hier maßgeblichen Fassung vom 30. Januar 1980, nachfolgend BTOElt a.F.). Es gilt - entgegen der Ansicht der Revision - auch für die Rechtsverhältnisse zwischen Stromlieferant und Verteilerunternehmen. Dies folgt nicht nur daraus, daß diese Lieferbeziehungen in den §§ 7 Abs. 1 EnergWG, 103 Abs. 1 Nr. 3 GWB und § 12 BTOElt a.F. erwähnt werden.

Der Grundsatz der Preiswürdigkeit muß im Verhältnis solcher Vertragsbeteiligten schon deshalb beachtet werden, weil das Verteilerunternehmen seinerseits in aller Regel - so auch hier - Tarifkunden versorgt und bei der Aufstellung seiner allgemeinen Tarife § 1 BTOElt zu berücksichtigen hat. Um dem Verteilerunternehmen die Erfüllung seiner Verpflichtungen zu ermöglichen, unterstanden deshalb schon vor der Neufassung der BTOElt vom 18. Dezember 1989 die Preise einer behördlichen Aufsicht (§§ 12, 13 BTOElt a.F.).

Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muß in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, daß sich. der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet.

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle hat deshalb zu erbringen, ob die einseitig festgesetzten Entgelte vertragsgerecht sind, ob sie also dem Vertragszweck und dem rechtlich anerkannten Interesse der Kunden nach einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas entsprechen.

Nur dann, wenn die einseitig festgesetzten Entgelte der gesetzlichen Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst preisgünstigen, leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas entsprechen, handelt es sich um die vertragsgerechte Leistung, welche ein Energieversorgungsunternehmen seinen (grundversorgten) Kunden vertraglich schuldet.

Schon nach den Motiven zum BGB (Mugdan) bezieht sich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht auf Leistung und Gegenleistung.

Weil auch  bei einseitiger Leistungsbestimmung nur die vertragsgemäße Leistung geschuldet ist, kann der Kunde die Vertragsgemäßheit bzw. Vertragsgerechtigkeit der einseitig festgesetzten Leistung gem. § 315 Abs. 3 BGB  gerichtlich kontrollieren lassen.

Erweist sich die einseitig bestimmte Leistung bei dieser Kontrolle als nicht vertragsgemäß bzw. vertragsgerecht, so schafft sie keine Verbindlichkeit, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine Verbindlichkeit entsteht dann überhaupt erst, wenn das Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Ersatzbestimmung hinsichtlich der vertragsgemäßen bzw. vertragsgerechten Leistung getroffen hat, d. h. mit Rechtskraft einer entsprechenden Entscheidung (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II 1.).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 23. November 2010, 21:52:32
§ 5 Abs. 2 GasGVV beinhaltet kein Preisrecht. Das erschließt sich schon aus § 39 Abs. 2 EnWG, der die Rechtsgrundlage für die GasGVV darstellt.

Der Verordnungsgeber wurde ermächtigt, die „allgemeinen Bedingungen für die Belieferung […] angemessen zu gestalten und dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluss, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge zu treffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festzulegen“ (§ 39 Abs. 2 S. 1 EnWG). Hiervon wurde Gebrauch gemacht und dies in die Gestalt der GasGVV gegossen.

Wäre mit „die allgemeinen Bedingungen für die Belieferung […] angemessen gestalten“ auch das Tarifrecht (Preisrecht) gemeint, dann hätte sich der Gesetzgeber § 39 Abs. 1 EnWG sparen können.  § 39 Abs. 1 EnWG bietet zwar die Möglichkeit (auf dem Weg der Rechtsverordnung) eine Tarifverordnung zu erlassen und dabei „Bestimmungen über Inhalt und Aufbau der Allgemeinen Preise zu treffen sowie die tariflichen Rechte und Pflichten der Elektrizitätsversorgungsunternehmen und ihrer Kunden zu regeln“ (§ 39 Abs. 1 S. 2 EnWG). Dies ist aber seit Inkrafttreten des EnWG 2005 bis heute nicht geschehen.

Wenn dies aber so ist, dann ergeben sich die Allgemeinen Preise weder aus § 39 Abs. 2 EnWG noch aus dem hiermit in unmittelbarer Verbindung stehenden § 5 Abs. 2 GasGVV. Bei näherem Lichte betrachtet, stellt § 5 Abs.2 GasGVV lediglich eine „Verfahrensregelung“ dar, d.h. wie etwas zu veröffentlichen ist und wann etwas zur Wirkung gelangt. Diese Materie befindet sich auf der Rechtsfolgeseite (und setzt etwas voraus, zu dessen Schaffung sie nicht konzipiert ist).

Selbst dann wenn unterstellt würde, dass § 5 Abs. 2 GasGVV ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht beinhalte, so könnte eine solche Interpretation des § 5 Abs. 2 GasGVV nicht ohne die gesetzliche Wertung erfolgen, welche in § 39 Abs. 1 EnWG steckt. Denn dort ist statuiert, dass bei der Gestaltung der Allgemeinen Preise nach § 36 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 EnWG des Grundversorgers die Bestimmungen gem. § 1 Abs. 1 EnWG Berücksichtigung finden müssen.

Spätestens hier gebricht die Theorie des VIII. BGH-Senats zum „vereinbarten Anfangs-“ und „Sockelpreis“ mit der Implikation einer Weiterverweisung in die Bestimmungen des § 315 BGB, welche einerseits den weiten Spielraum der Billigkeit und andererseits das Fixum des vereinbarten Preises trägt.

Man muss schon den Bestimmungen gem. § 1 Abs. 1 EnWG mit aller Gewalt „Gewalt antun“, will man in diese eine Beschränkung der Kontrolle „auf die Bereiche außerhalb des weiten Spielraums der Billigkeit und des Fixums vereinbarten Preises“ hinein lesen. Ganz abgesehen davon, ob es einem effektiven Verbraucherschutz und einer angemessenen Daseinsvorsorge völlig Wurst sein muss, welche Gewinne vor dem Zenit des Fixums erzielt werden konnten und/oder welche Gewinne Vorlieferanten einfahren, die beim Letztversorger als „Betriebskosten“ bilanziert werden.

Die „Allgemeinen Preise“ sind zwar in § 36 Abs. 1 EnWG erwähnt und zwar dahin, dass das Unternehmen die Haushaltskunden zu jenen zu versorgen hat, wozu die Verpflichtung zählt selbig zu veröffentlichen. Die explizite Kompetenzzuweisung zur Bildung „Allgemeiner Preise“ finde ich im Wortlaut aber nicht.

Vielleicht sollte mal Jemand in Duden\'s „Wortbedeutung“ nachlesen, was man unter einem „Allgemeinen Preis“ so alles versteht/verstehen kann. Duden freut sich sicher, wenn er eine neue Wortkreation aufnehmen darf: „den Allgemeinen Preis vor bzw. nach Widerspruch des Individuums
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. November 2010, 22:41:02
Zitat
Original von tangocharly

Die „Allgemeinen Preise“ sind zwar in § 36 Abs. 1 EnWG erwähnt und zwar dahin, dass das Unternehmen die Haushaltskunden zu jenen zu versorgen hat, wozu die Verpflichtung zählt selbig zu veröffentlichen. Die explizite Kompetenzzuweisung zur Bildung „Allgemeiner Preise“ finde ich im Wortlaut aber nicht.


Nur klarstellend:

Die gesetzliche Regelung weist dem Grundversorger die Kompetenz zu, die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzulegen und zu bestimmen, nur eben etwas anders verortet, als vom VIII. Zivilsenat des BGH angenommen.

Nach der gesetzlichen Regelung ist der Grundversorger sogar zur Festlegung der jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung verpflichtet.

Er muss sie nämlich denknotwendig erst festlegen, bevor er sie öffentlich bekannt geben kann und bekannt gibt.

Wenn das keine klare gesetzliche Kompetenzuweisung ist, dann weiß ich aber auch nicht mehr weiter (siehe nur BGH KZR 29/06 Rn. 20).

§ 36 Abs. 1 EnWG bestimmt eindeutig, dass Grundversorger Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und zu jenen jeweiligen  Allgemeinen Preisen Haushaltskunden beliefern müssen.

Demnach haben Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung  die Pflicht, grundversorgte Haushaltskunden zu denjenigen [nicht feststehenden] jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, welche die Grundversorger jeweils zunächst einseitig festgelegt und sodann öffentlich bekannt gegeben haben.

Die grundversorgten Kunden haben nach der gesetzlichen Regelung  nur Anspruch auf Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger einseitig festgesetzt und öffentlich bekannt gegeben hat.

Dazu wurde weiter oben umfassend ausgeführt.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15

Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Meine Rede.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 19 ff.

In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes\"jeweiligen\" sollte nach der Begründung des Verordnungsgebers (BR-Drs. 77/79, S. 34) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es (aaO, S. 38]:

\"Nach Absatz 1 sind die GVU verpflichtet, die Kunden zu den ‚jeweiligen’ allgemeinen Tarifen und Bedingungen, wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen …\"

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Meine Rede:

Nach der gesetzlichen Regelung legt der Grundversorger die jeweiligen Allgemeinen Preise durch öffentliche Bekanntgaben einseitig fest, zu denen er nur verpflichtet ist, die grundversorgten Kunden zu beliefern.

Er allein und kein anderer bestimmt nach der gesetzlichen Regelung die vertraglichen Ansprüche, welche grundversorgte Kunden von ihm jeweils nur beanspruchen können. Der Grundversorger allein  bestimmt die vertragliche Leistung, die er selbst zu erbringen hat und die den grundversorgten Kunden nur zusteht. Er allein legt einseitig jeweils die Leistung fest, welche  für grundversorgte Kunden jeweils die vertragsgemäße Leistung sein soll.

Und dies ist ein gesetzlich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, nicht eingeräumt durch die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung, sondern einegräumt durch die gesetzlichen Regelungen des EnWG selbst (vgl. BGH KZR 29/06 Rn. 20).

Und auf dieses Leistungsbestimmungsrecht findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung, wie oben aufgezeigt.

Wenn bei Vertragsabschluss der Allgemeine Preis des Grundversorgers Max heißt und sich aus einem bestimmten Grundpreis und einem bestimmten Arbeitspreis zusammensetzt und der Grundversorger zwei Monate später einen neuen Allgemeinen Preis der Grundversorgung festlegt und  öffentlich bekannt gibt, der Moritz heißt und zudem einen völlig anderen Grund- und Arbeitspreis ausweist, dann kann der betroffene grundversorgte Kunde nach der gesetzlichen Regelung vom Grundversorger nicht beanspruchen, zum Allgemeinen Preis \"Max\" weiterbeliefert zu werden, weil ein solcher schon nicht feststehend vereinbart wurde.  

Für den betroffenen grundversorgten Kunden besteht vertragsrechtlich nur die Möglichkeit der Inhaltskontrolle des einseitig festgelegten Allgemeinen Preises Moritz gem. § 315 BGB.

Aufgabe der gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB ist es (nur), zu klären, ob die einseitig festgelegte Leistung tatsächlich die vertragsgemäße Leistung ist, die sie [unter Berücksichtigung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und umfassender Würdigung des Vertragszwecks] sein soll (BGH III ZR 277/06 Rn. 20, VIII ZR 240/90 unter III 2a).

Bei Sonderverträgen besteht zweifelsfrei  kein gesetzlich eingeräumtes  Leistungsbestimmungsrecht.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann bei  Sonderverträgen jedoch vertraglich vereinbart werden [BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16].

Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ...

Der Senat führt im Grunde zutreffend aus, dass es daran fehlt, wenn bei Vertragsabschluss ein Preis vereinbart wurde.
Dann liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 315 BGB nicht vor. Klare Sache.

Der geneigte Leser der Entscheidungen des VIII. Zivilsenats wird jedoch festgestellt haben, dass der Senat wiederum in schizophrener Weise seit 15.07.2009 in den Entscheidungen VIII ZR 56/08, VIII ZR 225/07, ... VIII ZR 246/08 zu Sonderverträgen ausgeführt hat, auch dort käme § 315 BGB zur Anwendung.

Und dies, obschon dort bei Vertragsabschluss gerade ein feststehender Preis vereinbart wurde und deshalb die Parteien bei Vertragsabschluss gerade nicht vertraglich vereinbart haben konnten, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen, so dass nach den Maßstäben des selben  Senats § 315 BGB gerade keine unmittelbare Anwendung finden soll (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Man mag sich also fragen, ob die zu Tage tretenden Widersprüche in den Auffassungen des Senats auf einer Art Schizophrenie gründen oder aber mit nur gespaltener Zunge zum rechtssuchenden Publikum gesprochen wird.
 
Sei es drum:

Wurde jedoch demnach bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich eingeräumt/ vereinbart (weil die Parteien bei Vertragsabschluss keinen Preis vereinbart hatten, sondern vereinbart hatten, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen), dann ist bei Energielieferungsverträgen Vertragszweck im Zweifel ebenfalls  eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas und gerade  nicht etwa eine möglichst teure, unwirtschaftliche leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas.

Und auch dabei hat das Energieversorgungsunternehmen diesen Vertragszweck zu berücksichtigen, wenn es nach der vertraglichen Abrede und gemäß der gesetzlichen Regelung des § 315 BGB verpflichtet ist, die jeweils vertragsgemäße Leistung einseitig festzulegen.

Mit der von mir als schizophren bezeichneten Sonderrechtssprechung des VIII. Zivilsenats wurden im Energiebereich leider ohne Not und überzeugende Begründungen -  von der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehene und nicht geduldete  -  Schimären geschaffen/konstruiert, welche die vom Gesetzgeber eindeutig geregelten Institute, nämlich sowohl die  Inhaltskontrolle nach § 315 BGB (auf Vertragsgemäßheit der Leistungsbestimmung)  als auch  die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (auf Transparenz und Äquivalenzwahrung) nicht mehr erkennen lassen.

Beide Institute verlangen eine klare Unterscheidung, auch nach der Rechtsprechung des BGH.

Zitat
BGH KZR 10/03 unter II.6:

Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich.

§ 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213).

Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).

Um zu erkennen, dass die unveränderte (textliche) Übernahme der Bestimmung des § 5 Grundversorgungsverordnung in einen Sondervertrag jedenfalls weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig die Änderung eines bei Vertragsabschluss fest vereinbarten Sonderpreises regelt, geschweige denn klar und verständlich, braucht wohl niemend ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert haben. Nicht ersichtlich, wie lange wohl eine juristische Ausbildung währen muss, um zu sehen, dass § 310 Abs. 2 BGB sich schon seinem Wortlaut nach nicht zur Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB verhält.

Zitat
Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

Die Methode die dahinter stecken mag, ist wohl keine juristische.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 24. November 2010, 10:37:08
@RR-E-ft

Was verschwenden Sie denn dann noch Zeit in diesem Forum? Reichen Sie Klage ein, fordern Sie die umfassende Preiskontrolle ohne Preissockel und schaffen Sie ein Grundsatzurteil.

Warum haben Sie überhaupt schon diese 3 Jahre ins Land gehen lassen. Wie Sie selbst ja ständig betonen, muss sich ihre Logik ja jedem halbwegs gebildeten Juristen erschliessen? Und an den Gerichten in Ihrer Gegend arbeiten doch Juristen?

Wenn Sie kein geeignetes Mandat finden, dann wechseln Sie in die Grundversorgung und klagen in eigener Sache (kostet Sie ja nicht einmal die Anwaltskosten). Wobei ich mir das gar nicht vorstellen kann. Wenn ich als normaler Kunde in Ihrer Region ihre Ausführungen hier lesen würde, dann stände ich eher heute als morgen bei Ihnen auf der Matte um endlich den Gesamtpreis ohne Preissockel kontrollieren zu lassen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: ESG-Rebell am 24. November 2010, 11:13:17
Zitat
Original von Black
Wenn Sie kein geeignetes Mandat finden, dann wechseln Sie in die Grundversorgung und klagen in eigener Sache (kostet Sie ja nicht einmal die Anwaltskosten).
Das wäre vielleicht sogar einen Versuch wert.

Zu einem Prozess gehören aber immer noch zwei.

Äußerst fraglich ist aus meiner Sicht daher, ob die Stadtwerke Jena sich in einer Feststellungsklage ausgerechnet von Herrn Fricke bis vor den BGH zerren lassen. Eher würden sie wohl im Ergebnis diesen einen Kunden bis ultimo kostenlos beliefern.

Möglicherweise befindet sich sein Lieferverhältnis nach außergerichtlichen Verhandlungen bereits in diesem Zustand ;)

Gruss,
ESG-Rebell.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 24. November 2010, 11:33:25
Zitat
Original von Black
@RR-E-ft

Was verschwenden Sie denn dann noch Zeit in diesem Forum? Reichen Sie Klage ein, fordern Sie die umfassende Preiskontrolle ohne Preissockel und schaffen Sie ein Grundsatzurteil.

Warum haben Sie überhaupt schon diese 3 Jahre ins Land gehen lassen. Wie Sie selbst ja ständig betonen, muss sich ihre Logik ja jedem halbwegs gebildeten Juristen erschliessen? Und an den Gerichten in Ihrer Gegend arbeiten doch Juristen?

Wenn Sie kein geeignetes Mandat finden, dann wechseln Sie in die Grundversorgung und klagen in eigener Sache (kostet Sie ja nicht einmal die Anwaltskosten). Wobei ich mir das gar nicht vorstellen kann. Wenn ich als normaler Kunde in Ihrer Region ihre Ausführungen hier lesen würde, dann stände ich eher heute als morgen bei Ihnen auf der Matte um endlich den Gesamtpreis ohne Preissockel kontrollieren zu lassen.


@Black

Hier geht es uns um Grundsatzfragen und nicht um Einzelfälle oder Einzelschicksale und deshalb  auch nicht etwa um ein eingeschränktes/ beschränktes Vorstellungsvermögen einzelner.  

Ich selbst werde in der Grundversorgung beliefert, habe dabei selbst keinen Grund zum klagen, weil ich wohl garantiert keine unbillig überhöhten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung gezahlt habe.

Darüber, was mich insoweit so sicher macht, wurde unter anderem hier im Forum mehrmals berichtet. Ich habe mich bereits seit 2004 und somit seit sechs Jahren immer, gegen jede Abrechnung,  auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen und die Zahlung überhöhter Strom- und Gaspreise eingestellt. Darüber berichten bundesweit unter anderem auch ZDF Frontal 21, Report Mainz in der ARD, auch dass ich im Übrigen zuverlässig mit Energie beliefert werde.... Ich sah deshalb keinen Grund zum Klagen.
 
Möglicherweise hätten Sie - an meiner Stelle - ein Grund zum Klagen gesehen. Der Rheinländer aber weiß: Man muss auch mal jönne könne.
Will wohl heißen: Man darf sich nicht ständig ärgern, sondern muss auch mal mit bisher Erreichtem zufrieden sein.

Nicht zufrieden waren scheinbar andere. Ich wurde deshalb - nachdem einige Jahre ins Land gegangen waren - schließlich vom Versorger auf Zahlung verklagt. Es ist das gute Recht des Versorgers zu klagen und streitige Ansprüche gerichtlich klären zu lassen.  Auch bei der Verteidigung gegen die Leistungsklage des Versorgers habe ich mich dann auf § 315 Abs. 3 BGB berufen und die zur Abrechnung gestellten Entgelte als unbillig gerügt, § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV. Weder konnte ein Gericht daraufhin feststellen, dass die zur Abrechnung gestellte - bestrittene - Forderung vertragsgemäß war, noch konnte das Gericht die vertragsgemäße Leistung selbst bestimmen. Es war so, dass am Ende das, was mir zur Abrechnung gestellt worden war und in dem Verfahren im Streit stand, jedenfalls nicht meiner Schuld entsprach. Es fand sich kein Gericht, dass die eingeklagte Geldforderung dem Energieversorger durch Urteil auch nur zum Teil zugesprochen hat.  Das spricht doch wohl für unsere Juristen hier in Lichtstadt und der Denkfabrik.

Richtig ist auch, dass das klagende Energieversorgungsunternehmen  deshalb die Prozesskosten zu tragen und mir meine eigenen Anwaltskosten zu erstatten hat. Auch wenn ich mich anwaltlich selbst vertrete, fordere ich dafür ein Honorar. Das klagende Energieversorgungsunternehmen hat selbstredend die eigenen Anwaltskosten auch selbst zu tragen.  Zutreffend ist ferner, dass ich weiter in der Grundversorgung beliefert werde. Sollte ich darüber klagen?

Zutreffend ist ferner, dass es mir andere Kunden gleich getan hatten, dass einige von diesen auch auf Zahlung verklagt wurden und sich auch dabei kein Gericht fand, welches die Klageforderung nach Unbilligkeitseinrede auch nur zum Teil durch Urteil zusprach. Ich werbe nicht damit und berichte auch nicht öffentlich über die Beweggründe des Versorgers zu dessen Prozessverhalten. Letztere kenne ich auch gar nicht. Mehr lässt sich dazu nicht sagen.

Aber um diesen Einzelfall geht es hier gar nicht.
 
Was haben Sie denn sachlich zu dem Thema grundsätzlich weiter beizutragen?

Von Interesse ist hier  die vom Gesetzgeber vorgesehene klare Abgrenzung der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB (Vertragsgerechtigkeitskontrolle) einerseits und der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB (Tranparenz- und Äquivalenzkontrolle) andererseits.

Wenn es darum geht, ob die einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in conreto überhaupt vertragsgemäß sind, dann besteht meines Erachtens dafür nach der gesetzlichen Regelung eine ausschließliche Zuständigkeit gem. §§ 108, 102 EnWG. Sowohl das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht und damit verbundene Leistungsbestimmungspflicht  als auch die gesetzliche  Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas wurzeln unmittelbar im Energiewirtschaftsgesetz selbst. Der Streit hierüber betrifft deshalb auch immer den Streit über Rechte und Pflichten aus dem Energiewirtschaftsgesetz.    

(Bisher empfand ich die hiesige Diskussion - auch mit Ihnen - nicht als Zeitverschwendung, sondern eher als Bereicherung undzwar eine gerechtfertigte Bereicherung. Ich werde auch für meine Beiträge hier im Forum bezahlt. Sie auch?)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 24. November 2010, 17:45:56
Zitat
Original von RR-E-ft
Hier geht es uns um Grundsatzfragen und nicht um Einzelfälle oder Einzelschicksale und deshalb  auch nicht etwa um ein eingeschränktes/ beschränktes Vorstellungsvermögen einzelner.

Mir ging es auch nicht um ihr persönliches Einzelschicksal oder Ihr eingeschränktes Vorstellungsvermögen, sondern um die Frage, warum Sie mit ihren tollen Argumenten keine Änderung der Rechtsprechung erstreiten.

Denn nur Abhandlungen im Elfenbeinturm dieses Forums zu schreiben, wärend die Gerichte draussen in der realen Welt anders entscheiden bringt ihre Sache ja nicht weiter.



Zitat
Original von RR-E-ft
Ich selbst werde in der Grundversorgung beliefert, habe dabei selbst keinen Grund zum klagen, weil ich wohl garantiert keine unbillig überhöhten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung gezahlt habe.

Darüber, was mich insoweit so sicher macht, wurde unter anderem hier im Forum mehrmals berichtet. Ich habe mich bereits seit 2004 und somit seit sechs Jahren immer, gegen jede Abrechnung,  auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen und die Zahlung überhöhter Strom- und Gaspreise eingestellt. Darüber berichten bundesweit unter anderem auch ZDF Frontal 21, Report Mainz in der ARD, auch dass ich im Übrigen zuverlässig mit Energie beliefert werde.... Ich sah deshalb keinen Grund zum Klagen.
 
Möglicherweise hätten Sie - an meiner Stelle - ein Grund zum Klagen gesehen. Der Rheinländer aber weiß: Man muss auch mal jönne könne.
Will wohl heißen: Man darf sich nicht ständig ärgern, sondern muss auch mal mit bisher Erreichtem zufrieden sein.

Schön schön. Aber wie gesagt, um ihre Rechtsauffassung durchzusetzen hätten Sie ja z.B. statt zu kürzen selbst auf Feststellung der Unbilligkeit des Gesamtpreises klagen können. Dann wäre nämlich diese Frage zu diskutieren gewesen. Zwar hätte sich ihr Versorger dem auch verweigern können, aber dann wäre ihr Gaspreis wohl Null.

Wenn Sie also von Ihrer Rechtsmeinung so überzeugt gewesen wären, wie Sie es hier vermitteln,  hätten Sie entweder Rechtsgeschichte schreiben können oder zumindest ihre Energie zum Nulltarif beziehen können.



Alternativ könnten Sie das ganze ja auch für einen ihrer Mandanten statt in eigener Sache erstreiten. Auch daran sollte es ja nicht mangeln.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 24. November 2010, 17:55:01
@Black

Ihr letzter Beitrag ist einfach nur drollig.
Ich habe jahrelang Strom und Gas auf NULL gekürzt.
Und damit war ich zufrieden.

Mag sein, dass ein anderer an meiner statt damit nicht zufrieden gewesen wäre,
statt dessen Zeit und Geld aufgewandt hätte, um darüber hinaus selbst eine Klage anzustrengen.
Wozu es die brauchen sollte, vermag ich nicht zu erkennen.

Schließlich gegen die Rechtsprechung vor Ort habe ich ja auch nichts zu beklagen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 24. November 2010, 18:14:57
Meine Frage war eigentlich nur, wie Sie die Differenz zwischen \"gefühlter\" Rechtslage hier im Forum und realer Rechtslage vor den deutschen Gerichten erklären.

Und warum Sie einerseits sehr viel Energie in lange Ausführungen hier im Forum investieren ohne ihre Thesen gleichzeitig der gerichtlichen Realität zu stellen.

Aber jetzt habe ich es verstanden.

Zitat
Original von RR-E-ft
Ich werde auch für meine Beiträge hier im Forum bezahlt. Sie auch?)

 ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 24. November 2010, 18:23:34
Mögen andere für Gotteslohn streiten, ich mach es für den Broterwerb ausschließlich gegen gute Bezahlung.

Als bundesweit tätiger Anwalt, genieße ich zumeist das Leben in vollen Zügen,  und stelle insbesondere auch meine Thesen fortlaufend landauf landab der gerichtlichen Realität, dabei auch den skurrilsten Ausführungen meiner geschätzten Kollegen auf der Gegenseite.  Wenn daraufhin die Versorger ihre Klagen zurücknehmen und dann die Verfahrenskosten zu tragen haben, die Mandanten damit zufrieden sind, dann kann ich mich als deren Bevollmächtigter doch wohl schwerlich hinstellen und damit nicht zufrieden sein. Nicht anders verhält es sich, wenn sich Mandanten auf einen Vergleich einlassen wollen. Man kann sich durchaus auch noch über die kleinen Dinge des Lebens freuen, etwa OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10.

Nun aber ganz schnell zurück zu den wirklichen Grundsatzfragen.

Zitat
Original von RR-E-ft

Von Interesse ist hier  die vom Gesetzgeber vorgesehene klare Abgrenzung der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB (Vertragsgerechtigkeitskontrolle) einerseits und der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB (Tranparenz- und Äquivalenzkontrolle) andererseits.

Wenn es darum geht, ob die einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in conreto überhaupt vertragsgemäß sind, dann besteht meines Erachtens dafür nach der gesetzlichen Regelung eine ausschließliche Zuständigkeit gem. §§ 108, 102 EnWG. Sowohl das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht und damit verbundene Leistungsbestimmungspflicht  als auch die gesetzliche  Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas wurzeln unmittelbar im Energiewirtschaftsgesetz selbst. Der Streit hierüber betrifft deshalb auch immer den Streit über Rechte und Pflichten aus dem Energiewirtschaftsgesetz.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 24. November 2010, 19:04:04
Zitat
Zitat von RR-E-ft


Die gesetzliche Regelung weist dem Grundversorger die Kompetenz zu, die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzulegen und zu bestimmen, nur eben etwas anders verortet, als vom VIII. Zivilsenat des BGH angenommen.

Nach der gesetzlichen Regelung ist der Grundversorger sogar zur Festlegung der jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung verpflichtet.

Er muss sie nämlich denknotwendig erst festlegen, bevor er sie öffentlich bekannt geben kann und bekannt gibt.

§ 36 Abs. 1 EnWG bestimmt eindeutig, dass Grundversorger Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und zu jenen jeweiligen Allgemeinen Preisen Haushaltskunden beliefern müssen.







Deutlicher geht es wohl nicht mehr. Damit ist klar: Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht ist im Gesetz verankert. Es ist das Recht und die Pflicht, den Preis zu bestimmen.

Immer, wenn von Allgemeinen Preisen gesprochen wird, steht ein fließendes Preisbestimmungssystem dahinter, das vom Versorger zu handhaben ist. Dieses Preissystem nennt dem grundversorgten Kunden eben keinen feststehenden, absoluten Preis, sondern nur das zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, – das sich in einem Preis ausdrückt, der nach § 1 EnWG eine möglichst preisgünstige Versorgung herbeiführen soll.

Der grundversorgte Kunde wird daher auch niemals den Preis, den er vom Versorger bei Vertragsschluss genannt bekommt, vereinbaren, und zwar im Sinne der §§ 145 ff. BGB, weil er diesen bei Vertragsabschluss genannten Preis überhaupt nicht als den richtigen Preis anerkennen kann. Er wird diesen Preis nur deswegen zahlen, weil er weiß, dass er für die Gasentnahme etwas zu bezahlen hat.

Damit ist auch gleichzeitig der Inhalt des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts umschrieben. Die Leistung liegt bei Vertragsabschluss eben nicht fest. Sie muss in festgelegten Intervallen bestimmt werden. Das ist die Voraussetzung, damit § 315 BGB Anwendung finden kann. § 315 ist nur auf die Ausnahmen anwendbar, bei denen bei Vertragsabschluss die Leistung noch nicht bestimmt ist. Auch in solchen Fällen muss es schon möglich sein, einen Vertrag zu schließen.

Wie kommt aber das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht jetzt in den Grundversorgungsvertrag hinein? Dort muss es ja wirken, damit in dem praktischen Anwendungsfall das billige Ermessen seine Kontrollfunktion entfalten kann.
M.E. kann dieser Weg nur über die Verordnung gehen. Denn gesetzestechnisch ist die Verordnung der Transmissionsriemen, um den Gedanken des Gesetzes in die Praxis zu überführen. Wo finden wir also das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht in der GasGVV?

RR-E-ft sagt, ganz bestimmt nicht im § 5 Abs 2. Und hier scheiden sich unsere Gedanken.

„ Immer, wenn von Allgemeinen Preisen gesprochen wird, steht ein fließendes Preisbestimmungssystem dahinter“ habe ich vorstehend schon gesagt. Wo könnte das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht noch in der Verordnung auftauchen? Richtig, im § 1 der GasGVV: Dort haben wir den § 36 Abs 1 des EnWG und dort haben wir auch die Aussage, dass die Gasversorgungsunternehmen die Haushaltskunden zu Allgemeinen Preisen mit Gas zu beliefern haben. Von dort holt § 5 Abs 2 das Leistungsbestimmungsrecht ab. Der Abs 2 beinhaltet daher nicht nur das Recht, Preise zu ändern, sondern auch das Recht und die Pflicht, die Leistung zu bestimmen. Wenn § 5 Abs 2 dann über die AGB in den Vertrag einzieht, sind beide Rechte im Vertrag verankert. Damit ist auch die Voraussetzung für die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs 1 und Abs 2 geschaffen. Das sagt aber gleichzeitig auch aus, dass der bei Vertragsabschluss vom Versorger genannte Preis von Anfang an der Billigkeit unterliegen muss.

Bisher habe ich mich mit den Überlegungen nur in der Grundversorgung bewegt. Wie das unter Anwendung der neuen Rechtsetzung des VIII. Senats aussieht, wenn das gesetzliche Preisbestimmungsrecht unverändert in einen Normsondervertrag übernommen, oder wenn sogar die Verordnung in ihrer Gesamtheit einbezogen wird, muss noch an den Gedankengang anschließen.


Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 24. November 2010, 19:15:55
Ich versuche es mit einem Mantra.

Sollen die vom Grundversorger öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise, zu denen er Haushaltskunden jeweils beliefern muss, der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas entsprechen und sind die Kosten, welche durch die Belieferung dieser Haushaltskunden entstehen und mit den Allgemeinen Preisen jeweils abzudecken sind, nicht feststehend, sondern schwankend, dann bedarf es immer wieder einer Neubestimmung, zu welcher eine gesetzliche Verpflichtung besteht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18; VIII ZR 56/08 Rn. 19 ff.).

Der Grundversorger selbst ist nach der gesetzlichen Regelung verpflichtet, diejenigen jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise (entsprechend sich ändernder Kosten) immer wieder neu zu bestimmen, zu denen er die Haushaltskunden in der Grundversorgung beliefern muss.

Der Vertragsabschluss erfolgt dabei gerade nicht über eine Preisvereinbarung gem. § 145 ff. BGB , sondern von Anfang an über § 315 BGB (BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Nach der gesetzlichen Regelung soll und darf der Grundversorger mit den grundversorgten Kunden keine Preise vereinbaren, vielmehr ist er gesetzlich verpflichtet, die jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzusetzen, öffentlich bekannt zu geben und grundversorgte Kunden ausschließlich nur zu diesen - einseitig festgsetzten - Preisen zu beliefern. Deshalb schimpfen sich diese Preise schonn nach der gesetzlichen Regelung \"Allgemeine Preise\" !!!


(Preisvereinbarung und einseitiges Leistungsbestimmungsrecht sind für den Vertragsabschluss zwei gleichwertige, sich jedoch einander ausschließende Alternativen [BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, KZR 36/04 Rn. 9 ff.].

Anders als bei Sonderabkommen wird bei Grundversorgungsverträgen zu Beginn kein feststehender Preis vertraglich vereinbart. Eine Preisvereinbarung  ist für den Vertragsabschluss auch schon  gar nicht erforderlich, wenn nur Klarheit darüber besteht, dass der Versorger (auch) nach Vertragsabschluss die jeweiligen Allgemeinen Preise, die der grundversorgte Kunde vertraglich nur schulden kann, einseitig festzusetzen hat, diesen zur einseitigen Festsetzung sogar eine Rechtspflicht trifft (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Diese Klarheit besteht jedoch, weil sie sich ja schon aus der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG selbst ergibt, welche zudem auch gar keine Abweichung zulässt.

Denn schon nach der gesetzlichen Regelung soll der Grundversorger (auch) nach Vertragsabschluss die von ihm zu erbringende und vom grundversorgten Kunden nur beanspruchbare vertragliche Leistung bestimmen, zur Bestimmung der vertragsgemäßen Leistung verpflichtet sein.

Die Belieferung der grundversorgten Kunden soll von Anfang an nicht zu einem feststehenden Preis erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger entsprechend gesetzlicher Verpflichtung festsetzt und festzusetzen verpflichtet ist.  

Vertragsgemäß ist die derart einseitig festgesetzte Leistung indes tatsächlich nur, wenn sie der gesetzlichen Verpflichtung des EVU aus §§ 2, 1 EnWG entspricht (BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a).

Nach der gesetzlichen Regelung soll und darf der Grundversorger grundversorgte Kunden nicht zu einem vereinbarten Preis beliefern.

Vielmehr ist er gesetzlich verpflichtet, die jeweiligen (zulässigen) Allgemeinen Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und hiernach grundversorgte Kunden ausschließlich  zu diesen jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung zu beliefern. Deshalb schimpfen sich diese Preise bereits nach der gesetzlichen Regelung \"Allgemeine Preise\" !!!

Am Anfang stand das Wort.

Lese uns doch bitte noch einmal einer, vielleicht Black die gesetzliche Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG langsam laut und deutlich, ggf. mit Betonung vor, damit wir uns anhand des Wortlauts erschließen mögen, was der Gesetzgeber tatsächlich gewollt hat.

Zitat
Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Energieversorger sind gesetzlich verpflichtet (unter Beachtung  ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG) Allgemeine Preise festzusetzen, diese sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann ausnahmslos jeden grundversorgten Kunden ausschließlich zu diesen (immer noch einseitig festgesetzten) Allgemeinen Preisen zu versorgen.

Jede Auslegung findet am Wortlaut einer Gesetzesnorm ihre Grenze.
Und der klare Wortlaut lässt es nun einmal nicht zu, dass grundversorgte Kunden mit dem Grundversorger Preise vereinbaren, zu anderen als zu den vom Versorger unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG einseitig festgesetzten Allgemeinen Preisen versorgt werden, zu deren Festsetzung der Grundversorger gesetzlich verpflichtet ist.

Ich meine, der Gesetzgeber habe es so klar und eindeutig formuliert, dass es auch Nicht- Juristen ohne weiteres erkennen und verstehen können.

Die Rechtslage ergibt sich immer noch aus dem Willen des Gesetzgebers, den auch die Gerichte bis hin zum BGH zu beachten haben.
Und diesen maßgeblichen Willen des Gesetzgebers erfahren wir aus den vom Gesetzgeber gesetzten Rechtsnormen selbst, aus deren Wortlaut.

Alles andere mag sich gut anhören, ist aber nichts als mehr oder weniger gut fabrizierter  Hokuspokus, gleichviel, wie er sich auch anfühlen mag.  

Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sind in diesem Bereich gesetzlich ausgeschlossen. Sie stehen auch nicht etwa vor der der Festsetzung der Allgemeinen Preise und deren öffentlicher Bekanntgabe!

Fraglich, wer den Juristen das Denken verhext hat.
Herr, bring uns Licht in diese Tage!
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 25. November 2010, 08:39:50
Zitat
Original von RR-E-ft

Ich meine, der Gesetzgeber habe es so klar und eindeutig formuliert, dass es auch Nicht- Juristen ohne weiteres erkennen und verstehen können.

Die Rechtslage ergibt sich immer noch aus dem Willen des Gesetzgebers, den auch die Gerichte bis hin zum BGH zu beachten haben.
Und diesen maßgeblichen Willen des Gesetzgebers erfahren wir aus den vom Gesetzgeber gesetzten Rechtsnormen selbst, aus deren Wortlaut.
Wenn das alles so klar und einfach ist, dass es sogar Nichtjuristen verstehen, dann muss man sich doch ernsthaft fragen, warum denn den Juristen des VIII. Senats des BGH diese Einsicht fehlt. Und wer ganz böse denkt, muss ja fast schon einen Vorsatz dahinter vermuten.  
Aber das tun WIR natürlich nicht.  :D

Zitat
Original von RR-E-ft
Fraglich, wer den Juristen das Denken verhext hat.
!!! :D
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 25. November 2010, 11:24:52
Es kann sein, dass sich der Senat die Rechtslage durch einen Blick in seine eigene bisherige Rechtsprechung zu erschließen suchte und dabei den eigentlich maßgeblichen Blick in das Gesetz vergessen hat.

Das scheint nicht nur § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 36 Abs. 1 EnWG 2005 zu betreffen (VIII ZR 144/06, VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07), sondern auch § 307 BGB und § 310 Abs. 2 BGB (VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, ...,VIII ZR 246/08].  

Bei einer solchen Vorgehensweise besteht leicht die Gefahr, dass sich auch Denkfehler immer weiter fortpflanzen, quasi als Selbstläufer perpetuieren

Ein Blick in das Gesetz erleichtet die Rechtsfindung.

In Bezug auf das gesetzliche  Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers hat sich über § 6 EnWiG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG 2005 nie etwas geändert.
Es bestand insbesondere in § 6 Abs. 1 EnWiG 1935 längst schon vor Inkrafttreten der AVBGasV/ AVBEltV.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 25. November 2010, 12:51:04
Zitat
Original von RR-E-ft
Es kann sein, dass sich der Senat die Rechtslage durch einen Blick in seine bisherige Rechtsprechung zu erschließen suchte und dabei den eigentlich maßgeblichen Blick in das Gesetz vergessen hat.
Dann bleibt ja nur zu hoffen, dass man dort irgendwann auch mal wieder (vielleicht zufällig) einen Blick in die entsprechenden Gesetze wirft, auf deren Basis man Entscheidungen treffen soll.  :D
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 25. November 2010, 12:52:40
Man könnte ja zu Weihnachten Gesetzestexte mit entsprechender Widmung und Hinweis auf Art. 20 GG dorthin übersenden. Die Zeit zum Jahresende ist immer auch Besinnungszeit.  ;)

Fraglich nur, wo etwa Black nun die tatsächliche Rechtslage ersehen wollte.

Wenn Energieversorger ihren Haushaltskunden etwa formularmäßig Verträge anbieten, die keine Preisänderungsklausel enthalten (Fixpreis), so würde sich bei Anwendung von BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 ja wohl ergeben können, dass auch ein solcher Formularvertrag gem. § 307 BGB insoweit unwirksam sei, soweit er für den betroffenen Haushaltskunden die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB  entgegen der gesetzlichen Regelung ausschließt. Eben solches ergäbe sich aus dem Vertragsformular des Verwenders. Dann aber stünden wir wohl mit § 315 BGB in Bezug auf Formularsonderverträge erst ganz am Anfang.
Das nenne ich verhextes Denken.
 

Wie sich die Rechtslage m. E. zutreffend tatsächlich verhält, habe ich oben umfangreich ausgeführt.

Die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung sind von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden.
Es besteht eine Rechtspflicht, nicht zuletzt mit Rücksicht auf §§ 1, 2 EnWG, Preissenkungsspielräume  an die grundversorgten Kunden weiterzugeben, auch beim Strom.  (http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article11176448/Aufsichtsbehoerde-wittert-Preisluege-beim-Strom.html)

Zitat
Den Konzernen verblieben bei einem durchschnittlichen Strompreis von 23,42 Cent pro Kilowattstunde abzüglich Steuern, Abgaben und Netzentgelten 8,11 Cent, erläuterte Kurth weiter. Bei Energiebeschaffungskosten von rund 5 Cent pro Kilowattstunde, die angesichts der aktuellen Börsenpreise jedem Versorger möglich seien, blieben also rund 3 Cent Spielraum für Preissenkungen.

Fraglich, ob es nicht hie und da angezeigt ist, die Staatsanwaltschaften einzuschalten. BGH, B. v. 09.06.2009 - 5 StR 394/08 - Betrug durch überhöht kalkulierte Tarife (http://forum.energienetz.de/thread.php?threadid=12173&sid=)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 26. November 2010, 23:21:34
@Black

Es wurden auch in dieser Woche an mehren Gerichten wieder zig ähnliche Schriftsätze angebracht in Sachen Praxistest.
Erfreulich ist dabei heute nicht mehr soviel Papier zu bewegen wie früher.

Zitat
Es wird beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen,

bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gegen die Kl. im Wege eines Versäumnis- oder Verzichtsurteils zu erkennen.

Die Beklagten behalten sich ein sofortiges Anerkenntnis für den Fall vor, dass die Kl. im Prozess erstmals ihr einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und die Billigkeit der zur Abrechnung gestellten Preise nachweist.
 
Begründung:

Der Anspruch wird insgesamt dem Grunde und der Höhe nach bestritten.

Die Kl. trägt schon zu dem betroffenen Vertragsverhältnis unzutreffend vor.
Mit den streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen stellt die Kl. für Energielieferungen Entgelte zur Abrechnung, welche die Parteien vertraglich nicht vereinbart haben und auf welche die Kl. auch aus sonstigem Recht keinen Anspruch hat.

Die Kl. ist ein Energieversorgungsunternehmen iSv. § 3 Nr. 18 EnWG. Als solches ist die Kl. zuvörderst gem. §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen effizienten leitungsgebunenden Versorgung mit Elektrizität und Gas verpflichtet.

Soweit sie Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG ist, ist die Kl. ferner gesetzlich verpflichtet, unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG Allgemeine Preise für die leitungsgebundene Versorgung von Haushaltskunden mit Elektrizität und Gas einseitig festzusetzen, hiernach öffentlich bekannt zu geben und sodann ausnahmslos  jeden Haushaltskunden ausschließlich zu diesen einseitig festgesetzten Allgemeinen Preisen zu versorgen. Nach der gesetzlichen Regelung legt der Grundversorger selbst die jeweiligen Allgemeinen Preise fest, zu denen er ausnahmslos jeden Haushaltskunden versorgen muss. Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden sind nach der gesetzlichen Regelung im Bereich der Grundversorgung unzulässig.
 
Die gesetzliche Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG entspricht den Vorgängerregelungen in § 10 Abs. 1 EnWG 1998 und § 6 Abs. 1 EnWiG 1935, mit dem Unterschied, dass sich die gesetzliche Versorgungspflicht nur noch auf Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG bezieht. Diese Allgemeinen Preise sind ferner von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Rechtspflicht des Versorgers einschließt, nach Vertragsabschluss  soweit als nur möglich Preisanpassungen zugunsten der Kunden vorzunehmen (BGH, Urt. v. 13.01.10  VIII ZR 81/08 Rn. 18, juris).  

Auf entsprechende Unbilligkeitseinrede trägt der Versorger, der die jeweiligen Allgemeinen Preise gemäß gesetzlicher Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG einseitig festgsetzt hat, die vollständige Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese in Anbetracht seiner gesetzlichen Rechtspflicht  aus §§ 2, 1 EnWG in gesetzlich zulässiger Weise  gebildet wurden, entsprechend der Rechtspflicht aus § 315 BGB  der Billigkeit entsprechen.

Es handelt sich um ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht, auf welches § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15, 20; KZR 29/06 Rn. 20; KZR 2/07 Rn. 26, 29; KZR 36/04 Rn. 9 f.; juris).

Diese entsprechend gesetzlicher Verpflichtung einseitig festgesetzten Allgemeinen Preise  unterliegen deshalb der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB, wobei es um die Frage der Vertragsgemäßheit/ Vertragsgerechtigkeit im konkreten Vertragsverhältnis im Verhältnis der Parteien zueinander geht (BGH III ZR 277/06 Rn. 19; juris). Vertragsgemäß sind sie dabei nur dann, wenn sie tatsächlich eine möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung gem. §§ 1, 2 EnWG gewährleisten (vgl. nur BGH NJW-RR 92, 183, 184 unter III 2 a). Der grundversorgte Haushaltskunde kann sich entsprechend der gesetzlichen Regelung auch gegenüber der Leistungsklage des Versorgers auf § 315 BGB berufen, § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV.  

Der Bundesgerichtshof hält die gesetzliche Regelung zur Billigkeitskontrolle der jeweiligen Grundversorgungstarife gem. § 315 BGB, wie sie auch in § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV zum Ausdruck kommt, für so entscheidend, dass er selbst Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen, welche entgegen der gesetzlichen Regelung die Möglichkeit zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle beschränken, für unwirksam erklärt hat (BGH, Urt. v. 14.07.10  VIII ZR 246/08 Rn. 41; juris).

Wie sich aus der von der Kl. selbst vorgelegten Anlage K 3 ergibt, ist diese ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG jedenfalls insoweit nachgekommen, als  dass sie selbst diejenigen Allgemeinen Preise für die leitungsgebundene Versorgung mit Erdgas einseitig festgsetzt und  öffentlich bekannt gegeben hat, zu denen sie Haushaltskunden im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht beliefern muss.  
 
So hatte sie etwa als Allgemeine Tarife für die Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas einen Kleinverbrauchstarif und einen Grundpreistarif einseitig festgesetzt, die ab dem 01.01.07 Geltung beanspruchen sollten. Ferner hatte sie einen einheitlichen Allgemeinen Preis der Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas einseitig festgesetzt, der für alle grundversorgten Kunden  ab 01.01.08 Geltung beanspruchen sollte. Nicht anders verhielt es sich mit dem Allgemeinen Preis der Grund- und Ersatzversorgung mit Erdgas, der jeweils ab 01.10.08 bzw. 01.01.09 Geltung beanspruchen sollte.

Daneben bot die Kl. – ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein -  und deshalb im Rahmen der Vertragsfreiheit für Kunden mit hohem Jahresverbrauch günstigere Sonderabkommen- Gaspreise an, die den Abschluss von Sonderverträgen voraussetzten. Teilweise knüpfte sie die Gewährung entsprechend günstigerer Preise an weitere Bedingungen.

Wir verweisen insoweit insbesondere auf die von der Kl. mit der Anlage K 3 vorgelegte „Öffentliche Bekanntgabe“ hinsichtlich der Erdgaspreise ab 01.Januar 2008.

Zwar ist es zutreffend, dass die Bekl. von der Kl. an der genannten Abnahmestelle seit Mitte der 90er Jahre leitungsgebunden mit Erdgas beliefert werden.

Die Bekl. waren und sind jedoch keine Tarifkunden der Kl. und werden von dieser auch nicht im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht zu deren einseitig festgesetzten und öffentlich bekannt gemachten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung mit Gas beliefert, sondern aufgrund eines Sondervertrages nämlich zu einem von der Kl. im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig angebotenen Sonderabkommen- Gaspreis.

Bei den von der Kl.  im Rahmen der Vertragsfreiheit freiwillig  nur für Kunden mit hoher Jahresverbrauchsmenge angebotenen günstigeren „Sonderabkommen“ – Gaspreise  handelte es sich nicht um Allgemeine Tarife iSv. § 6 Abs. 1 EnWG 1935 bzw. § 10 Abs. 1 EnWG 1998, sondern um Sondertarife (vgl. BFH v. 31.07.1990 Az. I R 171/87 [BStBl. 1991 II S. 315]; Kammergericht, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06; OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09 Az. I-19 U 52/08 = RdE 09, 261, 263; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 Az. VI-2 U (Kart) 14/08; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.10.09 Az. 11 U 28/09 (Kart); OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09 Rn. 52; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).

Die von der Kl. im Rahmen der Vertragsfreiheit bereits Mitte der 90er Jahre angebotene Gasbelieferung zu einem Sonderabkommen – Gaspreis haben die Bekl. angenommen und somit die Belieferung zu einem Sonderabkommen- Gaspreis mit der Kl. vereinbart.

Eine Belieferung als Tarifkunde zu den jeweiligen von der Kl. einseitig festgesetzten und öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen der Grundversorgung war hingegen nicht vereinbart worden.

Vertraglich nicht vereinbart wurde ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Kl., sondern ein bei Vertragsabschluss bereits feststehender Sonderabkommen- Gaspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 320/07 Rn. 46; juris).

Der  bei Vertragsabschluss vereinbarte Sonderabkommen- Gaspreis setzt sich aus einem Arbeitspreis in Höhe von 4,520 Pf/ kWh (netto) und einem verbrauchsunabhängigen Verrechnungspreis in Höhe von 264,00 DM/ Jahr (netto), jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer zusammen. Zu diesem vereinbarten Sonderabkommen- Gaspreis erfolgten zunächst  auch die Verbrauchsabrechnungen der Kl. für deren Gaslieferungen den Bekl. gegenüber, so etwa mit der Verbrauchsabrechnung der Kl. vom 13.04.2000 für Gaslieferungen bis einschließlich 31.10.1999.

Beweis:     Verbrauchsabrechnung der Kl. v. 13.04.2000  
zu Kundennummer ..., Vorlage im Bestreitensfall  

Das Gericht kann sich vorliegend allein anhand der von der Kl. vorgelegten Anlage K 3 zu den Öffentlichen Bekanntgaben der jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung mit Erdgas und den mit den Anlagen K 5 bis K 8 vorgelegten streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen zutreffend ein Bild davon machen, dass die Kl. die Gaslieferungen auch dabei nicht zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die für alle grundversorgten Haushaltskunden Geltung beanspruchen sollen, abrechnet, sondern zu Sonderabkommen- Gaspreisen unter ausdrücklicher  Nennung des Vertragsgegenstandes „Sonderabkommen Vertrag“.

Insoweit kann es keinem Zweifel unterliegen, dass aus verständiger Verbrauchersicht der Bekl. die Parteien seit Anfang an über einen Sondervertrag zur Gasbelieferung zu einem vereinbarten, den Bekl. günstigen Sonderabkommen- Gaspreis verbunden sind (BGH, Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 225/07 Rn. 14ff.; juris).

Zutreffend ist, dass die Kl. den Gaspreis im Laufe der Vertragsbeziehung mehrfach einseitig abgeändert hat und die Bekl. erstmals mit Schreiben vom 27.01.07 das Preisänderungsrecht der Kl. bestritten hatten und sich auch auf die Unbilligkeit gem. § 315 BGB berufen haben.

Der Widerspruch richtete sich – entgegen dem Vortrag der Kl. für dieser ersichtlich -  auch bereits gegen die Verbrauchsabrechnung vom 18.12.2006 und die für die Bekl. daraus erstmals ersichtliche Gaspreisänderung zum 01.01.06. Selbst eine Unbilligkeitseinrede ist nach Ablauf von fünfeinhalb Monaten jedenfalls noch nicht verwirkt (BGH Urt. v. 21.04.10 VIII ZR 97/09 Rn. 18; juris].

Schlussendlich kommt es auf die Frage, wann die Bekl. erstmals das Preisänderungsrecht der Kl. bestritten hatten, jedoch nicht entscheidend  an:

Die Kl. war gegenüber den Bekl. nicht berechtigt, nach Vertragsabschluss den vereinbarten Sonderabkommen- Gaspreis einseitig abzuändern. Ein Preisänderungsrecht zugunsten der Kl. wurde vertraglich nicht vereinbart.

Ein solches ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV finden auf das Vertragsverhältnis der Parteien keine unmittelbare Anwendung (BGH, Urt. v. 29.04.08 KZR 2/07, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08].

Sie wurden auch nicht etwa im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Kl. wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB. Weder kannten die Bekl. entsprechende Bedingungen vor Vertragsabschluss, noch hatten sie sich bei oder nach Vertragsabschluss mit der Einbeziehung einverstanden erklärt. Solche Bedingungen waren ihnen von der Kl. auch nicht ausgehändigt worden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.05.09 Az. I-19 U 52/08 = RdE 09, 261, 263; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 Az. VI-2 U (Kart) 14/08; OLG Dresden, Urt. v. 26.01.10 Az. 14 U 983/08; OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09 Rn. 52; OLG Dresden, Urt. v. 13.07.10 Az. 9 U 93/10, juris).

Wurde – wie vorliegend – keine Preisänderungsklausel wirksam in einen Gasliefervertrag einbezogen oder erweist sich eine wirksam einbezogene Preisänderungsklausel als unwirksam, so kommen Preisneuvereinbarungen auch durch widerspruchslose Hinnahme einseitiger Preisänderungen und vorbehaltlose Zahlung darauf basierender Verbrauchsabrechnungen nicht zustande (BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff., juris).

Die Kl. war auch im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet, die Bekl. zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Gaspreis zu beliefern, § 433 Abs. 2 BGB. Die Vertragsfreiheit der Kl. reicht auch nach der Liberalisierung nicht soweit, dass sie an vereinbarte Preise nicht mehr gebunden wäre, pacta sunt servanda.  Sie kann deshalb auch nur den so vereinbarten Gaspreis für ihre Lieferungen beanspruchen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v.02.09.10 Az. U 1200/09 Kart.; LG Konstanz, Urt. v 17.09.10, Az. 61 S 27/10 B; LG Köln, Urt. v. 07.10.10 Az. 8 O 302/09; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09 und 5 S 3/10; juris)

Es ist selbstverständlich, dass sich eine entsprechende Schuld der Bekl. insbesondere nicht daraus ergibt, dass die Kl. ihren streitgegenständlichen Abrechnungen vertraglich  nicht geschuldete Entgelte zugrunde legte.
Die streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen sind zudem nicht nachvollziehbar.


Die Bekl. sind mit der Kl. der Auffassung, dass vorliegend für eine Billigkeitskontrolle der zur Abrechnung gestellten Entgelte kein Raum ist, weil es schon am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Kl. fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.08 KZR 2/07; Urt. v. 17.12.08 VIII ZR 274/06; Urt. v.  28.10.09 VIII ZR 320/07; Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08; Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08; juris).

Rein vorsorglich und hilfsweise werden die von der Kl. zur Abrechnung gestellten Entgelte nochmals als als unbillig gerügt unter Berufung auf deren Unverbindlichkeit (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II 1 b).

Der Vortrag der Kl. zur Kosten- und Erlöslage sowie -entwicklung und sämtliches Zahlenwerk werden vollinhaltlich in prozessual zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten. Dies betrifft auch den gesamten kl. Vortrag im Zusammenhang mit einem angeblich erstellten Gutachten (Anlage K 4) wie auch dessen sämtlichen Inhalt einschließlich aller Zahlen, Zeichen, Graphiken und Interpunktionszeichen (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 6/08 Rn. 20).

Mit Nichtwissen bestritten  wird insbesondere, dass die Kosten, die der Kl. durch die Belieferung der Bekl. mit Gas konkret entstanden, nach Vertragsabschluss gestiegen waren,
- insbesondere die Bezugspreise der Kl. gestiegen waren,
- hilfsweise dass ein Anstieg derselben den Vorlieferanten vertraglich geschuldet war,
-hilfsweise dass ein solcher Anstieg für die Anpassung an die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis angemessen und erforderlich war (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43),
- ferner ein solcher nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Gaspreises (bestehend aus Grund- und Arbeitspreis) jeweils vollständig kompensiert werden konnte (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39),
- ferner rückläufige Kosten bei preisbildenden Kostenfaktoren unverzögert und umfassend durch Preisanpassungen weitergegeben wurden (BGH, Urt. v. 13.01.10 VIII ZR 81/08 Rn. 18],
- die einseitig festgesetzten Entgelte der gesetzlichen Verpflichtung der Kl. aus §§ 2, 1 EnWG entsprachen und vertragsgemäß waren (BGH NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 2 a) .

Mit Nichtwissen bestritten wird insbesondere, dass die Kl. Gas so günstig wie möglich auf dem Markt beschafft hat,hierfür  ihren Gasbezug im Wettbewerb ausgeschrieben hatte.

Rein vorsorglich wird darauf verwiesen, dass Gaslieferverträge mit automatisch wirkender HEL- Preisbindungsklausel weder zur Anpassung an die tatsächlichen Kosten der Gasversorgung noch an die Marktpreise für Gas taugen (BGH, Urt. v. 24.03.10 VIII ZR 178/08 Rn. 31; VIII ZR 304/07; juris).

Mit Nichtwissen bestritten wird insbesondere, dass die Kl. in der Zeit, in welcher sie über eine Monopolstellung verfügte, weil den Bekl. ein anderer Lieferant für die leitungsgebundene Gasversorgung nicht zur Verfügung stand (BGH, Urt. v. 28.10.09 VIII ZR 320/07 Rn. 35; juris), Kostensenkungspotentiale soweit als möglich ausgeschöpft hatte (LG Dortmund, Urt. v.  20.08.09 Az. 13 O 179/08 Kart; juris).

Der vollständig bestrittene kl. Vortrag ist für eine Billigkeitskontrolle zudem völlig untauglich (OLG Celle, Urt. v. 19.08.10 Az. 13 U 82/07 Kart.; LG Köln, Urt. v. 14.08.09 Az. 90 O 41/07 und Az. 90 O 50/07; juris).

Nach alldem erscheint die Klage abweisungsreif.
Erfolg kann ihr nicht beschieden sein.

Sollte das Gericht weiteren Vortrag für notwendig erachten, wird ausdrücklich um einen gerichtlichen Hinweis gem. § 139 ZPO gebeten.

Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.

Für die Beklagten:


Rechtsanwalt

Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 04. Dezember 2010, 12:33:17
Die vorstehende Klageerwiderung ist eine große Hilfe für jeden der sich wehren muss und gemeinsam mit seiner professionellen Vertretung bei Gericht antritt.

Dem vorliegenden Fall liegt wohl aber auch wieder eine im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit gestaltete Preisänderungsklausel zugrunde, die unwirksam ist. Der Richter wird daher sehr schnell diese Klage auf der Grundlage der herkömmlichen Rechtsprechung von seinem Tisch räumen.

Offenbar wird es jetzt aber in dieser Sache nicht mehr zu einem Zwiegespräch zwischen RR-E-ft und Black kommen, wie man es schon so oft mitlesen konnte.

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Ich komme daher nochmals zum dem von tangocharly angestoßenen Thema zurück, und zwar zu seiner Frage: (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=75762#post75762) \"Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie?\"  Diese Antwort bin ich noch schuldig.

Wenn RR-E-ft schon hinreichend herausgearbeitet und auch noch einmal vorgebetet hat, dass Preisvereinbarungen in der Grundversorgung gesetzlich unzulässig sind, will ich daran dennoch einen Gedanken hängen, der vielleicht auch als Blockadelöser bei Black dienen kann:

Würde man von einem vereinbarten Preis ausgehen, so wie der VIII. Senat es vorgibt, und Black es meint, würde der Versorger sowohl die Leistung (Gaslieferung) als auch die Gegenleistung (Entgelt für den Gasbezug) bestimmen. Dies ist jedoch nicht denkbar,  wenn nicht zugleich der Weg zur Billigkeitskontrolle offen steht. Denn der § 315 BGB sagt auch aus, dass der Versorger nur dann ein Leistungsbestimmungsrecht hat, wenn er sich an die Regeln der Billigkeit hält. Die Leistungsbestimmung muss nachprüfbar sein und das von Anfang an. Das billige Ermessen als Kontrollmöglichkeit ist daher untrennbar mit dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht verbunden.
Wäre die verliehene Rechtsmacht des Versorgers nicht nachprüfbar, würde eine wesentliche Voraussetzung für das Bestehen des Vertrages fehlen.

Die Rechtsprechung hätte außerdem ein Gewinnschöpfungssystem zu Gunsten der Versorger installiert.


Sowohl der vereinbarte Anfangspreis, als auch die Sockeltheorie ist daher nicht zu rechtfertigen. Um beide umzuwerfen bedarf es aber noch nicht der schweren Geschütze aus der Verfassung. Sowohl die öffentlich rechtliche Gesetzmäßigkeit aus dem Energierecht heraus sowie die bestehenden Grundsätze, die sich aus dem bürgerlichen Recht des § 315 BGB entwickeln, reichen aus, damit in den Instanzen richtiges Recht erkannt werden kann. Was hat dies aber dann für eine Auswirkung auf die Rechtssicherheit, die nach dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet sein muss, wenn sich eine Rechtsprechung aus den Instanzen heraus entwickeln würde, die der des VIII. Senats diametral gegenüber steht?

Damit wäre dann auch die Frage von tangocharly beantwortet, zumindest aus meiner Sicht.
Die Antwort muss also lauten: Es besteht kein verfassungskonformer Ansatz. Im Gegenteil, dieses neue Recht des VIII. Senats kollidiert mit dem Rechtsstaatsprinzip, weil es sich gegen Gesetz und Recht wendet und eine massive Rechtsunsicherheit hinterlässt.

Black, der auch ein Versteher des Senats ist, sieht dagegen keine verfassungsmäßigen  (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=75893#post75893)Bedenken. Warum trägt er dann aber nichts Näheres zu den Gedankengängen des VIII. Senats bei?


Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 04. Dezember 2010, 16:41:32
@jagni

Ihre Gedankengänge sind gut und richtig.

Welche Interpretationsmöglichkeiten die Bestimmungen des § 315 BGB aufweisen, kann man der sogenannten \"Monopolrechtsprechung\" abgreifen. Selbst dort schon hat der VIII. BGH-Senat, allerdings später erkannt, welches \"Fass dort aufgemacht\" wurde. Schnell wurde zurück gerudert und das Fass wieder zugemacht.

Aber, und das muß bei der Exegese eben auch beachtet werden, als der Gesetzgeber die Bestimmungen gem. §§ 36 Abs. 1 , 1 Abs.1 und 2 Abs. 1 EnWG 2005 im Kreisssaal der Politik das Licht der Welt erblicken ließ, war ihm bekannt, dass die Rechtsprechung auf das Leistungsbestimmungsrecht in der Energieversorgung die Bestimmungen gem. § 315 BGB anwendet, d.h. dem Unwesen ein Fass ohne Boden zu verwenden, sollte nichts Anderes und/oder Wirksameres entgegen gestellt werden.

Und als festzustellen gewesen war, dass in Bezug auf den Unbilligkeitseinwand in der Rechtsprechung der unteren Instanzen immer noch heftig diskutiert wurde, ob selbiger unter § 30 AVBGasV falle oder ob nicht, wurde schnell noch in § 17 Abs. 1 S. 3 GasGVV \"eins-oben-drauf\" gesetzt, indem man dort den § 315 BGB in den Verordnungstext explizierte (was aber auch dringend erforderlich war, weil dies einige unterinstanzliche Richter immer noch nicht kapieren können).

Dass der Gesetzgeber also bei der Neukodifizierung des EnWG in einem \"Dornröschenschlaf\" gesteckt sein und zu §§ 1 u. 2 EnWG vergessen haben könnte,  weitergehenden Merkmale zu kodifizieren, insbesondere auf Rechtsfolgenseite , kann somit nicht unterstellt werden.

Der Gesetzgeber hätte durchaus in § 1 Abs. 3 EnWG einen Hinweis auf § 134 BGB setzen können, ähnlich dem § 1 GWB. Dies impliziert, dass dem Gesetzgeber die \"weiche Federung\" der Versorgungswirtschaft gegenüber einer Meute von zahlungsunwilligen Verbrauchern als ausreichend erschien.

Nur, und dies scheint wohl auch sonst Niemanden ernsthaft zu interessieren, beruhen die Neuregelungen gem. §§ 36 Abs. 1 , 1 Abs.1 und 2 Abs. 1 EnWG 2005 in der jetzigen Fassung auf Gemeinschaftsrecht und sind deshalb auch europarechtskonform anzuwenden und auszulegen (!).

Die genannten Normen beruhen einerseits auf der Gasrichtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2003 und andererseits auf Art. 81, 82, 86 EG-V.

Insbesonder mit § 1 Abs. 1 EnWG wurden die energiewirtschaftsrechtlichen Grundsätze präzisiert und konkretisiert.

Vor dem Hintergrund dieser europäischen Normen erschließt sich auch der Zweck der bundesdeutschen Norm. § 2 Abs. 1 EnWG regelt nunmehr, dass die energiewirtschaftsrechtlichen Grundsätze (im Wege einer gesetzten Verpflichtung) kraft Gesetzes Geltung haben.

Die Norm sichert daher (für den gesamten Energiewirtschaftsbereich !) dass auch jedenfalls dort, wo sich die Parteien auf gleicher Augenhöhe autonom gegenüber stehen, diese Grundsätze zu berücksichtigen sind.

Für die Grundversorgung (§ 36 EnWG) geht diese Verpflichtung allerdings noch viel tiefer, weil dort der Grundversorger zur Versorgung mit Allg. Bedingungen und zu Allg. Tarifen verpflichtet wurde.

Dies - und da hat @RR-E-ft völlig Recht - hindert jedenfalls Vereinbarungen zwischen den Parteien über den Leistungspreis, was auch nur dann möglich wäre, wenn sich zwei Vertragsparteien im Wege der Parteiautonomie gegenüber stehen ( - auf Augenhöhe - ).

Die Auslegung, welche der VIII. BGH-Senat in der Grundversorgung praktiziert, ist mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, jedenfalls dann, wenn sich in diesem Bereich ein \"als vereinbart geltender Anfangspreis\" einstellen soll, um diesen dann wiederum der Kontrolle über § 315 BGB zu entziehen.

In der Grundversorgung wurde die Frage der Allg. Bedingungen vom Gesetzgeber beantwortet und gem. § 39 EnWG i.V.m der GasGVV geregelt. Die Frage der Allg. Tarife hat der Gesetzgeber nach der Neukodifizerung des EnWG nicht beantwortet bzw. nur dahin, dass diese zu veröffentlichen sind.

Diese Frage, d.h. was genau Allg. Tarife sein sollen, war auch nicht zwingend zu beantworten. Denn  zeitens der BTO-Gas war diese Frage bereits beantwortet worden und fand daher mit den dort statuierten Begriffsmerkmalen ihre Ausprägung. Immerhin werden vom VIII. BGH-Senat auch in seinen Entscheidungen die Kriterien genannt (BGH, 15.07.2009, Az.: VIII 225/07, Tz. 15; ).

Einigkeit besteht allseits, dass Tarife, welche nicht der Allg. Versorgung dienen, nicht veröffentlicht werden müssen (BGH, 12.12.1984, Az.: VIII ZR 295/83; ).

Dass Tarife gebildet werden dürfen und wer dazu befugt ist, dies ist nicht die entscheidende Frage.

Die entscheidende Frage ist - vornehmlich für die Grundversorgung - die, welche Tarife, die von der Versorgungswirtschaft gebildet wurden, das Merkmal \"Allgemeiner Tarif\" erfüllen .

Diese Frage wurde nun in BGH, 15.07.2009, Az.: VIII 225/07, allerdings abgehandelt, gestützt auf Auslegungsmerkmale, welche der BGH aus der BTO-Gas abgeleitet hatte.  

Allgemeine Tarife sind demnach nämlich der \"Kleinverbrauchertarif\" und der \"Grundpreistarif\" (VIII ZR 225/07, Tz. 15; ).

Siehe hierzu auch BFH, 31.07.1990, Az.: I R 171/87 (BStBl. 1991 II, S. 315).

Allerdings wissen wir, dass die Versorger, weil es halt besser passt, alle veröffentlichten Tarife als Allg. Tarife ansehen, also auch die sog. \"Bestpreistarife\".

Und dies ist, sagen wir mal einfach so, zumindest fraglich.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 08. Dezember 2010, 15:20:17
@tangocharly

mit diesem Tiefgang, wie Sie ihn hier gedanklich ausbreiten, bin ich die Thematik bisher noch nicht angegangen, sondern habe mehr an der Oberfläche gekratzt, was mir allerdings auch schon völlig ausgereicht hat.

Steigt man aber auf Ihren Gedanken ein, dass das Gemeinschaftsrecht ( EU-Klauselrichtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 sowie die EU-Gasrichtlinie 2003/55/EG vom 26.06.2003) schon die Grundversorgung dirigiert, was nachvollziehbar ist, dann hätte dies auch Auswirkungen hinsichtlich der Transparenzanforderungen an das gesetzliche Preisbestimmungsrecht.

Es wäre dann nämlich zu fragen, ob es richtig ist, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht in AGB von der Ausnahme des § 307 Abs 3 erfasst und damit der Transparenzkontrolle entzogen wird, weil es mit der Regelung in einer Rechtsvorschrift (GasGVV § 5 Abs 2) übereinstimmt. Wenn die Klauselrichtlinie 93/13/EWG fordert, dass alle preisbestimmenden und leistungsbestimmenden Klauseln dem Transparenzgebot unterfallen, muss dies auch Auswirkungen auf die Gesetzlichkeit schon in der Grundversorgung eines nationalen Gesetzes haben.

Die Überprüfung beim EuGH könnte daher zu tiefgreifenden Umwälzungen bereits in der Grundversorgung führen.

Hinsichtlich des „Allgemeinen Preises“ so wie er von § 36 EnWG vorgegeben wird, sehe ich es als vordringlich an, dass der Bedeutungsinhalt dieses Rechtsbegriffs festgezurrt wird. Wenn sich das Gesetz in Abstraktheit ergeht, ist es eine Aufgabe für die Rechtslehre oder der Gerichte,  Klarheit zu schaffen. RR-E-ft hat damit einen Anfang gemacht. Offenbar gibt es solche Folgerungen aber noch nicht im Schrifttum.

Der Bedeutungsinhalt könnte sogar so weit geführt werden, dass er auch eine Bindungswirkung für die bisher völlig ungebundene und nur nach innen,  in das Versorgungsunternehmen hinein gerichtete Kostenrechnung erzeugt.

Bisher wird allenthalben darüber geklagt, dass solche aussagekräftigen Kostenkalkulationen, auf die es zwingend ankommt, nicht existieren oder dass die Gerichte nicht in der Lage sind, die Kostenkalkulationen der Versorger nachzuvollziehen. Offenbar regiert im Rechnungswesen der Versorger derzeit nur die Fantasie der Kostenrechner, gesteuert durch die Unternehmenszielsetzungen. Wir haben es aber hier mit gesetzlichen Anforderungen zu tun.

Solange der Bedeutungsinhalt des „Allgemeinen Preises“ nicht verbindlich umschrieben ist, bleibt es bei einer Veranstaltung für Freischwimmer.

Der Bedeutungsinhalt wird zukünftig um so bedeutsamer, weil nach dem neuen Recht des VIII. Senats bei einer unveränderten Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts der „Allgemeine Preis“ auch in einem Sondervertrag auftaucht, der sich dann aber Normsondervertrag nennt.

Darüber wird noch reichlich nachzudenken sein.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Dezember 2010, 16:23:44
@Jagni

Der obige Praxistest betrifft wieder Fälle, wo in die Sonderabkommen gar keine Preisänderungsklauseln einbezogen wurden.

@tangocharly

Ich habe Schwierigkeiten mit der Formulierung \"auf Augenhöhe\".
Es gibt viele große und kleine Energieversorger und noch mehr große und kleine Leute, die Energie beziehen.
Auf die Größe des einen wie des anderen kommt es jedoch überhaupt nicht an:

§§ 2, 1 EnWG schafft eine klare gesetzliche Verpflichtung für alle Energieversorgungsunternehmen im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas.

Diese kann jedoch nur dort zum Tragen kommen, wo dem Versorger ein Preisbestimmungsrecht und die Pflicht zur Preisbestimmung zufällt.
Dies ist wie oben aufgezeigt aufgrund der gesetzlichen Regelung nur bei §§ 36, 38 EnWG der Fall.

Lässt sich der Versorger bei Abschluss eines Energielieferungsvertrages - im Rahmen der Vertragsfreiheit - vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die zu zahlenden Preise einräumen, kommt auch auf die vertraglich geschuldete einseitige Preisbestimmung die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG voll zum Tragen.

Wichtig ist, dass sich der Kunde gegenüber der gesetzlich oder vertraglich vom Versorger geschuldeten einseitigen Preisbestimmung problemlos auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen kann, zudem im Falle verzögerter Preisbestimmung, unstreitig unbilliger Preisbestimmung oder nachweislich unbilliger Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung beantragen kann.

Nachdem es Herrn Kollegen Dr. Hempel als Vertreter für VDEW/ BGW zunächst gelungen war, im Gesetzgebungsverfahren für § 17 GVV eine missverständliche Formulierung einzubringen, schreibe ich mir auf die Fahne, dass es nach mächtigem Trommeln und vielen Anrufen meinerseits unter anderem in den Wirtschaftsministerien der Länder über den Bundesrat doch noch zu der deutlichen Formulierung in § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV kam, wie man sie heute dort vorfindet.  


Bei Abschluss eines Sondervertrages wird jedoch in der Regel ein (zunächst) feststehender Preis vereinbart (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46), was die vertragliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bereits ausschließt (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Im Rahmen der Vertragsfreiheit  vereinbarte Preise gelten kraft vertraglicher Einigung. Da kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, stellt sich auch nicht die Frage, warum Energieversorger wie Teldafax, Lichtblick, Monatana Gas.... für den Vertragsabschluss seinerzeit keine günstigeren Preise angeboten hatten, obschon sie es vielleicht gekonnt hätten.

Im Gegensatz zum VIII. Zivilsenat des BGH gehe ich davon aus, dass keine Rechtfertigung dafür besteht, an die Transparenzkontrolle hinsichtlich Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen geringere Anforderungen zu stellen sind, als sie die Rechtsprechung anderer Senate des BGH regelmäßig fordert.

Ist eine Klausel unwirksam, gilt der bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit  vereinbarte Preis, § 433 BGB.
Der Versorger ist demgegenüber weder zu einseitigen Preiserhöhungen berechtigt, noch zu Preisherabsetzungen verpflichtet, so dass Chancen und Risiken aus sich während der Vertragslaufzeit ändernden Kosten zwischen Versorger und Kunden gleichverteilt sind (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11. 2008  Az. 2 HK O 95/08].

Einen Sockel braucht wohl niemand.
Ich brauche jedenfalls keinen.

(Für alle die, wo noch Sockel nötig haben). (http://www.tischlerei-meinert.de/IMAGES/fussbank_g.jpg) ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 08. Dezember 2010, 17:24:17
\"Wieviele Gedanken passen auf eine Nadelspitze\"

Der VIII. BGH-Senat denkt, der Gesetzgeber wolle keine umfassende staatliche Preiskontrolle.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber denkt, er habe die gemeinschaftsrechtlichen Rechtssätze des europäischen Normgebers vollständig umgesetzt.

Der Europäische Normgeber denkt, dass sein Modell zum Verbraucherschutz perfekt und dass der Wettbewerb im Energiesektor gesichert sei.

Deutsche Energieversorger denken, dass seit dem 13.06.2007 alles für sie von Interesse Grundsätzliche höchstrichterlich entschieden sei.

Deutsche (Energie-)Verbraucher denken, dass ihr Recht billig und vom bundesdeutschen Gesetzgeber verbürgt sei.

Kurzum: die Nadel könnte beliebig erweitert werden, wie ein Schaschlikstab.

Der Kern des Übels liegt darin, dass immer da, wo das Prinzip regiert \"Keiner weiß von was\", eine totale Verunsicherung herrscht.

Mag der VIII. Senat lobenswerterweise versucht haben, hier für Klarheit zu sorgen, dann bleibt immer noch die Frage offen, warum diese Klarheit bei einem sogenannten \"vereinbarten Anfangpreis\" enden konnte.

Der sogenannte Anfangspreis segnet alles ab, was §§ 1 u. 2 EnWG gerade nicht wollen (und dies gilt ja nicht nur für die Grundversorgung, sondern beispielsweise auch für den Netzzugang, etc.).

Gesehen hat dies der VIII. Senat ja wohl schon, aber dann wieder nur auf die dem Vertragsschluß folgenden, späteren Anpassungen bezogen.

Diesen Ansatz für die hiermit gebildete Barriere findet man in §§ 1 u. 2 EnWG nicht und auch nicht im Gemeinschaftsrecht. Wenn diese durch die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit gebildete Barriere rangmäßig vor dem Gemeinschaftsrecht steht, dann ist der BGH stärker als der Europäische Normgeber (Art. 234 EG-V).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Dezember 2010, 18:09:49
Schade, wenn wir monologisieren.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 08. Dezember 2010, 19:39:49
Zitat
Einen Sockel braucht wohl niemand. Ich brauche jedenfalls keinen.  (Für alle die, wo noch Sockel nötig haben). Augenzwinkern

.... oder wie wär\'s denn mit diesem Sockel (http://www.aref.de/kalenderblatt/mehr/pics/usa_sturz_statue_sadam-hussein.jpg)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Dezember 2010, 19:58:46
Naja, ich dachte - aus Verbrauchersicht - eher an einen möglichst preiswerten und nicht so hohen Sockel.  :D
(Bitte schleppe hier nun niemand weitere Sockel heran.)

=============

In der Sache meine ich, dass sich die Rechtslage eindeutig aus dem Gesetz ergibt und der VIII.Zivilsenat des BGH diese vom Gesetzgeber geschaffene wie gewollte Rechtslage verkennt, wohl weil einfach noch keiner dorthin kam, der die einschlägigen Normen laut und deutlich mit hinreichender Betonung vorgelesen hätte. Möglicherweise ist es so trivial.

Das gesetzliche Preisbestimmungspflicht ergibt sich unmittelbar aus § 36 Abs. 1 EnWG. § 5 Abs. 2 GVV regelt nur - in Abweichung zu § 315 Abs. 2 BGB - die Ausübung des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts. Auf den mit Beweisschwierigkeiten verbundenen Zugang einer entsprechenden unwiderruflichen Willenserklärung wird zugunsten einer leichter nachweisbaren öffentlichen Bekanntgabe verzichtet.


Da zum Beispiel bei den Grundversorgern durchaus unterschiedliche Kostenstrukturen bestehen, ist die gesetzliche Regelung, wie ich sie herausgearbeitet haben wollte, die bestmögliche Regelung, da über § 315 BGB in jedem Falle gewährleistet wird, dass die objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile unter umfassender Würdigung des Vertragszwecks (vorliegend einer einer möglichst sicheren, preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas) Berücksichtigung finden (so schon BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 92, 183, 184).

Statt die Rechtslage durch einen Blick in das Gesetz zu ergründen, versucht der Senat wohl anscheinend, die Rechtslage  aus seinen eigenen bisherigen Entscheidungen herauslesen zu wollen.
Und eine solche  Vorgesehensweise birgt immanent die Gefahr, dass sich unter anderem Denkfehler als Selbstläufer fortschreiben.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 09. Dezember 2010, 19:13:24
Zitat
Statt die Rechtslage durch einen Blick in das Gesetz zu ergründen, versucht der Senat wohl anscheinend, die Rechtslage aus seinen eigenen bisherigen Entscheidungen herauslesen zu wollen. Und eine solche Vorgesehensweise birgt immanent die Gefahr, dass sich unter anderem Denkfehler als Selbstläufer fortschreiben.

Das was Sie hier beschreiben stellt ein \"institutionelles Versagen des Systems\" dar.

Im Sozialrecht hat das Bundessozialgericht für den Fall des Systemsversagens einen \"sozialrechtlichen Herstellungsanspruch\" geschaffen, wodurch dem Bürger die Teilhabe am System der sozialen Absicherung gewährleistet werden soll.

Daseinsvorsorge ist halt nicht Sozialrecht.

Und der Bundesgerichtshof ist halt nicht das Bundessozialgericht.


N.B.: Was auf einem Sockel steht, kann auch von selbigem stürzen. Und dann liegt es nicht mehr darauf, sondern daneben.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 00:01:23
Nach der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 2 EnWG ist jeder Grundversorger im jeweiligen räumlich beschränkten Netzgebiet hinsichtlich der Grundversorgung kraft Gesetzes Monopolist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG ist der Grundversorger gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG autonom festzusetzen, zu denen er jeden Haushaltskunden beliefern muss. Darüber hinaus ergeben sich die Allgemeinen Bedingungen der Grundversorgung zwingend aus den Grundversorgungsverordnungen. Da sollte eigentlich jeder erkennen, dass in diesem Bereich für Privatautonomie und Vertragsfreiheit keinerlei Raum ist, erst recht nicht für individuelle Preisvereinbarungen oder einen irgendwie gearteten geschützten Sockel.

Die betroffenen Kunden jedenfalls haben keinerlei Einfluss auf diese Allgemeinen Preise.

Einfluss darauf haben bei Konzerntöchtern die zentralen Vertriebsgesellschaften wie bei E.ON, RWE und EnBW. Bei Stadtwerken haben wohl die Kämmerer Einfluss, wenn das Dach des Hallenbades undicht ist und saniert werden muss oder aber der öffentliche Personennahverkehr auszugleichende Defizite vor sich herschiebt.
Wer sonst noch?

Der sog. \"Wettbewerb\"? Nö!

Führte der Wettbewerb zu bereits um 70 % gefallenen Großhandelspreisen bei Erdgas, die weiter nach unten gehen, werden die Allgemeinen Preise für Gas weiter munter erhöht. Führt der Wettbewerb zu drastisch gesunkenen Großhandelspreisen für Elektrizität, werden die Allgemeinen Preise für Strom nicht entsprechend abgesenkt, sondern munter erhöht, im Sprachgebrauch der hauseigenen Propagandaabteilung freilich \"moderat\" und \"eigentlich hätte es ja noch viel mehr sein können\"... EWE (bzw. Herrr Waschnow?)etwa dichtet, die EEG- Umlage steige um 70 % pro kWh, der Strompreis aber bei weitem nicht so stark.

Wettbewerb bei den Allgemeinen Preisen allenfalls um Preiserhöhungen (höher, schneller, weiter).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 10. Dezember 2010, 08:47:11
Zitat
Original von RR-E-ft
Nach der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 2 EnWG ist jeder Grundversorger im jeweiligen räumlich beschränkten Netzgebiet hinsichtlich der Grundversorgung kraft Gesetzes Monopolist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG ist der Grundversorger gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG autonom festzusetzen, zu denen er jeden Haushaltskunden beliefern muss.
Das ist ja das, was ich schon seit einiger Zeit sage: Wenn der Versorger in Bezug auf die Grundversorgung Monopolist ist, kann man mich als Verbraucher eben nicht auf die vereinbarten Preise und die Möglichkeit eines Vertragsabschlusses mit einem anderen Versorger verweisen. In der Grundversorgung gibt es keinen anderen Versorger für mein Gebiet und ich möchte unbedingt in die Grundversorgung, weil ich nur dort die Einhaltung der gesetzlichen Bedingungen für die Preisfindung (angemessene, verbraucherfreundliche Preise) verlangen und ggf. bei Nichteinhalten mittels Unbilligkeitseinrede Gem. § 135 BGB angreifen kann.

Daher bleibt mir die (meines Wissens bisher nicht ausreichend gegebene) Argumentation des VIII.  BGH-Senats für den Sockelpreis weiterhin verschlossen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 10. Dezember 2010, 11:48:07
Na Sie werden sich noch wundern, wenn demnächst der BGH am Ende noch die Anwendung des § 315 BGB in Frage stellen wird.

War es doch schon ein schöner Clou, den Grundversorgungskunden in die Falle des Sockelpreises zu führen.

Der nächste Clou ist dann der, nun auch noch den Sonderkunden in die Falle des § 315 BGB zu locken, um auch den in dieser Falle Sitzenden wiederum auf einen Sockel zu setzen.

Und dann, das Sahnehäubchen zuletzt - der übernächste Clou -, all denen die auf dem Sockel sitzen schlußendlich die Billigkeitsprüfung wegzunehmen.

Angesichts dessen, was alles in die Struktur des § 315 BGB hinein interpretiert werden können soll, fürcht mich da vorerst nix mehr.

Apropos: heute ist Tag der Menschenrechte. Man müßte mal einen Blick in die UN-Menschenrechtscharta werfen, ob da nicht irgendwo ein Rechtssatz mit dem Inhalt steht: Alle haben ein Recht auf alles was einem Teuer ist - Gas, Strom, Heizöl, Benzin und Medikamente........
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 12:01:09
@tangocharly

Etwas mehr Sachlichkeit scheint angezeigt.

@bolli

Ich möchte nicht  missverstanden werden.
Der Grundversorger hat für die Grundversorgung eine Monopolstellung, was nicht heißt, dass nicht auch andere Anbieter im selben Netzgebiet Haushaltskunden im Rahmen der Vertragsfreiheit beliefern, für die jedoch - wie aufgezeigt - andere Regeln gelten.  Es wurde bereits ausgeführt, dass die Allgemneinen Preise der Grundversorgung höher liegen müssen, als die im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Preise, im Gasbereich schon wegen der unterschiedlich hohen KA (vgl. auch KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).

Die Monopolstellung der Grundversorger hat Einfluss auf die Vergleichbarkeit von Preisen, wobei die Versorger gemeinhin auf das angeblich maßgebliche  Marktübliche verweisen.


Zitat
Der Inhalt des Anlagenkonvoluts K ... [Preisvergleiche mit den Allgemeinen Preisen anderer Grundversorger] wird vollinhaltlich in prozessual zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten (BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 6/08 Rn. 20, juris).

Die Kl. führt ersichtlich Preise von Unternehmen auf, mit denen sie nicht auf einem gemeinsamen Markt tätig ist. Während die Kl. als Grundversorger im Niederdrucknetz ihres Schwesterunternehmens ... Netze GmbH tätig ist, sind alle anderen aufgeführten Unternehmen jedenfalls als Grundversorger ausschließlich in anderen Niederdruckverteilnetzen tätig, wo die Kl. wiederum nicht tätig ist.

Jeder Grundversorger ist in seinem Niederdruckverteilnetzgebiet kraft Gesetzes Monopolist (§ 36 Abs. 2 EnWG) und bestimmt als solcher die Allgemeinen Preise der Grundversorgung vollkommen autonom (§ 36 Abs. 1 EnWG).    

Weil die inhaltlich  bestrittene Preisaufstellung schon unterschiedliche regional abgegrenzte Märkte betrifft, so lässt sich hieraus schon nichts über die Marktüblichkeit auf dem räumlich maßgeblichen Markt, der durch das Niederdrucknetz der .... Netze GmbH gebildet wird, herleiten.

Keiner der genannten und vollständig bestrittenen Preise hat sich in einem untereinander bestehenden wirksamen Wettbewerb gebildet.

Nach den bestrittenen Behauptungen der Kl. handelt es sich um jeweils gem. § 36 Abs. 1 EnWG vom jeweiligen örtlichen Grundversorger einseitig festgesetzte Grundversorgungspreise, die allesamt keinerlei Gewähr dafür bieten, dass sie entsprechend gesetzlicher Verpflichtung unter Berücksichtigung der Verpflichtung aus  §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung gebildet wurden.

Ferner sind die Preise verschiedener Grundversorger schon deshalb nicht miteinander vergleichbar, weil mit ihnen vollkommen verschiedene  Kosten abzudecken sind.

 
So unterscheiden sich allein die gem. § 40 Abs. 2 EnWG in Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letztverbrauchern auszuweisenden (in die Kalkulation Allgemeiner Preise der Grundversorgung einfließenden) Netznutzungsentgelte, Kosten des Messstellenbetriebs und der Messung von Netzbetreiber zu Netzbetreiber erheblich, ferner die zwischen Gemeinde und Netzbetreiber vereinbarte Höhe der Konzessionsabgaben.

Beweis:   Sachverständigengutachten

Schließlich unterscheiden sich die Kunden- und Abnehmerstrukturen der Grundversorger erheblich voneinander, ferner auch die Bezugspreise, welche sich zudem von Versorger zu Versorger auch uneinheitlich entwickeln.

Beweis:   Sachverständigengutachten

Kurzum: Die Kl. versucht etwas zu vergleich, was sich nicht vergleichen lässt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 10. Dezember 2010, 13:51:16
Zitat
Original von RR-E-ft
Es wurde bereits ausgeführt, dass die Allgemneinen Preise der Grundversorgung höher liegen müssen, als die im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Preise, im Gasbereich schon wegen der unterschiedlich hohen KA (vgl. auch KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).
Wo nehmen Sie diese Erkenntnis her? Dieses würde nur dann zutreffen, wenn beide auf der gleichen Basis angemessener Preise (gem. EnWG) kalkuliert worden sind. Dieses MUSS aber nicht zwangsläufig so sein, da, wie Sie ja selbst sagen, die beiden Vertragsarten nicht direkt miteinander vergleichbar sind.

Im Rahmen der freien Preisvereinbarung im SV kann der Versorger von mir als Kunden durchaus einen Preis verlangen (mit mir eineinbaren  ;)) der DEUTLICH höher liegt als der der Grundversorgung, selbst unter Berücksichtigung von höherer KA sowie sonstiger Risiken, die bewertet und in die Kalkulation einbezogen werden (müssen). Eine konkrete Bindung bzw. Höchstgrenze sehe ich da erstmal nicht (mal abgesehen von sittenwidrig hohen Preisen). Ob der Wettbewerb ihn da unbegrenzt ziehen lässt, lassen wir mal ebenfalls unbeachtet.

Im Bereich der Grundversorgung hat der Versorger aber ja einen allgemeinen Preis festzusetzen, der den Maßgaben des EnWG folgen muss UND der im Rahmen der Billigkeitskontrolle in gewissem Rahmen überprüfbar ist (sein soll  X( ). Das dieser Preis derzeit in der Regel immer über dem Preis im SV festgesetzt ist, liegt wohl in der Natur der Sache, da der Versorger sonst wohl seine SVe mit individuellen Vertragsbedingungen ja nicht mehr verkauft bekäme.  :D
Das bedeutet aber nicht, dass diese Grundversorgungstarife in der vorliegenden Form tatsächlich vollständig der Billigkeit entsprechen und somit deren höherer Preis gegenüber dem SV-Preis gerechtfertigt wäre.

Da der VIII. BGH-Senat aber ja mit der Sockelpreis-Theorie elegant (für die Versorger  ;)) eine vollständige Preisüberprüfung in der Grundversorgung verhindert, und immer nur kleine Bröckchen zur Überprüfung freigibt (nur die Preisänderungen unterliegen der Billigkeitsüberprüfung), werden wir wohl so schnell auch nicht aus der Situation heraus kommen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 10. Dezember 2010, 14:15:40
@ bolli

Zitat
Daher bleibt mir die ....Argumentation des VIII. BGH-Senats für den Sockelpreis weiterhin verschlossen.


Hilfreich wäre es daher schon, wenn zu jeder Entscheidung ein Kommentar mitgeliefert würde.

Bolli, machen Sie sich keine Mühe mehr; es gibt nichts aufzuschließen. Sehen Sie es einfach wie im Handwerk: Wenn ein Schreiner einen Tisch bei seinem Kunden abliefert, bei dem jedes Tischbein eine andere Länge hat, macht es auch  keinen Sinn,  danach zu forschen, warum der Schreiner so etwas kreiert hat. Es reicht die Erkenntnis, dass man auf diesem Tisch keine Suppe essen kann.

Der Tisch geht zurück und wird noch einmal neu gemacht.

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 14:19:50
@Jagni

Vortreffliches Bild. :D


@bolli

Womöglich habe ich mich falsch ausgedrückt.
Verständlich erklären ist nicht gerade meine Stärke.

Im Gasbereich jedenfalls liegen die Konzessionsabagben (die über die Netzentgelte in die Preise einfließen) und damit die Kosten der Belieferung höher als im SV- Bereich.

Folglich können - unter sonst gleichen Bedingungen - die etwa vom selben Versorger im selben Netzgebiet im Rahmen der Vertragfreiheit angebotenen Preise niedriger liegen als die allgemeinen Preise der Grundversorgung.
Anders gewendet bedeutet dies, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung kostenbasiert höher kalkuliert sein müssen, als die Sondervertragspreise.

Zudem ist die Grundversorgung mit spezifischen Risiken allein dadurch behaftet, dass sich der Versorger die Kunden nicht aussuchen kann, sondern jeden Haushaltskunden, der dies möchte, zu den Allgemeinen Preisen beliefern muss.

Der Grundversorger hat zB. keinen Einfluss darauf, wieviele Haushaltskunden er tatsächlich in der Grundversorgung beliefern wird, wieviele etwa zu anderen Lieferanten abwandern.
Er muss sogar darauf eingestellt sein, dass alle Haushaltskunden im Netzgebiet (zurück) zu ihm in die Grundversorgung kommen.
Sicher verhindern kann er dies jedenfalls nicht.

Er ist immerhin gesetzlich verpflichtet, möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu liefern.

Dementsprechend unsicher kann seine Prognose hinsichtlich der Entscheidung sein, welche Gasmenge er wo zu welchem Preis bezieht, um die Grundversorgung in einer bestimmten Periode zu bewerkstelligen.

Der im Rahmen der Vertragsfreiheit agierende Gashändler hat weniger Probleme. Hat dieser etwa am Spotmarkt für eine Periode eine Gasmenge zu einem besonders günstigen Preis (derzeit 18 €/ MWh bzw. 1,8 Ct/ kWh) erstanden, kann er diese Menge  nach freiem Belieben zu höchstmöglichen Preisen wo er will auf den Markt werfen. Ist seine verfügbare Gasmenge (Kontingent) auf der Absatzseite erschöpft, schließt er keine weiteren Verträge zu den darauf basierenden Angeboten mehr ab. Hat er sich beim Einkauf verkalkuliert, ist sein wirtschaftliches Risiko begrenzt, weil er sich auf der Absatzseite alsbald durch ordnungsgemäße Kündigung aus allen betroffenen Vertragsverhältnissen lösen kann, möglicherweise sogar mit einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von einem Monat auf das Monatsende.

Während der Gaslieferant im Rahmen der Vertragsfreiheit selbst entscheiden kann, wieviele Kunden er zu welchen Bedingungen und Preisen wo beliefern will, ja selbst entscheiden kann, sich von einem Markt vollständig zurückzuziehen, kann ein Grundversorger dies grundsätzlich nicht.

Hat sich demgegenüber der Grundversorger verkalkuliert, kann er sich jedenfalls nicht aus den betroffenen Vertragsverhältnissen durch ordnungsgemäße Kündigung befreien, § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV. Dem Grundversorger verbleibt einzig und allein die Möglichkeit einer Anpassung der Allgemeinen Preise, zu denen er alle Haushaltskunden im Netzgebiet (die dies wünschen) beliefern muss.

In der genannten Entscheidung des Kammergerichts vom 28.10.08 Az. 21 U 160/06 ist einiges Erhellendes dazu ausgeführt, warum spezifische Risiken der Grundversorgung dazu führen, dass der Allgemeine Preis kostenabsiert höher kalkuliert sein muss als ein Preis, der im Rahmen der Vertragsfreiheit vom Versorger angeboten werden kann.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 10. Dezember 2010, 21:07:16
Zitat
Original von RR-E-ft
@bolli
Womöglich habe ich mich falsch ausgedrückt.
Verständlich erklären ist nicht gerade meine Stärke.

Na ja, dass kennt man von Juristen und wenn man häufiger mit Ihnen zu tun hat weiss man es (meist) zu deuten.  ;)

Im vorliegenden Fall habe ich Sie, meine ich schon verstanden, bin aber, unter bestimmten Einschränkungen, anderer Meinung.

Zitat
Original von RR-E-ft
Folglich können - unter sonst gleichen Bedingungen - die etwa vom selben Versorger im selben Netzgebiet im Rahmen der Vertragfreiheit angebotenen Preise niedriger liegen als die allgemeinen Preise der Grundversorgung.
Das ist aber der Knackpunkt. Die Bedingungen sind nicht gleich. Die SV-Preise sind keine angemessenen Preise sondern Marktpreise. Bedeutet, sie folgen nicht unbedingt den Einkaufskonditionen sondern dem höchstmöglich erzielbaren Preis auf dem Markt.

Demgegenüber MÜSSTEN die GV-Preise anders kalkuliert sein, da sie sich an den Kriterien des EnWG messen lassen müssen. Der allgemeine, vom Vorsorger zu bildende Preis muss u.a. den Kriterien des § 1 EnWG genügen und damit sind der Preiskalkulation andere Grenzen gesetzt als der in der SV. Da ändert auch eine unterschiedlich hohe KA nichts dran.

Aber ich gebe Ihnen Recht, unter sonst gleichen Bedingungen würde Ihre Aussage zutreffen.

Meiner unmaßgeblichen Meinung ist der Preis aber derzeit weder in der GV noch im SV angemessen (oder warum sonst scheffeln die Versorger die Millionen nur so aus der Energieversorgung ?). Im SV kann man wegen der vereinbarten Preise da wohl nur wenig machen, in der GV sollte dieses aber (normalerweise) wegen des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts schon der fall sein, nur der VIII. BGH-Senat hat da halt was gegen.  :evil:
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Dezember 2010, 21:21:42
@bolli

Sie haben da wohl einen Denkfehler drin. Haben Sie schon KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06 zu den entscheidenden Passagen gelesen?

Dass die \"Marktpreise\" derzeit so hoch liegen, wie sie liegen, schließt doch schon logisch nicht aus, dass sie ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation (die dort ja nicht erfolgt) jedenfalls niedriger liegen können als die Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

Es entspricht unsrer festen Überzeugung, dass derzeit fast alle Preise bedeutend niedriger liegen könnten, wenn sie nur zutreffend kalkuliert wären.
Und die Sondervertragspreise könnten ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation nun einmal niedriger liegen als die Grundversorgungspreise.

Dazu, bei welchem Preisniveau sich die Preise bei zutreffender kostenbasierter Preiskalkulation einstellen könnten, wurde in diesem Zusammenhang doch gar keine Aussage getroffen, insbesondere nicht, dass das gegenwärtig vorzufindende (oftmals überhöhte) Preisniveau maßgeblich sei.

Imagine:

Sie sind Gasversorger. Sie haben einen Kunden in der Grundversorgung. Sie bestellen den ein, verabreden mit ihm, dass er nunmehr Sondervertragskunde sei und können ihm - ohne dass sich sonst irgendetwas geändert hat- jedenfalls sofort den Preis herabsetzen, allein weil die KA geringer ausfällt, die Kosten der Belieferung entsprechend geringer ausfallen. Deshalb können Sie als Mr.Gasversorger den Kunden im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostengünstiger beliefern als in der Grundversorgung. Umgekehrt ist zu erkennen, dass die Preise der Grundversorgung aus selbem Grunde höher liegen müssen als die Sondervertragspreise. Die Grundversorgungspreise müssen demnach höher kalkuliert sein, zum einen wegen der erhöhten KA, zum anderen wegen der grundversorgungsspezifischen Risiken.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 13. Dezember 2010, 08:58:49
Zitat
Original von RR-E-ft
@bolli

Sie haben da wohl einen Denkfehler drin. Haben Sie schon KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06 zu den entscheidenden Passagen gelesen?

Dass die \"Marktpreise\" derzeit so hoch liegen, wie sie liegen, schließt doch schon logisch nicht aus, dass sie ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation (die dort ja nicht erfolgt) jedenfalls niedriger liegen können als die Allgemeinen Preise der Grundversorgung.
...
Und die Sondervertragspreise könnten ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation nun einmal niedriger liegen als die Grundversorgungspreise.
Ja, ich habe das Urteil des Kammergerichts gelesen und stimme Ihnen in Ihrer jetzigen Aussage auch zu.

Mein Widerspruch bezog sich aber auf Ihre obige Aussage,
Zitat
Original von RR-E-ft
Es wurde bereits ausgeführt, dass die Allgemneinen Preise der Grundversorgung höher liegen müssen, als die im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Preise, im Gasbereich schon wegen der unterschiedlich hohen KA (vgl. auch KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).
und die besagte nun mal in ihrer Absolutheit was anderes denn müssen IST NICHT GLEICH können.  ;) Auch wenn Sie es mal aus Sicht der Grundversorgung und mal aus Sicht der SV betrachten.

Ob ich da also einen Denkfehler drin habe, wage ich mal zu bezweifeln.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 09:54:22
Wenn die Preise für die Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostenbasiert niedriger kalkuliert werden können, so müssen die Allgemeinen Preise jedenfalls kostenbasiert höher kalkuliert werden als jene. Dies ergibt sich logisch auch aus §§ 2, 1 EnWG.

Und um mehr sollte es nicht gehen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: PLUS am 13. Dezember 2010, 10:47:06
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn die Preise für die Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostenbasiert niedriger kalkuliert werden können, so müssen die Allgemeinen Preise jedenfalls kostenbasiert höher kalkuliert werden als jene. Dies ergibt sich logisch auch aus §§ 2, 1 EnWG.
Abgesehen von der willkürlich  mehrfach höheren KA sehe ich keine zwingende kostenbasierte höhere Preiskalkulation in der Grundversorgung. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber auch die KA ist durch nichts gerechtfertigt, erst recht nicht das mehrfache Abgreifen in der Gasgrundversorgung.

Den Grundversorgungspflichten stehen immer noch nicht zu unterschätzende Vorteile gegenüber.  Die Grundversorgten bilden nach wie vor eine leider träge und treue, gut kalkulierbare Masse dar. Hier wird richtig Geld (\"verdient\") abgeschöpft. Oft sind das ältere Mitbürger, Familien, die mit einem Wechsel aus unterschiedlichen Gründen nicht zurecht kommen. Es erschliesst sich mir nicht, warum die Lieferung von 12000 kWh für eine Familie in Miete in der Grundversorgung aufwändiger sein sollte als mit Sondervertrag. Nicht selten streitet man sich ja sogar vor Gericht, was da für ein Gas durch die Rohre geliefert wird. Edles Grundversorgergas mit höchster steuerfreier KA für die Kommune oder billiges Sondergas. Was dann abgeführt wird, steht nochmal auf einem anderen Blatt. ;)

Grotesk und unsozial sind noch schwache Bezeichnungen für diese Energiegesetze und Verordnungen und die angeblich damit zu begründenden Preiskalkulationen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 12:33:24
@PLUS

Fakt ist, dass ceteris paribus allein wegen der erhöhten KA und somit der höheren Netzentgelte die Grundversorgungspreise jedenfalls kostanbasiert höher kalkuliert werden müssen.
Der Grundversorger kann deshalb Preise, die er im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, jedenfalls kostenbasiert günstiger kalkulieren und anbieten, vice versa.


Zitat
Original von PLUS

Den Grundversorgungspflichten stehen immer noch nicht zu unterschätzende Vorteile gegenüber.  Die Grundversorgten bilden nach wie vor eine leider träge und treue, gut kalkulierbare Masse dar.

Die Trägheit der Kundschaft ist bekanntlich dem Grundversorger nicht garantiert. Er muss sich immer auch auf den ungünstigsten Fall (worst case) einstellen.

Der Grundversorger kann deshalb auch nicht auf diese setzen, wenn es darum geht, allen Haushaltskunden, die er beliefern muss, jedenfalls eine möglichst sichere, preisgünstige, kosteneffiziente Belieferung zu garantieren. Weiter oben wurde versucht, die spezifischen Risiken der Grundversorgung herauszukristallisieren. Der Grundversorger muss ebenso damit rechnen, dass sehr viele Haushaltskunden aus der Grundversorgung  - gar zu anderen Lieferanten - abwandern, wie er ebenso damit rechnen muss, dass alle Haushaltskunden im Netzgebiet in die Grundversorgung zurückfallen. Er muss sich so einstellen, dass er jedenfalls darauf vorbereitet ist und seine gesetzliche Versorgungsaufgabe auch unter widrigsten Bedingungen erfüllen kann.

Ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, hat es aus genannten Gründen leichter, weil er sich seine Kunden aussuchen, seine Angebote maßschneidern und sich sogar auch kurzfristig aus einem Markt vollständig zurückziehen kann.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 13. Dezember 2010, 13:47:15
@ RR-E-ft

Sicher ist es eine freundliche Umschreibung, wenn Sie davon ausgehen, dass ich Sie missverstanden  (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=76744#post76744)habe. Es ist aber wohl eher so, dass ich das Zusammenwirken von öffentlichem und privatem Recht noch nicht so richtig drauf habe.

(Ich schreibe jetzt in diesem Thread weiter, weil ich meine, dass hier ein unmittelbarer Zusammenhang besteht)


Wenn Sie aber meine irrige Annahme nun richtig stellen und sagen:

„Natürlich können Bestimmungen aus den gesetzlichen Regelungen, die für im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossene Verträge gesetzlich nicht gelten, in solche Verträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen implementiert werden“,
 
dann denke ich im Sinne der  neue Rechtsprechung des VIII. Senats einmal weiter, wonach das gesetzliche Preisänderungsrecht, also das Verordnungsrecht,  „unverändert“  als Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Sondervertrag übernommen werden kann.

„Solche Verträge“ sind jetzt Verträge, die zwar noch im Rahmen der Vertragsfreiheit anfänglich  gestaltet wurden, im weitesten Umfange aber durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit durch Gedankengut aus dem öffentlichen Recht – EnWG - geprägt werden. Der Sondervertrag hat sich zum Normsondervertrag weiterentwickelt.

Daran knüpfe ich die Frage: Was ist unter dem gesetzlichen Preisänderungsrecht, z.B. aus § 5 Abs 2 der GasGVV, zu verstehen, das „unverändert“ übernommen wird?

Fällt darunter nur das Recht, die Preise nach oben und nach unten zu bewegen, oder fällt darunter auch das  Recht, die Leistung und damit den Inhalt der Veränderung zu bestimmen?

Ich meine, das gesetzliche Preisänderungsrecht beinhaltet beide Recht, denn schließlich eröffnet erst das einseitige Leistungsbestimmungsrecht unmittelbar den Weg zur Billigkeitskontrolle und die ist auch eine Inhaltskontrolle (Vertragsgerechtigkeit).

Wird nach der Rechtsprechung des VIII. Senats das gesetzliche Preisänderungsrecht „unverändert“ in einen Normsondervertrag übernommen und davon nicht zum Nachteil des Kunden abgewichen, stellt die Preisanpassungsklausel auch keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs 2 Satz 1 oder 2 BGB dar. Die Billigkeitskontrolle wir als völlig ausreichend angesehen.

Dem Normsonderkunden steht jetzt die unmittelbare Anwendung des billigen Ermessens aus dem Gesetz heraus sowie der gesamte Inhalt, der sich aus dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht  entwickelt, zur Verfügung.
Der Normsondervertragskunde ist damit mit einem grundversorgten Kunden „gleichgemacht“. Lediglich die Versorgungspflicht ist noch hängen geblieben – in der Verordnung. Aber das wird sich dann auch noch ändern, wenn die Verordnung in ihrer Gesamtheit als AGB in den Normsondervertrag einbezogen wird.

Sind solche Gedankengänge ebenfalls irrig?

Gruß
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: PLUS am 13. Dezember 2010, 13:51:31
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Trägheit der Kundschaft ist bekanntlich dem Grundversorger nicht garantiert. Er muss sich immer auch auf den ungünstigsten Fall (worst case) einstellen.
....
Ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, hat es aus genannten Gründen leichter, weil er sich auch kurzfristig aus einem Markt vollständig zurückziehen kann.
@RR-E-ft, lassen wir mal die KA bei Seite. Es gibt heute Versorger, sogar aus der kommunalen Ecke, die bieten Sonderverträge mit zweijähriger Preisgarantie an, die den Verbraucher aber nicht binden.  Wenn sich was Besseres findet, kann sich der Verbraucher wie in der Grundversorgung verabschieden. Die Preise schlagen trotzdem jede Grundversorgung. Kein Grundpreis, Mehrere Monate Preisgarantie, Monatlich kündbar. (https://secure.logoenergie.de/faq.htm)

Das Risiko wird freiwillig in Kauf genommen und ist sicher kaufmännisch ordentlich einkalkuliert.

Die Einstellung auf den ungünstigsten Fall (worst case) bei der Grundversorgung hat nicht zur Folge, dass diese Extremrisiken sich permanent in der Kalkulation auswirken. Eine Risikovorsorge ist bei Nichteintritt des Risikos wieder aufzulösen. Bis jetzt jedenfalls sind die grundversorgten Verbraucher eine einträgliche träge Masse und per Saldo sehe ich keine relevanten Risikokosten, die einen merkbaren Unterschied zu Sondervertragspreisen rechtfertigen könnten. Die Vorteile, die der Grundversorger aus der \"trägen Masse\" zieht, sind auch hier mindestens gegenzurechnen. Auch ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreiheit anbietet, muss die Verträge einhalten. Dass der Grundversorger besondere Pflichten hat, ist unbestritten, dass diese die erheblich höheren Preise rechtfertigen bestreite ich mal hier und gegebenenfalls vor Gericht!  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 14:00:20
@Jagni

Die Welt sei klar geschieden in Tag und Nacht, Himmel und Erde, die belebte und die unbelebte Welt....
So soll der ursprüngliche Plan nach Überlieferungen ausgesehen haben.

Und auch wir sollten nach Möglichkeit klar unterscheiden.
 
Nämlich in Verträge einerseits, bei denen bei Vertragsabschluss ein (zunächst) feststehender Preis vereinbart wird (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46), was jedenfalls der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts entgegensteht und deshalb die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung ausschließt (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) und in Verträge im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht (Grund- und Ersatzversorgung) andererseits, bei denen von Anfang an ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht des Versorgers und eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers  besteht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18] und deshalb  Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden bei Lichte betrachtet sogar gesetzlich unzulässig und deshalb ausgeschlossen sind und auf diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet (wie oben ausgeführt).

Die Entscheidungen des Senats (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) besagen im Umkehrschluss eindeutig, dass ein der Billigkeitskontrolle unterfallendes Preisbestimmungsrecht dann jedenfalls vertraglich nicht  vereinbart wurde, wenn sich die Parteien bei Verrtragsabschluss auf einen (zunächst) feststehenden Preis (BGH VIII ZR 320/07) geeinigt hatten, so wie dies auch dann der Fall, wenn bei Vertragsabschluss eine Preisvereinbarung getroffen wurde und zudem  ggf. eine Preisänderungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde, nach welcher dieser Preis nachträglich abgeändert werden kann und welche ihrerseits der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB deshalb unterliegt, weil es sich gerade nur um eine Preisnebenabrede handelt, was einen vereinbarten Preis denknotwendig voraussetzt.  

Erweist sich diese vertragliche Preisnebenabrede bei dieser Inhaltskontrolle nach § 307 BGB  als unwirksam, verbleibt es jedenfalls bei dem ursprünglich vereinbarten Preis, der vertraglichen Preishauptabrede.

Würde sich hingegen wegen eines wirksam vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der einseitig bestimmte Preis bei der Inhaltskontrolle in unmittelbarer Anwendung des  § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unwirksam erweisen, bestünde kein vertraglich vereinbarter Preis, sondern es bestünde vielmehr die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Und erst diese führt zur letztlich gültigen Preisbestimmung.

Merke:

Eine Preisänderungsklausel ist immer Preisnebenabrede, ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB hingegen immer (i-m-m-a)  Preishauptabrede. Während die Preisnebenabrede in AGB der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterfällt, unterfällt ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht als Preishauptabrede immer der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ist niemals mit der Inhalstkontrolle gem. § 315 BGB identisch. Das eine schließt das andere regelmäßig aus, weil die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nun einmal schon eine Preisnebenabrede voraussetzt, die es bei einem vertraglich vereinbarten einseitigem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB schon nicht gibt. So habe ich es jedenfalls seinerzeit bei den Vorlesungen an der Universität in Lichtstadt verstanden und als Grundsatz bei mir behalten. Woanders mag anderes gelehrt worden sein.  Fraglich wäre dann, welche Hohe Schule recht hat. Ich jedenfalls bekenne mich insoweit zu den Lehren der almer mater jenensis.

Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann demnach nur vertragliche Preishauptabrede sein, taugt jedoch nicht als vertragliche Preisnebenabrede.
 

Wenn wir uns in diesem Grundsatz einig sind und zudem vorliegend diesen grundsätzlichen wie gravierenden Unterschied erst einmal klar erkannt und verinnerlicht haben, dann sollten wir auch unsere weiteren  Folgerungen daraus herleiten.

Hilfreich ist dabei wohl zudem die Erkenntnis, dass sich die (allein der Billigkeitskontrolle unterliegende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht  des gesetzlich versorgungspflichtigen EVU (Grundversorgers) bereits aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG ergibt und etwa § 5 Abs. 2 GVV nur - jedoch mit gutem Grunde - in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB (wegen der damit sonst verbundenen Beweisschwierigkeiten und Kosten bei deren Vermeidung) nicht auf den Zugang von Willenserklärungen abstellt.

Das Gesetz sagt in § 36 Abs. 2 EnWG zudem klar, es kann jeweils nur ein EVU geben, welches die  (allein der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht trifft.

Die Sondernorm zur (allein der gesetzlichen Billigkeitskontrolle unterliegenden) gesetzlichen Preisbestimmungspflicht betrifft also nur Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG.

Ein Normsondervertrag ist nichts anderes als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossener Energielieferungsvertrag, dessen Inhalt sich auch aus AGB- Klauselwerk ergibt, welches seinerseits der Inhaltskontrolle unterliegt und sich bei dieser als unwirksam erweisen kann (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08].

Es handelt sich nicht um ein Problem der Unterscheidung öffentliches Recht/ Privatrecht, sondern um ein Problem allein aus dem Allgemeinen Schuldrecht des BGB.

Womöglich ist der Eindruck entstanden, ich würde hier zu den Bestimmungen der §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG ausführen und diese Bestimmungen seien dem Bereich des öffentlichen Rechts zugehörig.
Daraus ergäbe sich jedoch noch nichts für die vertragsrechtliche Ausgestaltung der Grundversorgungsverträge.

Grundversorgte Haushaltskunden vereinbaren bei Vertragsabschluss keinen (zunächst) feststehenden Preis. Für die Grundversorgungsverträge gelten gem. § 1 Grundversorgungsverordnung die Bestimmungen dieser als Allgemeine Bedingungen im Sinne des § 36 Abs. 1 EnWG. Das womöglich vermisste Element (missing link/ \"Transformationsriemen\") stellt § 1 Abs. 1 Satz 2 GVV dar, der die Bestimmungen der Verordnung zum Vertragsinhalt auch jedes Grundversorgungsvertrages bestimmt.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV bestimmt etwa, dass der Grundversorger die ihm möglichen Maßnahmen zu treffen hat, um dem Kunden am Ende des Netzanschlusses, zu dessen Nutzung der Kunde nach der Niederdruckanschlussverordnung berechtigt ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört wohl denknotwendig auch schon  die Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise selbst. Das macht ja sonst niemand und der Grundversorger ist nun einmal zu deren Bestimmung gesetzlich verpflichtet.  

Die Belieferung soll nach der demnach auch vertragsgegenständlichen Regelung nicht zu einem vereinbarten Preis erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger zu bestimmen hat.  

Und dies ist ein klassisches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der jeweiligen Allgemeinen Preise (vertragliche Preishauptabrede), zu denen der Grundversorger jeden Haushaltskunden beliefern muss und auf die jeder Haushaltskunde in der Grundversorgung überhaupt nur Anspruch hat. Kein einziger grundversorgter Kunde kann sich demnach gegenüber dem Grundversorger auf einen vertraglich vereinbarten Preis berufen, weil ein solcher verbindlich schon nicht vertraglich vereinbart wurde bzw. vertraglich vereinbart werden sollte.

Man könnte demnach das einseitige Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise in § 6 Abs. 1 GVV sehen (siehe auch  BGH VIII ZR  56/08 Rn. 20 Satz 3 )  
 
Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen  Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).  

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Auch so etwas kann jedes Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Vertragsfreiheit anbieten.
Nur möge man sich dabei die Konsequenzen aus der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf die Preisbestimmungen von Anfang an gewärtigen. Auch dabei kämen §§ 2, 1 EnWG zum Tragen.

Versorgeranwälte würden wohl deshalb dazu sagen, der Versorger hätte sich die Pest freiwillig an Bord geholt.  
Andere  würden deshalb wohl aus Versorgersicht vom größten anzunehmenden Unfall (GAU) sprechen wollen.  

Möglicherweise ist Black deshalb schon abgetaucht.


@PLUS

Freilich führt die worst case- Betrachtung nicht dazu, dass der schlechteste Fall auch kalkuliert wird. Aber die Risiken liegen nun einmal deutlich höher. Und diese höheren Risiken müssen sich auch in Form von Risikoaufschlägen in der kostenbasierten  Kalkulation wiederfinden.
 
Natürlich darf jeder Lieferant im Rahmen der Vertragsfreiheit auch Verträge anbieten, bei denen die Risiken noch weit höher liegen als in der Grundversorgung, etwa bei zweijähriger Vertragsbindung  mit Preisobergrenze. Aber darum geht es jedoch nicht, weil kein Lieferant solche Verträge mit noch höherem Risiko anbieten muss.  

Es geht allein darum, dass der Grundversorger ceteris paribus im Rahmen der Vertragsfreiheit  kostenbasiert jedenfalls  günstigere Preise anbieten kann, als dies in der Grundversorgung der Fall ist.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 13. Dezember 2010, 22:52:18
@ RR-E-ft



Zitat
RR-E-ft

Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Das ist es, was ich der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehme.



Zitat
RR-E-ft

Auch so etwas kann jedes Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Vertragsfreiheit anbieten.
Nur möge man sich dabei die Konsequenzen aus der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf die Preisbestimmungen von Anfang an gewärtigen. Auch dabei kämen §§ 2, 1 EnWG zum Tragen.

Und genau das ist mein Verständnis. Jeder Versorger, der das einseitige gesetzliche Preisänderungsrecht in Anspruch nimmt, muss sich dessen gewärtig sein.



Zitat
RR-E-ft

Versorgeranwälte würden wohl deshalb dazu sagen, der Versorger hätte sich die Pest freiwillig an Bord geholt.
Andere würden deshalb wohl aus Versorgersicht vom größten anzunehmenden Unfall (GAU) sprechen wollen.
Möglicherweise ist Black deshalb schon abgetaucht

Jedem meiner Versorger, den ich wegen seiner Preiserhöhungen aufgrund der EEG-Umlage auf seine Pflicht zur Berücksichtigung der rückläufigen Einkaufspreise hinweise und von ihm verlange, dass er auch die andere Seite des ihm vom Senat spendierten einseitigen Preisänderungsrecht zu beachten habe, stehen die Haare zu Berge. Davon will diese Nehmerelite nichts wissen.



Gruß
Jagni und Danke für die Vorlesung
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 13. Dezember 2010, 23:13:22
@Jagni

Bitte gern.

Es wurde in der vorhergehenden Vorlesung unseres Telekollegs versucht, zu vermitteln, warum in der Grundversorgung als vertragliche Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (und kein bestimmter Preis) vereinbart ist, welches von Anfang an zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führt. Damit ist das Lernziel umrissen.

Insbesondere wurde dabei  auf den bisher vermissten \"Transformationsriemen\" in § 1 Abs. 1 Satz 2 GVV verwiesen und herausgearbeitet, dass die deshalb vertragsgegenständliche Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV auf eine  Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hindeutet.

Der Senat meint hingegen, auch in der Grundversorgung sei bei Vertragsabschluss zunächst ein feststehender Preis vereinbart und dieser vereinbarte Anfangspreis unterliege deshalb keiner Billigkeitskontrolle (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). Der Senat meint ferner hingegen, bei bestimmten Normsonderverträgen folge aus der vollständigen Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV, insbesondere bei unveränderter Übernahme von § 4 AVBGasV/ § 5 GasGVV eine wirksame Preisänderungsklausel - mithin eine vertragliche Preisnebenabrede.

Der Senat geht also dabei jeweils von einer vertraglichen Preishauptabrede (bei Vertragsabschluss vereinbarter Preis) und einer Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede aus.

Warum dies jedenfalls nach den Lehren der almer mater jenensis nicht übereingeht, sollte am Ende der vorhergehenden Unterrichtseinheit vermittelt worden sein:  

Die vertragliche Preishauptabrede kann in einem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bestehen.
Es ist jedoch nicht möglich, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht den Inhalt einer vertraglichen Preisnebenabrede (Preisänderungsklausel) ausmacht.

Die Stoffkontrolle ergibt nun, dass der beabsichtigte Lerninhalt bisher leider nicht erfolgreich  vermittelt werden konnte, das Unterrichtsziel somit nicht erreicht ist.


Zitat
Original von Jagni
@ RR-E-ft



Zitat
RR-E-ft

Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Das ist es, was ich der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehme.


Gruß
Jagni und Danke für die Vorlesung


 
Was der Proband der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehmen möchte, ist dieser schon nicht zu entnehmen:

Der Senat spricht immer von Preisänderungsklausel, also vertraglicher Preisnebenabrede, niemals jedoch von vertraglicher Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts.

Ein Repetitorium scheint deshalb angezeigt:

Die gesetzliche Regelung jedenfalls sieht eine vertragliche Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vor, §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG.

Insoweit entspricht die Rechtsprechung des Senats sowie seine manifestierte Rechtsauffassung (wonach dabei die Preishauptabrede ein vereinbarter Preis sei) jedenfalls nicht der Gesetzeslage.

Es gibt nach der gesetzlichen Regelung nur eine (allein der Billigkeitskontrolle unterfallende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Ferner sind in diesem Bereich nach der gesetzlichen Regelung (die Billigkeitskontrolle ausschließende) Preisvereinbarungen mit Einzelkunden gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Der vertragsgegenständliche § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV verpflichtet den Grundversorger, die ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um dem Kunden am Ende des Netzanschlusses, zu dessen Nutzung der Kunde nach der Niederdruckanschlussverordnung berechtigt ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen.

Eine der ersten Maßnahmen, zu denen der Grundversorger demnach im Grundversorgungsvertrag verpflichtet ist, besteht darin, unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG die jeweiligen Allgemeinen Preise einseitig festzusetzen. Das macht ja sonst auch  niemand für ihn und der Grundversorger ist nun einmal allein zu dieser Festsetzung gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich verpflichtet.

Es ist rein gar nichts dafür ersichtlich, dass Versorger in Sonderverträgen eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht in Anspruch nehmen (wollen), die vertragliche Preishauptabrede auch bei Sonderverträgen in einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht bestehen soll.  

Sie werden vielmehr im Rahmen der Vertragsfreiheit unter Gewinnmaximierungsgesichtspunkten Preise bilden und diese nur auf den ihnen genehmen  Märkten und dort  auch nur so lange anbieten (wollen), wie es ihren Profitmaximierungsinteressen dienlich ist.  

Die gesetzliche Grundversorgung sieht indes andere gesetzliche Verpflichtungen vor.

Es kann nur ein stetes Repetitorium anempfohlen werden, wenn das Klassenziel noch erreicht werden soll.  Üben, üben, üben .. Und viel Erfolg dabei! (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76909&sid=#post76909) ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Dezember 2010, 09:31:53
Zuweilen liegen die Fortschritte am Lehrkörper.
Zum besseren Verständnis wird das Skriptum wie folgt abgeändert:

Nach der gesetzlichen Regelung enthält der Grundversorgungsvertrag gem. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV eine vertragliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers (vertragliche Preishauptabrede). Nach der vertragsgegenständlichen Regelung jedes Grundversorgungsvertrages ist der Grundversorger vertraglich verpflichtet, auch nach Vertragsabschluss den Preis einseitig zu bestimmen.

§ 315 BGB betrifft eben eine solche vertragliche Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils (vertragliche Preishauptabrede).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm:

\"Soll eine Partei nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen...\"

Die Parteien müssen vertraglich vereinbart haben, dass eine von ihnen verpflichtet ist, nach Vertragsabschluss den Preis zu bestimmen. Der Anwendungsbereich der Norm ist deshalb nicht eröffnet, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss [als vertragliche Preishauptabrede] einen Preis verbindlich vereinbart hatten (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Ein \"gesetzliches Preisänderungsrecht\" besteht nicht, weshalb wir den irreführenden Terminus sogleich aus unserem Gedächtnis verbannen wollen:
 
Ein Preisänderungsrecht (als vertragliche Preisnebenabrede) würde einen vereinbarten Preis (als vertragliche Hauptabrede) voraussetzen.

Nach der ger gesetzlichen Regelung in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV sind in diesem Bereich Preisvereinbarungen (als vertragliche Preishuaptabrede) gesetzlich unzulässig und deshalb ausgeschlossen.

Man sollte deshalb mit Bezug auf § 315 BGB aus Gründen der Klarheit tunlichst von einer vertraglichen Preisbestimmungspflicht sprechen, welche die vertragliche Preishauptabrede ausmacht.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: jofri46 am 14. Dezember 2010, 16:18:35
Ich übe, bin aber schon im Grundsatz stecken geblieben:

Der Grundversorger hat den Bezug von Gas zu angemessenen Bedingungen, d. h. möglichst preisgünstig und verbraucherfreundlich zu ermöglichen. Er bestimmt, zu welchen Bedingungen und zu welchen Tarifen das Gas verkauft wird. Dazu hat er alle ihm gesetzlich auferlegte Maßnahmen gem. EnWG und GasGVV getroffen, u. a. seine allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Preise veröffentlicht und für den potentiellen Kunden zugänglich gemacht.

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.

Der Kunde ist nun so frei, dem Grundversorger den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages anzutragen oder es sein zu lassen. Das Vertragsangebot (zu den allgemeinen Bedingungen und Preisen) geht also vom Kunden aus. Der Grundversorger ist verpflichtet, das Angebot anzunehmen, durch Bestätigung oder durch Belieferung.

Was ist das anderes als ein vorformulierter Standardvertrag einschl. einer Preisvereinbarung, zu dem sich der Kunde entschlossen und den er dem Grundversorger angetragen hat?

Ich verspreche, weiter zu üben...
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Dezember 2010, 16:38:01
@jofri46

Der gute Wille zählt schon viel. Er ist mir jedenfalls eine Freude.
Nur liegt beim Verständnis der Gesetzeslage wohl noch einiges im Argen.
Steht nur zu hoffen, dass solche Kenntnislücken nicht auch an maßgeblicher Stelle in EVU zu verzeichnen sind.

Eine Vertiefung scheint angezeigt. Hilfestellung anbei.

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Heute soll es uns nun um die ganze Schuld aller Grundversorger gehen.
Gewidmet den Kollegen vom Energiekombinat und den Städtischen Electricitäts- und Gaswerken.
 
Der Grundversorger trägt den Haushaltskunden zumeist in Form einer Realofferte einen Vertragsabschluss an.
Er ist zu einer solchen Offerte gesetzlich verpflichtet. Er schuldet diese allen (selbst nur potentiell) grundversorgungswilligen Haushaltskunden. Und die geschuldete Offerte darf schon keine beliebigen oder für den Grundversorger besonders günstigen Preisbestimmungen enthalten.  

Er ist dabei gesetzlich verpflichtet, solche Allgemeinen Preise festzusetzen und öffentlich bekannt zu geben [mithin für den Vertragsabschluss mit Haushaltskunden feilzubieten], die mit der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG im Einklang stehen, folglich den grundversorgungswilligen Haushaltskunden tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas ermöglichen.  

Der oftmals (konkludente) Vertragsabschluss durch Annahme vg. Realofferte [die ihrerseits dem vom Grundversorger Geschuldeten entsprechen muss] allein durch Energieentnahme gründet jedoch nicht auf einer verbindlichen Preisvereinbarung, sondern auf der vertraglichen Vereinbarung einer (auch) nach Vertragsabschluss geltenden Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Dies ergibt sich m.E. bereits aus §§ 36 Abs. 1 EnWG, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Dem Grundversorger ist es gem. § 36 Abs. 1 EnWG verwehrt, im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Haushaltskunden Preise verbindlich zu vereinbaren.

Er ist vielmehr schon gesetzlich verpflichtet, in der Grundversorgung ausnahmslos jeden Haushaltskunden nur zu denjenigen jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, die er selbst (und niemand sonst) [unter Beachtung der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG] einseitig zu bestimmen und sodann öffentlich bekannt zu geben verpflichtet ist.

Die genannte Preisbestimmungspflicht ist dabei eine fortlaufende.
Insbesondere ist der Grundversorger von einer solchen Verpflichtung aus genannten Gründen nicht durch Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden entbunden.  

Er kann also gerade nicht darauf verweisen, er sei von der Verpflichtung zur Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG entbunden, weil er ein bisheriges Preisniveau mit einzelnen Haushaltskunden vertraglich vereinbart habe. Er muss insbesondere weiterhin alle ihm möglichen Maßnahmen ergreifen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Dem Grundversorger ist es folglich rechtlich verwehrt, sich auf einem hohen Preisniveau auszuruhen, weil solches schon mit keinem grundversorgten Haushaltskunden vertraglich vereinbart ist.

Antragen kann und darf der Grundversorger auch im Wege der o. g. Realofferte deshalb keine verbindlichen Preisvereinbarungen, sondern nur eine Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, zu deren Bestimmung er selbst (auch nach Vertragsabschluss) verpflichtet ist.

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages wird also kein feststehender Preis verbindlich vereinbart, sondern statt dessen eine auch nach Vertragsabschluss wirkende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Selbst wenn verbindliche Preisvereinbarungen mit einzelnen grundversorgten Haushaltskunden rechtlich zulässig wären, wüsste man ja auch schon nicht, was eine solche verbindliche Preisvereinbarung bewirken sollte.

Soll sie bewirken, dass sich einzelne grundversorgte Kunden gegen eine Preisneubestimmung des Versorgers, die auf Kostenerhöhungen beruht, ausnahmsweise darauf berufen können, dass die maßgeblichen Kostensteigerungen jedenfalls bereits vor dem konkreten Vertragsabschluss mit diesen selbst eingetreten waren?

Nicht ernsthaft diskutabel.

Soll sie bewirken, dass der Grundversorger, der infolge rückläufiger Kosten zur Preisneubestimmung verpflichtet ist, sich gegenüber einzelnen grundversorgten Kunden darauf berufen kann, diesen gegenüber sei er ausnahmsweise deshalb nicht zur Preisneubestimmung verpflichtet, weil die maßgeblichen Kostensenkungen jedenfalls bereits vor deren konkreten Vertragsabschluss eingetreten waren?

Ebenso nicht ernsthaft diskutabel.

Beides hätte zur Folge, dass der Grundversorger einzelne grundversorgte Kunden - abhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen konkreten Vertragsabschlusses - zu unterschiedlichen Preisen zu versorgen hätte, zum einen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise eine Preiserhöhung nicht vornehmen dürfte, zum anderen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise zur Preisherabsetzung nicht verpflichtet sei.

Dies liefe aber schon eindeutig der gesetzlichen Verpflichtung zuwider, wonach Grundversorger ausnahmslos jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu den von von ihnen selbst festgesetzten und sodann öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Preisen versorgen müssen.

All dies ist gesetzlich unzulässig, weil nach der gesetzlichen Regelung die Versorgung  ausnahmslos jedes grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses -  ausschließlich zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen muss, hinsichtlich derer den Grundversorger die Preisbestimmungspflicht trifft.

Und deshalb kann und darf der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung gar nicht anders, als mit allen grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses- vertraglich  zu vereinbaren,  dass die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgt, hinsichtlich derer ihn (allein) die Preisbestimmungspflicht trifft.

Der Grundversorger darf mit grundversorgungswilligen Haushaltskunden keine verbindlichen Preise vereinbaren, erst recht keine ihm besonders günstigen.

Zugleich sehen wir, wie weit sich der VIII.Zivilsenat des BGH  mit seiner in heftige Kritik geratenen \"Theorie vom vereinbarten Preis bzw. Preissockel\" von der materiellen Rechtslage in wenig verantwortlicher Weise entfernt hat (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25). Vergleicht man die dortigen Aussagen des Senats mit der materiellen Rechtslage, erscheinen diese wie eine Farce.

Auch bei dem Abschluss eines Grundversorgungsvertrages  handelt es sich um einen solchen Vertragsabschluss-  man möge annehmen können in Reinstform, den der Gesetzgeber mit der klugen Regelung der vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB schon vor Inkrafttreten des BGB im Blick hatte.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden...\"

Beim Grundversorgungsvertrag sollen die jeweiligen Allgemeinen Preise allein vom Grundversorger bestimmt werden und bestimmt sein, den Grundversorger (auch vertraglich) die Preisbestimmungspflicht treffen, §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV, 17 Abs. 1 Satz 3 GVV, 36 Abs. 1 EnWG.

Und dass der Grundversorger zudem schon seiner Realofferte keine entgegen §§ 2, 1 EnWG gebildeten einseitig bestimmten und sodann öffentlich bekannt gegebenen  Allgemeinen Preise zu Grunde legen darf, bedarf wohl auch keiner weiteren Erörterung.

Bei Lichte betrachtet ist  sogar entsprechend gesetzlicher Regelung unzulässig, Allgemeine Preise entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG einseitig festzusetzen (zu bilden) und sodann öffentlich bekannt zu geben.

Der Grundversorger hat keine rechtliche Handhabe, den Haushaltskunden an wegen Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG unzulässig gebildeten Preisen festzuhalten, denn solche enstprechen nicht seiner gesetzlichen und vertragsgemäßen Schuld und sind deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam.
 
Der grundversorgte Haushaltskunde hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Grundversorger seine Preisbestimmungspflicht ihm gegenüber in vertragsgemäßer und zugleich gesetzmäßiger Weise erfüllt, weil der Grundversorger die vertragsgemäße Preisbestimmung schuldet, und gerade  nicht irgendeine, ihm besonders genehme Preisbestimmung.

Die Pflicht des Grundversorgers erschöpft sich deshalb gerade  nicht darin, überhaupt Allgemeine Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu diesen (beliebig festgesetzten) Preisen zu versorgen.

Wohl der zentrale Irrtum einer ganzen Branche, ohne dass ersichtlich wäre, wer den wann wie eingepflanzt habe.

Selbst als ordentlicher Hörer von Energierechtsvorlesungen in Jena und Speyer, der zudem unter anderem  in der Bayernwerkgruppe eine gute juristische  Ausbildung genoss, bleibt mir festzustellen, dass alles Wissen insoweit durchaus  noch aus jener Zeit geschöpft werden  kann und deshalb  nicht ersichtlich ist, wann dieses Allgemeingut der Branche verlustig gegangen sein könnte. Fraglich also, wer dafür etwa verantwortlich zeichnet.


Zitat
Original von jofri46

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.

Insoweit besteht gerade der Irrtum.
Nicht ersichtlich, woher man das nehmen will.
Fraglich, ob man etwa entwöhnt sei, Gesetze (zumal das \"Grundgesetz der Energiewirtschaft\")  noch zu lesen.

Weil der Gesetzgeber deutlich gesehen hatte, dass Energieversorgungsunternehmen bis dahin die Zielsetzungen des § 1 EnWG oftmals als reine Gesetzeslyrik oder Programmatik abgetan und missachtet und ihrer daraus folgenden Verpflichtung nicht nachgekommen waren, wurde mit der Energierechtsnovelle 2005 in § 2 EnWG eine klare gesetzliche Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen verankert, eigentlich lediglich klarstellend, weil die gesetzliche Verpflichtung bereits zuvor bestand und von allen Energieversorgungsunternehmen bei der Preisbildung berücksichtigt werden musste (BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III 2 a = NJW-RR 92, 183, 184).

Wenn der Gesetzgeber aber nunmehr schon so unmissverständlich wie ihnen hilfreich die Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen benennt, so darf man diese doch nun nicht auch noch fortlaufend weiter \"unter den Tisch fallen\" lassen.

Sie verlangt Beachtung, insbesondere von Grundversorgern, weil nur hierdurch der vom Gesetzgeber gewollte besondere Schutz der Haushaltskunden überhaupt bewirkt werden kann.

Geschuldet ist vielmehr entsprechend der Verpflichtung eine Preisbestimmung unter tatsächlicher Beachtung der Verpflichtung aus  §§ 2, 1 EnWG.

Der Grundversorger schuldet seinen grundversorgten Kunden die Bestimmung derjenigen jeweiligen Allgemeinen Preise, welche diesen tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebunde Versorgung ermöglichen.

Der Grundversorger ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV  insbesondere darüber hinaus vertraglich verpflichtet, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Gesetzlich unzulässig und nicht vertragsgemäß und folglich unwirksam ist  deshalb die Bestimmung solcher Allgemeiner Preise, die etwa mit  Rücksicht darauf gebildet wurden,  dass ein kommunaler Versorger einen möglichst hohes Ergebnis  an den kommunalen Haushalt abzuführen hat, etwa weil die Schulen am Ort neue Dächer brauchen.

Die Preise müssen unter Außerachtlassung all solcher sachfremden Erwägungen ausschließlich so vom Grundversorger festgelegt werden, dass sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprechen.

Nur dann werden sie vom Gesetz gebilligt und sind zugleich vertraglich zulässig, weil sie dem auch vertraglich Geschuldeten entsprechen.

Viel mehr besagen die gesetzlichen Bestimmungen bei Lichte betrachtet schon nicht.

Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich noch, dass der grundversorgte Kunde im Falle einer gesetzlich wie vertraglich unzulässigen Preisbestimmung die vom Grundversorger geschuldete Preisbestimmung durch ein Gericht ersetzen lassen kann, weil die Allgemeinen Tarife von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Aber das konnte man sich wohl denken.

Unsere Rechtsordnung kennt auch sonst keinerlei gesetzlich Kontrahierungspflichtige, welche die Entgelte für ihre Leistungen nach Belieben festsetzen könnten. Auch zB. die Honorarforderungen von Patentanwälten unterliegen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.

Wie könnte es da wohl ausgerechnet bei grundversorgungspflichtigen  und somit kontrahierungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen anders sein ?!  
=====================================

Nachdem wir nun vertiefend die gesetzlichen Regelungen abgehandelt haben, sollte für heute ersichtlich geworden sein, dass sich diese besonderen gesetzlichen Regelungen schwerlich in einen Sondervertrag im Rahmen der Vertragsfreiheit implementieren lassen.

Denn der Vertragsfreiheit ist die Verpflichtung zu einer Offerte, die zudem besondere  Kriterien erfüllen muss, völlig fremd.

Es sind wenige Energieversorgungsunternehmen ersichtlich, die im Rahmen der Vertragsfreiheit überhaupt verpflichtet sein könnten, tätig zu werden, Offerten zu machen.

Möglicherweise kann jemand ein solches Unternehmen benennen, wenn es sich denn finden ließe. Wem etwas dazu einfällt, der melde sich bitte.

Wurde dieser Unterschied auch verstanden, bin ich um so erfreuter.



Andernfalls gilt weiter Üben, üben, üben ... Und viel Erfolg dabei! (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=76965&sid=#post76965) ;)


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 15. Dezember 2010, 13:48:07
Für unseren Telekolleg- Aufbaukurs sei an Lektüre hochaktuell OLG Oldenburg, B. v. 14.12.10 Az. 12 U 49/07  (http://www.energieverbraucher.de/files_db/1292399296_951__12.pdf) dringlich empfohlen.

Der dortige Senat arbeitet auch für den ungeübten Leser zutreffend die gebotene Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht heraus. Er zeigt auf, dass es kein gesetzliches Preisänderungsrecht für Versorger gibt, sondern nur eine Preisbestimmungspflicht.  Durch die falsche Verwendung von Termini entgegen dem Gebot der klaren Unterscheidung werde Verwirrung gestiftet, die zu Irrungen und Wirrungen - nicht nur bei den betroffenen Kunden - führen muss.

Auch § 315 BGB betrifft im Kern nur eine Leistungsbestimmungspflicht, auch wenn den klaren juristischen Verstand verwirrend in diesem Zusammenhang oft von einem einseitigen \"Leistungsbestimmungsrecht\" die Rede ist.  

§ 315 Abs. 1 BGB betrifft schon seinem Wortlaut nach eine Leistungsbestimmungspflicht.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden [Vertragspflicht], so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist [Pflicht, die bei der Ausübung der v. g. Vertragspflicht zu beachten ist].\"

Der betreffende Vertragsteil ist nicht nur verpflichtet, überhaupt die Leistung zu bestimmen, sondern darüber hinaus verpflichtet, sie der Billigkeit entsprechend zu bestimmen.

Eine Doppelverpflichtung, kein Recht.



Zitat
BGH, Urt. v. 18.10.07 III ZR 277/06 Rn. 20:

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.;

Der Vertragszweck jedes Grundversorgungsvertrages liegt in einer möglichst sicheren, möglichst preisgünstigen, möglichst effizienten...leitungsbebundenen Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas.

Die gesetzliche Grundversorgungspflicht bezweckt auch weiterhin einen besonderen Schutz der Haushaltskunden.

Die gesetzliche Regelung kennt nur diesem Zweck dienliche besondere Pflichten des Grundversorgers.

Rechte nehmen sich die Versorger oftmals unberechtigt heraus.
Man könnte auch sagen, sie machen sich die Welt, wie sie ihnen gerade gefällt. Recht haben sie damit und dabei jedoch nicht.

§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass nur dann, wenn diese Vertragspflicht zur Leistungsbestimmung vertragsgemäß erfüllt wurde, den von der Bestimmung betroffenen anderen Vertragsteil überhaupt eine wirksamen Verbindlichkeit trifft.

Kann es bessere verbraucherschützende gesetzliche Regelungen geben?
Ich meine, dass dies nicht möglich sei. Es kommt jedoch darauf an, die bestehenden gesetzlichen Regelungen noch besser anzuwenden.

Erforderlich dafür ist ein klares juristisches Verständnis von den gesetzlichen Regelungen, der Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers.

 
 

@Jagni
@jofri46

Zeit für eine weitere Stoffkontrolle.
Wir wollen alsbald in Klausur gehen.

Black ist schon abgetaucht, womöglich weil er seinem Klientel bisher  nur Verwirrendes zum Vortrag gebracht hatte.  


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 15. Dezember 2010, 18:12:16
Bei zutreffender Rechtsanwendung wird das Instrument der Billigkeitskontrolle nicht ins Leere gehen.

Die Preistransparenz kann freilich erhöht werden, etwa in dem die Netzentgelte, wie sie auf Grund- und Arbeitspreis entfallen, ferner die Kosten des Messstellenbetriebs, der Messung und Abrechnung  sowie alle staatlich vorgegebenen preisbildenden Kostenbestandteile (EEG, KWKG, Energiesteuer, Konzessionsbgabe, ... Mehrwertsteuer) bereits in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und auch auf allen Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letzverbrauchern detailliert unter der Angabe aufgeführt werden, wie diese in Grund- und Arbeitspreise einfließen, bisher nur ansatzweise § 40 EnWG, 4 KAV...

Zu den den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV könnte zudem verlangt werden, dass alle Änderungen preisbildender Kostenfaktoren durch entsprechende detaillierte Auf- und Gegenüberstellung aufgezeigt werden müssen, welche sämtliche  Veränderungen einzelner preisbildender Kostenbestandteile  gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung enthalten müssen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Die Versorger (allen voran BDEW) sagen zu Recht, dass wesentliche preisbildende Kostenfaktoren staatlich reguliert und deshalb ihrem Einfluss entzogen seien. Dann müssen zumindest diese detailliert sowohl in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG als auch deren zwischenzeitliche Veränderung gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung detailliert in den brieflichen  Mitteilungen gem. § 5 GVV ausgewiesen werden.

Schließlich kann die Preisbestimmungspflicht im engeren Sinne nur die vom Grundversorger  beeinflussbaren preisbildenden Kostenfaktoren betreffen.

Die seinem Einfluss entzogenen preisbildenden Kostenfaktoren sind schließlich auch für alle Wettbewerber gleich. Alle Versorger kennen sie, nur die betroffenen Verbraucher nicht.

Die vom Versorger überhaupt nur beeinflussbare Differenz zwischen dem Gesamtpreis und der Summe der nicht beeinflussbaren preisbildenden Kostenfaktoren  ließe sich dann wohl mit den Großhandelspreisen für Elektrizität und Gas und deren Entwicklung abgleichen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Die Entwicklung der Großhandelspreise ist auch allen Versorgern bekannt.

Die vom Grundversorger demnach allein beeinflussbare, verbleibende Preisbestandteil sollte zu den jeweiligen Großhandelspreisen nur einen sehr geringe Abstand aufweisen. Denn damit abzudecken sind nur noch die reinen vor Ort anfallenden Vertriebskosten der Grundversorgung, hinsichtlich auch derer den Grundversorger eine Verpflichtung zu effizienter Betriebsführung trifft. In diese Vertriebskosten dürfen ähnlich wie in die Netzkosten keinerlei Kosten für Werbung/ Sponsoring einfließen. So wie der monopolistische Netzbetreiber nicht für sich werben muss, braucht auch im Bereich der Grundvresorgung tätige Versorger nicht für sich werben.

Wirbt er für sich, weil er im Rahmen der Vertragsfreiheit Energielieferungen an die Kunden außerhalb der Grundversorgung bringen will, so handelt es sich dabei wohl um einen anderen Geschäftsbereich, weshalb eine Abgrenzung durch entsprechende Kostenschlüsselung erfolgen muss.  

In die Grundversorgungspreise geschlüsselt werden dürfen also insbesondere nicht Vertriebskosten für Energielieferungen außerhalb der Grundversorgung, seien dies nun Kosten durch die Belieferung von Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung oder durch die Belieferung von Nicht- Haushaltskunden. Die durch deren Belieferung entstehenden Kosten müssen schließlich mit den von diesen Kundengruppen verlangten Preisen erwirtschaftet und abgedeckt werden.

Andernfalls wäre es dem Versorger, der Grundversorger ist, zu Lasten seiner Wettbewerber möglich, seine Wettbewerbspreise von den grundversorgten Kunden subventionieren zu lassen. Dies liefe jedoch einem unverfälschten Wettbewerb zuwider.  
 
Die Billigkeitskontrolle kann zugleich erheblich erleichtet werden.

Es ist das selbe Prüfungsraster, dass Verbraucheranwälte heute schon bei der Billigkeitskontrolle abzuarbeiten haben:

- Von den jeweils öffentlich bekannt gegebenenen Preisen die vom Netzbetreiber jeweils öffentlich bekannt gegebenen Netzentgelte für den konkreten Verbrauchsfall abziehen... (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
- Preisentwicklung in absoluten Beträgen der Preisentwicklung der veröffentlichten Großhandelspreise gegenüberstellen....    (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Wollte man, als ersten Anhalt für besonders unbillige Grundversorgungspreise die Preise mehrerer Grundversorger miteinander vergleichen, darf man schon heute nicht die absolute Preishöhe vergleichen, sondern hat erst einmal zumindest durch Abzug der spezifischen Netzkosten solche Preise unter einander gleichnamig zu machen, auf einen Nenner zu bringen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 50).

Die ene´t GmbH Hückelhoven (http://www.enet.eu/datenbanken.html) liefert genau diese Daten und Vergleiche an ihre Kunden, vornehmlich Energieversorger.  
Liegt also alles schon offen, wenn man will.

Dem Ganzen steht nur der fehlende Wille der Grundversorger gegenüber, weil sie etwas zu verbergen haben.

Dass sie etwas zu verbergen haben, machen sie sogar in jedem Billigkeitsprozess geltend.
In diesem einzigen Punkt sind sich wohl Versorger und Verbraucher auch einig und deshalb trifft man sich ja überhaupt vor Gericht.  


Fazit:

Eine erhöhte Preistransparenz in der Grundversorgung ist heute schon möglich. Einer solchen steht bisher nur der fehlende Wille der Versorger gegenüber.

Wo deshalb der gute Wille der Versorger zur Transparenz fehlt,  müssen BNetzA und möglicherweise der Verordnungsgeber noch einmal tätig werden.

Darum sollten sich die Kollegen von  VZBV kümmern.

Dr. Krawinkel (VZBV) referiert am 16.12.10 bei einem BDEW- Infotag \"Verbraucherschutz in der Energieversorgung\". (http://www.ew-online.de/uploads/tx_eweventmanager/Verbraucherrecht_2010.pdf)



Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: jofri46 am 15. Dezember 2010, 20:46:59
Was hat denn bisher der Gesetzgeber dazu beigetragen (§ 39 Abs. 1 EnWG)?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 15. Dezember 2010, 21:21:04
@jofri46

Wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch sitzen bleiben.  ;)
Man darf die Verantwortung nicht auf andere abschieben.

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Der Gesetzgeber hat klare gesetzliche Regelungen geschaffen in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG, § 6 GVV und konnte sich angesichts der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht auf § 315 BGB verlassen, den er in diesem Zusammenhang ja auch gesehen hat (§ 17 Abs. 1 Satz 3 GVV). Womit er nicht rechnen konnte und musste war eine unzutreffende Rechtsanwendung durch andere, die meinen, sie könnten oder müssten gar kraft Amtes selbst Recht schöpfen.

Mit gutem Willen kann wohl jeder erkennen, worauf es dabei ankommt und worum es geht.

Wie aufgezeigt, kann man mit gutem Willen bei den Grundversorgern - ohne Nachteil für diese - mehr Transparenz jedenfalls hinsichtlich der von ihnen nicht beeinflussbaren Preisbestandteile schaffen.

Das was ich für den Fall einer nicht freiwillig eingeräumten Transparenzerhöhung  vorgeschlagen habe, ließe sich wohl von heute auf morgen ohne viel Federlesens in den Verordnungen umsetzen.

Einer staatlichen Tarifausfsicht zu den der Billigkeitskontrolle unterliegenden  Grundversorgungspreisen bedarf es ebenso wenig wie der staatlichen Aufsicht über die der Billigkeitskontrolle unterliegenden Honoraransprüche der Patentanwälte.

Warum soll denn ein Grundversorger nicht selbst erkennen können, wie er seine Grundversorgungspreise zu bilden hat, wenn er nur die Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, möglichst effizienten Versorgung beachtet?

Erst recht sollte er dazu in der Lage sein,  wenn ihn dabei   Fachverbände wie  BDEW und  VKU fachlich unterstützen und anleiten. Die Verbände stehen doch wohl hoffentlich wie ihre Mitglieder zu dem Ziel einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas, insbesondere für grundversorgungswillige Haushaltskunden.  Es ist nicht davon auszugehen, dass sie gesetzwidrige Ziele verfolgen oder befördern wollen.

Die Verbände verfügen über hochspezialisierte Kollegen, die ihnen insbesondere die materielle Rechtslage zutreffend vermitteln könnten.
Und sie bieten ja auch regelmäßig in angenehmer Atmosphäre entsprechende Schulungen an, so etwa den BDEW- Infotag \"Verbraucherrecht in der Energieversorgung\" am 16.12.10.

Auf solchen fachlich gut vorbereiteten Veranstaltungen darf man die gut gewillten Mitarbeiter und Verantwortungsträger der Grundversorgung natürlich nicht unzutreffend über die materielle Rechtslage informieren.
Denn dann hätten sich die gutwilligen und gutgläubigen Unternehmensverantwortlichen für ihre Mitarbeiter  gegen kleines Geld eine Fortbildung eingekauft, die sie am Ende - wegen gesetzwidriger Preisbildung - teuer zu stehen kommen könnte.

Schließlich ist nicht auszuschließen, dass sich grundversorgte Kunden gegen die Preisbestimmung des Grundversorgers auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen. Mir sind da bisher vereinzelt Fälle bekannt.
Grundversorgte Haushaltskunden bilden sich schließlich auch in ganz offenbar verstetigendem Maße über die materielle Rechtslage weiter.  

Wir unterstützen sogar die Tätigkeit des BDEW / VKU  zur entsprechenden Fortbildung in Rechtsfragen. So wurde etwa dem BDEW- Referenten Herrn Kollegen Carsten Wesche diesbezüglich eine gute Arbeitsanleitung an die Hand gegeben, um die gut gewillten Seminaristen aus der Versorgungswirtschaft in einer solchen Veranstaltung über die grundlegenden verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen des Energierechts zutreffend zu infomieren.

Man tut was man kann, um zur Aufklärung hier wie dort beizutragen.

Namhafte Vertreter des den Preisprotest tragenden Vereins nehmen an dem BDEW- Seminar teil.


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: jofri46 am 15. Dezember 2010, 22:02:52
Natürlich kann der Grundversorger selbst erkennen, wie er seine Preise zu bilden hat und mit gutem Willen mehr Transparenz schaffen.

Aber wo kein guter Wille, bildet doch § 39 Abs. 1 EnWG die Grundlage für weitere Rechtsverordnungen (Das Bundesministerium kann... durch Rechtsverordnung... die Gestaltung der Allgemeinen Preise regeln. Es kann dabei Bestimmungen über Inhalt und Aufbau der Allgemeinen Preise treffen).

Die §§ 6 und 17 GasGVV geben dazu aus meiner Sicht nicht viel her.

Und haben wir für die Preise der Grundversorgung nicht schon eine staatliche Tarifaufsicht nach den Bestimmungen des GWB durch die Kartellbehörden?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 15. Dezember 2010, 22:13:45
@jofri46

Wir reden hier allein über die gesetzlichen Pflichten der Grundversorger nach dem EnWG, deren alleinige ganze Schuld.

Es kann auch Grundversorger geben, die nur noch 50 Haushaltskunden in der Grundversorgung versorgen, weil alle anderen (\"über Nacht\") erst einmal aus der Grundversorgung weg sind.
Grundversorger kann inbesondere auch ein Versorger sein, der gerade die wenigsten Haushaltskunden im maßgeblichen Netzgebiet beliefert.
Nicht ersichtlich, wie eine Kartellbehörde einem solchen Grundversorger helfen könnte, seine Preise in gesetzlich zulässiger Weise zu bilden.  
Möglicherweise hat jemand etwa eine spezielle Idee?

Und auch solche betroffenen Grundversorger müssen ja wissen, wie sie die Grundversorgungspreise für (potentiell) grundversorgungswillige Haushaltskunden zutreffend  zu bilden haben, was sie den grundversorgungswilligen Haushaltskunden schuldig sind, um dieser Schuldigkeit in Gänze Genüge zu tun.  Sie werden ja ihrer gesetzlichen Verpflichtungen nicht entbunden, jedenfalls nicht ebenso \"über Nacht\". Prüfung erfolgt nur aller drei Jahre zum 1.Juli.

Und wenn ein solcher Grundversorger sich nunmehr entschließt, doch noch die geschuldeten Preise zutreffend zu bestimmen, könnten ja auch wieder mehr Haushaltskunden  grundversorgungswillig werden.

Staatliche Tarifaufsicht nach GWB (alte Kamelle) ist nicht bekannt, würde aber auch - wie aufgezeigt - nichts nützen (siehe schon BGH, Urt. v. 02.10.91 Az.  VIII ZR 240/90 = NJW-RR 92, 183, 184).
Die Kartellbehörden kümmern sich nicht um das vertragsrechtlich Geschuldete, um das es auch bei § 315 BGB geht.
Die haben ganz andere Aufgaben.

Dafür wie man die Transparenz mit geringem gesetzgeberischem Aufwand  flugs erhöhen kann, wurde ja schon genug ausgeführt.
Das gilt es dann eben schnell anzuschieben. Wofür kennt man Leute.
Dafür bedarf es keiner neuen Verordnungen.

Wir haben da mal was vorbereitet, dass geht dann über Ticker und Verteiler. Wäre ja nicht das erste mal.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um die laufenden Energiepreiserhöhungen bei drastisch sinkenden Großhandelspreisen wird das wohl auf offene Ohren stoßen.

Es ist nichts ersichtlich, was gegen die aufgezeigte Transparenzerhöhung bei den Grundvresorgungspreisen spräche.
Den Grundversorgern wäre auch geholfen, etwa gegen Begehrlichkeiten der Kämmerer oder andernorts sitzender Finanzvorstände, deren Einfluss auf die Grundversorgungspreise  sie nicht weiter verschleiern wollen.

Sie könnten endlich den von ihnen klar erkannten und verstandenen gesetzlichen Regelungen so Rechnung tragen, wie sie es schon immer wollten, wovon sie jedoch wegen eben solcher nichtöffentlichen Begehrlichkeiten abgehalten wurden.

Niemand bestreitet wohl, dass unsere  Grundversorger, die allesamt schon so lange im Bereich der Energieversorgung tätig sind, die höchste Kompetenz haben, diejenigen jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung zu bestimmen, die am besten geeignet sind, eine möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas zu realisieren.

Deshalb hat der Gesetzgeber auch ihnen die Preisbestimmungspflicht zugewiesen und nicht etwa eine staatliche Tarifaufsicht eingerichtet.
Von letzterer hat er sogar wegen erwiesener Inkompetenz und Ineffizienz wieder Abstand genommen, wo eine solche zuvor bestand.  

Ob sie ihre derart hohe Kompetenz aber auch tatsächlich im Interesse der grundversorgungswilligen Haushaltskunden einsetzen, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Und darum geht es.

Grundversorgungswillige Haushaltskunden müssen durch die entsprechenden Angaben des Grundversorgers in die Lage versetzt werden, ohne weiteres nachzuvollziehen, wie der Grundversorger seine Preise aufgebaut und (neu) bestimmt hat. Es muss bereits anhand solcher Angaben nachvollzogen werden können, ob der Grundversorger seine doppelte Bestimmungspflicht tatsächlich vollständig erfüllt hat.

Das ist schon dafür notwendig, um  nicht unnötig Streit um die Vertragsgemäßheit der vom Grundversorger bestimmten Preise enstehen zu lassen, der vor den Gerichten ausgetragen werden müsste.

Hierfür bedarf es in der Grundversorgung einer höheren Preistransparenz als bisher, die im Interesse aller liegt.  

Im Übrigen brauchen wir nicht immer mehr Gesetze.
Es gilt vielmehr, die bestehenden gesetzlichen Regelungen zutreffend anzuwenden.

Man kann sich wohl  gut vorstellen, dass Grundversorger im Interesse der Transparenz in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und in den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV neben den bereits oben genannten nicht beeinflussbaren preisbildenden Faktoren auch anzugeben haben, wie sich seit ihrer vorhergehenden Preisbestimmung die Großhandelspreise (etwa an der EEX) für Elektrizität bzw. Gas in Ct/kWh entwickelt haben, auf die sie ja auch keinen Einfluss haben, welche aktuellen Großhandelpreise den Preisstand beeinflussten.

Beobachtet der grundversorgungswillige Haushaltskunde danach den Markt und merkt, dass die maßgeblichen Großhandelspreise zwischenzeitlich gesunken sind, bei ihm jedoch noch keine entsprechende Preisanpassung ankam, so kann er sich an den Grundversorger wenden und wieder einen Billigkeitsnachweis abfordern, also eine nachvollziehbare und ggf. gerichtlich überprüfbare Erklärung dafür, warum dem Grundversorger keine entsprechende Preisabsenkung möglich sein soll (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Entnimmt der Kunde der öffentlichen Bekanntgabe oder der brieflichen Mitteilung anlässlich einer Preiserhöhung, dass sich die nicht beeinflussbaren preisbildenden Kosten nicht verändert haben, die maßgeblichen Großhandelspreise seit der vorhergehenden Preisbestimmung gesunken sind, ist für den Kunden sofort nachvollziehbar, dass sich der Grundversorger selbst bei tatsächlich gestiegenen Bezugspreisen zuviel vorgenommen haben muss (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Der Kunde kann also mindestens bei einer Preisänderung nachvollziehen, ob und ggf. wo ein entsprechender Erklärungsbedarf besteht.  

So kann Misstrauen darüber, der Grundversorger habe seine doppelte Preisbestimmungspflicht nicht in Gänze erfüllt, ausgeräumt werden. Es soll das verlorengegangene Vertrauen wieder hergestellt werden, dass Grundversorger tatsächlich die Preisbestimmungen treffen, die den grundversorgungswilligen Haushaltskunden eine möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas ermöglicht. Das liegt doch in erster Linie auch im Interesse der Grundversorger selbst.  

Ein Gericht wird in der Regel nur gebraucht, wenn die angeforderte Erklärung nicht nachvollziehbar und stichhaltig ist.

Es geht darum, dass Misstrauen auszuräumen, Grundversorger würden ihre Vertragspflichten gegenüber grundversorgungswilligen Haushaltskunden nicht zur Gänze erfüllen.

Es muss zukünftig ausgeschlossen sein, dass etwa ein Herr Haferkamp oder ein Herr Waschnow oder sonstwer von der EWE anlässlich einer Erhöhung der Grundversorgungspreise textet, die EEG- Umlage habe sich um 70 % je Kilowattstunde erhöht. Gefragt sind für den grundversorgungswilligen Haushaltskunden ohne weiteres nachvollziehbare Fakten, Fakten, Fakten.


Nicht gut vorstellen kann man sich hingegen, dass Versorger die gesetzlichen Regelungen der Grundversorgung noch in Sonderverträge implementieren wollen.

Es ist jeder Verständige herzlich eingeladen, sachdienliche Vorschläge zu unterbreiten, wie die Transparenz hinsichtlich der Grundversorgungspreise noch weiter erhöht werden kann.
Es geht um Vorschläge, deren Umsetzung wenig kostet und schnell effektiv wirkt.    



Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 16. Dezember 2010, 08:43:28
Zitat
Original von RR-E-ft
Wir haben da mal was vorbereitet, dass geht dann über Ticker und Verteiler. Wäre ja nicht das erste mal.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um die laufenden Energiepreiserhöhungen bei drastisch sinkenden Großhandelspreisen wird das wohl auf offene Ohren stoßen.
Na ja, die Situation mit den Energiepreisen ist ja nicht neu sondern mittlerweile min. 5 Jahre alt und in der Zwischenzeit gab es schon mehrfach Situationen mit, teilweise stark, gesunkenen Großhandelspreisen und gleichzeitig nicht sinkenden Preisen in der Versorgung der Endverbraucher und auch diese Situation wurde schon mehrfach deutlich artikuliert und geändert hat sich trotzdem nichts.

Ihren Optimismus in Ehren, aber darauf würde ich mein Haus nicht bauen.

Zitat
Original von RR-E-ft
Es ist nichts ersichtlich, was gegen die aufgezeigte Transparenzerhöhung bei den Grundvresorgungspreisen spräche.
Na ja, wenn ich mir da so eine Rechnung bzw. Preisänderungsmitteilung vorstelle, so bin ich mir nicht sicher, ob \"Lieschen Müller\" die dann noch nachvollziehen kann. Schon heutigen Abrechnugen mit nicht sovielen Zahlen stehen viele Verbraucher manchmal hilflos gegenüber. Das ist alles eine Frage der Darstellung und gehen Sie mal davon aus, dass der Versorger seine Interessen wahren wird.
Man muss zum Nachvollziehen der Zahlen, selbst mit Angabe in der Mitteilung, schon wissen, wo man nachschauen muss und das ist mitunter gar nicht so einfach für jemanden, der damit nicht ständig befasst ist.  
Selbst bei der EEX gibt es mehrere (ähnlich klingende) Werte, die da genannt sind und man muss schon wissen, welcher Preise der richtige Vergleichspreis sein müsste.

Zitat
Original von RR-E-ft
Den Grundversorgern wäre auch geholfen, etwa gegen Begehrlichkeiten der Kämmerer oder andernorts sitzender Finanzvorstände, deren Einfluss auf die Grundversorgungspreise  sie nicht weiter verschleiern wollen. Sie könnten endlich den von ihnen klar erkannten und verstandenen gesetzlichen Regelungen so Rechnung tragen, wie sie es schon immer wollten, wovon sie jedoch wegen eben solcher nichtöffentlichen Begehrlichkeiten abgehalten wurden.
Da fehlt das \" ;)\" dahinter.  :D

Zitat
Original von RR-E-ft
Ob sie ihre derart hohe Kompetenz aber auch tatsächlich im Interesse der grundversorgungswilligen Haushaltskunden einsetzen, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Zustimmung !

Zitat
Original von RR-E-ft
Im Übrigen brauchen wir nicht immer mehr Gesetze.
Es gilt vielmehr, die bestehenden gesetzlichen Regelungen zutreffend anzuwenden.
...
Ein Gericht wird in der Regel nur gebraucht, wenn die angeforderte Erklärung nicht nachvollziehbar und stichhaltig ist.
Da aber des Deutschen liebstes Kind nun mal das quängeln und prozessieren ist, landen sie trotzdem immer wieder vor Gericht. Weder wird der Grundversorger aufhören zu tricksen (Geld macht gierig.  :D ), noch wird der verbraucher  mit zunehmend hohen Preisen (selbst wenn sie zutreffen KÖNNTEN) zufrieden sein.

Und da Black ja derzeit anscheinend in Urlaub ist (ich vermute mal nicht \"böswillig\", dass er Erklärungsprobleme gegenüber seinen Auftraggebern hat  :D ) möchte ich bezgl. richtiger Gesetzgebung und bisher mangelhafter Anwendung anmerken, dass  es wohl etwas schwierig wird, wenn man das höchste deutsche Zivilgericht \"gegen sich hat\" und dieses dann mehr an seiner eigenen Rechtssprechung denn am Gesetzestext hängt (zumindest der entsprechende Senat). Und wenn Sie, Herr Fricke, und Ihre Mitstreiter der Advokatenzunft es bisher nicht geschafft haben, insbesondere DIESE Damen und Herrren zu überzeugen, woher nehmen Sie die Zuversicht, dass sich dieses in Zukunft ändern wird ?

O.k., mal sehen was der EuGH sagt, aber sonst sehe ich da eher Schweigen im Wald. Am BGH trickst man sich ja derzeit wohl selbst aus der Verantwortung, indem man direkt alle Energieentscheidungen aus Privatverbraucher-Energielieferungen entgegen der Geschäftsordnung an den VIII. Senat überweisst, selbst wenn sie von Kartellsenaten der OLGs gefällt wurden und daher normalerweise vor dem Kartellsenat des BGH landen müssten, der zuweilen eine etwas andere Ansicht als der VIII. Senat hat.
Um da nichts anbrennen zu lassen, schieben wir da mal lieber alles zum VIII. Senat. Und auch dagegen konnten (oder wollten ?) die Herren Kollegen ja anscheinend nichts machen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Dezember 2010, 10:35:08
@bolli

Gefragt sind nur konstruktive Vorschläge.

Wollte man einen allgemeinen Kaffeklatsch, müsste man sich zu einem solchen andernosrts verabreden.
Auch reiner Skeptizismus ist weder zielführend noch hilfreich.
Wer immer nur skeptisch nörgelt und kritisiert, wird jedenfalls nichts zum Besseren wenden.
Er begnügt sich mit einer zweifelhaften Rolle.

Es geht hier im Kern um sehr ernste Anliegen.  

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Die Grundversorgungspreise setzten sich aus zwei Kostenblöcken zusammen, nämlich vom Versorger nicht beeinflussbare Kosten (A) und vom Versorger beeinflussbare Kosten und Gewinn (B), aus denen sich der Nettopreis zusammensetzt, auf denen dann die Mehrwertsteuer oben drauf geschlagen wird.

Der erste Kostenblock A besteht aus den Netzentgelten, den Steuern und Abgaben (Konzessionsabgabe, Energiesteuer, KWKG, EEG- Umlage...), die allesamt keinem Geheimhaltungsbedürfnis unterliegen, weil sie anderweitig publizitätspflichtig sind und detailliert aufgeführt werden sollten.

Der zweite Kostenblock B besteht aus den Bezugspreisen, den Vertriebskosten der Grundversorgung und dem Gewinnanteil, zu denen der Versorger sagen könnte, er möchte die Details für sich behalten.

Es sollte in den öffentlichen Bekanntgaben und brieflichen Mitteilungen deshalb ausgewiesen werden:

die Grundversorgungspreise (Nettopreis) und deren konkrete Zusammensetzung unter detailierter Aufschlüsselung des Kostenblockes A und des Kostenblockes B, wobei bei diesem nur zu benennen ist, dass dieser sich aus den Bezugspreisen, den Vertriebskosten der Grundversorgung und dem notwendigen Gewinnateil zusammensetzt.

Der Grundverorgungspreis (netto) muss sich leicht nachvollziehbar aus dem detailiert aufgeschlüsselten Kostenblock A und dem Kostenblock B als Summe ergeben.  Grundversorgungspreis (netto) = A + B = (A1+A2+A3+A4...) + B.

Hinzu tritt die jeweilige gesetzliche Mehrwertsteuer, weshalb sich der Grundversorgungspreis (brutto) wie folgt ergibt:

Grundversorgungspreis (netto) x 1,19 = Grundversorgungspreis (brutto).

Grundversorgungspreis (brutto) = ([A1+A2+A3+....] + B) * 1,19

Das lässt sich ganz einfach nachvollziehbar untereinanderstehend darstellen, so wie jede andere (Be-)Rechnung auch. Eine Veränderung unter dem Strich muss mit Veränderungen über dem Strich übereinstimmen.

Und natürlich lässt sich einfach die bisherige, ebensolche Berechnung der neuen gegenüberstellen und es könnte noch im Fettdruck aufgezeigt werden, an welcher Stelle es Veränderungen gab.

Mehr Transparenz ist an dieser Stelle wohl nicht zu fordern.

Stützt der Grundversorger eine Preiserhöhung auf gestiegene Kosten im Kostenblock B [Bezugspreis, Vertriebskosten der Grundversorgung und notwendiger Gewinnanteil] dann müssen die diesbezüglichen Kosten und deren zwischenzeitliche Entwicklung näher erörtert werden, da insbesonbdere gestiegene Bezugspreise bei gleichbleibend notwendigem Gewinnanteil durch rückläufige Vertriebskosten der Grundversorgung kompensiert sein könnten.

Deren Erörterung ist aber wohl auch dann notwendig, wenn die unbeeinflussbaren Kosten des Kostenblocks A gestiegen sind, da auch solche bei gleichbleibend hohem notwendigen Gewinnateil durch rückläufige beeinflussbare Kosten (Bezugspreis, Vertriebskosten der Grundversorgung) kompeniert sein könnten.  

Die Transparenz selbst, schließt eine Unbilligkeit noch nicht aus.

Auch ein Pudding lässt sich jedoch leichter an die Wand nageln, wenn man ihn zuvor in eine feste Form gibt. Gemeinsam mit dieser festen Form klappt es dann deutlich besser.  ;)

Die Großhandelspreise (Marktpreise) für Elektrizität und Gas entsprechen nicht unmittelbar den Bezugspreisen des Grundversorgers, die im Kostenblock B unter anderem auch enthalten sind.

Sie bilden jedoch einen geeigneten - außerhalb stehenden - Vergleichsmaßstab und Anhaltspunkt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Der Kunde soll die erhöhte Transparenz in die Lage versetzt werden, ohne Gerichtsverfahren  besser zu beurteilen, ob sich der Grundversorger bei seiner geschuldeten  Preisbestimmung von zutreffenden Erwägungen leiten ließ.

Das ist ein wichtiges wie ernsthaftes Anliegen.
Die erhöhte Transparenz trägt zur Versachlichung bei und hilft, Streit zu vermeiden, ohne einen solchen in jedem falle auszuschließen.  



Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: courage am 16. Dezember 2010, 12:09:39
Die Netzentgelte sehe ich nicht als transparenten und unbeeinflussbaren Kostenbestandteil von Gas- und Strompreisen an.

Die Netzentgelte werden vom Netzbetreiber selbst kalkuliert und darin stecken schon alle möglichen sog. \"kalkulatorische\" Kosten (z.B. Abschreibungen), die für sich bereits intransparent sind. Ein \"Betriebsgeheimnis\" ist auch der Gewinnanteil, der in den Netzentgelten versteckt ist. Dieser Netz-Gewinnanteil macht einen erheblichen Anteil am Gesamtgewinn eines Versorgers aus. Gelingt es einem Versorger, seine Gewinne über die Netzentgelte zu sichern oder gar zu steigern, kann er sinkende Bezugs- oder Vertriebskosten deklarieren und weitergeben und so die Billigkeit seiner Endkundenpreise vorspiegeln. Dem grundversorgten Kunden ist damit nicht geholfen.

Die Netzentgelte müssten somit ebenso in Kosten A (unbeeinflussbar) und B (kalkuliert) aufgeschlüsselt werden.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Dezember 2010, 12:17:17
@courage

Die Netzentgelte werden von der Regulierungsbehörde als höchstzulässige Entgelte, die der Netzbetreiber verlangen kann, festgesetzt. Man könnte diese deshalb im Verhältnis Netzbetreiber - Lieferant ebenso der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterfallend betrachten, wie zuvor gem. § 12 BTOElt genehmigte höchstzulässige Strompreise (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II 1. m.w.N.).

Der Netzbetreiber darf bei diesen keine sachlich ungerechtfertigten Unterschiede machen. Sie müssen sowohl für den eigenen Vertrieb als auch für alle anderen Lieferanten gleich hoch liegen (Diskriminierungsfreiheit).

Sie werden auf den Seiten des Netzbetreibers öffentlich bekannt gemacht und müssen auch in den Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letztverbrauchern gem. § 40 EnWG jetzt schon gesondert ausgewiesen werden, einschließlich der Kosten des Messtellenbietriebes der Messung und Abrechnung.

Es gibt Gebiete, da ist jetzt Lichtblick zum Grundversorger bestimmt worden.
Lichtblick ist mit dem Netzbetreiber E.ON Hanse in keinerlei Weise verbunden.

Der Grundversorger kann nur die Netzentgelte über die Letztverbraucherpreise weiterwälzen, die er an den Netzbetreiber zu zahlen hat.  So weit er die Möglichkeit hat, diese Kosten gegenüber dem Netzbetreiber zu drücken, wird er dies zu tun haben. Ob und wie weit Lieferanten (aus o. g. Gründen auch auch Grundversorger)  die Netzentgelte gegenüber dem Netzbetreiber über § 315 BGB nunmehr überhaupt noch drücken können, ist umstritten. Man denke an die Entscheidungen des BGH zur Mehrerlösabschöpfung. Demnach muss der Netzbetreiber zu hoch kalkulierte Netzentgelte, die der Regulierung unterliegen, erst in späteren Perioden durch Saldierung den Netzkunden rückgewähren. Hinzu tritt, dass mittelerweile die Netzentgeltkontrolle von Kostenregulierung auf Anreizregulierung umgestellt wurde.

Deshalb erscheint es gerechtfertigt, die Netzentgelte aus Sicht eines jeden Vertriebes nunmehr als unbeeinflussbare Kosten zu betrachten.

Anders kann es liegen, wenn es um Netznutzungsentgelte vor der erstmaligen Regulierung geht. In dieser Zeit kommt nach BGH die Billigkeitskontrolle auch im Verhältnis Netzbetreiber- Lieferant unzweifelhaft und vollständig zur Anwendung.
Dies betrifft nur noch Altfälle.

Uns geht es hier um Regelungen, welche die aktuelle Situation aufgreifen sollen.


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: courage am 16. Dezember 2010, 13:45:57
Wenn der angestammte Versorger in seinem Vertriebsgebiet (= Platzhirsch) gleichzeitig das Versorgungsnetz betreibt, was in D noch weit überwiegend der Fall ist, wird er sich möglichst hohe Netzentgelte genehmigen lassen, und dies aus zwei Gründen:

1. die Drittlieferanten, die die hohen Netzentgelte an den Platzhirsch bezahlen müssen, haben es schwerer, ihn mit konkurrenzfähigen Angeboten zu bedrängen,

2. der Platzhirsch verdient immer noch gut mit, selbst wenn er Konkurrenz im eigenen Revier hat, denn der Herausforderer muss die hohen Netzentgelte mit dem integralen Gewinnanteil an ihn abführen.

Man darf die Netzentgelte deshalb nicht aus der Sicht des Vertriebsleiters sehen sondern muss die Kundenbrille aufsetzen. Dann zählt der Gesamtpreis, wovon das Netzentgelt einen gewaltigen Teil ausmacht, allerdings mit einer hohen Dunkelziffer, was dessen Zusammensetzung angeht.

Wenn die Netzentgelte wirklich so unbeeinflussbar wären, dann spräche doch nichts dagegen, die bei der Regulierungsbehörde eingereichten Genehmigungsanträge nebst den Genehmigungsbescheiden gleich mit den Tarifen auf der Versorgerhomepage zu veröffentlichen. Können Sie sich das vorstellen?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Dezember 2010, 15:04:42
@courage

Vorstellen kann auch ich mir vieles.

Wenn es um die derzeitige Transparenzerhöhung in der Grundversorgung  geht, ist die Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH zur Mehrerlösabschöpfung und die deshalb ausgeschlossene Billigkeitskontrolle zu beachten.

Die Genehmigungsbescheide hinsichtlich der Netzentgelte werden teilweise mitsamt der maßgeblichen Preisblätter Netznutzungsentgelte für Kunden ohne registrierende Leistungsmessung (Standardlastprofilkunden SLP) auf den Seiten der Netzbetreiber veröffentlicht. Zu beachten ist der zwischenzeitliche Übergang von der Kostenregulierung bei den Netzkosten hin zur Anreizregulierung. Die Anreizregulierung führt dazu, dass die maßgeblichen  Netzkosten und genehmigten Netznutzungsentgelte sich nicht mehr nach den tatsächlichen Kosten des Netzbetriebes richten.

In Billigkeitsprozessen hinsichtlich der Vergangenheit (Altfälle) kann es ganz anders liegen.

Die letzten Beiträge beziehen sich jedoch nicht auf die Billigkeit, sondern auf die Transparenzerhöhung in der Grundversorgung.
Billigkeit und Transparenz sind zwei paar Schuhe.

Selten kommt man gut voran, wenn man alles auf einmal möchte.  


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 16. Dezember 2010, 22:32:14
Es gibt immer welche, die es noch besser wissen.

Lehrstunde bei Freshfields & Co.  (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77108&sid=#post77108)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: courage am 17. Dezember 2010, 14:48:42
Gefragt sind ja weitere konstruktive Vorschläge zur verbesserten Preistransparenz in der Grundversorgung.

Ich möchte vom Versorger eine detailierte Kostenabrechnung über das \"Produkt Gas- (bzw. Strom-) Grundversorgung\" erhalten, und das zu jeder Preisänderung, so dass ich sehen kann, wie sich jede Kostenposition verändert hat und ob auch keine unzulässigen Kosten enthalten sind, die nicht in die Grundversorgung gehören, wie z.B. Werbe- und Marketingkosten, Kosten der Bezuschussung eines Schwimmbades oder des ÖPNV.

Damit ich die Produktkosten in das Gesamtkostengefüge des Versorgers einordnen kann, um zu erkennen, dass er die Kosten auch verursachergerecht zugeteilt hat, brauche ich die detailierten Zahlen über die Gesamtkosten und den Verteilerschlüssel auf die einzelnen Sparten (Gas, Strom, Wasser, etc.) sowie den Verteilerschlüssel innerhalb einer Sparte (Grundversorgung, Sonderverträge, Industriekunden, etc.)

Das alles schön systematisch geordnet und geheftet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 17. Dezember 2010, 14:59:28
@courage

Das wäre gewiss zuviel verlangt.

Denn es soll ja nicht jeder grundversorgte Kunde anlässlich einer Preisänderung sogleich einen ganzen Hefter übersandt bekommen, mit dem die Vielzahl der Kunden zudem überfordert wären, wenn er denn überhaupt in den Briefkasten passt. Es soll jedenfalls auch nicht so sein, dass der Grundversorger drei Tage zuvor auch noch eine Paketsendung avisieren muss.

Der Ansatz der Transparenzerhöhung innerhalb der öffentlichen Bekanntgabe und innerhalb der brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV erscheint weiter zileführend. Auch die Angabe der maßgeblichen Großhandelspreise und deren zwischenzeitlicher Entwicklung dabei.

Nochmals:  Transparenzerhöhung klärt noch nicht die Frage der Billigkeit.
Sie lässt nur Unbilligkeiten leichter erkennen.


Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: courage am 17. Dezember 2010, 15:04:42
Ich wäre auch mit einer CD zufrieden;
die passt in den Umschlag mit der Ankündigung der Preiserhöhung und geht gut in meinen Briefkasten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 17. Dezember 2010, 15:13:48
Eine CD für jeden grundversorgten Kunden erscheint angesichts des doch großen Preisanpassungsbedarfs bei der Grundversorgung schon nicht kostengünstig.

Es mag grundversorgte Kunden geben, die zudem mit der CD gar nichts anzufangen wüssten.
(Soll frau sich die etwa ans Ohr halten, fragt sich Oma Schulze; Musik ist jedenfalls nicht drauf.)

Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Jagni am 18. Dezember 2010, 00:38:40
Zitat
von RR-E-ft

@Jagni
Zeit für eine weitere Stoffkontrolle.
Wir wollen alsbald in Klausur gehen.

Black ist schon abgetaucht, womöglich weil er seinem Klientel bisher nur Verwirrendes zum Vortrag gebracht hatte.


@RR-E-ft

Ich muss zunächst mit meinem Wunsch (http://forum.bdev.de/thread.php?postid=76922#post76922), der wohl zum Vater des Gedankens wurde, zurechtkommen.

Zur Zeit spielt aber auch noch eine andere Musik – eine vorweihnachtliche. Stoffkontrolle und  Klausur müssen daher warten. In Anbetracht der einseitigen „Leistungsbestimmungspflicht“, die allerdings weder einen gesetzlichen noch einen vertraglichen Hintergrund hat, die mir vielmehr aus der eigenen Souveränität heraus zufällt, und zwar als  Hauptabrede, dürfte das auch problemlos möglich werden.

Ich verpflichte mich daher, die Stoffkontrolle und Klausur in die Zukunft zu schieben.


Bis dahin
Frohe Grüße und gute Wünsche zu den Festtagen - auch an die  gewogenen Mitleser
Jagni
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Dezember 2010, 00:43:21
=)

Keine Norm ist wohl - einschließlich BGH - je so missverstanden worden, wie § 315 BGB, der im Kern nur eine Doppelverpflichtung enthält.

Und dabei hatten die klugen Altvorderen die Pflichtigkeit schon anhand des Wortlauts klar in den Vordergrund gestellt:
 \"Soll die Leistung....\"

115 Jahre später ist deren Botschaft in unserer Zeit angekommen.

Es ist selbstverständlich am Leistungsbestimmungspflichtigen, nachvollziehbar (transparent) darzulegen und zu erklären, wie er seiner diesbezüglichen Pflichtigkeit entsprochen hat, wohl eine Nebenpflicht.

Frohes Fest.

Ich bitte um Verzeihung, dass ich mich - hinter das Katheder verwiesen- einmal mehr auch hier zum Oberlehrer aufgespielt habe.

Grüße aus Lichtstadt
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Dezember 2010, 09:23:55
Zur Margentransparenz auch in der Grundversorgung:

Zitat
Quelle: ene´t GmbH Hückelhoven
Erste Ausgabe des VERTRIEBSFOKUS ENERGIE erschienen

Die ene\'t GmbH und der Fachverlag energate haben eine redaktionelle Kooperation zur Publikation eines neuen Fachmagazins rund um den Vertrieb von Strom und Gas geschlossen. Der VERTRIEBSFOKUS ENERGIE, der Anfang Dezember erstmalig erschienen ist, beschreibt alle zwei Monate auf rund 100 Seiten die aktuelle Wettbewerbssituation im Haushalts- und Gewerbekundenvertrieb.

Im Mittelpunkt stehen dabei die aus der Perspektive von neuen Anbietern skizzierten Vertriebschancen in Form von regionalen Deckungsbeiträgen sowie die Analyse besonders wettbewerbsaktiver Unternehmen. In die Darstellungen fließen aktuelle Kundenzahlen, externe Vertriebsgebiete, Preis-Rankings und weitere spezifische Angaben wie etwa zu Produktportfolios ein. Marktberichte, Informationen zu Netz- und Messentgelten sowie ein exklusiver Internetauftritt mit weitergehenden Daten zu allen deutschen Postort-Kombinationen runden das Produkt ab. Weitere Informationen erhalten Sie über folgenden Link: http://www.enet.eu/vertriebsfokus-energie.html oder die Telefonnummer 02433 52601 0.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: courage am 21. Dezember 2010, 10:22:54
Zitat
Original von RR-E-ft
Zur Margentransparenz auch in der Grundversorgung:

Quelle: ene´t GmbH Hückelhoven
Erste Ausgabe des VERTRIEBSFOKUS ENERGIE erschienen

Im Mittelpunkt stehen dabei die aus der Perspektive von neuen Anbietern skizzierten Vertriebschancen in Form von regionalen Deckungsbeiträgen ...

Das sind dann also keine versorgerspezifischen Deckungsbeiträge. Hätte mich auch gewundert, woher die internen Betriebsdaten kommen sollen, die man für die Berechnung von produktbezogenen, einzelbetrieblichen Deckungsbeiträgen braucht. Es dürfte sich somit eher um die Darstellung der regionalen Preisunterschiede handeln.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Dezember 2010, 10:25:15
@courgae

ene´t ermittelt schon seit längerem die regionalen Deckungsbeiträge, indem etwa von den Grundversorgungspreisen die veröffentlichten Netzentgelte abgezogen werden.
Insoweit handelt es sich um versorgerspezifische Deckungsbeiträge der Vertriebssparte.

Auf solchen Daten basiert etwa auch Abbildung Nr. 30 auf Seite 45 des aktuellen Monitoringberichts der BNetzA (http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/191676/publicationFile/9297/Monitoringbericht2010Energiepdf.pdf)

Neben der BNetzA bedient sich auch das Bundeskartellamt dieser bewährten Methode.
Schließlich kommt es - auch für die Billigkeitskontrolle - nicht maßgeblich auf die tatsächlichen Bezugspreise an, soweit diese über den - grundsätzlich für alle Versorger verfügbarbaren - Großhandelspreisen (Marktpreisen) liegen [BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43].

Aus der Differenz der v.g. Deckungsbeiträge der Vertriebssparte und den maßgeblichen Großhandelspreisen ergibt sich deshalb der hinreichende Indikator dafür, wieviel Preissenkungsspielraum jeweils mindestens vorhanden ist.
Weil dies so ist, stoßen die Dienstleistungen der ene´t GmbH auf so große Nachfrage im Markt. Hingegen setzt sich kein Wettbewerber in eine mündliche Verhandlung zu einem Billigkeitsprozess.

Die Bundesnetzagentur hat demzufolge bei den Grundversorgungspreisen Strom aktuell einen Preissenkungsspielraum in Höhe von 3 Ct/ kWh identifiziert, Siehste hier  (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,731668,00.html)  und hier. (http://www.unternehmer.de/die-reportage-im-griff-der-energie-giganten-1-92188)

Im aktuellen Monitoringbericht der BnetzA wird die Höhe Vertriebsanteil an den Strompreisen der Grundversorgung mit 8 Ct/ kWh angegeben, wovon der aktuelle Großhandelspreis Strom in Höhe von 5 Ct/ kWh in Abzug gebracht werden konnte, um den Preissenkungsspielraum zu identifizieren, der mindestens besteht. Jeder weiß, dass die tatsächlichen Stromerzeugungskosten in abgeschriebenen Kern- und Kohlekraftwerken deutlich unter den Großhandelspreisen liegen. Sie bewegen sich zwischen 1,5 und 3 Cent/kWh. Diese alten Meiler haben den größten Anteil an der Stromerzeugung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 21. Dezember 2010, 19:40:38
Zitat
Stromanbieter:
Überwältigende Marktmacht  Die Politik also träge, die Konzerne gewinnorientiert – da bleibt dem Verbraucher eigentlich nur noch die Eigeninitiative durch konsequenten Anbieterwechsel. Denn laut einer Studie des Leverkusener Energiewirtschaftlers Gunnar Harms, die von Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegeben worden ist, kassieren die Energiekonzerne bereits in diesem Jahr, also noch vor den angekündigten Preiserhöhungen, bei ihren Kunden rund eine Milliarde Euro zu viel ab.  Die Einkaufspreise an der Leipziger Börse seien in den letzten zwei Jahren um bis zu 40 Prozent gesunken, was die Erhöhung der EEG-Zulage also bei weitem kompensiert. Im selben Zeitraum ist der Strompreis für Privatkunden laut Verivox jedoch um 8 Prozent gestiegen, in den vergangenen zehn Jahren sogar um 60  Prozent. Doch damit nicht genug: In den kommenden zehn Jahren soll er laut Bundesverband der Verbraucherzentralen um weitere 60 Prozent steigen.

Quelle: www.unternehmer.de (http://www.unternehmer.de/die-reportage-im-griff-der-energie-giganten-2-92199)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 21. Dezember 2010, 19:59:48
Um auch der Diksussion eine fassbare Form zu geben:

Wir wollten uns damit befassen, was es mit der Preisbestimmungspflicht in der Grundversorgung auf sich hat.
Zudem suchen wir nach Wegen, die Transparenz hinsichtlich der Grundversorgungspreise bzw. deren Aufbaus zu erhöhen.

Soweit wir dazu gelangt waren, dass es nach der gesetzlichen Regelung für die Grundversorgung (wie schon zuvor für den Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht) nur eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers gibt, und auch die vertragliche Preishauptabrede der Verträge in diesem Bereich nur eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers kennt, ward uns ein wohl schlagendes Argument dafür in die Hand gelegt, warum die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht in einen Sondervertrag implementiert werden können, da bei diesem ja bei Vertragsabschluss grundsätzlich ein feststehender Preis vereinbart wird, der allenfalls mit einer Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel versehen werden kann.

Diese Diskussion möchten wir inhaltlich fortsetzen, für die es auf Marktmacht an keiner Stelle ankommt.

Wenn wir uns nicht konzentrieren, droht die Diskussion wieder an den Rändern auszufransen, sich von ihrem  (gewichtigen) Kern zu entfernen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 22. Dezember 2010, 23:10:42
Woher die Argumente kommen, welche der Billigkeitskontrolle entgegen geworfen werden und wie es zu der Sockelpreistheorie des VIII. Senats kommen konnte, zeigt ein Begründungsteil der Berufungserkenntnis des OLG Saarbrücken (http://www.inarchive.com/page/2010-04-22/http://openjur.de/u/31535-1_u_262-08-3.html), welches vom Kartellsenat - im Ergebnis - gehalten wurde.

Vorab der Hinweis darauf, dass das OLG Saarbrücken wegen der notwendigen Einhaltung einer Klagefrist mit seiner Auffassung völlig daneben lag, weil es ein solches Erfordernis nicht gibt, hatte der VIII. Senat - noch vor der Entscheidung des Kartellsenats - am 21.04.2010 - in ständiger Rechtsprechung - bestätigt (VIII ZR 97/09, Tz. 18; ).

Zitat
Tz. 75
aa) Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BGH kommt bei Verzögerung der Klageerhebung eine Verwirkung des Klagerechts aus § 315 Abs. 3 S. 2 BGB in Betracht. Der BGH hat insoweit im Urt. v. 06.03.1986 (BGHZ 97, 212, 220) ausgeführt:       „§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt für die Erhebung der dort vorgesehenen Klage keine besondere Frist. Der Betroffene kann allerdings durch illoyale Verzögerung der Klageerhebung sein Klagerecht verwirken.“    

Tz. 76
Der BGH nimmt in der genannten Entscheidung auf die Entscheidung des BAG vom 16.12.1965 Bezug und hält diese wegen arbeitsrechtlicher Besonderheiten nicht auf den von ihm zu beurteilenden Fall übertragbar (BGHZ 97, 212, 222). Soweit vorliegend von Bedeutung enthält die Entscheidung des BAG keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Sie ist hier anwendbar.  

Tz. 77
Anders als der BGH stützt sich das BAG nicht auf die Rechtsfigur der Verwirkung, sondern kommt durch systematische und teleologische Auslegung des § 315 BGB zum Ergebnis, dass der Betroffene in angemessener Frist das Gericht anrufen muss (a.A. Rieble in Staudinger, BGB, 2004, § 315 Rdn. 150; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009, Rdn. 17; juris-PK – BGB/Völzmann-Stickelbrock, 4. Aufl. 2008, § 315 Rdn. 76). Das BAG hat insoweit ausgeführt (BAGE 18, 54, 59):      
„Die Anrufung der Gerichte zur Klarstellung der vertraglich geschuldeten (Gegen-)Leistung muss aber in angemessener Frist erfolgen. Der Erklärungsempfänger kann den bestimmenden Vertragspartner nicht unabsehbare Zeit in Zweifel darüber lassen, ob er die getroffene Festlegung der Leistung als billig gelten lassen will oder nicht. Das gebietet der Gedanke der Rechtssicherheit und kommt auch in den Vorschriften der §§ 315 ff. BGB mehrfach zum Ausdruck. Z.B. geht das einer Vertragspartei zustehende Bestimmungsrecht bei Verzögerung der Leistungsbestimmung auf das Gericht über (§§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2, 319 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 2 BGB). Die Anfechtung einer von einem Dritten getroffenen Leistungsbestimmung ist nicht nur wegen Irrtums, sondern auch wegen Drohung oder arglistiger Täuschung sogar nur unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes möglich (§ 318 Abs. 2 Satz 2 BGB), während die allgemeine Fristbestimmung des § 124 Abs. 1 BGB eine einjährige Anfechtungsfrist vorsieht. Nimmt der Erklärungsempfänger daher die Leistungsbestimmung des anderen Vertragsteils zunächst widerspruchslos längere Zeit hin, so kann der Bestimmende davon ausgehen, dass auch der Vertragspartner die Festlegung der Leistung nicht als unbillig ansieht.“
(Vgl. dazu auch die Ausführungen des 8. Senats des BGH, Urt. v. 13.06.2007, VIII ZR 36/06, juris, Rdn. 36. Der BGH hat dort ausgeführt: „Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer ... öffentlich bekanntgegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiter Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gem. § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb im Rahmen einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr gem. § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden.“).    

Tz. 78
Was eine angemessene Frist ist, hat das BAG nicht abschließend entschieden. Es hat davon gesprochen, es könne sich naturgemäß nur um „eine kurz zu bemessende Überlegungsfrist“ handeln, die jedenfalls nach 16 – 18 Monaten verstrichen war.“ (BAGE 18, 54, 60). Dass der „Benachteiligte“, das „Bestimmungsopfer“ (so formuliert Rieble in Staudinger, BGB, 2004, § 315 Rdn. 150) binnen angemessener Frist Klage erheben muss, steht also entgegen der Auffassung von Rieble (a.a.O., Rdn. 150) im Gesetz. Es steht allerdings nicht ausdrücklich dort, sondern ergibt sich durch Auslegung des § 315 BGB.  

Tz. 79
Einer solchen Klagefrist bedarf es auch, weil das Klagerecht des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB nicht verjähren kann. Der Verjährung sind nämlich allein materiellrechtliche Ansprüche, nicht aber das prozessuale Klagerecht unterworfen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 194 Rdn. 2; MüKo-BGB/Grothe, 5. Aufl. 2006, § 194 Rdn. 2). Ohne eine Befristung der Klage bzw. eine Begrenzung der Klagemöglichkeit durch die Verwirkung würde daher Rechtssicherheit über die Frage, ob die Leistungsbestimmung billig ist, nicht eintreten können.

Man beachte die mühseligen Interpretationsversuche, aus dem § 315 BGB eine Klagefrist \"heraus zu leihern\".

Da aber aus den Begründungen, so auch derjenigen des BAG, deutlich wird, dass kein Vorbehalt gegen die Rechnungen erfolgt war (wobei dies im Fall des OLG SB allerdings ganz anfänglich schon mit einem \"generellen Vorbehalt\" geschehen sein soll), kann das Thema \"Verwirkung\" und \"Klagefrist\" getrost ad acta gelegt werden.

Denn wenn es darauf ankommen sollte, dass man den Bestimmungspflichtigen nicht unendlich darüber im Unklaren lassen dürfe, wie es beim \"Bestimmungsopfer\" (sil.: phantastischer Begriff ) um die Angriffslust bestellt sei, dann ist jedenfalls mit den 315-Widersprüchen \"die Wiese gemäht\". Somit gibt es dann dabei auch nichts zu \"Verwirken\".
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Dezember 2010, 00:00:26
BGH, B. v. 07.12.10 KZR 21/09 zur Klage gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=77350#post77350)

Das BAG hatte einen Fall im Blick, wo der Arbeitgeber hinsichtlich der vom Arbeitnehmer/Angestellten zu erbringenden Leistung diese inhaltlich neu bestimmt hatte, indem er von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Dabei ging es ausnahmsweise tatsächlich um das mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers verbundene Leistungsbestimmungsrecht. Der Arbeitgeber war insoweit nicht leistungsbestimmungsverpflichtet. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines entsprechenden Vorbehaltes im Dienstvertrag etwa  Arbeitsort oder Arbeitszeit neu bestimmt (Arbeitsort nicht wie bisher München, sondern fortan Oldenburg).

Jedenfalls ging es um eine einseitige Anweisung, die der Arbeitgeber zur inhaltlichen Neugestaltung des vertraglichen Dienstverhältnisses getroffen hatte. Diese hätte der betroffene Arbeitnehmer gem. § 315 BGB überprüfen lassen können, hatte dies jedoch über 16 - 18 Monate hinweg nicht getan. Und da muss man eine zeitliche Grenze ziehen, weil sonst der Dienstverpflichtete nach fünf Jahren erstmals (be-)klagt, der Diensther hätte Oldenburg schließlich gar nicht zum neuen Dienstort bestimmen dürfen (meint etwa die Rechtsanwaltsfachangestellte fünf Jahre nach dem Kanzleiumzug, die plötzlich München vermisst und deshalb vor Gericht klagt. Es bestünde dabei die Gefahr, dass das Gericht nach langer Zeit zu dem Ergebnis gelangt, der Dienstherr hätte Oldenburg seinerzeit gem. § 315 Abs. 1 BGB gar nicht zum neuen Dienstort bestimmen dürfen, seine Bestimmung sei deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam, als gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 abs. 3 Satz 2 BGB gelte vielmehr [rückwirkend] der neue Dienstort Neuruppin. Halleluja.).  

Bei der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht der Grundversorger verhält es sich anders. Es geht dabei insbesondere nicht um einen einmaligen Gestaltungsakt.

Grundversorger sind zur Preisbestimmung verpflichtet und diese Preisbestimmungspflicht ist auch in den Dauerschuldverhältnissen mit den grundversorgten Kunden eine fortdauernde, immer währende Verpflichtung. Der aktuelle jeweilige Preis ist das Ergebnis eben dieser Preisbestimmung (Entscheidung darüber, den Preis abzusenken, zu erhöhen oder aber stabil zu halten).

Auch der Preis vor fünf Jahren mag das Ergebnis einer solchen Preisbestimmung gewesen sein, muss aber, wenn er unbeanstandet blieb, heute nicht mehr kontrolliert werden. Er bildet auch keinen Sockel, auf den der aktuelle jeweilige Preis (entsprechend Verpflichtung bestimmt vom Versorger) aufbauen könnte.

Der Versorger muss die jeweiligen Allgemeinen Preise entsprechend gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtung immer wieder (insgesamt) neu bestimmen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 23. Dezember 2010, 15:10:02
Das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers bei gewerblichen Arbeitnehmern ergibt sich aus § 106 GewO (http://http://www.buzer.de/gesetz/3982/a55322.htm).

Und siehe da, dort findet sich ein gesetzliches Bestimmungsrecht, dem keine Bestimmungspflicht korrespondiert, auf das die Regelungen des § 315 BGB Anwendung finden.

Der Grund für die arbeitsrechtlichen Besonderheiten liegt aber schlicht darin, dass sich das Synallagma im Arbeitsrecht nicht rückabwickeln läßt.

Wenn man schon Obst glaubt vergleichen zu müssen, dann sollte man also nicht unbedingt Birnen mit Äpfeln vergleichen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Dezember 2010, 15:16:23
Das in § 106 GewO geregelte Bestimmungsrecht ist nicht mit der Preisbestimmungspflicht der Grundversorger nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 36 Abs. 1, 38, 2, 1 EnWG vergleichbar,
obschon auf beide § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

§ 106 GewO betrifft ein Bestimmungsrecht, welches etwa durch bestimmte Vertragsabreden abdingbar ist. Ist der Arbeitsort im Vertrag bereits fest vereinbart, kann er vom Arbeitgeber später nicht mehr einseitig bestimmt werden usw...

Die Vorschriften des EnWG betreffen eine unabdingbare, fortlaufende Preisbestimmungspflicht (vgl. BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 08. Januar 2011, 14:49:22
Nachdem in der Praxis immer noch vehement die Theorie vertreten wird, die Billigkeitskontrolle der Energiepreise sei deshalb ausgeschlossen, weil sich diese Preise im freien Wettbewerb bilden würden (sil. wußte gar nicht, dass Grundversorger die sich mit der Bildung Allgemeiner Preise befassen, \"den freien Wettbewerb\" darstellen), sei noch einmal auf die Entscheidung des BGH,  10.10.1991, Az.: III ZR 100/90 , unter Ziff. II.5.b.bb.) (http://http://www.energieverbraucher.de/files_db/dl_mg_1132064109.pdf) hingewiesen

Zitat
   (...) Daraus läßt sich indessen gegen die Zulässigkeit der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle    privatrechtlicher   Tarifordnungen  und Entgeltfestsetzungen nichts  herleiten.  Die Revision  berücksichtigt   insoweit  nicht, daß jene Ausführungen ihrem Gesamtzusammenhang und ihrer Zielsetzung   nach die Schutzbedürftigkeit des einzelnen  Bürgers  gegenüber  der Erschließung  illegaler   Finanzquellen  durch die öffentliche Verwaltung  herausstellen  sollten. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Aussage,  daß es durchgreifenden  rechtlichen Bedenken begegnen würde,  wollte man durch Allgemeine Geschäftsbedingungen  dem Bürger Entgelte  für Leistungen   abverlangen,  für die bei öffentlich-rechtlicher  Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses   Abgaben  nicht erhoben werden dürften  (aaO S. 97). Dieser am Schutzbedürfnis des betroffenen Bürgers orientierten   Erwägung  kann nicht entnommen   werden,  Unbilligkeiten,  die sich aus der einseitigen   Festsetzung   privatrechtlich geregelter Entgelte für Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge ergeben, müßten ohne gerichtliche Nachprüfung hingenommen   werden.   Demgemäß   hat der Senat schon im Urteil vom 24. November 1977 (aaO) hervorgehoben, die von Unternehmen  der Daseinsvorsorge im Privatrechtsverkehr  mit ihren Benutzern  verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten  sich einer willkürlichen Differenzierung zu enthalten, wenn sie noch als \"billig\" angesehen werden  sollten. Die Bindung  an die allgemeinen  Grundsätze   des Verwaltungshandelns  schließt also die Billigkeitskontrolle  nicht grundsätzlich  aus; sie kann vielmehr,  jedenfalls  soweit es dabei um die Beachtung  von Prinzipien geht,  denen - wie dem Gleichbehandlungsgebot   und dem Äquivalenzgrundsatz  - ihrerseits ein Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt  immanent ist, im konkreten  Fall wesentlich zur Rechtfertigung der Billigkeitsentscheidung beitragen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Januar 2011, 01:01:52
Die gerichtliche Billigekeitskontrolle gem. § 315 BGB ist immer dann eröffnet, wenn die Parteien bei Vertragsagsabschluss vereinbart haben, dass eine Partei nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen soll.

Sie ist auch dann eröffnet,  wenn sich die Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils aus einem Gesetz ergibt. Letzteres ist auch bei der Grundversorgung sowie bei der  Ersatzversorgung nach dem Energiewirtschaftsgesetz der Fall.

Nach § 36 Abs. 1 EnWG sind Grundversorger verpflichtet, die jeweiligen Allgemeinen Preise für die leitungsgebundene Belieferung mit Elektrizität und Gas zu bestimmen, sodann öffentlich bekannt zu geben und hiernach jeden Haushaltskunden, der dies fordert, zu diesen Preisen zu beliefern.
 
Grundversorger im Sinne von § 36 Abs. 2 EnWG sind Energieversorgungsunternehmen iSv. § 3 Nr. 38 EnWG und haben als solche bei der einseitigen Preisbestimmung der Allgemeinen Preise die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung zu beachten.

Diese gesetzliche Verpflichtung muss auch bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle Berücksichtigung finden (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Nach der Rechtsprechung unterliegen etwa auch die einseitig festgesetzten Honoransprüche der Patentanwälte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Die Frage, ob die Vertragspartei, die zur Leistungsbestimmung verpflichtet ist, in einem Wettbewerb steht, ist für die Anwendung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB  belanglos.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 10. Januar 2011, 20:44:28
Zitat
@RR-E-ft
Die Frage, ob die Vertragspartei, die zur Leistungsbestimmung verpflichtet ist, in einem Wettbewerb steht, ist für die Anwendung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB belanglos.

Sie greifen mit dieser Feststellung zu kurz.

Der VIII. Senat hat, als er begann sich auf die Versorgerseite zu stellen, am 28.03.2007 (VIII ZR 144/06) geradewegs für diese unselige (und unnötige, weil abwegige) Diskussion die Türen aufgestoßen. Ob bewußt oder unbewußt, sei dahin gestellt.

Denn dort war sich mit der Frage der Kontrolle des vereinbarten, aber einseitig gebildeten Preises zu befassen und über die Frage, ob dies deshalb möglich sei, weil der Versorger Monopolist sei und kein Wettbewerb stattfände.

Alle die, welche heute mit dem Ausschluß der Billigkeitskontrolle über § 315 BGB argumentieren, stoßen immer noch (ob unbewußt oder bewußt - eher wohl Letzteres) in\'s gleiche Horn. Und wie wir sehen, wird diese Auffassung, welche den angeblich bestehenden Wettbewerb fokussiert, zu einem nicht zu kleinen Teil von Gerichten (selbst Landgerichten) geteilt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Januar 2011, 21:30:53
Das mag an zu kurzen Armen liegen. ;)

In BGH VIII ZR 36/06 stand der Gasversorger (angeblich) in einem Wettbewerb.

Gleichwohl kam der BGH zutreffend zu dem Ergebnis, dass § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

Was der BGH jedoch auch in  jener Entscheidung VIII ZR 36/06 nicht beachtet hatte, war der Umstand, dass nach den gesetzlichen Regelungen des EnWG über die Preisbestimmungspflicht einzelne  Preisvereinbarungen mit Einzelkunden in diesem Bereich unzulässig und ausgeschlossen sind.

Schließlich ist der aufgrund der Preisbestimmungspflicht vom Versorger einseitig festgesetzte Preis von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, so dass es auch keine vereinbarte Preisuntergrenze geben kann, gerade weil die Preisbestimmungspflicht auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung nach Vertragsabschluss beinhaltet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Das hatte ich weiter oben detailiert dargelegt.

Zudem hat der BGH etwa in den Entscheidungen VIII ZR 56/08 und VIII ZR 246/08 zutreffend ausgeführt, dass in der Grundversorgung die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB auch dann Anwendung findet, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln, sprich wenn ein Wettbewerb zwischen mehreren Lieferanten besteht.

Dass dies von Gerichten zuweilen verkannt wird, kann auch daran liegen, dass man es ihnen nicht richtig erklärt hatte.

Juris novit curia scheint in diesem Bereich leider nicht zu gelten.
Die Gerichte kennen das materielle  Recht nicht, weil sie sich mit den rechtlichen Bestimmungen des EnWG bisher viel zu wenig befasst haben.
Man muss es ihnen deshalb erklären.

Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand) (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=69872#post69872)

Wenn eine Diskussion bereits einen gewissen Stand erreicht hatte, macht es wohl wenig Sinn, dann wieder im Urschleim zu graben.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 09. März 2011, 20:42:01
Die BGH-Rspr. des VIII. Senats zu § 315 BGB weist zwei gravierende Bruchstellen auf:

(1) die Implikation einer Vereinbarung zwischen Versorger und Abnehmer.
Wie sich nunmehr in vielen Fällen gezeigt und bestätigt hat, erfolgt eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien des Versorgungsvertrages i.S.v. § 36 EnWG, lediglich auf die Anwendung des Tarifs. Dies und nicht mehr gibt der Wortlaut gem. § 36 Abs. 1 EnWG her.
Ändert sich \"der\" Tarif während der Folgezeit, dann spezifiziert sich der in der Abrechung vorgetragene Preis auf der Grundlage der Jahresschlußrechnung.

(2) die Notwendigkeit eines Widerspruchs gegen die Preisbestimmung.
Der Unbilligkeitseinwand ist rechtstechnisch als Einrede gestaltet. Seine Beachtlichkeit darf sich demnach auch - und erst - im Prozeß des Versorgungsunternehmens ergeben. Weder ergibt sich aus § 315 BGB eine Frist für die Geltendmachung, noch überhaupt eine Pflicht hierzu, dann wenn der Versorger eine Schlußrechnung zustellt. Verwirkungskriterien kommen, wie der Kartellsenat erst Ende des vergangenen Jahres bestätigt hat, angesichts der modifizierten verkürzten Verjährungsbestimmungen, nur noch ganz ausnahmsweise in Betracht.

Diese Sollbruchstellen stellen eine - verhängnisvolle - Verquickung von Annahmen, Unterstellungen und Fiktionen des VIII. BGH-Senats dar, für die es keine Grundlage in den energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen gibt.

Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: jroettges am 10. März 2011, 00:13:07
Anhang 1 der Erdgasbinnenmarktrichtlinie (http://www.kayhausen.de/forum/EU_Erdgasbinnenmarktrichtlinie-Anhang_1.pdf)

Zitat
Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.

@tangocharly  - Eine Zwölf!

Man beachte besonders, was da (siehe Link) in Ziffer f) im Hinblick auf den Anspruch der Kunden auf \"transparente,  einfache und  kostengünstige Verfahren  zur Behandlung  ihrer Beschwerden\" gefordert ist.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat den Kunden in der Grundversorgung lediglich den Weg über eine Unbilligkeitseinrede nach BGB §315 (Welcher weitblickende Mensch hat das Paragraphenzeichen auf die Taste 3 gelegt?) gewiesen, gepflastert mit den Risiken eines teuren Gutachtens und der absurden Situation, ein solches nur über ein Gerichtsverfahren anzetteln zu können.

Wo sind die Verfahren  \" ... zur  außergerichtlichen  Einigung\" die \" ...eine gerechte und  zügige Beilegung  von  Streitfällen,  vorzugsweise innerhalb  von drei Monaten  ermöglichen und  für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem\" vorsehen ???

In der Versorgung außerhalb der Grundversorgung hat die Politik jahrelang zu dem Versuch der Versorgungswirtschaft geschwiegen, sich aus der Belieferungspflicht von Grundversorgern ergebenden Pflicht zur Bestimmung \"allgemeiner Bedingungen und Preise\" ein Recht zur einseitigen Preisanpassung zu stricken. Der BGH hat dazu auch noch mit großem Gewürge eine abenteuerliche Rechtkonstruktion gezimmert, an deren Tragfähigkeit ihm nun aber selbst späte Zweifel gekommen sind, nachdem das OLG Oldenburg schon beim EuGH nachgefragt hat.

Den Kunden außerhalb der Grundversorgung bleibt seit Mitte 2009 an den meisten Standorten der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Vorher waren sie auf die Platzhirsche angewiesen, die sich dabei Milliardengewinne unter die Nägel gerissen haben. Wenn jetzt in 2011 die Versorger davon etliches zurückzahlen müssen, ist das nicht mehr als recht.

Man kann nur hoffen, dass der EuGH da genau hinschaut und klare Worte zugunsten der Verbraucher findet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 10. März 2011, 13:10:30
@jroettges

Sie kommen hier wieder mit den Sonderverträgen. :rolleyes:
Weshalb eigentlich?

Dass ein im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Abschluss eines Sondervertrages feststehend vereinbarter Preis keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist in der Rechtsprechung geklärt und wird auch nicht in Zweifel gezogen.

In den im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Sonderverträgen  besteht keine gesetzliche Preisbestimmungspflicht wie die der Grundversorger gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.
Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen sind keine AGB und unterliegen deshalb weder der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, noch der EU- Klauselrichtlinie. Sie stehen auch im Übrigen nicht zur Kontrolle durch den EuGH, da es keinen entsprechenden Vorlagenbeschluss gibt. Die vorhandenen Vorlagenbeschlüsse beziehen sich - zutreffend - ausschließlich auf die richterliche Auslegung zu Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 29. März 2011, 21:20:29
Das Monstrum der \"Preisbestimmungspflicht\" geistert durch die Landschaft. Keiner weiß so richtig bescheid, wo sich seine Rechtsgrundlage befindet.

Dass ein \"Preisbestimmungsrecht\" als solches natürlich auch seiner Rechtsgrundlage bedarf, ist klar. Das soll hier auch nicht weiter vertieft werden. Lediglich eines soweit: Der Rechtsträger des Bestimmungsrechts hat einen Anspruch darauf, hierzu einseitig tätig werden zu dürfen. Dass auf dieses Bestimmungsrecht § 315 BGB Anwendung findet, ist ebenso klar. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt sich hierbei ja ständig und seit Jahren.

Dass nun eine \"Preisbestimmungspflicht\" eben auch einer Rechtsgrundlage bedarf, ist (m.E.) auch klar.

Keiner hat bislang diese Rechtsfrage so richtig schlüssig begründet. Auch in der Rechtsprechung des BGH hat man so seine Mühe, eine klare und aussagekräftige Grundlage hierfür zu finden. Der Anschein einer gewissen Nebulosität drängt sich immer wieder auf.

Es stellt sich die Frage, ob dann, wenn man dieses Rad drehen muß, ohne Rückgriff auf die energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auskommen kann.

Betrachtet man die  Entscheidungen einiger Tatsacheninstanzen, die sich mit der funktionalen Zuständigkeit auseinander setzen müssen, dann entsteht der Eindruck, dass dies nicht der Fall ist.

Denn der (Klage-) Anspruch ergäbe sich - deren Auffassung nach - eben nur aus § 433 Abs. 2 und § 315 BGB. Schön, wenn dem so sein sollte, dann müßte die Rechtsgrundlage für die \"Preisbestimmungspflicht\" auch in § 315 BGB angesiedelt sein. Darüber besteht schließlich - soweit ersichtlich - kein Streit, dass die Preise gesenkt werden müssen, wenn sich der Vertriebs- und Bezugsaufwand zu Gunsten des Abnehmers entwickelt hat.

Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".

Wenn aber im § 315 BGB eine \"Bestimmungspflicht\" geregelt ist (unterstellt), dann ergibt sich folgende Situation:
(1) Der Bestimmungsberechtigte kommmt einer Pflicht nicht nach  
(2) Wer eine Pflicht zu erfüllen hat, ist Schuldner einer Leistung (§ 241 BGB)  
(3) Folglich wird die andere Vertragspartei, die diese Leistung erwarten darf, nun ihrerseits Gläubiger der ihr gegenüber stehenden Vertragspartei (Versorger - damit dies klar wird).
(4) Wenn der andere Vertragspartner (sil.: Abnehmer) einen Anspruch auf Leistungsbestimmung haben soll, dann benötigt er hierfür einer Grundlage.

Fände sich nun hierfür nichts als die Bestimmungen gem. § 315 BGB, so müßte die Grundlage für eine Bestimmungspflicht auch dort zu finden sein.

Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 12.12.2006, Az.: 6 Sa 913/06 (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2006/6_Sa_913_06urteil20061212.html), in einer arbeitsrechtlichen Frage beschäftigt. Dabei wurde wie folgt argumentiert:

Zitat
Tz 75
aa ) Zwar weist die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des dritten Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.08.2004, Az.: 3 AZR 367 / 03 ( = DB 2005 , 732) darauf hin , dass erst mit der Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes oder einer entsprechenden gerichtlichen Leistungsbestimmung der einzelne monatliche Anspruch auf Zahlung einer höheren betrieblichen Altersversorgung fällig wird . Die Beklagte ist aber mit der Anpassungsentscheidung als solcher in Verzug geraten . Der Bestimmungsberechtigte ist gegenüber dem Vertragspartner zur Leistungsbestimmung verpflichtet . Dies ist zwar in § 315 BGB anders als in § 375 Abs . 1 HGB nicht eigens ausgesprochen . Die Pflicht des Bestimmungsberechtigten zur Leistungsbestimmung wird damit aber nicht in Frage gestellt . Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht ist nur deswegen unterblieben , weil im Rahmen des § 315 BGB diese Pflicht mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung eine Sonderreglung erfahren hat . Hinter der damit eingeführten Gestaltungsklage steht aber notwendig ein subjektives Recht des Gläubigers auf die begehrte Leistungsbestimmung ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflage 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ). Derjenige , der die Leistungsbestimmung schuldet , kommt zwar nicht mit der Leistung , als solcher aber mit dem Bestimmungsakt in Schuldnerverzug . In diesem Fall rechnet zum Schadensersatz nach § 280 Abs . 2 BGB auch der Folgeschaden , der daraus resultiert , dass wegen der verzögerten Leistungsbestimmung auch die Leistung verspätetet erfolgt ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflagen 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ).


Folgt man dieser Argumentation, dann ist die Rechtsgrundlage für eine Bestimmungspflicht geortet, d.h. nämlich darin dass sich die \"Leistungsbestimmungspflicht im Rahmen des § 315 BGB mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung\" begründet.

Konsequenterweise müßte dann aber der Gläubiger des Bestimmungsanspruchs eine Ersatzleistungsbestimmung bei Gericht beantragen, wenn er eine (andere) Bestimmung sucht, als diejenige, welche der Versorger getroffen hat. Konkret bedeutete dies, dass der Abnehmer, wenn der Versorger eine Absenkung der Preise \"vergessen haben sollte\", seinerseits einen Gestaltungsantrag bei Gericht anzubringen hätte.

Dies wiederum könnte er aber nur - nach dem Wortlaut von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - erst dann, wenn das Gericht (zuvor) die Unbilligkeit der Preisbestimmung des Versorgers festgestellt hat.

Sobald der Abnehmer mit seinem Widerspruch gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auftritt, hat er den Versorger unter Schuldnerverzug gesetzt, jedenfalls dann und damit, wenn und dass die Absenkung der Preise \"vergessen worden sein\" sollte.

Dies zieht dann aber die nächste Frage nach sich, ob der Abnehmer nicht doch noch unter Klagezwang geraten kann, wenn er eine Absenkung, der Pflicht des Versorgers entsprechend, der Preise erzwingen will. Darin beißt sich dann aber die höchstrichterliche Rechtsprechung wieder, worin nun schon seit Jahren zum Ausdruck gekommen ist, dass keine Klagepflicht besteht.

Allerdings muß es soweit ja nicht kommen, weil ja der Versorger, schlicht und ergreifend seinen Leistungsanspruch durchsetzen will, was ihn schon seinerseits veranlassen wird, einen entsprechenden Gestaltungsantrag (§ 308 ZPO) bei Gericht anzubringen.

Diese ganze Situation wäre natürlich weniger aufregend, gäbe es nicht die unvermittelbare Auffassung des VIII. BGH-Senats zur stillschweigenden Akzeptanz von Preisgestaltungen auf dem Sektor des \"Energieverbraucher-Rechts\".

Wollte man die Preisbestimmungspflicht als reinen Anspruch des anderen Vertragspartners auffassen und über diesen \"Pudding noch die Soße\" der Akzeptanzrechtsprechung des VIII. BGH-Senats darüber schütten, dann wäre man recht schnell bei dem \"Verwirkungsgesichtspunkt\". Schon wäre der Preis schnell wieder vereinbart und damit keiner Kontrollmöglichkeit nach § 315 BGB mehr unterzogen. Der Richter müßte nur noch das \"ansteigende Delta\" prüfen. Die Absenkungspflicht würde sich ins Nirwana aufgelöst haben.

Dabei hat doch der Kartellsenat am 29.04.2008, gestützt auf die Rechtslage zum Prüfungsumfang nach § 315 BGB, explizit zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtung zur Absenkung der Preise besteht, wenn dies für den Abnehmer günstig ist.

Abschließend soll noch auf den Einschubsatz in der o.a. Entscheidung des LAG Düdo hingewiesen werden, wonach eine gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht (in dem dort entschiedenen Sachverhalt) nicht erforderlich gewesen sein soll, weil es das gerichtliche Ersatzbestimmungsrecht gibt.

Das Energieverbraucherrecht weist in der Grundversorgung eine gesetzlich geregelte Bestimmungspflicht auf. Diese ist in § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 EnWG statuiert. Logischerweise hätte es dieser Normenkette nicht bedurft, wäre die Leistungsbestimmungspflicht nur in dem Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verstehen.

Verweigern die Instanzgerichte die Anwendung der soeben zitierten Normenkette, so verletzen sie dadurch das Gerechtigkeitspostulat. Das beginnt aber (und dies hat sich nun schon weit verbreitet) bereits bei der Verweigerung des Instanzenzugangs gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 29. März 2011, 22:52:18
@tangocharly

Die Preisbestimmungspflicht des Versorgers  kann entweder vertraglich vereinbart werden (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) oder sich aus einem Gesetz ergeben.

Eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht ergibt sich zB. aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.

Eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht gab es bereits zuvor im  EnWG, nämlich in

§ 6 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 10 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 6 Abs. 1 EnWiG 1935.

Besteht eine vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Preisbestimmungspflicht und ist diese nicht weiter konkretisiert, so findet § 315 BGB  auf diese Anwendung (vgl. § 315 Abs. 1 HS 1 BGB).

§ 315 BGB statuiert nie eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils, sondern setzt eine solche vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils tatbestandlich voraus.

Deshalb ist es halbwegs absurd anzunehmen, die Leistungsbestimmungspflicht müsste sich aus § 315 BGB ergeben.

§ 315 Abs. 3 BGB regelt die Rechtsfolgen für den Fall, dass einen Vertragsteil eine Leistungsbestimmungspflicht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB trifft, welche  sich ihrerseits wiederum entweder aus Vertrag oder aus Gesetz ergeben kann.

Das ist auch dann der Fall, wenn die vertragliche Preishauptabrede in der Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils besteht (so schon Mugdan Motive zum BGB (http://www.baurechtsexperte.de/315-bgb-motive-des-gesetzgebers-db30504.html)).  

Zitat
Derjenige Kontrahent, dem hiernach die Bestimmung der Leistung anheimgegeben worden, ist dazu durch den Vertrag verpflichtet. Als vertragliche Erklärung und im Sinne des Vertrages ist die Bestimmung, wenn sie dem anderen Theile gegenüber erklärt ist, getroffen und damit unwiderruflich (§ 315 Abs. 2). Auf die Erklärung finden im Uebrigen die allgemeinen Bestimmungen über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Anwendung.

In der Grundversorgung besteht die vertragliche Preishauptabrede in der (gesetzlichen und vertraglich implementierten) Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers. Und deshalb besteht in der Grundversorgung auch die gesetzliche  Verpflichtung des Versorgers zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].


Bitte das eigene EMail- Postfach kontrollieren. ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: superhaase am 30. März 2011, 07:21:04
Zitat
Original von tangocharly
Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".
Sicher ist in §315 BGB nicht begründet, warum einen Energieversorger eine Preisbestimmungspflicht trifft.
Dies ergibt sich wohl offensichtlich aus anderen Gesetzen oder Vorschriften, oder auch aus Verträgen (vielleicht auch einfach implizit).

Es ist aber sicher nicht richtig, zu sagen, in §315 BGB wäre von einem willkürlichen Recht zur Preisbestimmung durch eine Partei die Rede.
§315 BGB sagt in Satz 1:
Zitat
Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Das setzt m.E. durch das Wort \"soll\" schon eine Preisbestimmungspflicht voraus. Ansonsten stünde da wohl \"darf\".

ciao,
sh
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 10:04:39
Die Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung (vorliegend den zu zahlenden Preis) bestimmen soll (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). § 315 BGB findet zudem auch dann unmittelbare Anwendung, wenn sich die Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils aus dem Gesetz ergibt (BGH KZR 36/04, KZR 29/06 Rn. 19 f.).

Die Anwendung des § 315 BGB setzt bereits tatbestandlich immer eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils voraus.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht kann sich auch auf das vertraglich zu zahlende Entgelt (den Preis) beziehen.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht des Versorgers zugunsten der Kunden ist in der Grundversorgung (und nur dort) gesetzlich angeordnet (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 10:30:07
In der aktuellen \"Versorgungswirtschaft\" (Heft 3/2011, S. 66) ist ein Aufsatz von RA Brändle, der sich mit dem Ausschluss der Billigkeitskontrolle in Zeiten des Wettbewerbes beschäftigt.

Dort werden mehrere aktuelle Entscheidungen erläutert, die eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB generell ablehnen:

- LG Offenburg 15.10.2010, 5 O 83/08
- LG Frankenthal 15.06.2009, 2 HK O 34/09
- LG Münster 13.07.2010, 6 S 70/09
- LG Frankenthal 10.09.2009, 2 HK O 90/09
- AG Lübeck, 17.11.2009, 29 C 3561/09
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 10:36:20
@Black

Der Aufsatz von Brändle. (http://www.raepower.de/Dokumente/20110301_Br%C3%A4ndle_Versorgungswirtschaft.pdf)

Erläuterungsbedürftig sind die genannten Entscheidungen bei Lichte betrachtet allemal, weil sie mit der materiellen Rechtslage vollkommen unvereinbar sind.

Brändle hat sich wohl insbesondere nicht mit der rechtskräftigen Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30.12.2010 Az. 2 U 94/10 auseinandergesetzt, die wiederum auf der jüngsten Rechtsprechung des BGH gründet. Das OLG Stuutgart arbeitet dabei überzeugend heraus, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 56/08 Rn. 29, 36) die Billigkeitskontrolle Teil der gesetzlichen Regelung ist, gerade auch dann, wenn der betroffene Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln.

Dies wird - nicht zuletzt - auch bestätigt durch BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 29, 41 f., womöglich ebenfalls an Brändle vorbeigegangen.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers kann nicht ausgeschlossen werden, ebenso wie dessen Recht, die Preise im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu zu bestimmen.

Das bestehende gesetzliche Recht und die bestehende  gesetzliche Pflicht zur Preisbestimmung werden durch Wettbewerb in keiner Weise tangiert.

Bemerkenswert ist doch, dass die Entscheidung BGH VIII ZR 36/06 bereits darauf abstellt, dass der Gasversorger in einem Wettbewerb steht, der BGH dabei jedoch zutreffend festgestellt hat, dass dies für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB keine Relevanz hat.

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB wäre nur dann ausgeschlossen, wenn es kein Preisänderungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB und keine gesetzliche Verpflichtung zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden mehr gäbe.

Dass dies jedoch der Fall wäre, wird - soweit ersichtlich - von niemandem ernsthaft oder ernstzunehmend behauptet/ vertreten.



Die \"Versorgungswirtschaft\" ist dafür bekannt, dass sie klientelbedingt eher sich selbstgefällige Exotenmeinungen publiziert.
Meiner Meinung nach ist das Geld für ein Abo dieses \"Fachorgans\" deshalb auch schlicht \"aus dem Fenster geworfen\".
Deshalb beziehe auch ich sie nicht.

Auch der genannte Aufsatz von Brändle geht derart an der materiellen Rechtslage und der jüngeren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei, dass ich ihn für wissenschaftlich mangelhaft und  nicht zitierwürdig halte.

Zusammengetragen und unkritisch besprochen wurde von Brändle bei Lichte betrachtet lediglich  unvertretbare/ nicht haltbare  Rechtsprechung einzelner Instanzgerichte. M. E. nicht weiter diskussionswürdig.

Bei Lichte betrachtet unterliegen die Gasversorger vor Gericht oftmals nicht erst wegen der Billigkeitsfrage, sondern schon allein deshalb, weil es im konkreten Vertragsverhältnis an einer Preisbestimmungspflicht und einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 BGB fehlt (vgl. nur BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 f.), so dass schon die Voraussetzungen für eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitiger Preisbestimmungen schon nicht vorliegen (BGH VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08; OLG Oldenburg Az. 6 U 164/09; OLG Dresden Az. 9 U 93/10).

Dieser entscheidende Aspekt aus der Praxis  wird auch von Brändle vollkommen ausgeblendet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 30. März 2011, 12:09:32
Unterstellen wir einmal, mit @black, es sei Wettbewerb und es sei, ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, § 315 BGB deshalb ausgeschlossen, obwohl der Versorger einseitig, ermessengebunden seine Preise bestimmt hat.

Unterstellen wir weiter, dass \"ermessengebunden\" heißt: \"durch niemand überprüfbar\".

Wie lautet die Konsequenz ?

(1) Die Regelungen gem. § 36 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG sind außer Kraft ?
(2) EnWG gilt nur, wenn kein Wettbewerb stattfindet ?
(3) Europäischer Verbraucherschutz findet bei bestehendem Wettbewerb nicht statt ?
(4) Bestehender Wettbewerb beseitigt das Tatbestandsmerkmal \"Daseinsvorsorge\" ?

Also kurz: Wie, wodurch und wann kann begründet werden, dass die einer Vertragspartei eingeräumte Rechtsmacht nur noch \"mit (auf) den Füßen kontrolliert\" werden kann ?

P.S.:   (Versorger-hopping; eine Lachplatte).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 12:12:21
§ 315 BGB kennt für seine unmittelbare Anwendung kein Tatbestandsmerkmal \"Daseinsvorsorge\".
Ebensowenig ist \"nicht bestehender Wettbewerb\" ein Tatbestandsmerkaml für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB.


Auch die Honoraransprüche der Patentanwälte unterliegen zum Beispiel der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, unter Umständen auch die Honorare von Sachverständigen (BGH X ZR 80/05).

Patentanwälte und Sachverständige gibt es \"wie Sand am Meer\" und sie stehen untereinander im Wettbewerb.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 30. März 2011, 12:23:49
Zitat
Bitte das eigene EMail- Postfach kontrollieren. Augenzwinkern

Entweder ich  8) oder das Postfach  ;(
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 12:40:09
@tangocharly

Sowohl in der PN-Box dieses Forums als auch im E-Mail-Postfach Ihrer Kanzlei liegen aktuell Nachrichten von mir vor.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 30. März 2011, 12:56:42
Zitat
Original von superhaase
Es ist aber sicher nicht richtig, zu sagen, in §315 BGB wäre von einem willkürlichen Recht zur Preisbestimmung durch eine Partei die Rede.
§315 BGB sagt in Satz 1:
Zitat
Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Das setzt m.E. durch das Wort \"soll\" schon eine Preisbestimmungspflicht voraus. Ansonsten stünde da wohl \"darf\".

(1) Willkürlichkeit ist kein Argument. Würde es aber nur dann, wenn @black und alle anderen, die diese Theorie -contra legem- vertreten, Recht hätten.

(2) Das \"Soll\"-Argument taugt ebenso nicht. Hieraus ergibt sich keine \"Pflicht\" ! Vielmehr wird in diesem Kontext vorausgesetzt, dass entweder ein Recht oder eine Pflicht oder gar beides besteht. Die Rechtsfolge dieser Existenz ist, wie richtig zitiert, das billige Ermessen.

Ich lege Wert darauf, dass zwischen Bestimmungsrecht und -pflicht sauber differenziert wird. Und ich lege weiter Wert darauf, dass sich im Energieverbraucherrecht die Bestimmungspflicht konzeptiv aus den Bestimmungen gem. §§ 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG ergibt.

Ich sehe überhaupt keinen Ansatz dafür, dass sich ein Bestimmungsrecht und/oder eine Bestimmungspflicht aus § 315 BGB ergeben könnte. In § 315 BGB wird nur geregelt, was dann gelten soll, wenn ein Bestimmungsrecht und/oder eine Bestimmungspflicht besteht.

Und schließlich lege ich Wert auf die Feststellung, dass alle Gerichte einem Fehlurteil unterliegen, die zu der Annahme gelangen, dass sich der Klageanspruch (nur) aus § 433 Abs. 2, § 315 BGB herleite.

Dies zieht das weitere Fehlurteil nach sich, dass deshalb die Gerichtszuständigkeit beim Amtsgericht liege und die Bestimmungen gem. § 102 EnWG auf Fälle der Grundversorgung unanwendbar seien.

Ohne Energieverbraucherrecht (§§ 36, 2, 1) gibt es schon keinen vereinbarten Preis (wenn überhaupt). Ohne vereinbarten Preis gibt es keinen Anspruch ( § 433 Abs. 2 BGB). Ohne Anspruch gibt es keine schlüssige Klage. Ohne Schlüssigkeit gibt es nur eine Klagabweisung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 13:20:41
Die aktuelle Praxis:

LG Dortmund, Urt. v. 10.02.11 Az. 13 O 50/09 Kart. Zahlungsklage des Versorgers wegen mangelnden Billigkeitsnachweises abgewiesen (http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/dortmund/lg_dortmund/j2011/13_O_50_09_Kart_urteil20110210.html)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 14:11:52
Zitat
Original von tangocharly
Unterstellen wir einmal, mit @black, es sei Wettbewerb und es sei, ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, § 315 BGB deshalb ausgeschlossen, obwohl der Versorger einseitig, ermessengebunden seine Preise bestimmt hat.

Unterstellen wir weiter, dass \"ermessengebunden\" heißt: \"durch niemand überprüfbar\".

Wie lautet die Konsequenz ?

(1) Die Regelungen gem. § 36 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG sind außer Kraft ?

In § 36 EnWG steht nichts von Preiskontrolle und § 2 Abs. 1 EnWG verpflichtet die Versorger nur im Rahmen der nachfolgenden Normen des EnWG, aber nicht aus sich selbst heraus. § 2 Abs. 1 EnWG ist keine Anspruchsgrundlage. Das kann man in jedem Kommentar zum EnWG nachlesen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 14:40:24
§ 36 Abs. 1 EnWG statuiert eine Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB.

Der Allgemeine Tarif/ Allgemeine Preis ist gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18, VIII ZR 246/08 Rn. 41 f. ).

Für die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gilt die Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG (siehe auch BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 15:03:54
Zitat
Original von RR-E-ft
§ 36 Abs. 1 EnWG statuiert eine Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Wo steht das denn?

§ 36 EnWG legt nur fest, dass der Versorger seine Preise veröffentlichen  und zu diesen Preisen jedermann beliefern muss. Damit ist der Grundversorger nur verpflichtet ein vertragliches Angebot auf Versorgung zu diesem Preis abzugeben, dass der Kunde annehmen kann (oder nicht). Wenn der Kunde annimmt, dann ist laut BGH dieser Preis ja auch als Preissockel vertraglich vereinbart.

In § 36 EnWG steht aber nicht, dass nach Vertragsschluss noch irgendwelche Festlegungspflichten des Versorgers bestehen sollen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 15:31:19
@Black

Wie veröffentlicht der Grundversorger denn bitte schön Preise, wenn er solche nicht zuvor einseitig festgesetzt/ bestimmt hat?

Und schließlich muss er diese auch immer wieder neu festsetzen/ bestimmen  und wiederum öffentlich bekannt machen, schon um entsprechend gesetzlicher Verpflichtung rückläufige Kosten an die betroffenen Kunden weiterzugeben (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Aus § 2 Abs. 1 EnWG folgt unmittelbar, dass sinkende Kosten über Preisanpassungen zugunsten der betroffenen Kunden weiterzugeben sind. Ein feststehender Preis wird bei der Grundversorgung gerade nicht vereinbart. Es darf schon kein feststehender Preis vereinbart werden, welcher der gesetzlichen Preisanpassungspflicht des Grundversorgers zugunsten der betroffenen Kunden entgegenstünde. Die gesetzliche Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht des Grundversorgers kann und darf mit grundversorgten Kunden vertraglich nicht abbedungen werden.

Dem Grundversorger ist es vom Gesetzgeber aufgegeben, eigenverantwortlich unter Beachtung von § 2 Abs. 1 EnWG die jeweiligen [mithin zeitlich variable, \"atmende\", nicht feststehende] Allgemeinen Preise festzusetzen, zu denen er ausnahmslos jeden Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung beliefern muss.

Er muss die betroffenen Kunden zu diesen [von ihm festzusetzenden] jeweiligen Allgemeinen Preisen versorgen, § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Über diese jeweiligen Allgemeinen Preise kann der Grundversorger mit Einzelkunden jedenfalls kein \"Wunschkonzert\" veranstalten.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 15:49:46
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Wie veröffentlicht der Grundversorger denn bitte schön Preise, wenn er solche nicht zuvor einseitig festgesetzt/ bestimmt hat?

Nunja, vor allem veröffentlicht er sie vor Vertragsschluss, so wie es jeder andere Händler, der etwas zu verkaufen hat auch tut.

Wenn ein Preis aber schon vor Vertragsschluss bekannt ist und es vom Kunden abhängt, ob er zu diesem Preis den Vertrag eingeht oder nicht, dann kann liegt kein Fall des § 315 BGB vor. Denn § 315 BGB erfasst nur Fälle, bei denen die Parteien schon in einem Vertrag gebunden sind und dann eine Vertragspartei zugunsten der anderen Vertragspartei ein Bestimmungsrecht ausübt.

Auch eine Tankstelle hängt täglich ihre Benzinpreise deutlich sichtbar aus, auf das der Kunde entscheiden kann, ob er zu diesem Preis einen Vertrag eingeht oder nicht. Trotzdem kann der Kunde nicht erst tanken und dann behaupten die Tankstelle habe ihm gegenüber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt, weil sie ja die Verkaufspreise bestimmt habe.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 15:51:27
@Black

Sie wollen es nicht begreifen.

§§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV lässt keine Preivereinbarungen zu, die von der gesetzlichen Preisbestimmungs- und -anpassungspflicht des Grundversorgers abweichen.
Die vertragliche Preishauptabrede jedes Grundversorgungsvertrages muss deshalb entsprechend der gesetzlichen Regelung zwingend in einer Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht des Grundversorgers liegen.

Der Onkel an der Tankstelle muss nicht jeden tanken lassen. Zudem muss er nicht mit jedem den gleichen Preis vereinbaren.
Schon gar nicht ist der Onkel an der Tankstelle gesetzlich verpflichtet, den Kraftstoff so preisgünstig wie möglich zu verbraucherfreundlichen Bedingungen an die Kunden abzugeben.
Er kann und darf den Kraftstoff immer  so teuer wie möglich verkaufen und macht das aus wirtschaftlichem Eigennutz auch.

Sie vergleichen Äpfel mit Birnen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 30. März 2011, 16:13:49
Um Ihnen den Gang zum Augenoptiker zu ersparen (manchen Quellen im Leben sind so klein gedruckt, dass man ohne Ferngläser nicht auskommt):

Zitat
(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Und wenn der Versorger hieraus keine Pflicht hat, dann hat er auch kein Recht zur Bestimmung.....
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 16:41:42
Zitat
Original von tangocharly
Um Ihnen den Gang zum Augenoptiker zu ersparen (manchen Quellen im Leben sind so klein gedruckt, dass man ohne Ferngläser nicht auskommt):

Zitat
(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Und wenn der Versorger hieraus keine Pflicht hat, dann hat er auch kein Recht zur Bestimmung.....

Ich sagte es schon einmal: § 36 EnWG legt nur fest, dass der Versorger seine Preise veröffentlichen und zu diesen Preisen jedermann beliefern muss. Damit ist der Grundversorger nur verpflichtet ein vertragliches Angebot auf Versorgung zu diesem Preis abzugeben, dass der Kunde annehmen kann (oder nicht). Wenn der Kunde annimmt, dann ist laut BGH dieser Preis ja auch als Preissockel vertraglich vereinbart.

Vielleicht lesen Sie § 36 EnWG noch einmal? Es scheint mehr eine frage des Textverständnisses zu sein:

Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.

Zitat
Original von RR-E-ft
Der Onkel an der Tankstelle muss nicht jeden tanken lassen. Zudem muss er nicht mit jedem den gleichen Preis vereinbaren.
Schon gar nicht ist der Onkel an der Tankstelle gesetzlich verpflichtet, den Kraftstoff so preisgünstig wie möglich zu verbraucherfreundlichen Bedingungen an die Kunden abzugeben.
Er kann und darf den Kraftstoff immer  so teuer wie möglich verkaufen und macht das aus wirtschaftlichem Eigennutz auch.

Sie vergleichen Äpfel mit Birnen.

Sie haben Recht, die Tankstelle muss nicht jeden tanken lassen. Aber das ist auch schon der einzige Unterschied. Sobald der Tankwart Ihnen das Tanken nicht verweigert hat, ist die Situation die Gleiche. Sie kaufen Energie zu einem Preis der vorher einseitig vom Benzinversorger festgelegt wurde. Trotzdem übt der Benzinversorger Ihnen gegenüber kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB aus.

Auch der Onkel von der Tanke unterliegt gesetzlichen Einschränkungen bei der Preisfindung, aber das spielt in diesem Vergleich keine Rolle, denn die Preisfindung muss ja schon vor Veröffentlichung des Preises erfolgt sein.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 17:20:09
@Black


Der Grundversorger ist gesetzlich zu einer möglichst preisgünstigen Energieversorgung zu verbraucherfreuindlichen Bedingungen verpflichtet.
Der hinter dem Tankstellenpächter stehende Mineralölkonzern ist hingegen gesetzlich jedenfalls nicht zu einer möglichst preisgünstigen Energieversorgung verpflichtet und nimmt deshalb aus lauter Eigennutz immer den höchstmöglichen Preis. Er ist insbesondere auch nicht zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden verpflichtet, im Gegensatz zum Grundversorger, der einer solchen gesetzlichen Verpflichtung unstreitig unterliegt.

Zitat
Original von Black
Niemand bestreitet die Pflicht zur Tarifsenkung bei sinkenden Kosten.

Und deshalb verbleibt es bei einem untauglichen Vergleich von Äpfeln mit Birnen, so oft es auch wiederholt werden mag.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 17:41:47
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black


Der Grundversorger ist gesetzlich zu einer möglichst preisgünstigen Energieversorgung zu verbraucherfreuindlichen Bedingungen verpflichtet.
Der hinter dem Tankstellenpächter stehende Mineralölkonzern ist hingegen gesetzlich jedenfalls nicht zu einer möglichst preisgünstigen Energieversorgung verpflichtet und nimmt deshalb aus lauter Eigennutz immer den höchstmöglichen Preis. Er ist insbesondere auch nicht zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden verpflichtet, im Gegensatz zum Grundversorger, der einer solchen gesetzlichen Verpflichtung unstreitig unterliegt.

Zitat
Original von Black
Niemand bestreitet die Pflicht zur Tarifsenkung bei sinkenden Kosten.

Und deshalb verbleibt es bei einem untauglichen Vergleich von Äpfeln mit Birnen, so oft es auch wiederholt werden mag.

Auch Äpfel und Birnen haben Gemeinsamkeiten, die man vergleichen kann.

Auch der Tankstellenbesitzer darf seinen Preis nicht völlig frei bestimmen, er darf sich zum Beispiel nicht kartellrechtswidrig mit allen anderen Tankstellenbesitzern über den Preis absprechen. Freilich unterliegt er nicht den selben Einschränkungen wie der Grundversorger, aber darauf kommt es bei dem Vergleich nämlich gar nicht an.

Sie übersehen, nämlich den wesentlichen Punkt.  § 315 BGB findet auf Preise die schon vor Vertragsschluss festgelegt wurden keine Anwendung.

Wenn Grundversorger G heute den Preis X veröffentlicht und Kunde K sich in einer Woche entscheidet, zu diesem Preis einen Vertrag abzuschließen, dann übt G heute kein einseitiges Leistungsbestimmungrecht gegenüber K aus, weil K heute noch gar nicht in Erscheinug getreten ist und die Festlegung des G den K heute gar nicht bindet.

G übt aber auch in einer Woche (bei Vertragsschluss) kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem K aus, weil der Preis dann längst festgelegt und veröffentlicht ist und K diesem Preis durch Annahme ausdrücklich zustimmen muss.

Sie übersehen, dass fast jeder Verkäufer einer Ware in der Praxis den Preis zu dem er die Ware anbietet zuvor einseitig festlegt. Das ist aber keine einseitige Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, weil diese Festlegung noch niemanden bindet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 17:46:15
@Black

Dann vergleichen Sie eben auch weiterhin munter Äpfel mit Birnen miteinander.
Sie dürfen sich nur nicht wundern, wenn Ihnen dabei der Erkenntnisgewinn verwehrt bleibt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 17:54:31
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Dann vergleichen Sie eben auch weiterhin munter Äpfel mit Birnen miteinander.
Sie dürfen sich nur nicht wundern, wenn Ihnen dabei der Erkenntnisgewinn verwehrt bleibt.

Ich komme damit zu der selben Erkenntnis wie der 8. Senat des BGH, nämlich dass der Preissockel keiner Kontrolle nach § 315 BGB unterliegt.

Sie sind es der sich hier täglich darüber wundert, wie der BGH um alles in der Welt nur darauf kommen konnte.  :D
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 18:04:07
@Black

Ich wundere mich über gar nichts.

Ich wundere mich vor allem nicht darüber, dass Sie die gesetzliche Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18] nicht in Ihr Denkgebäude -  wenn es denn ein solches Denkgebäude überhaupt geben sollte -  einzubauen vermögen.

Sie stehen eben gedanklich weiter beim Obstverkäufer an der Ecke und vergleichen halt Äpfel mit Birnen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 19:29:28
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Ich wundere mich über gar nichts.

Ich wundere mich vor allem nicht darüber, dass Sie die gesetzliche Tarifbestimmungs- und -anpassungspflicht (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18] nicht in Ihr Denkgebäude -  wenn es denn ein solches Denkgebäude überhaupt geben sollte -  einzubauen vermögen.

Auch der Kartellsenat trifft nur eine Aussage zu einer Anpassungspflicht innerhalb des schon bestehenden Vertragsverhältnisses. Auch der Kartellsenat geht nicht soweit zu behaupten, dass der Preis der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart wird bereits einseitig vom Versorger i.S.d. § 315 BGB festgelegt wurde.

Denn:
Zitat
Original von Black
 § 315 BGB findet auf Preise die schon vor Vertragsschluss festgelegt wurden keine Anwendung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 19:34:33
Bekanntlich anders gesehen in BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff., wo für Preisbestimmungen in Form Allgemeiner Tarife eine künstliche Aufspaltung in einen vereinbarten Anfangspreis und einseitig bestimmte Folgepreise mit überzeugender Begründung abgelehnt wurde.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 30. März 2011, 19:38:12
Zitat
Original von RR-E-ft
Bekanntlich anders gesehen in BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff., wo für Preisbestimmungen in Form Allgemeiner Tarife eine künstliche Aufspaltung in einen vereinbarten Anfangspreis und einseitig bestimmte Folgepreise mit überzeugender Begründung abgelehnt wurde.

In der Entscheidung geht es um Netzentgelte und nicht um Allgemeine Tarife der Grundversorgung Sie Apfel und Birnenfreund  :D
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 30. März 2011, 19:47:36
@Black


Bekanntlich abstrahieren die Juristen. Der Kartellsenat des BGH sagt bekanntlich, dass es bei den Netzentgelten nicht viel anders sei als bei den jeweiligen Allgemeinen Tarifpreisen gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998.  

Zitat
BGH KZR 29/06 Rn. 20

Der jeweilige Netzbetreiber ist hiernach gehalten, nach Art eines Tarifs allgemeine Preise zu bilden, die den in vergleichbaren Fällen tatsächlich oder kalkulatorisch angesetzten internen Leistungsentgelten entsprechen und in den Verträgen mit externen Netznutzern nur unter-, aber nicht überschritten werden dürfen, wobei regelmäßig wegen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch eine Unterschreitung im Einzelfall ausscheidet.

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden

Ändern Sie doch Ihre persönliche Signatur in:
Ich bin in Eure Welt getreten, um Verwirrung zu stiften und bis zum jüngsten Tag Äpfel mit Birnen zu vergleichen. ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 30. März 2011, 23:31:57
Unterstellen wir einmal weiter, wie @black, § 36,1 EnWG beinhalte keine Preisbestimmungspflicht.

Dann, und das ist Gesetz der Logik, gibt § 36,1 EnWG auch kein Preisbestimmungsrecht.

Folglich greifen die Versorger in die Wolken und holen sich dort die Preise.

Könnten sie ja schon. Aber wollte der Gesetzgeber das, als er den § 36 EnWG schuf (und seine Vorgänger) ?

Kurz: Diese Diskussion darüber, ob sich ein Bestimmungsrecht und/oder eine Bestimmungspflicht aus § 36 EnWG ableitet, ist müsig und überflüssig.

Wohlgemerkt: Als der BGH am 29.04.2008 entschied, da berief er sich auf die Prinzipien der Billigkeitskontrolle im Bereich der Allg. Versorgung. Die dort statuierte Anpassungspflicht im Sonderkundenvertragsverhältnis hat ihre Grundlage dort (und dies bereits seit Jahren !). Selbst der VIII. Senat will das hinter den §§ 36 EnWG (bis hin zu den GVV\'s - § 39 EnWG -) stehende System ja in\'s Spiel bringen, wenn es um die Angemessenheit durch die Bestimmungspflicht geht (§ 307 BGB).

Wer den § 36 EnWG ausblendet, der zieht den Versorgern deren betriebswirtschaftliches Feigenblatt weg (wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass).

Kennen wir das nicht aus dem täglichen Leben ? Rechte - gut // Pflichten - böse.

Abschließend: Welche Rolle spielen §§ 36 ff., 1,1 u. 2,1 EnWG im System des Energieverbraucherrechts ? Wolkenkuckucksheim ? Kann man ja mal gelegentlich zitieren, macht sich schön in den Urteilsgründen (vgl. die oben von @RR-E-ft zitierte Entscheidung des LG Dortmund oder BGH v. 15.07.2009).
Tut mir leid, aber die bisher gelieferten Gegenansichten - viel zu dürftig !
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 10:48:44
Zitat
Original von tangocharly
Unterstellen wir einmal weiter, wie @black, § 36,1 EnWG beinhalte keine Preisbestimmungspflicht.

Dann, und das ist Gesetz der Logik, gibt § 36,1 EnWG auch kein Preisbestimmungsrecht.

Der Verkäufer einer Ware benötigt kein gesondertes gesetzliches Recht, damit er einen Preis festsetzen darf, zu dem er diese Ware auf dem Markt anbietet. Dieses Recht folgt aus dem Grundsatz allgemeiner Vertragsfreiheit.

Aber auch Sie scheinen noch nicht ganz verstanden zu haben, warum § 315 BGB auf den Anfangspreis keine Anwendung findet, auch wenn dieser vom Versorger einseitig festgelegt werden darf/muss.

Jeder Anbieter von Waren (ob Äpfel oder Birnen) ist gesetzlich verpflichtet diese Waren mit einem Preis zu kennzeichnen.

Pflicht zur Auszeichnung

Zitat
§ 2. Preisauszeichnungsgesetz
(1) Unternehmer haben die Preise für Sachgüter auszuzeichnen, sofern diese
1. sichtbar ausgestellt sind oder
 
2. in den Geschäftsräumlichkeiten in anderer Weise zum Verkauf bereitgehalten werden
.

Wenn der Verkäufer eine Ware gesetzlich verpflichtet ist, diese mit einem Preis zu kennzeichnen, dann muss er diesen Preis logischerweise vorher einseitig festlegen. Trotzdem würden sie wohl nicht auf die Idee kommen eine Preiskontrolle im Supermarkt nach § 315 BGB zu verlangen.

RR-E-ft hat argumentiert, dass eine Tankstelle oder ein Supermarkt ja auch nicht irgendwelchen Verpflichtungen zur Preisbestimmung (Preisgünstigkeit) unterliege und deshalb nicht mit einem EVU verglichen werden könne. Aber § 315 BGB verlangt für seine Anwendbarkeit gar keine solche besondere Verpflichtung. § 315 BGB verlangt nur das Ausüben eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes.

Wenn also schon die Festlegung und Veröffentlichung eines Preises vor Vertragsschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB sein sollte, dann müßte jeder Preis, den irgendein Verkäufer irgendeiner Ware (ob Äpfel oder Birnen) schon vor dem Verkauf einseitig festgelegt hat der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 31. März 2011, 11:47:00
@Black

Ich mache mir jetzt nicht die Mühe Ihnen noch einmal die bereits vielfach zitierte Rechtsprechung des BGH (siehe @RR-E-ft) noch einmal zu zitieren. Ich weiß, sie bringen dann wieder das Argument - war ja nicht Gasversorgung, sondern Netzentgelte (mir ist die Diskussion über Äpfel und Birnen zu blöd).

Nur soviel: Dass der Anfangspreis auch der Billigkeitsprüfung unterzogen werden kann, ist dann gegeben, wenn die Parteien dies vereinbart haben.

Aber Sie, @Black und natürlich auch der VIII. Senat - mit seinen nicht mehr nachvollziehbaren Ansichten - wissen ja, dass alle Energieverbraucher mit ihrem Versorger vereinbart haben, dass dessen Tarife billig sind und deshalb verbindlich, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB.

Tja, und weil das so ist, Sie und der VIII. Senat ja unbedingt recht Bescheid wissen, dann trifft dies natürlich auch in all den Fällen zu, in denen der Abnehmer bereits seit Jahren den Unbilligkeitseinwand erhebt, vom Versorger aus seinem Sondervertrag gekickt und nun in der Grundversorgung versorgt wird.

Es lebe die Akzeptanzrechtsprechung .....
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 31. März 2011, 12:25:01
@Black
... und sagen Sie nicht wieder: Er kann sich ja nen anderen Anbieter suchen, wenn er mit den Preisen nicht einverstanden ist:
Nein kann er nicht. Er hat eine negative Schufa-Auskunft und findet keinen Versorger, der ihm einen Sondervertrag anbietet. DESHALB muss (und will) er zwar in die Grundversorgung, aber will eben auch gesichert sehen, dass der Versorger in diesem Vertragsverhältnis mit GESETZLICHEN Vertragsbestimmungen, die  den Versorger zu einer preisgünstigen Versorgung zwingen, auf ihn angewendet werden.
Deshalb MUSS er zwar ins Vertragsverhältnis der GV (er will schließlich eine warme Wohnung und warmes Wasser haben), aber er widerspricht den veröffentlichten Preisen, da er diese für unbillig hält.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: superhaase am 31. März 2011, 15:08:18
Zitat
Original von Black
Der Verkäufer einer Ware benötigt kein gesondertes gesetzliches Recht, damit er einen Preis festsetzen darf, zu dem er diese Ware auf dem Markt anbietet. Dieses Recht folgt aus dem Grundsatz allgemeiner Vertragsfreiheit.
Geht es hier nicht um ein Dauerschuldverhältnis, wodurch die Sache eine ganz andere ist?
Insofern sind solche Vergleiche mit Äpfel Birnen oder Tankstellen doch Unfug, denn ich gehe weder mit dem Tankwart noch mit dem Obstverkäufer ein Dauerschuldverhältnis ein. Daher braucht es dort auch keine Preisanpassung innerhalb eines laufenden Vertrags.

DIe Diskussion dreht sich wohl inzwischen etwas abseits im Kreis.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 15:14:45
Zitat
Original von tangocharly
@Black

Ich mache mir jetzt nicht die Mühe Ihnen noch einmal die bereits vielfach zitierte Rechtsprechung des BGH (siehe @RR-E-ft) noch einmal zu zitieren.

Sie sind doch selbst ein Anhänger der Auffassung, dass z.B. die Rechtsprechung des BGH zum Preissockel nicht weiter beachtlich sei, weil der BGH damit angeblich ach so falsch liege. Und nun wollen Sie mich plötzlich ausgerechnet mit BGH Rechtsprechung zu Netzentgelten überzeugen, nur weil sie vom Kartellsenat stammt?

Sie beklagen sich über angeblich falsche BGH Rechtsprechung und wollen Ihre Rechtsauffassung selber mit BGH Rechtsprechung begründen?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 15:42:47
Zitat
Original von superhaase
Zitat
Original von Black
Der Verkäufer einer Ware benötigt kein gesondertes gesetzliches Recht, damit er einen Preis festsetzen darf, zu dem er diese Ware auf dem Markt anbietet. Dieses Recht folgt aus dem Grundsatz allgemeiner Vertragsfreiheit.
Geht es hier nicht um ein Dauerschuldverhältnis, wodurch die Sache eine ganz andere ist?
Insofern sind solche Vergleiche mit Äpfel Birnen oder Tankstellen doch Unfug, denn ich gehe weder mit dem Tankwart noch mit dem Obstverkäufer ein Dauerschuldverhältnis ein. Daher braucht es dort auch keine Preisanpassung innerhalb eines laufenden Vertrags.

Wir diskutieren hier die Frage, ob der Anfangspreis (also der Preis der vom EVU nach § 36 EnWG veröffentlicht wurde, bevor der Kunde den Vertrag abschließt) der Kontrolle des § 315 BGB unterliegt.

Und dafür ist es unerheblich, ob es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt.

Davon getrennt zu betrachten sind selbstverständlich Preisanpassungen innerhalb des laufenden Vertrages. Diese Anpassungen sind aber etwas Anderes als der vertragliche Preissockel. Genau deswegen unterscheidet ja der BGH zwischen Preissockel (keine Kontrolle) und später Preisanpassung (Kontrolle nach § 315). Aber die Kritiker dieser BGH Rechtsprechung können/wollen diese Unterscheidung des BGH nicht verstehen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 31. März 2011, 16:05:26
Zitat
Davon getrennt zu betrachten sind selbstverständlich Preisanpassungen innerhalb des laufenden Vertrages. Diese Anpassungen sind aber etwas Anderes als der vertragliche Preissockel. Genau deswegen unterscheidet ja der BGH zwischen Preissockel (keine Kontrolle) und später Preisanpassung (Kontrolle nach § 315). Aber die Kritiker dieser BGH Rechtsprechung können/wollen diese Unterscheidung des BGH nicht verstehen.

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Selten so gelacht.

Und der BGH und der VIII. Senat - oder umgekehrt. Na ja, ist ja auch egal.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 16:09:08
Zitat
Original von bolli
@Black
... und sagen Sie nicht wieder: Er kann sich ja nen anderen Anbieter suchen, wenn er mit den Preisen nicht einverstanden ist:
Nein kann er nicht. Er hat eine negative Schufa-Auskunft und findet keinen Versorger, der ihm einen Sondervertrag anbietet. DESHALB muss (und will) er zwar in die Grundversorgung.

Aha. Der typische Musterkunde aus Ihrer Sicht ist also der hochverschuldete mit Schufa-Einträgen, den schon gar kein anderer Versorger mehr haben will?

Diese Art von Kunden sollte froh sein, dass es so etwas wie einen Grundversorger überhaupt gibt, der sie auch mit negativer Schufa Bilanz noch versorgt.

Und es sind genau diese Kunden, die den Grundversorgungspreis so teuer machen:
Zitat
OLG Düsseldorf, VI 2 U (Kart) 14/08
Danach trifft den Grundversorger die Pflicht, alle Interessiert bis zur Grenze der Unzumutbarkeit anzuschließen. Der für die Grundversorgung maßgebliche Tarif muss daher auch diesesn Fallkonstellationen Rechnung tragen und daher - im Verhältnis zu anderen Tarifen - besonders hoch kalkuliert sein.

Zitat
Kammergericht Berlin, 21 U 160/06
Der Tarif muss schon wegen der Verpflichtung zur Versorgung in wirtschaftlich ungünstigen aber noch nicht unzumutbaren Fällen teurer als notwendig kalkuliert sein.
[/quote]
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 16:56:27
Zitat
Original von tangocharly
Zitat
Davon getrennt zu betrachten sind selbstverständlich Preisanpassungen innerhalb des laufenden Vertrages. Diese Anpassungen sind aber etwas Anderes als der vertragliche Preissockel. Genau deswegen unterscheidet ja der BGH zwischen Preissockel (keine Kontrolle) und später Preisanpassung (Kontrolle nach § 315). Aber die Kritiker dieser BGH Rechtsprechung können/wollen diese Unterscheidung des BGH nicht verstehen.

 :D    :D

Selten so gelacht.

Und der BGH und der VIII. Senat - oder umgekehrt. Na ja, ist ja auch egal.

Dass der BGH aus Senaten besteht und der VIII. Senat Teil des BGH ist, ist Ihnen aber bekannt oder? Und das jede Entscheidung des BGH von einem der Senate gefällt wird wissen Sie auch?

Oder glauben Sie nur eine Entscheidung aller Senate oder des großen Senates könne man als \"Entscheidung des BGH\" ansehen?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 31. März 2011, 18:36:18
Wir hatten irgendwie schon gesehen, dass Grunderversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich verpflichtet sind, jeweilige Allgemeine Preise [nach deren jeweiliger Festsetzung] öffentlich bekannt zu machen, um sodann...

Dann hatten wir noch erkannt, dass Grundversorger als Energieversorger gem. § 2 Abs. 1 EnWG gesetzlich zu einer möglichst ... preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen verpflichtet ist.

Da liegt natürlich die Frage nahe, wem gegenüber wann diese gesetzlichen Verpflichtungen des Grundversorgers bestehen.

Wir kommen sicher nicht umhin, uns die Frage nach dem Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 EnWG zu stellen, insbesondere wenn wir aus der einschlägigen Kommentierung entnehmen, dass der deutsche Gesetzgeber damit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der EU- Richtlinie Gas bzw. Elektrizität 2003 umsetzen musste und wollte.

Denn diesem maßgeblichen Willen des Gesetzgebers muss ja auch die Rechtsprechung Rechnung tragen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 18:49:13
Zitat
Original von RR-E-ft
Wir hatten irgendwie schon gesehen, dass Grunderversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich verpflichtet sind, jeweilige Allgemeine Preise [nach deren jeweiliger Festsetzung] öffentlich bekannt zu machen,


Unstreitig. Aber eine pflicht zur öffentlichen Bekanntgabe von Preisen begründet noch keine Anwendung des § 315 BGB.


Zitat
Original von RR-E-ft
Dann hatten wir noch erkannt, dass Grundversorger als Energieversorger gem. § 2 Abs. 1 EnWG gesetzlich zu einer möglichst ... preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen verpflichtet sind.


Streitig, da § 2 EnWG nach h.M. nur eine Gesetzeszielbestimmung ist, aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage des Kunden begründet.

Stellen Sie sich vor, der Gesetzgeber würde die Mineralölkonzerne zu einer \"möglichst preisgünstigen Versorgung mit Kraftstoff\" verpflichten. Dann könnte der Staat kontrollieren, ob der Mineralölkonzern diese Pflicht erfüllt. Aber der tankende Kunde hätte selbst dann kein Recht auf eine Billigkeitskontrolle des Benzinpreises nach § 315 BGB.


Zitat
Original von RR-E-ft
Da liegt natürlich die Frage nahe, wem gegenüber wann diese gesetzlichen Verpflichtungen des Grundversorgers bestehen.

Nein. Die Frage ist, wer diese Verpflichtung durchsetzen muss oder darf. Es gibt bekanntlich keinen allgemeinen Anspruch des Bürgers auf Gesetzesvollziehung. Wenn § 2 EnWG tatsächlich eine Pflicht des EVU konstatiert, dann ist es am Staat die Einhaltung dieses Gesetzes zu fordern. Jedenfalls ist § 2 EnWG keine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage des Kunden.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: superhaase am 31. März 2011, 18:50:11
Zitat
Original von Black
Genau deswegen unterscheidet ja der BGH zwischen Preissockel (keine Kontrolle) und später Preisanpassung (Kontrolle nach § 315).
Im §315 BGB wird aber nicht zwischen Preissockel und Preisanpassung unterschieden.
Es heißt nur,

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden ...\"

Es geht also um eine Preisbestimmung.
Und allein diese einseitige Preisbestimmung ist in einem solchen Dauerschuldverhältnis wie beim Gasbezug vereinbart - und keineswegs ein Preis.
Wie man da eine Anpassung irgendeines Sockelpreises hineininterpretieren kann, ist mir wirklich ein Rätsel.

Der logische Widerspruch eines Sockels, der dann doch bei einer Anpassung unterschritten werden kann, wenn die Kosten sinken, ist sowieso unverständlich.

Auch ist im §315 BGB und nirgendwo sonst in Gesetzen davon die Rede, dass durch unbeanstandetes Zahlen eines variabel einseitig festgesetzten Preises ein neuer Sockel gebildet würde, der dann unter bestimmten Umständen doch wieder kein unantastbarar Sockel sein soll.
Das ist doch alles eine unlogische Willkürlichkeit sondergleichen.

Und den Widerspruch der gesamten Sockeltheorie zu dem Preisspaltungsverbot, das in der Grundversorgung gilt, haben Sie auch noch nicht ausräumen wollen bzw. können.

ciao,
sh
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 19:01:37
Zitat
Original von superhaase
Im §315 BGB wird aber nicht zwischen Preissockel und Preisanpassung unterschieden.
Es heißt nur,

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden ...\"

Es geht also um eine Preisbestimmung.

Eben. Und der Anfangspreis (Sockel)  ist nicht einseitig \"durch einen Vertragsschließenden bestimmt\" sondern einvernehmlich vereinbart. Daher fällt er nicht unter § 315 BGB.

Jetzt könnten Sie sagen \"aber der Versorger hat den Anfangspreis doch auch \"bestimmt\". Aber diese Bestimmung meint der § 315 BGB nicht. Das hatte ich oben ja bereits geschrieben. Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen für die angebotene Ware einen Preis festlegt, löst noch keine Billigkeitskontrolle aus. Sonst wäre eben auch der vom Tankwart \"festgelegte Preis\" nach § 315 BGB überprüfbar.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 31. März 2011, 19:06:41
@Black

Bei Lichte betrachtet nennt § 1 Abs. 1 EnWG die Ziele.
§ 2 Abs. 1 EnWG enthält hingegen eine klare gesetzliche Verpflichtung.
Denn eine solche ergibt sich ja bereits dem Wortlaut nach.

Wir müssen natürlich der Frage nach Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 EnWG und dem Willen des Gesetzgebers auch mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der zugrunde liegenden EU- Richtlinien stellen, insbesondere auch, wenn wir in der Vorschrift des § 36 Abs. 1 EnWG auch ein Preisspaltungsverbot erkennen können.

Wir werden wohl zügig erkennen müssen, dass es mit den Preisen für Äpfel und Birnen jedenfalls überhaupt nichts zu tun hat.

Wem gegenüber ist denn nun der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG wann zur jeweiligen Festsetzung und öffentlichen Bekanntgabe der jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung von § 2 Abs. 1 EnWG und auch zur Versorgung zu eben diesen jeweiligen Allgemeinen Preisen verpflichtet?

Wer kann deshalb gegen den Grundversorger einen entsprechenden Anspruch aus § 36 Abs. 1 EnWG verfolgen?

Wenn eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers zur Preisbestimmung gegenüber bestimmten Kunden  unter Beachtung von § 2 Abs. 1 EnWG (gerade weil § 36 EnWG eine Vorschrift dieses Gesetzes ist) besteht, dann liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB vor.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 31. März 2011, 19:22:19
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Bei Lichte betrachtet nennt § 1 Abs. 1 EnWG die Ziele.
§ 2 Abs. 1 EnWG enthält hingegen eine klare gesetzliche Verpflichtung.
Denn eine solche ergibt sich ja bereits dem Wortlaut nach.

Bei Lichte betrachtet besteht die Pflicht nach § 2  EnWG \"im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes\" daher \"kommt der Bestimmung deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu\" (Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, Kommentar zum EnWG, zu  2, Rn. 2).

§ 2 EnWG begründet keine eigenständigen, rechtlich verbindlichen und durchsetzbaren Versorgerpflichten. (Hellermann aaO Rn. 8  ).

Wenn man also schon nach \"Sinn und Zweck\" von Vorschriften fragen möchte, dann sollte man zumindest die Mühe nicht scheuen einmal näher in die Kommentierung eines Gesetztes zu schauen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 31. März 2011, 19:33:09
@Black

Ich habe die Kommentierung von Hellermann gelesen, kann dieser indes nichts abgewinnen.

Im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes bedeutet gerade auch, dass dies für die Preisbestimmungspflicht des § 36 Abs. 1 EnWG gilt. Denn die Preisbestimmungspflicht wie auch die Versorgungspflicht zu den entsprechenden jeweiligen Allgemeinen Preisen liegt ja gerade im Rahmen dieses Gesetzes.

§ 36 Abs. 1 EnWG gibt betroffenen Kunden einen konkreten individuellen Anspruch, nämlich auf Versorgung zu den jeweiligen unter Beachtung von § 2 Abs. 1 EnWG jeweils einseitig festgesetzten Allgemeinen Preisen.

Hellermann liegt mit der genannten Kommentierung daneben, wenn dort zum Ausdruck gebracht wird, der Norm komme keine Bedeutung zu. Natürlich bestand die gesetzliche Verpflichtung der EVU zur Versorgung unter Beachtung von § 1 EnWG bei der Preisbestimmung schon zuvor (vgl. nur BGH VIII ZR 240/90).
Insoweit mag es nichts Neues sein. Der Gesetzgeber hielt aber dafür, dass den Gesetzesanwender die bereits früher bestehende Verpflichtung nunmehr klar vor Augen geführt werden und gesondert geregelt werden sollte, insbesondere unter dem Eindruck, dass sich die Versorger nicht mehr darum scherten.
 

Nicht berücksicht wird, dass der Gesetzgeber mit § 36 Abs. 1 EnWG Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EU RL Gas/ Elt 2003 umsetzen musste und wollte.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 31. März 2011, 20:23:09
In Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EU RL Gas/Elt 2003 hat der deutsche Gesetzgeber in § 36 Abs. 1 EnWG festgelegt, dass lediglich Haushaltskunden im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG und diese lediglich gegen den Grundversorger gem. § 36 Abs. 2 EnWG  Anpruch auf Versorgung haben und hierbei lediglich aber jedenfalls ausschließlich zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger jeweils unter Beachtung seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG einseitig festsetzen und öffentlich bekannt geben muss.

Nichts anderes ergibt sich aus § 6 Abs. 1 GVV.

In der Grundversorgung besteht hingegen kein Anspruch auf Versorgung zu einem vereinbarten Preis unter Ausschluss der Preisbestimmungs- und -anpassungspflicht des Grundversorgers.

Bei seiner jeweiligen einseitigen Preisbestimmung, die der Grundversorger jedenfalls treffen muss,  kann und darf er jedenfalls keinerlei Preisvereinbarungen mit einzelnen betroffenen Kunden berücksichtigen oder zu Grunde legen.

Will man demnach dessen jeweilige einseitige Preisbestimmung auf deren Billigkeit hin kontrollieren, darf man deshalb bei Meidung willkürlicher Ergebnisse auch nicht auf geschlossene Preisvereinbarungen abstellen, schon weil der jeweils einseitig bestimmte Preis für alle betroffenen Kunden gleichermaßen Geltung beanspruchen soll und muss  (BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG erlangt im Rahmen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle der jeweiligen einseitigen Preisfestsetzung des Grundversorgers gem. § 315 Abs. 3 BGB Bedeutung und muss bei dieser jedenfalls Berücksichtigung finden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, bereits BGH VIII ZR 240/90).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 31. März 2011, 21:37:24
Zitat
Original von Black
Bei Lichte betrachtet besteht die Pflicht nach § 2  EnWG \"im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes\" daher \"kommt der Bestimmung deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu\" (Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, Kommentar zum EnWG, zu  2, Rn. 2).

§ 2 EnWG begründet keine eigenständigen, rechtlich verbindlichen und durchsetzbaren Versorgerpflichten. (Hellermann aaO Rn. 8  ).

Wenn man also schon nach \"Sinn und Zweck\" von Vorschriften fragen möchte, dann sollte man zumindest die Mühe nicht scheuen einmal näher in die Kommentierung eines Gesetztes zu schauen.

Na jetzt kommen Sie aber - zusammen mit Hellermann - auf Schlittschuhen daher.
Sollten Sie die Auslegungsregeln nicht kennen ?
Die Grenze der Auslegung einer Norm ist deren Wortlaut.
Alles andere ist Rechtsfortbildung - und da wissen wir ja, dass Sie zusammen mit dem VIII. Senat ein Fan (=Wirbelgerät) von sind.

Könnten Sie mir mal erläutern, wie Sie auf die Idee kommen, dass ein klarer und eindeutiger Gesetzesbefehl keine Verhaltenspflicht auslöst, sondern nur einen Überlegungsanstoß.

Diesen Unsinn mit den Zweckbestimmungen der §§ 1 u. 2 EnWG hat doch wohl nur einer Ihrer Protagonisten aus der Energiewirtschaft in die Welt gesetzt. Und das LG Göttingen u.a. beteten dies schlicht nach, weil dort das System der §§ 102 ff. EnWG nicht verstanden wurde.

Mit diesen Ansichten gelangt man zu einer Kette von Unanwendbarkeiten - und nur einer beißt hierbei ins Grass, dank der Akzeptanzrechtsprechung des VIII. Senats (pardon; des BGH).

Bindung und Verbindlichkeit ist halt nicht immer was für Alle (Ihr Argument kenne ich schon: Nichtbezahlung von Gas ist auch unverbindlich - steht aber so im Gesetz, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 31. März 2011, 23:23:01
Die materielle Rechtslage, wie sie sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt, erscheint mir eindeutig:

Jeder Haushaltskunde, der Interesse an einer möglichst sicheren, möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Strom oder Gas im Sinne von §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG hat, hat einen gesetzlich verbürgten (klagbaren) Anspruch hierauf gegenüber dem betreffenden Grundversorger. Nur so konnte der deutsche Gesetzgeber der Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1   EU-RL Strom/Gas 2003 entsprechen.

Die Versorgung muss dabei nach der gesetzlichen Regelung  zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger jeweils unter Beachtung seiner Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG einseitug festsetzen muss.

§ 6 Abs. 1 GVV verpflichtet den Grundversorger alle Maßnahmen zu unternehmen um die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zu gewährleisten.

Die Versorgung muss jedenfalls zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger einseitig festzusetzen und zu bestimmen verpflichtet ist. Sie kann und  darf dabei insbesondere nicht zu einem vertraglich vereinbarten, feststehenden Preis erfolgen.

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages wird kein feststehender Preis vertraglich vereinbart, sondern vereinbart wird die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen  Preisen, die der Grundversorger unter Beachtung seiner Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG auch nach Vertragsabschluss jeweils bestimmen soll und muss.

Entscheidend ist, dass der Grundversorger nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung dabei gesetzlich auch dazu verpflichtet ist, den jeweiligen Allgemeinen Preis abzusenken, soweit ihm dies möglich und den betroffenen Kunden günstig ist (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Bei dieser Preisbestimmungspflicht im laufenden Vertragsverhältnis handelt es sich um einen enstscheidenden Umstand, den viele bei ihren umfangreichen Überlegungen immer wieder ausblenden, so wohl auch Black.

Wer diese Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers mit einer Preisauszeichnungspflicht nach PAngV in Zusammenhang bringt, der möchte wohl selbst damit nicht ernst genommen werden. Er betätigt sich als Roßtäuscher.

Es gibt also aufgrund der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers insbesondere  jedenfalls auch keine vertraglich vereinbarte Preisuntergrenze, die einige wohl als \"Sockel\" bezeichnen würden.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht, die zugleich auch für jeden Grundversorgungsvertrag charakteristisch ist, entfällt auch nicht dadurch, dass der Versorger in einem Wettbewerb steht und der Kunde die Möglichkeit hätte, den Lieferanten zu wechseln. Die gesetzliche Regelung geht ja bereits selbst davon aus, dass nicht jeder Versorger Grundversorger im Sinne von § 36 Abs. 2 EnWG und deshalb von den besonderen gesetzlichen Pflichten betroffen ist.  

Wer hingegen einen Vertrag abschließt mit bei Vertragsabschluss feststehenden Preis ohne Preisbestimmungspflicht des Versorgers, der wird nicht innerhalb der Grundversorgung beliefert, sondern hat einen Sondervertrag.

Und wenn ein Vertragsteil die Leistung nach Vertragsabschluss bestimmen soll, so wie es in der Grundversorgung nach der gesetzlichen Regelung nun einmal der Fall ist, so ist § 315 BGB tatbestandlich, gleichviel, ob sich die Bestimmungspflicht des Vertragsteils aus Vertrag oder aus Gesetz ergibt.

Wer in diesem Zusammenhang nun an seinen Obsthändler an der Ecke oder an seine Tankstelle denkt, der hat schlicht ein falsches Bild im Kopf, weil es sich dort nach der materiellen Rechtslage fundamental anders verhält.

Wenn der Tankwart entsprechend der vertraglichen Abrede nach Vertragsabschluss den Preis bestimmen soll, dann findet auch dort § 315 BGB Anwendung.

Da es dabei jedoch an einer gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung fehlt, wird er seine Preisbestimmung nach anderen Kriterien treffen können, als anhand der notwendigen Kosten einer sicheren wie  effizienten Versorgung. Gäbe es hingegen für den Tankwart eine gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effzienten Versorgung, dann würde diese auch dort bei der Billigkeitskontrolle der von ihm getroffenen  Preisbestimmung Berücksichtigung finden.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: bolli am 01. April 2011, 07:53:45
Zitat
Original von Black
Zitat
Original von bolli
@Black
... und sagen Sie nicht wieder: Er kann sich ja nen anderen Anbieter suchen, wenn er mit den Preisen nicht einverstanden ist:
Nein kann er nicht. Er hat eine negative Schufa-Auskunft und findet keinen Versorger, der ihm einen Sondervertrag anbietet. DESHALB muss (und will) er zwar in die Grundversorgung.

Aha. Der typische Musterkunde aus Ihrer Sicht ist also der hochverschuldete mit Schufa-Einträgen, den schon gar kein anderer Versorger mehr haben will?

Diese Art von Kunden sollte froh sein, dass es so etwas wie einen Grundversorger überhaupt gibt, der sie auch mit negativer Schufa Bilanz noch versorgt.
Na ja, jetzt tun Sie mal nicht so, als ob das alles so gegen den Strich der Versorger ginge. Schließlich DARF er gerade mit dieser Begründung seinen allgemeinen Tarif ja (deutlich) höher kalkulieren, auch wenn es ja Ihrer Meinung nach nicht so viele dieser Kunden gibt. Das ist doch ein nettes Zubrot.  :D

Sie werden sich wundern, wie viele Kunden mit Schufa-Einträgen in der heutigen Zeit mit aufgeschwatzen Krediten, Hypotheken und anderen Geldgeschäften durch \"seriöse\" Berater existieren. Und abgelehnt wird man heutzutage von den Versorgern auch fix, schließlich will keiner ein Risiko eingehen sondern nur eine maximale Rendite einfahren (ich weiss, auch die \"Normalbürger\" als Aktieninhaber der Versorgeraktien wollen dieses. Aber das ist ein anderes Thema.  :( ).
Aber auch (oder gerade) die oben angesprochene Klientel wollen FAIRE Preise und nicht einen willkürlich kalkulierten Preissockel, der nicht der gesetzlichen Vorgabe auf u.a. preisgünstige Versorgung entspricht, gegen den man aber nach Ansicht des VIII. Senats eben leider nichts (mehr) machen können soll.  8)

Es ist doch auch nicht die Frage, wie weit verbreitet diese Kunden sind. Es ist nur EIN Beispiel dafür, dass die (Preissockel-)Theorie des VIII. Senats ne Menge Schlaglöcher enthält und demzufolge sehr holprig durch die Gegend fährt. Aber statt den Weg mal komplett neu zu sanieren, sagt man lieber \"ne, ne, der Weg ist ja zu 90% noch in Ordnung. Den Rest flicken wir.\" So sieht das dann bei den Einzelentscheidungen auch aus.

Früher hat man darüber geklagt, dass einige Dinge nicht klar genug im Gesetz stehen. NUN stehen sie klar im Gesetz und man interpretiert daran herum, warum denn doch nicht sein kann, was nicht sein darf. Wenn\'s nicht so traurig wäre, wär\'s einfac nur amüsant.  :evil:
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 10:40:14
Die rote Farbe wurde von mir zu Hervorhebungszwecken benutzt.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 ff.

Daraus ergibt sich aber nicht, dass auch die gegenüber den Sonderkunden der Beklagten erfolgenden Preisänderungen wie bei dem gesetzlichen Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 20; BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26).

Bei kundenfeindlichster Auslegung kommt vielmehr auch ein Verständnis der Klausel in Betracht, nach dem der Beklagten wegen der festen Koppelung der Preisänderungen an die Änderungen der Grundversorgungspreise kein Ermessensspielraum zusteht und deshalb keine Billigkeitskontrolle stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, WM 2007, 40, Tz. 19).  

(a) Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Prüfung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand, denn sie stellt keine unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV dar, weil es an der Möglichkeit der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB fehlt.

(b) Selbst wenn man die Klausel dahin verstehen wollte, dass aus der Koppelung an die Preisänderungen der Beklagten gegenüber Grundversorgungskunden zugleich die Bindung auch der im Verhältnis zu Sonderkunden erfolgenden Preisänderungen an den Maßstab billigen Ermessens folgte, verstieße die Klausel gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB).

Denn ein solcher Verstoß liegt unter anderem auch dann vor, wenn eine Formularbestimmung die Rechtslage irreführend darstellt und es dem Verwender dadurch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzuwehren (Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567, unter II 2; Staudinger/Coester, BGB (2006), § 307 Rdnr. 192; jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil sich - wie bereits dargelegt - aus der Klausel nicht hinreichend deutlich ergibt, dass die Preisänderungen der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen und dem Kunden damit eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.

(2) Die Preisanpassungsregelung der Beklagten entspricht auch im Übrigen inhaltlich nicht in vollem Umfang der Regelung in § 5 Abs. 2 GasGVV. Danach werden Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss (Satz 1). Ferner ist der Grundversorger verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen (Satz 2).

Diese Vorschriften gewährleisten im Zusammenhang mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV, nach der der Grundversorgungsvertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden kann, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 35 f.).


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29

Die Formulierung (\"darf\") lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV und der anschließenden Formulierung: \"Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.\" Daraus ergibt sich zwar, dass die Beklagte, wenn sie eine Preisänderung vornimmt, an die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV und an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sein soll. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.


Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 36

Im Gesamtzusammenhang gewährleisten die Vorschriften damit, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wechseln.

Mit anderen Worten:

Fehlt es im konkreten Vertragsverhältnis an der Verpflichtung des Versorgers  zur Preisanpassung zugunsten des Kunden nach Vertragsabschluss und/ oder auch an  der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung gem. § 315 BGB, so handelt es sich jedenfalls  um einen Sondervertrag (mit nicht  wirksamer Preisänderungsklausel) [BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29].

Das folgt unmittelbar daraus, dass nach der gesetzlichen Regelung und auch jedem Grundversorgungsvertrag die Verpflichtung des Grundversorgers besteht, den Preis nachträglich zugunsten des Kunden anzupassen und dem Kunden dabei die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle offen steht und nach der gesetzlichen Regelung offen stehen muss.


Die gesetzliche Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung kommt immer bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle einseitiger Preisbestimmungen des Energieversorgungsunternehmens zum Tragen.


Zitat
BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43

bb) Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe sol- cher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden un- ternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiser- höhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte.

Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutref- fend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG erge-benden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltver- träglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgeen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist.


Damit, ob der betroffene Kunde eine negative SCHUFA hat oder nicht, steht es nicht im Zusammenhang.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 10:57:01
Zitat
Original von tangocharly
Zitat
Original von Black
Wenn man also schon nach \"Sinn und Zweck\" von Vorschriften fragen möchte, dann sollte man zumindest die Mühe nicht scheuen einmal näher in die Kommentierung eines Gesetztes zu schauen.

Na jetzt kommen Sie aber - zusammen mit Hellermann - auf Schlittschuhen daher.
Sollten Sie die Auslegungsregeln nicht kennen ?
Die Grenze der Auslegung einer Norm ist deren Wortlaut.
Alles andere ist Rechtsfortbildung - und da wissen wir ja, dass Sie zusammen mit dem VIII. Senat ein Fan (=Wirbelgerät) von sind.

Sie scheinen eher auf Schlittschuhen durch das Studium gekommen zu sein (falls Sie überhaupt Jurist sein sollten).

Mythos § 2 EnWG (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=81672#post81672)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 11:30:03
@Black

Bei der wegweisenden Entscheidung OLG Stuttgart ZNER 2011, 69, die von ihm erstritten wurde, kann man nicht davon ausgehen, dass der Kollege sein Studium nicht mit Erfolg absolviert habe und vor allem auch später angesichts der energiewirtschaftsrechtlichen Grundlagen stets auf der Höhe der Zeit blieb, was man von anderen nicht behaupten kann.

So mancher jüngerer Kollege scheint den Überblick über die maßgeblichen Rechtsgrundlagen verloren zu haben.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 11:37:23
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Bei der wegweisenden Entscheidung OLG Stuttgart ZNER 2011, 69, die von ihm erstritten wurde, kann man nicht davon ausgehen, dass der Kollege sein Studium nicht mit Erfolg absolviert habe und vor allem auch später angesichts der energiewirtschaftsrechtlichen Grundlagen stets auf der Höhe der Zeit blieb, was man von anderen nicht behaupten kann.

So mancher jüngerer Kollege scheint den Überblick über die maßgeblichen Rechtsgrundlagen verloren zu haben.

Dann gratuliere ich ihm für seinen Erfolg vor Gericht. Aber gerade dann sollte er wohl die Bedeutung von Gesetzeskommentierungen kennen und vielleicht auch die eine oder ander davon in seinem Bücherregal haben um gelegentlich einmal hineinzuschauen.

Zudem sollte er in der Lage sein, zu erkennen, dass Prof. Dr. Hellermann keine unzulässige Rechtsfortbildung betreibt und in der Literatur auch nicht der einzige ist der § 2 EnWG so bewertet.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 11:39:33
Für seinen Erfolg kam es doch auf die Kommentierung gar nicht an, sondern vielmehr auf seine Kenntnis von der Rechtslage und seine überzeugende Argumentation auf dieser Grundlage gegenüber dem OLG Stuttgart.

Die vielen Bücher im Regal helfen nicht weiter.
Man muss es auch im Kopf haben, und wenn man etwas im Kopf hat, muss man es klug benutzen.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 11:41:24
Zitat
Original von RR-E-ft
Für seinen Erfolg kam es doch auf die Kommentierung gar nicht an, sondern vielmehr auf seine Kenntnis von der Rechtslage und seine überzeugende Argumentation auf dieser Grundlage gegenüber dem OLG Stuttgart.

Die vielen Bücher im Regal helfen nicht weiter.
Man muss es auch im Kopf haben.  ;)

Tja, dann können Sie sich jetzt ja auch das Zustandekommen der Rechtsprechung des VIII. Senates erklären.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 11:45:39
@Black

Die kann ich - nicht nur - mir schon lange erklären.
Ich weiß nur nicht, ob Sie sich die - noch - erklären können.

Ich meine damit zB. die jüngere Rechtsprechung zur bestehenden Preisanpassungspflicht zugunsten der betroffenen Kunden nach Vertragsabschluss und die gerichtliche Überprüfung von Preisanpassungen gem. § 315 BGB unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.

Zu welchen Erkenntnissen Sie in der Lage sein sollten, möchte ich mich hier nicht äußern.
Dafür fehlt es mir schlicht an der Kenntnis über Ihre persönlichen Voraussetzungen.
Es soll jedenfalls niemandem etwas abverlangt werden, was dieser zu leisten ggf. persönlich nicht in der Lage ist.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 12:19:55
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Bei der wegweisenden Entscheidung OLG Stuttgart ZNER 2011, 69, die von ihm erstritten wurde, kann man nicht davon ausgehen, dass der Kollege sein Studium nicht mit Erfolg absolviert habe und vor allem auch später angesichts der energiewirtschaftsrechtlichen Grundlagen stets auf der Höhe der Zeit blieb, was man von anderen nicht behaupten kann.

Die \"wegweisende Entscheidung\" vor dem OLG Stuttgart stimmt mich ebenfalls sehr zufrieden, hat das OLG Stuttgart wegweisend doch einen Sondervertrag ausdrücklich verneint und das gesetzliche Preisanpassungsrecht des Versorgers bejaht.

Wegweisend hat das OLG Stuttgart auch die Anwendung von § 19, 29, 33 GWB abgelehnt.

Wegweisend hat das OLG Stuttgart in dieser Entscheidung auch den Preissockel noch einmal bestätigt und festgestellt, dass dieser der Billigkeitskontrolle entzogen ist (S. 25 unten, der Entscheidung).

Letztendlich wurde das Verfahren wohl nur gewonnen, weil der Versorger nicht genügend zur Billigkeit vorgetragen hat.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 12:45:36
@Black

Mit dem Lesen und Verstehen haben Sie es wohl nicht so.
Dann hilft auch die beste Präsenzbibliothek nicht weiter.

Der Kartellsenat des  OLG Stuttgart hat die Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften nicht abgelehnt, sondern ausgeführt, dass der betroffene Stromkunde  seiner Darlegungs- und Beweislast insoweit nicht hinreichend genügt habe.
Auf jene wäre es schon nicht angekommen, wenn die Anwendbarkeit kartellrechtlicher Vorschriften von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Das Gericht hat der entsprechenden Darlegungs- und Beweislast des Kunden jedoch sehrwohl entscheidungserheblichen Einfluss beigemessen.

Mit der Preisanpassungspflicht zugunsten des betroffenen Kunden brauchte sich das OLG Stuttgart schon deshalb nicht befassen, weil der betroffene Stromkunde schon das Preisänderungsrecht selbst bestritten hatte, sich gegen die erfolgten Preiserhöhungen zur Wehr setzte, nicht aber für eine Preisabsenkung stritt.

Billigkeitsprozesse gehen immer nur dann für den Versorger verloren, wenn er die Billigkeit seiner getroffenen Preisbestimmung - wie dort geschehen- nicht nachweisen kann.

Das wussten wir schon längst.
Möglicherweise geht es bei Lichte betrachtet gerade darum.

Das ist bei Strom nicht anders als bei Gas, sagt das OLG Stuttgart.
Und da denken einige, es wäre neu.

Wir haben schon immer gesagt, es ist bei Gas nicht anders als bei Strom, und sehen uns darin bestätigt.

Siehe auch:

Auswirkung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Ab. 1, 1 Abs. 1 EnWG  (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=81674&sid=#post81674)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 13:55:12
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Kartellsenat des  OLG Stuttgart hat die Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften nicht abgelehnt, sondern ausgeführt, dass der betroffene Stromkunde  seiner Darlegungs- und Beweislast insoweit nicht hinreichend genügt habe.

Das Gericht hat der entsprechenden Darlegungs- und Beweislast des Kunden jedoch sehrwohl entscheidungserheblichen Einfluss beigemessen.

Das ist bitter, wenn man als Beklagtenvertreter zu entscheidungserheblichen Fragen nicht vorträgt.

Zitat
Original von RR-E-ft
Billigkeitsprozesse gehen immer nur dann für den Versorger verloren, wenn er die Billigkeit seiner getroffenen Preisbestimmung - wie dort geschehen- nicht nachweisen kann.

Solange sie nicht wegen festgestellter Unbilligkeit verloren gehen...


Zitat
Original von RR-E-ft
Mit der Preisanpassungspflicht zugunsten des betroffenen Kunden brauchte sich das OLG Stuttgart schon deshalb nicht befassen, weil der betroffene Stromkunde schon das Preisänderungsrecht selbst bestritten hatte, sich gegen die erfolgten Preiserhöhungen zur Wehr setzte, nicht aber für eine Preisabsenkung stritt.

Und warum hat man das nicht getan? Es wäre ja beides möglich gewesen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 13:59:48
@Black

Da wurde auch zum kartellrechtswidrigen Missbrauch einer marktbherrschenden Stellung durchaus beklagtenseits vorgetragen, nach Auffassung des OLG Stuttgart jedoch noch nicht hinreichend.
Im Ergebnis kam es darauf jedoch gar nicht an.

Denn es verblieb ja bei der gerichtlichen Billigkeitskontrolle, für die schon die Frage nach einer marktbeherrschenden Stellung keinerlei Rolle spielt.

Ich fände es widersprüchlich, wenn ein Preisänderungsrecht bestritten wird, gleichzeitig aber eine Preisanpassung zugunsten des betroffenen Kunden durch eine Preisabsenkung verlangt würde.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 14:04:33
Letztendlich nützt die Entscheidung in vielen Punkten dem Versorger, denn er hat jetzt vom OLG bestätigt bekommen, dass sein Tarif ein gesetzliches Preisanpassungsrecht besitzt.

Da eine Unbilligkeit zudem nicht positiv festgestellt wurde kann er dazu in anderen Verfahren gegenüber anderen Kunden noch vortragen.

Wegweisend ist auch, dass das OLG Stutgart der Theorie, es könne nur einen einzigen \"Allgemeinen Tarif\" geben erkennbar nicht gefolgt ist.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 14:07:02
Ich finde ja eher, die Entscheidung hat dem auf Zahlung klagenden Versorger in conreto nicht geholfen, soweit seine Klage rechtskräftig abgewiesen wurde.
Aber natürlich lässt sich jedes Ergebnis für den Versorger und dessen Anwälte auch schön reden.

Im Gasbereich gab es schon immer die Allgemeinen Tarife, nämlich  Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G als Pflichttarife laut BTOGas.
Und auch im Strombereich gab es mehrere Pflichttarife nach Bedarfsarten laut BTOElt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 16:37:43
Zitat
Original von tangocharly
Alles andere ist Rechtsfortbildung - und da wissen wir ja, dass Sie zusammen mit dem VIII. Senat ein Fan (=Wirbelgerät) von sind.

Der 8. Senat hat viele Fans. Auch RR-E-ft ist mittlerweile ins Lager der Freunde des 8. Senates gewechselt.

Zitat
Original von RR-E-ft
Black hat ersichtlich die Rechtsprechung des BGH seit langem nicht auf seiner Seite (BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a), BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 17:35:53
@Black

Sie haben jedenfalls ersichtlich die Rechtsprechung des BGH nicht auf Ihrer Seite, soweit Sie behaupten, die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 BGB habe für die Preisbestimmungen der Versorger mit Rücksicht auf eine Preisbestimmungspflicht keinerlei Bedeutung.


Hinter-Gründe (http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=53364531&aref=image036/2007/10/20/ROSP200704301020102.PDF&thumb=false)

Auf los geht´s los (http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=42658537&aref=image035/E0541/ROSP200504101080110.PDF&thumb=false)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 19:03:07
Wer immer noch der Meinung ist, der Grundversorger habe den Anfangspreis (also den Preissockel, der galt als der Kunde den Vertrag abgeschlosssen hat)  \"einseitig bestimmt\" und diese Bestimmung müsse wegen einer Pflicht nach  § 2 EnWG \"möglichst preiswert\" sein, der sollte sich folgende Frage stellen:

Muss ein Lieferant von Sonderkunden mit einem Vertrag ohne Preisanpassungsklausel seinen Preis auch nach § 315 BGB, § 2 EnWG überprüfen lassen?

Schließlich hat er seinen Lieferpreis ja auch einseitig festgelegt und ist auch EVU im Sinne des § 2 EnWG mit der Verpflichtung zur möglichst preiswerten Versorgung.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 19:20:14
Nein er muss ihn nicht überprüfen lassen und kann ihn auch gar nicht überprüfen lassen, weil es an einer Preisbestimmungspflicht fehlt [BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29]

Viele Versorger sind wegen des bei Vertragsabschluss fest vereinbarten Sonderpreis damit gescheitert, ihre Preise gerichtlich auf Billigkeit kontrollieren zu lassen (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08].

Voraussetzung ist immer eine der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Preisbestimmungspflicht des Versorgers, gleichviel, ob diese sich aus Gesetz oder Vertrag ergibt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 19:23:40
Zitat
Original von RR-E-ft
Nein er muss ihn nicht überprüfen lassen und kann ihn auch gar nicht überprüfen lassen, weil es an einer Preisbestimmungspflicht fehlt [BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29]

Dass ist ja komisch. Ich dachte immer der § 315 BGB findet immer dann Anwendung, wenn jemand eine einseitige Leistungsbestimung ausübt - egal ob er gesetzlich dazu verpflichtet ist oder nicht.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 19:26:51
Sie denken falsch. Und deshalb kommt es Ihnen komisch vor.

Es kommt darauf an, ob der Energieversorger im konkreten Vertragsverhältnis entweder kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Vereinbarung verpflichtet ist, den Preis nach Vertragsabschluss einseitig zu bestimmen (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29).

Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29

Die Formulierung (\"darf\") lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV und der anschließenden Formulierung: \"Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.\" Daraus ergibt sich zwar, dass die Beklagte, wenn sie eine Preisänderung vornimmt, an die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV und an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sein soll. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 01. April 2011, 19:30:56
Zitat
Original von RR-E-ft
Sie denken falsch. Und deshalb kommt es Ihnen komisch vor.

Es kommt darauf an, ob der Energieversorger im konkreten Vertragsverhältnis entweder kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Vereinbarung verpflichtet ist, den Preis nach Vertragsabschluss einseitig zu bestimmen (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29).

Genau nach Vertragsschluss. Aber der Preis bei Vertragsschluss? Ist der jetzt einseitig bestimmt i.S.d. § 315?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2011, 19:36:25
Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, ob bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragfreiheit ein feststehender Preis vereinbart wurde. Auf einen solchen findet die Billigkeitskontrolle keine Anwendung. Wurde hingegen bei Vertragsabschluss kein feststehender Preis vereinbart, sondern soll der Versorger demgegenüber gerade vertraglich verpflichtet sein, die Preise nach Vertragsabschluss jeweils einseitig festzulegen, dann kommt die Billigkeitskontrolle zum Tragen.

Fehlt es an einer solchen Verpflichtung zur einseitigen Preisfestsetzung nach Vertragsabschluss, findet die Billigkeitskontrolle keine Anwendung.

So war es hier:

Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 29

Die Formulierung (\"darf\") lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV und der anschließenden Formulierung: \"Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden.\" Daraus ergibt sich zwar, dass die Beklagte, wenn sie eine Preisänderung vornimmt, an die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV und an den Maßstab billigen Ermessens gebunden sein soll. Der Formulierung ist aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass die Beklagte auch im Falle einer Absenkung der Gasbezugskosten verpflichtet ist, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung vorzunehmen. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die in der Preisanpassungsklausel nicht vorgegebene Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Gasbezugskosten umgehend, niedrigeren Gasbezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.

Dabei sieht man auch ganz gut, dass eine Billigkeitskontrolle nicht erfolgen kann und nicht erfolgen darf, wenn lediglich ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach Vertragsabschluss eingeräumt ist, jedoch gerade keine Preisbestimmungspflicht des Versorgers besteht.

Die Billigkeitskontrolle kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Versorger gesetzlich zur Versorgung verpflichtet ist, zu Preisen, die er jeweils nach Vertragsabschluss einseitig bestimmen muss.
Denn auch dabei wird bei Vertragsabschluss nicht im Rahmen der Vertragsfreiheit ein feststehender Preis vereinbart.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 05. April 2011, 18:50:40
@RR-E-ft

Gibt es eigentlich eine zitierfähige Quelle (z.B. einen Aufsatz) in dem die Gesamtpreiskontrolle vertreten bzw. sich kritisch mit dem Preissockel auseinandergesetzt wird?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 06. April 2011, 15:33:39
Im Erscheinen ist zB. Fricke \"Kontrolle von Preisbestimmungspflichten im Energiebereich\", ZNER 2/2011 S. 130 ff.

Aufsätze des Autors werden vom BGH zitiert (zB. BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17) bzw. finden auch ohne Zitatangabe in der Rechtsprechung  Berücksichtigung (vgl. nur  Energiedepesche Sonderheft Nr. 1).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 12. April 2011, 12:43:23
Zitat
Original von tangocharly
Zitat
Original von Black
Bei Lichte betrachtet besteht die Pflicht nach § 2  EnWG \"im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes\" daher \"kommt der Bestimmung deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu\" (Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, Kommentar zum EnWG, zu  2, Rn. 2).

§ 2 EnWG begründet keine eigenständigen, rechtlich verbindlichen und durchsetzbaren Versorgerpflichten. (Hellermann aaO Rn. 8  ).

Wenn man also schon nach \"Sinn und Zweck\" von Vorschriften fragen möchte, dann sollte man zumindest die Mühe nicht scheuen einmal näher in die Kommentierung eines Gesetztes zu schauen.

Na jetzt kommen Sie aber - zusammen mit Hellermann - auf Schlittschuhen daher.
Sollten Sie die Auslegungsregeln nicht kennen ?
Die Grenze der Auslegung einer Norm ist deren Wortlaut.
Alles andere ist Rechtsfortbildung - und da wissen wir ja, dass Sie zusammen mit dem VIII. Senat ein Fan (=Wirbelgerät) von sind.

Das OLG Düsseldorf scheint dagegen keinen Zweifel an der Reputation von Hellermann und seiner Rechtsauffassung zu § 1 EnWG zu haben:

Zitat
OLG Düsseldorf, B. v. 13.12.10 Az. VI-W (Kart) 8/10

Die Frage, ob eine Preisanpassung der Billigkeit i.S.d. § 315 BGB entspricht ist nicht nach dem EnWG zu beantworten. Das EnWG gewährt dem Kunden lediglich einen Anspruch auf Grundversorgung, stellt also die Versorgung sicher.

(...)

In § 1 EnWG ist lediglich als Zielvorstellung angesprochen, dass das EnWG eine möglichst preisgünstige Versorgung bezweckt. Aus einer isolierten Anwendung der Vorschrift lassen sich keine Rechtsfolgen begründen. § 1 Abs. 1 EnWG ist daher weder unmittelbar vollziehbar, noch geeignet im Zivilprozess Ansprüche oder eine Rechtsposition zu verschaffen. Ihr Regelungszweck erschöpft sich vielmehr darin, die Auslegung oder Anwendung spezieller Normen des EnWG zu determinieren (vergl. Hellermann/Hermes in Britz Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl. 2010...
)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 12. April 2011, 13:07:42
Das EnWG gewährleistet Haushaltskunden gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente Grundversorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen und statuiert deshalb eine entsprechende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers. Nur so konnte der deutsche Gesetzgeber auch die Vorgaben der EU-RL erfüllen.
Die Erfüllung dieser gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gilt es, über § 315 BGB zu kontrollieren.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: Black am 12. April 2011, 14:29:33
Zitat
Original von RR-E-ft
Das EnWG gewährleistet Haushaltskunden gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente Grundversorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen und statuiert deshalb eine entsprechende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers. Nur so konnte der deutsche Gesetzgeber auch die Vorgaben der EU-RL erfüllen.
Die Erfüllung dieser gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gilt es, über § 315 BGB zu kontrollieren.

Andere Ansicht: sämtliche Kommentare zum EnWG sowie diverse Oberlandesgerichte in aktuellen Entscheidungen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 12. April 2011, 15:56:16
\"Noch\" bzw. \"bisher\" haben Sie wohl vergessen.  ;)
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Mai 2011, 09:53:36
Ich möchte und darf auf den nun veröffentlichten Aufsatz Fricke\"Die gerichtliche Kontrolle von Preisbestimmungspflichten im Energiebereich: § 315 BGB...\" in ZNER 15/2/2011 Seite 130 ff. hinweisen, welcher die Diskussion weiter voranbringen möge.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 04. Mai 2011, 15:30:56
Weder der Ausschluß der Billigkeitskontrolle des § 315 BGB, noch der Sockel- oder Anfangspreis finden eine Rechtsgrundlage in der Gas-RiLi, die in der Neufassung 2009/73/EG inhaltsgleich fortgilt.

Wenn die Richtlinie im Inland ausgelegt werden soll und wenn man über Ermessen etc. auslegungstechnisch diskutiert, dann haben die primären und sekundären Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts Vorrang.

Die Protagonisten dieser Theorien (einschließlich des VIII.Senats) sollten bedenken, dass sich die Bundesrepublik (zu gegebener Zeit) über Art. 34 GG eine Packung abholen wird, wenn dieser europarechtliche Widerspruch aufrecht erhalten bleibt.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Mai 2011, 15:45:30
Fricke vertritt in ZNER 15/2/2011 S. 130 ff. die Auffassung, dass im Bereich der Grundversorgung weder Anfangspreise noch Folgepreise vertraglich vereinbart werden dürfen, nach der gesetzlichen Regelung vielmehr eine über § 315 BGB  gerichtlich zu kontrollierende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers besteht, welche die vertragliche Preishauptabrede ausmacht und ausmachen muss.  

Zugleich wird die Auffassung vertreten, dass in Sonderverträgen als Preisnebenabrede kein Preisänderungsrecht bestehen kann, welches der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt.

Letztere Auffassung bzw. deren Begründung wird m. E. vortrefflich abgerundet durch die Stellungnahme von Markert im selben Heft, S. 174 ff. zu BGH, B. v. 09.02.11 VIII ZR 162/09.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 04. Mai 2011, 18:54:19
Dennoch stellt sich immer noch die Frage der Effizienz dieser gerichtlichen Kontrolle, vornehmlich in der Grundversorgung, wo die Verbraucher reihenweise, mit gerichtlicher Billigung abgezockt werden.

Auch Prof. Markert beleuchtet diese Materie ständig schon seit Jahren unter dem europarechtlichen Blickwinkel in verschiedenen Aufsätzen und Anmerkungen.

Es ist dem Verbraucherrecht wenig zuträglich, wenn angeblich keine behördliche Kontrolle der Energiepreise erforderlich sein soll (abgesehen von den Netznutzungsentgelten). Und es ist zudem ein merkwürdiger Versuch, damit die \"Flöhe-unter-dem-Hut-zu-halten\", wenn die Gewinn- und Kostensituation auf der vorgelagerten Lieferstufe in der Billigkeitsprüfung außen vor bleiben soll.

Diese vertikale \"Quersubvention\" ist nicht minder europarechtswidrig, wie die horizontale, deren Verbot in der Gas-RiLi statuiert ist.

Aber es gibt auch Stimmen, die zum Ausdruck bringen, dass sich der europäische Gesetzgeber übermäßig in die nationale Autonomie einmische:

Zitat
In einem Ausblick erkannten alle Juristen den zunehmenden Einfluss des Europarechts auf die nationalen Rechtsordnungen, die immer mehr zurückgedrängt werden. Der Deutsche Richterbund wendet sich allerdings gegen die diskutierte Vollharmonisierung des Verbraucherrechts. Es sei nicht akzeptabel, dass die EU über Richtlinien immer weiter in die nationalen Rechtsordnungen hineinwirke, so Christoph Frank weiter.

Quelle: beck-aktuell.beck.de (http://beck-aktuell.beck.de/news/deutscher-richterbund-sammelklagen-zur-rechtsdurchsetzung-wenig-praktikabel)

Interessant im vorstehend zitierten Beitrag ist auch die Feststellung, dass der Deutsche Richterbund kein Freund von Sammelklagen vor verbraucherrechtlichem Hintergrund sein soll.

Ergo präferiert man eher viele Tausend Einzelklagen und blockiert damit flächendeckend Ressourcen, die kaum besser zu bündeln und/oder zu konzentrieren wären, als durch Sammelklagen (zumindest von gleichgelagerten Fällen).

Diese Thematik bringt natürlich auch keine Lösung dazu, ob man in diesem Bereich bereit sein will, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu respektieren oder ob nicht.

Wenn hierzu der Richterbund seine Stimme in besagter Richtung erhebt, dann muß man sich allerdings nicht darüber wundern, warum bei den Fragen gem. § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG, § 5 Abs. 2 GasGVV, § 315 BGB, Europarecht regelmäßig (bis auf wenige Ausnahmen) ausgeblendet wird (besser: ignoriert wird).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Mai 2011, 23:11:08
Gerade wegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG müssen gewälzte Kosten nach der Rechtsprechung ja der effizienten Versorgung entsprechen, dürfen nicht jedwede (beliebige) Kosten zB. von der Vorlieferantenebene weitergewälzt werden.

Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.08  VIII ZR 138/07 Rn. 43:

Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist (vgl. zu einer entsprechenden Einschränkung des Änderungsrechts von Banken bei Zinsänderungsklauseln in Kreditverträgen BGHZ 97, 212, 217 ff., 222; 158, 149, 155).

Vorgeschichte (http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=53364531&aref=image036/2007/10/20/ROSP200704301020102.PDF&thumb=false)

Ausgangssituation (http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=42658537&aref=image035/E0541/ROSP200504101080110.PDF&thumb=false)

Wir bleiben bei dem Thema am Ball.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 05. Mai 2011, 14:10:03
Billigkeitskontrolle im Gasbereich

Zitat
BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09 Rn. 36

Dies hat zur Folge, dass im Gassektor durch die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB und bei Sonderkunden darüber hinaus durch eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB sicherzustellen ist, dass die Preisanpassung das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahrt, also das Versorgungsunternehmen Preisanpassungen nicht dazu nutzen kann, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 25, und vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26 [für Tarifkunden]; vom 24. März 2010 - VIII ZR 178/08, BGHZ NJW 2010, 2789 Rn. 35, zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHZ 185, 96; VIII ZR 304/08, aaO Rn. 43 [für Sonderkunden]).

Natürlich muss die Billigkeitskontrolle bei grundversorgten Tarifkunden zumindest auch sicherstellen, dass es nicht zu einer nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am Preis  dadurch kommt, dass entgegen gesetzlicher Verpflichtung gesunkene Kosten bei preisbildenden Kostenfaktoren nicht unverzögert und umfänglich, mindestens aber nach gleichen Maßstäben durch Preisanpassungen zugunsten der betroffenen weitergegeben werden (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Kein Einwendungsausschluss in Bezug auf Unbilligkeitseinrede

Zitat
BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09 Rn. 52

Ebenso wenig wird durch die genannte Bestimmung die Möglichkeit ausgeschlossen, die Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens (§§ 315, 316 BGB) zu bestreiten (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 18; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 28, 29; vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO [zu § 30 AVBWasserV]; vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89, aaO; vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82, aaO; aA Berkner/Topp/Kuhn/Tomala, ET 2005, 952, 953 f.; ferner BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II 2 b bb, insoweit in BGHZ 163, 321 nicht abgedruckt; KG, GE 2004, 887 f. [jeweils für den Fall von
vertraglichen Leistungsbedingungen in einem Abfallentsorgungsvertrag]). In beiden Fällen entfällt die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewissheit über Inhalt und Umfang der Leistung, welche aus der Einigung der Parteien hierüber folgt (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 28; vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO; vom 19. Januar 1989 - VIII ZR 81/82, aaO unter II 2 b). Es geht hier nicht um Fehler der konkreten Abrechnung, sondern um die Feststellung der vertraglichen Grundlagen für Art und Umfang der Leistungspflicht des Abnehmers (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO, und vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO).
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 05. Mai 2011, 14:53:56
Zitat
Original von RR-E-ft
[...]
Wir bleiben bei dem Thema am Ball.

Oh, das wird den Herrn aber sicher freuen    :]
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: jofri46 am 05. Mai 2011, 18:51:35
Schön und gut, was der BGH da im Urteil vom 06.04.2011 unter Rn. 36 geschrieben hat. Ich fürchte, es wird die Versorger beflügeln, konkrete Kostensteigerungen beim Versorgungsunternehmen entstehen zu lassen, die auf den Verbraucher abgewälzt werden können, anderswo im Konzern aber zu zusätzlichem Gewinn führen (Stichwort \"konzerninterne Verrechnungspreise\"). Das braucht nicht auf \"gestiegene\" Energiebezugspreise beschränkt zu sein, es kann Leistungen jeder Art betreffen, die im Konzern für das Versorgungsunternehmen erbracht und diesem dann belastet werden (z. B. Kosten einer zentralen Rechtsabteilung). Da stellt sich schon die Frage, wie effizient eine Billigkeits- bzw. Inhaltskontrolle sein kann.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 05. Mai 2011, 21:27:00
@jofri46

Fürchten sollte man dabei grundsätzlich nichts. ;)

Wir sollten uns bei der Betrachtung auf den Bereich der Grundversorgung beschränken, wo unzweifelhaft eine gesetzliche und vertraglich implementierte Preisbestimmungspflicht des Versorgers besteht, die der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18],  bei welcher wiederum  die Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Berücksichtigung finden muss (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Bei der Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln stellen sich regelmäßig ganz andere Probleme, insbesondere als eine Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB regelmäßig nur wirksam oder unwirksam sein kann. Sieht man von der umstrittenen und zur Überprüfung durch den EuGH stehenden \"Übernahmethese\" des VIII. Zivilsenats ab, erfordert die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach deutschem Recht regelmäßig, dass die ursprüngliche Preiskalkulation in der Preisänderungsklausel offen gelegt wird und dabei also bereits alle relevanten Kostenbestandteile und -faktoren auftauchen (BGH III ZR 247/06 Rn. 10), so dass nachträglich keine hinzugedichtet werden können.

Bleiben wir also bei der Billigkeitskontrolle in der Grundversorgung.

Das Problem nicht verursachungsgerechter Kostenschlüsselung in der Kostentstellen- und Kostenträgerrechnung ist gewiss nicht neu (vgl. Fricke, Energiedepesche Sonderheft Nr. 1, April 2006, S. 18].
Es besteht schon immer und betrifft v.a. sog. Verwaltungsgemeinkosten bzw. Overheadkosten, wofür es schon keines Konzernverbundes bedarf.

Allerdings ist es aus buchhalterischen/ bilanziellen Gründen nicht möglich, Kostenpositionen beliebig hin und her zu schieben. Nach einer buchhalterischen Entflechtung der einzelnen Aktivitäten (vgl. §§ 9, 9 a EnWG 2003/ § 10 EnWG), erst recht nach einer gesellschaftsrechtlichen oder gar eigentumsrechtlichen Entflechtung tritt dieses Problem zunehmend in den Hintergrund.  Die bestehenden buchhalterischen/ bilanziellen Spielräume wurden immer mehr eingeschränkt.  

Tatsächliche Kosten künstlich zu erschaffen ist jedenfalls nicht zielführend, weil ja selbst die Weiterwälzung eines tatsächlichen Kostenanstiegs mit Rücksicht auf §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Restriktionen unterliegt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Dies liegt an der vom Gesetzgeber geforderten Preisgünstigkeit und (Kosten-) Effizienz.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 17. Oktober 2011, 21:35:36
Zitat
@RR-E-ft
Bleiben wir also bei der Billigkeitskontrolle in der Grundversorgung.
 
 Das Problem nicht verursachungsgerechter Kostenschlüsselung in der Kostentstellen- und Kostenträgerrechnung ist gewiss nicht neu (vgl. Fricke, Energiedepesche Sonderheft Nr. 1, April 2006, S. 18].
 Es besteht schon immer und betrifft v.a. sog. Verwaltungsgemeinkosten bzw. Overheadkosten, wofür es schon keines Konzernverbundes bedarf.

Dieses Problem der \"verursachungsgerechten Kostenschlüsselung\" kann man dann in Entscheidungen, wie sie von mit Billigkeitsprüfungen befassten Amtsgerichten begründet werden, nachlesen wie folgt:

Zitat
bb.
Dass die Klägerin den Anstieg der Gasbezugskosten nicht anderweitig durch Einsparungen innerhalb der Sparte kompensieren konnte, wurde von den sachverständigen Zeugen G. und F. ebenfalls schlüssig damit begründet, dass zum einen nach Gründung der Klägerin im Jahr 2004 in der Folgezeit weitere Personen eingestellt worden seien, weshalb die Personalkosten zunächst angestiegen seien. Auch eine gewisse Reduzierung der sonstigen Kosten der Klägerin bei dem Netzentgelt bis zum Ende des Jahres 2008 führte insgesamt nicht zu einer Kostenkompensation für die Klägerin, da für die Klägerin gleichzeitig Kostensteigerungenbei der EDV hinzu kamen infolge Systemumstellungen, die sich im Zuge der Liberalisierung des Gasmarktes ergeben haben.

cc.
Im Rahmen der Beweisaufnahme haben die vernommenen Zeugen auch schlüssig dargetan, dass eine gewisse zeitliche Verzögerung bei der Weitergabe von Preissenkungen oder Preiserhöhungen über die Modifikation der Abgabepreise an den Kunden infolge betriebswirtschaftlicher Notwendigkeitennicht zu vermeiden ist.
Dies hängt nach den plausiblen Angaben des Zeugen F. zunächst damit zusammen,
dass der Gaspreis, speziell der Arbeitspreis für den Gasbezug der Klägerin, an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt ist und die Klägerin zum Zeitpunkt der Kalkulation des Abgabepreises nicht vollständig sicher feststellen kann, wie sich der Gasbezugspreis bis zum Stichtag der Umstellung des Gasabgabepreises entwickeln wird, da die hierfür erforderlichen Daten über die Erhöhung des Ölpreises des Statistischen Bundesamtes erst zwei Wochen vor Inkrafttreten des neuen Bezugspreises veröffentlicht werden. Die Klägerin muss jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt über eine Änderung der Gasabgabepreise entscheiden, da intern bei der Klägerin ein Vorlauf von vier Wochen benötigt wird, um die Verwaltung auf die neusten Absatzpreise anzupassen.


Hat hier wirklich eine Billigkeitskontrolle stattgefunden ?

Wurde gar nur nachgebetet, was die zitierten Zeugen an, von der Bedrohung durch Aufdeckung allgegenwärtiger Geschäftsgeheimnisse, ins geheimnisvolle, propädeutisch verdrehten Geschehensabläufen präsentiert haben. Gleichsam Unterweisung septem artes liberales.

Hat sich dieses Amtsgericht auch nur irgend eines konkreten Faktums angenommen und sich dieses zu Gemüte geführt ?  

Und ganz abgesehen davon, woher bezog dieses Amtsgericht sein Fachwissen, welches es in die Lage versetzt hat, auch nur eine einzige betriebswirtschaftlich aufgeworfene Frage im Rahmen der Bestimmungen gem. § 1 Abs. 1 und 2 Abs.1 EnWG verbunden mit gebotener Fragestellungen nach \"verursachungsgerechten Kostenschlüsselungen\" juristisch sauber zu beantworten ?
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Oktober 2011, 12:35:42
Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung die Billigkeitskontrolle dann zu erfolgen hat, wenn dem Versorger überhaupt ein einseitiges Preisanpassungsrecht zusteht und er gleichermaßen zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden verpflichtet ist (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 10 f.), die Preise nicht vereinbart wurden, sich der Kunde auf Unbilligkeit beruft:

BGH, B. v. 29.06.11 VIII ZR 211/10 EuGH- Vorlage: § 4 AVBV/ 5 GVV wirksam? (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=86219#post86219)

Wie dann die Billigkeitskontrolle konkret erfolgt, ist Sache des Tatrichters unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze (vgl. BGH Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 35, 39, 43).

Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 39:

Eine auf eine Bezugskostensteigerung gestützte Preiserhöhung kann allerdings - wie die Revisionserwiderung zu Recht einwendet - unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315, Tz. 26). Unter diesem Gesichtspunkt müssen jedenfalls die Kostenbestandteile des Preissockels in die Beurteilung der Billigkeit der Preiserhöhung einbezogen werden, auch wenn dieser in seiner Gesamtheit, wie ausgeführt (oben unter 1), einer Billigkeitskontrolle entzogen ist (vgl. Dreher, ZNER 2007, 103, 107).

Der Preissockel setzt sich zumeist aus einem konkreten Grund- und  Arbeitspreis zusammen, so dass deren konkrete Kostenbestandteile und deren zwischenzeitliche Entwicklung ersichtlich werden müssen.

Hat der Versorger verschiedene Preise, so müssen diese sich denknotwendig unterschiedlich aus einzelnen Preis- und Kostenbestandteilen  zusammensetzen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 18. Oktober 2011, 18:01:52
Ein Preissockel, ganz egal ob er unter die Billigkeitskontrolle fällt oder ob nicht (siehe vorstehenden Beitrag) besteht aus bestimmten und konkreten Determinanten. Diese Determinanten fließen zwangsläufig in eine Preiskalkulation ein. Sie sind vorzutragen und zu beziffern sowie zu belegen (nachdem sie bereits vorsorglich und vorgreiflich durch Nichtwissen bestritten sind).

Es kommt deshalb im Einzelnen darauf an, ob die (noch geltend zu machenden und zu belegenden) Kosten in kalkulatorischer Hinsicht notwendig sind, einer rationellen Betriebsführung entsprechen, nach realistischen Umlageschlüsseln innerhalb der Kostenstellen der Klg. verteilt und nach anerkannten Methoden der Betriebswirtschaft berechnet worden sind. Es kommt darauf an, ob sich die Klg. bei ihren Ausgaben an objektiv notwendigen Kosten orientiert hat, die im Wettbewerb angesetzt werden könnten oder ob sie sich an im Monopol gewachsenen Kostenstrukturen mit eigenen Haustarifen, Kundenzeitschriften, Sponsoring etc. und daraus resultierenden Bedürfnissen orientiert. Es kommt ferner darauf an, ob durch Planungsfehler durch überdimensionierte Netze oder zu geringe Auslagenauslastung verursachte Kosten den Kunden der Klg. auferlegt werden dürfen.

Diese Determinanten müssen so konkret dargestellt werden, dass sie einem Sachverständigen zur Nachprüfung vorgelegt werden können. Weder von dem Bekl. noch von dem Gericht kann erwartet werden, dass bzw. ob diese nur dem Wissen der Klg. unterliegenden Daten bei der Preisbildung, unter energiewirtschaftsrechtlichen Kalkulationsgesichtspunkten, richtig umgesetzt wurden.

Dass dies nicht nur einfach mit Pauschalsätzen abgehandelt werden kann, hängt damit zusammen, dass nur die auf Grund besonderen Fachwissens des Sachverständigen getroffenen Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen Inhalt eines Gutachtens sein können, welche dessen Verfasser auf der Grundlage ihm vorgegebener Tatsachen zu treffen in der Lage ist. Die Feststellung dieser Tatsachen ist wegen des Grundsatzes der Beweisunmittelbarkeit (§ 355 ZPO) Aufgabe des Gerichts selbst.

Eine Geheimhaltung dieser Details (Anschlusstatsachen), die der Gutacher in der Sphäre einer Partei gewonnen hat vor der anderen Partei und dem Gericht ist mit dem Prinzip der Parteiöffentlichkeit (§ 357 ZPO), dem Anspruch auf rechtliches Gehör (§128 ZPO) und der Pflicht zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) unvereinbar.

Die Feststellungsgrundlage der Anschlusstatsachen muss sich bereits aus dem Beweisbeschluss des Gerichts ersehen lassen.

Das Gericht muss sich von der Richtigkeit der Berechnungen überzeugen können und die beweisgegnerische Partei muss in der Lage sein, diese Überzeugungsbildung nach zu vollziehen.

Dabei soll die Einholung eines Sachverständigengutachtens hier gerade dem Gericht das notwendige Sachwissen unterbreiten, um eine Beurteilungsgrundlage zu haben. Die Beurteilung energiewirtschaftsrechtlicher Kalkulationsgrundlagen setzt fachspezifisches Spezialwissen voraus.

Für diese Beurteilung stehen Gutachterpersönlichkeiten zur Verfügung, die über ausgewiesene Fachkenntnisse verfügen und deshalb die für deren Begutachtung und Fachkunde erheblichen Tatsachen fest zu stellen in der Lage sind. Dabei kann es sich um Vergleichswerte, technische Erfahrungssätze, etc. handeln. Diese Fakten und Erkenntnisse wird die Gutachterpersönlichkeit im Gutachten darzulegen haben, um den Parteien und dem Gericht zu ermöglichen, das Gutachten nachzuvollziehen und die Grundlagen des Gutachtens kritisch zu überprüfen.

Hiervon kann dann abgesehen werden, wenn das Gericht selbst über erforderliches Fachwissen verfügen sollte. Jedenfalls obliegt es schließlich dem Urteil, Existenz und Ursache des Fachwissens des Gerichts darzustellen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Oktober 2011, 19:52:49
Viele dieser Fragen stellen sich wohl dann nicht mehr, soweit der Versorger eine Vertriebsgesellschaft ist, die an einen Netzbetreiber Netznutzungsentgelte zu zahlen hat, welche ihrerseits behördlich genehmigt und öffentlich bekannt gegeben sind.

Dann sind diese Netzentgelte, die für alle Anbieter im Netzgebebiet gelten, nicht mehr weiter zu hinterfragen, weil sie für jeden Energiehändler im Netzgebiet quasi ein Datum darstellen.

Der Letzverbraucherpreis setzt sich dann aus den beim Netzbetreiber öffentlich bekannt gemachten Netzentgelten einschließlich Kosten der Messung und Abrechnung (§ 40  EnWG (http://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/__40.html)), den Bezugskosten, den Vertriebskosten und der Vertriebsmarge (Gewinnanteil des Vertriebs) zusammen.
Titel: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Beitrag von: tangocharly am 18. Oktober 2011, 20:56:49
Wobei der Versorger nun nach § 40 Abs. 2 Nr. 7 EnWG auch die genaue Belastung durch Konzessionsabgaben anzugeben hat.

Mal sehen, ob die bisherige Praxis der \"von-bis\" Angaben sich hier ändernd niederschlagen wird.


Wie man hört, soll die komplizierte Umstellung in Folge der Netzentflechtung erhebliche Mehrkosten an Personal, für Organisatorisches und für Schulungen nach sich gezogen haben. Schließlich muß man auch dem Netzbetreiber auf die Finger schauen, damit der Gaskunde nicht überfordert wird.