Forum des Bundes der Energieverbraucher

Energiepreis-Protest => Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest => Thema gestartet von: tangocharly am 05. November 2010, 18:27:20

Titel: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 05. November 2010, 18:27:20
Zitat
Verhandlungstermin: 17. November 2010  VIII ZR 162/09  LG Dortmund - Urteil vom 18. Januar 2008 - 6 O 341/06 OLG Hamm - Urteil vom 29. Mai 2009 - 19 U 52/08 (veröffentlicht in RdE 2009, 261 = ZNER 2009, 274) 

Der Kläger, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., verlangt aus abgetretenem Recht von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, die Rückzahlung von Gaspreisentgelten, die in der Zeit vom Januar 2003 bis Oktober 2005 auf Gaspreiserhöhungen gezahlt worden sind. Dazu sind ihr die Rechte von 25 Kunden in den Gasvertriebsregionen \"Ost-Südwestfalen\" und \"Ruhr-Lippe\" abgetreten worden. Im betroffenen Zeitraum erhöhte die Beklagte die Gaspreise insgesamt vier Mal. Die 25 Kunden bezahlten – zum Teil unter dem Vorbehalt der Rückforderung – die ihnen für das gelieferte Gas in Rechnung gestellten Entgelte einschließlich der Erhöhungsbeträge. Der Kläger hält die Gaspreiserhöhungen für unwirksam und fordert die über den Ende 2002 von der Beklagten verlangten Preis hinausgehenden Beträge von der Beklagten zurück.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von insgesamt 16.128,63 € gerichteten Klage stattgegeben.



Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:  Der Kläger habe aus wirksam abgetretenem Recht einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der von den Kunden auf die Gaspreiserhöhungen geleisteten Zahlungen, weil die Beklagte insoweit die von den Kunden erbrachten Zahlungen ohne Rechtsgrund erlangt habe. Die Gasbezugsverträge stellten keinen rechtlichen Grund dar, weil die Beklagte kein wirksames einseitiges Preiserhöhungsrecht gehabt habe. Denn die jeweils herangezogenen Preisanpassungsklauseln verstießen gegen § 307 BGB. Sie seien nicht hinreichend klar und verständlich und benachteiligten die Kunden unangemessen, weil diese die Berechtigung einer Preisänderung nicht zuverlässig hätten nachprüfen können. Zu keinem anderen Ergebnis führe, dass grundsätzlich bei längerfristigen Vertragsverhältnissen ein Interesse des Verwenders anzuerkennen sei, die bei Vertragsschluss zugrunde gelegte Relation von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten und Kostensteigerungen nachträglich auf den Kunden abwälzen zu können. Weder ergebe sich hieraus ein Preisanpassungsrecht der Beklagten noch komme sonst eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB in Betracht. 

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Vorinstanzliche Entscheidung OLG Hamm, Urt. v. 29.05.2009 (http://www.vz-nrw.de/mediabig/77701A.pdf)
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 18. November 2010, 10:13:32
Zitat
Original von ESG-Rebell
Verhandlung am 17.11.10 von 11:03 bis 12:35 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider

LG Dortmund - Urteil vom 18. Januar 2008 - 6 O 341/06
OLG Hamm - Urteil vom 29. Mai 2009 - 19 U 52/08
(veröffentlicht in RdE 2009, 261 = ZNER 2009, 274)

Kläger: RWE Vertriebs AG; vormals RWE Westfalen Weser Ems AG, RA Prof. Dr. Krämer, Dr. R.
Beklagte: Verbraucherzentrale NRW, RA Dr. Kummer und Wassermann

----- 11:03 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einseitiger Preisanpassungen. Es geht um insgesamt vier Preiserhöhungen im Zeitraum von 2003 bis 2005.

Die Verbraucherzentrale fordert Rückzahlungen aus abgetretenem Recht für 25 Abnehmer.
RWE argumentiert, die Kunden seien Tarifkunden und die Preisanpassungsklausel sei im übrigen wirksam.
Die Verbraucherzentrale argumentiert, alle Kunden seien Sondervertragskunden und die Preisanpassungsklausel sei unwirksam.

Der Ausgangspunkt liegt hier bei der Unterscheidung zwischen Sonder- und Tarifkunden.

Gegen Tarifkunden steht dem Versorger kraft Gesetzes ein Preisanpassungsrecht zu. Ein Preisanpassungsrecht gegen Sondervertragskunden muss dagegen vertraglich vereinbart sein. Diese muss einer Inhaltskontrolle standhalten, was in der Mehrzahl der Fälle in der Vergangenheit nicht der Fall war.

Die Vorinstanzen haben die 25 Kunden in fünf Gruppen eingeteilt:
 1) 3 Kunden des nicht tarifierten Gebiets der VEW
 2) 3 Kunden des nicht tarifierten Gebiets der xxx
 3) 12 Kunden des tarifierten Gebiets der VEW, deren Verträge vor der Tarifierung abgeschlossen wurden.
 4) 2 Kunden des tarifierten Gebiets der xxx, deren Verträge vor der Tarifierung abgeschlossen wurden.
 5) 5 Kunden der tarifierten Gebiete, deren Verträge nach der Tarifierung abgeschlossen wurden.

Unstreitig ist, dass die Kunden der Gruppen 1 bis 4 ursprünglich Sondervertragskunden waren. Umstritten ist, ob die Kunden der Gruppen 3 und 4 nach der Tarifierung als Tarifkunden anzusehen sind.

Die Gruppe 5 ist laut Berufungsgericht ebenfalls Sonderkunden, da der Tarif an eine Mindestabnahme gekoppelt ist, also nicht allen Kunden offen steht, und als Sondertarif bezeichnet wird.

Für die Unterscheidung kommt es darauf an, ob das Unternehmen aus Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers nach öffentlich bekanntgegebenen allgemeinen Tarifen beliefert oder auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung.

Soweit die Kunden Sonderverträge haben, ist zu prüfen ob ein einseitiges Preisanpassungsrecht wirksam vereinbart worden ist. Dazu gibt es inzwischen eine umfangreiche Rechtsprechung des Senats. Eine Preisanpassungsklausel, die die gesetzliche Bestimmung nach §4 AVB unverändert übernimmt, benachteiligt Sonderkunden nicht unangemessen, da diese nach dem Willen des Gesetzgebers nicht eines höheren Schutzes bedürfen als Tarifkunden. Die Gleichstellung von Tarif- und Sonderkunden gilt nach Ansicht des Senats auch hinsichtlich der Transparenz.

Die Revisionserwiderung wendet dagegen ein, dass diese unveränderte Übernahme einer gesetzlichen Regelung in einen Sondervertrag gegen die EU-Gasrichtlinie verstößt. Der Senat meint, dass mit der Transparenz in dieser Richtlinie keine Klausel- sondern eine Verfahrenstransparenz gemeint ist. Es ist zu prüfen, ob eine Vorlage an den EuGH geboten ist.

Ein Alt-Kunde hat eine Preisanpassungsklausel mit Spannungsklausel aus dem Jahr 1981. Eine ähnliche Klausel war am 14.10.07 Gegenstand eines Verfahrens und wurde dort für unwirksam erachtet.

Soweit eine Preisanpassungsklausel nicht wirksam vereinbart worden ist, ist eine ergänzende Vertragsauslegung zu prüfen. Diese setzt voraus, dass eine Regelungslücke entstanden ist, die nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann. Das Berufungsgericht hat dies abgelehnt, weil die Beklagte sich durch eine ordentliche Kündigung aus den Verträgen lösen konnte und dies unterlassen hat.
 
----- 11:20 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer (nuschelt wie immer):

Dieses Verfahren ist der erste Rückforderungsprozess vor dem BGH und hat damit grundlegende Bedeutung.

Ausreichende tatrichterliche Feststellungen zum Vertragsstatus der Kunden fehlen noch. Es gibt auch keine tatrichterlichen Feststellungen zur Billigkeit der Preise. Diese ist daher für Kunden, die vorbehaltlos gezahlt haben, als erwiesen anzusehen.

Ein Unbilligkeitseinwand erst zum Zeitpunkt der Rückforderung ist verspätet.

Zu den Gruppen 1,3,4: (zitiert Urteil, S. 13 unten und S. 18] Das Berufungsgericht hat die Einordnung der Kunden offen gelassen. Es hat stattdessen eine AGB-rechtliche Prüfung vorgenommen.

Er weist auf die Senatsrechtsprechung zur unveränderten Übernahme der AVB für Sonderkunden hin. Das Berufungsgericht konnte diese Rechtsprechung damals noch nicht berücksichtigen (da noch nicht ergangen).

Zur Gruppe 3: Eine ergänzende Vertragsauslegung muss jedenfalls bei denjenigen Kunden möglich sein, die keinen Widerspruch eingelegt und vorbehaltlos gezahlt hatten.

Ebenso muss es möglich sein, eine Vertragsänderung durchzuführen. Nach reinem AGB-Recht gibt es zwar ein Fiktionsverbot. Aber die Kunden der Gruppe 3 und 4 haben durch Gasbezug, Zahlung und fehlenden Widerspruch gleich drei Willenserklärungen abgegeben. Dies stellt keine fiktive Zustimmung nach §310 sondern eine Zustimmung nach §242 dar, auf die der Versorger vertrauen durfte.

Einige der Kunden aus Gruppe 2 hatten sehr lange Verträge aus 1994 und erst 2005 Widerspruch erhoben. Dies ist ein treuwidriges Verhalten.

Die Klausel in den Verträgen lautet \"... ist berechtigt, Preise anzupassen ...\" also ohne explizite Nennung einer Verpflichtung. Aus dem Verständnis des Versorgers und der tatsächlichen Weitergabe auch von Senkungen ergibt sich doch, dass der Versorger sich verpflichtet gesehen hat, dies zu tun; auch wenn es nicht explizit so da steht.

Das Gericht hat keine Feststellungen zur Unbilligkeit der Preise getroffen obwohl RWE umfangreiche Unterlagen vorgelegt hat.

Zum Kunden mit der Spannungsklausel: (Er zitiert aus dem Urteil) Das Berufungsgericht hat das Urteil vom 14.10.07 nicht zur Kenntnis genommen.

Zur Gruppe 5: Zwei Kunden haben langjährige Verträge und keinen Widerspruch vor ihrer Rückforderung erhoben. Die AVB wurden diesen ausgehändigt, was mittels Zeugen beweisbar ist.

Für die Einordnung von Tarif-/Sonderkunden ist die Sicht des Kunden entscheidend, sie der Senat schon vorgetragen hat. Dem muss der Tatrichter nachgehen, was bislang unzureichend geschehen ist.

Zur Wirksamkeit der Klausel: Urteil vom 24.3.08, Rz. 26, 27: Die Wahrung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses. Normalerweise geht man bei Unwirksamkeit von der Frage aus, was die Parteien redlicherweise verinbart hätten (weist auf XI. Senat zur Zinsanpassung hin). Es muss nur verhindert werden, dass eine nachträgliche Gewinnausweitung stattfinden kann. Der Senat sagt nun, es genüge nicht, wenn Senkungen faktisch weitergegeben würden sondern die Formel müsse dies schon erzwingen.
Prof. Krämer pocht nochmal auf das redliche Verhalten der Versorger und möchte, dass der Senat von dieser Position abrückt.

Für eine ergänzende Vertragsauslegung gibt es vier Kriterien: längjährige Verträge, Erhöhungen und Abrechnungen nicht widersprochen, Gestehungskosten sind erheblich gestiegen, Rückforderung wird für länger zurückliegende Zeiräume erhoben. Der Hinweis auf ein ordentliches Kündigungsrecht hilft hier nicht, denn der Versorger hatte ja keinen Anlass zu einer Kündigung. Der Kunde hat in dieser Situation kein Rückforderungsrecht. Auf die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel kommt es dann nicht mehr an. Der Kunde hätte den Preisanpassungen rechtzeitig widersprechen müssen.

Der Tatrichter hat sich unzureichend zur ergänzenden Vertragsauslegung S. 19, 20 geäußert. In jeder Gruppe gibt es Kunden, die keinen Widerspruch eingelegt hatten. Hier kommt §242 zum tragen. Zwischen der Leistung der Kunden und der Gegenleistung besteht inzwischen ein Unterschied von 40%.

----- 11:55 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Zur Gruppe 1,3,4: BG-Urteil S. 13 und 18: Die Formulierung der beiden Seiten kann weder vom Senat noch von Prof. Krämer eindeutig interpretiert werden; sie sind missverständlich formuliert.

----- 12:00 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Mit Gruppe 1 und 3 gibt es Probleme: Sie sind unstreitig Sonderkunden. RWE behauptet, die AVB sei vereinbart. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen.

Falls dem so wäre, dann gäbe es nach Ansicht des Senats eine Preisanpassungsklausel, die nicht gegen §307 verstößt. Der Senat hat hieran auch gegen meine Bedenken festgehalten.

Schon im letzten Verfahren hatte ich auf die Relevanz der EU Binnenmarktsrichtlinie hingewiesen und nichts dazu in den Entscheidungsbegründungen gefunden. Daher freut mich, dass der Senat dies selbst aufgegriffen hat.

Die EU-Bestimmung ist so zu verstehen, dass der nationale Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen hat, dass die vertraglichen Bestimmungen transparent gestaltet sind. Für Tarifkunden gelten gesonderte Schutzbestimmungen.

Der Senat räumt selbt ein, dass eine vollkommen intransparente Preisanpassungsregelung zugunsten der Versorger ermöglicht wird. Dies ist aber mit der EU-Richtlinie nicht vereinbar, da die Transparenz dadurch aufgehoben wird. Die Regelung war bis zum 1.7.2004 in nationales Recht umzusetzen. Der Senat meint, die Transparenz sei nicht als Klauseltransparenz zu verstehen. Zur Klärung ist eine Vorlagepflicht vor den EuGH zu bejahen.

Entsprechendes gilt für die Gruppe 2: Die Preisanpassungsklausel in den Sonderverträgen ist intransparent, unbestimmt und daher nicht wirksam vereinbart.

Zur Gruppe 4: Prof. Krämer sieht hier gleiche Ausführungen als für Gruppe 2.
Sowohl die AVBGas als auch die AVBsk wurde an die Kunden gesendet. Der Tarif richtet sich nach dem Verbrauch. Die AVBGas gilt für die Tarifkunden, die AVBsk gilt für Sonderkunden.
(Anm.: Die Bezeichnung AVBsk erweckt zunächst den Eindruck, es handele sich um ähnliche Bestimmungen wie die AVBGas. Tatsächlich handelt es sich aber wohl schlicht um die AGB von RWE mit einer irreführenden Bezeichnung)

Streitig geworden ist, ob eine Einordnung als Tarifkunden durch die Tarifierung vorgenommen worden ist. Das Anschreiben der RWE ist eine reine Mitteilung mangels vorhandenem Umgestaltungsrecht und kein Vertragsangebot.

Herr Wassermann weist konkludente Willenserklärungen durch Gasbezug, Zahlung, fehlenden Widerspruch zurück. Dies hat zur Folge, dass die AVBsk gelten, die eine unwirksame Preisanpassungsklausel enthalten.

Zur Gruppe 4: Der Tarif wird als \"Sondertarif\" bezeichnet, es liegen schriftliche Verträge vor und der Tarif steht nur Kunden mit einem Mindestverbrauch von 10000 kWh/Jahr offen.

Zum Kunden mit der Spannungsklausel: Er bekräftigt die Unwirksamkeit analog zur EWE-Entscheidung.

Zu Gruppen 2,4,5: Ein wirksames Preisanpassungsrecht fehlt. Die tatrichterlichen Feststellungen dazu sind ausreichend.

Ein zentraler Punkt liegt in der ergänzenden Vertragsauslegung. Für Versorger ist es nicht unzumutbar, an einen Preis gebunden zu sein, dem sie sich durch ordentliche Kündigung entziehen können. Daher kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht.

Er kritisiert die \"Obiter Dicta\" Äußerung des Senats in Rn 52 der genannten Entscheidung (14.7.10 ?)

Für länger zurückliegende Rückforderungen ist der Versorger durch die Regelverjährung von drei Jahren geschützt. OLG Koblenz vom 2.9.2010: Wegen dieser kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht.

Die unbeanstandete Hinnahme eine Preisanpassung ist keine Willenserklärung. Es gibt hier keinen Vertrauensschutz für Versorger, da das Risiko der Klauselwirksamkeit beim Verwender liegt.

Der Umstand, dass Kunden keinen Widerspruch eingelegt haben, kann nicht entscheidend sein, denn es ist nicht Aufgabe der Kunden, die AGB auf Wirksamkeit zu prüfen und den Verwender darauf hinzuweisen. Auf welchen Zeitpunkt will man denn den Anlaß für eine Kündigung festlegen? Die Fehlbeurteilung der Rechtslage und der dadurch bedingte Verzicht auf eine Kündigung liegen im Risikobereich des Versorgers. Wie kann man dann von den Kunden eine korrekte Rechtsbeurteilung abverlangen.

Herr Wassermann warnt den Senat davor, auch in diesem Aspekt \'ein Faß aufzumachen\' und eine Spezialrechtsprechung für den Energiebereich zu entwickeln. (Anm.: Herr Balls Gesichtsausdruck ist \"not amused\").

Eine ergänzende Vertragsauslegung kann nicht dazu führen, dass eine unwirksame Preisanpassungsklausel im Ergebnis doch Vertragsbestandteil wird.

Spätestens 2005 und 2006 wurde Widerspruch bzw. Klage auf Rückzahlung erhoben. Dabei ging es um Preise von 2003, die 2004 in Rechnung gestellt wurden. Angesicht der jahresweisen Abrechnung kann man da nicht von länger zurückliegenden Zeiträumen sprechen.

----- 12:30 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. R.

Die EU-Richtlinie ist für Preise, die für 2003 festgelegt wurden, irrelevant.
Es geht darin um Verfahrens-, nicht Klauseltransparenz.

Zur Gruppe 5: Wie können Sonderverträge zustandegekommen sein, wenn der Versorger zu diesem Zeitpunkt garkeine solchen mehr angeboten hat, sondern nur noch die Belieferung im Rahmen der Grundversorgung?

Das Hinweisschreiben zur Tarifumstellung ist als Kündigung zu verstehen.

Zur RN 52 des Senats: Es geht um Vertrauenssschutz.

Zum Kunden mit der Spannungsklausel: Er hat Widerspruch nur gegen die vorletzte Preisanpassung erhoben, macht aber Rückforderungen für Zeiträume davor geltend.

Durch eine Rückforderung entsteht ein grobes Missverhältnis zwischen Preis und Leistung.

----- 12:35 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Wieso sind denn einzelne Widersprüche relevant?
Der Widerspruch eines einzigen Kunden muss den Versorger doch bereits darauf hinweisen, dass mit seinen AGB etwas nicht stimmt!

----- 12:35 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Ein weiteres Verfahren mit ähnlicher Fragestellung wird am 8.12.2010 verhandelt.Ein drittes gleichgelagertes Verfahren ist in Vorbereitung.

Am Mittwoch, 9.02.2010 um 10:00 wird der Senat - voraussichtlich in allen drei Verfahren - eine Entscheidung verkünden.

Gruss,
ESG-Rebell.


Herzlichen Dank für diese schnelle Mitteilung.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 18. November 2010, 10:39:30
Zitat
Original von RR-E-ft

Die Argumente für und wider sollten sachlich diskutiert werden:

Nach Zurückverweisung nach dem Verfahren BGH VIII ZR 246/08 hat das OLG Oldenburg am 02.11.2010 die Klage nochmals verhandelt und dabei zutreffend ausgeführt, dass die Auslegung des BGH zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln der Bekl. vor dem 01.04.2007 nach dem Transparenzgebot nicht mit den EU- Richtlinien, insbesondere auch  dem nach Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgeschriebenen Transparenzgebot, vereinbar erscheint, weshalb eine Vorlage zum EuGH erwogen wird.

Das OLG Oldenburg hatte dort einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach die Bekl. die Preisänderungen im Zeitraum 01.08.04 bis 01.04.07 zu 2/3 an die Kl. zurückzahlen soll und die Preisänderungen ab dem 01.04.07 vollständig zurückzahlen soll. Sollte dem OLG Oldenburg innerhalb einer Stellungnahmefrist von drei Wochen keine Erklärung der Parteien dazu vorliegen, so soll eine Entscheidung am 14.12.10 verkündet werden.

Tatsächlich ergibt sich bereits aus BGH KZR 2/07 Rn. 21, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag dem Versorger nicht die Entscheidung über die Temine überlassen darf, zu denen Preisänderungen im Umfange geänderter Kosten erfolgen dürfen bzw. müssen. Zumindest die Preisrevisionstermine müssen mithin bereits in der Klausel geregelt sein.

Der VIII. Zivilsenat des BGH führt selbst aus, dass die von ihm für wirksam erachteten Klauseln nicht den Erfordernissen entsprechen, die die Rechtsprechung des BGH sonst an Preisänderungsklauseln stellt (vgl. bereits BGH  VIII ZR 225/07 Rn. 26). Er führt insbesondere ausdrücklich auf, dass solche Klauseln die Kunden über vieles im Unklaren lassen. Allein dies müsste jedoch bei kundenfeindlichster Auslegung schon zur Unwirksamkeit entsprechender Klauseln führen (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 19).

Der VIII. Zivilsenat begründet seine Auffassung zur Wirksamkeit mit § 310 Abs. 2 BGB. Indes lässt diese Norm schon keinerlei  Einschränkung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 307 BGB zu (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 25; BGH KZR 10/03 unter II.6.b)).

Andernfalls verstieße die gesetzliche Regelung der §§ 305 ff. BGB gegen  Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (vgl. auch Palandt, BGB, 68.Aufl., § 310 Rn. 22 ff., 26).

Es muss m.E. auch um das in Artikel 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vorgeschriebene Transparenzgebot gehen.

Klar ist jedoch nur, dass § 4 AVBGasV/ § 5 GasGVV  schon ihrem  Wortlaut nach weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig die Änderung eines vereinbarten Gas- Sonderpreises regeln.

Das sollte bereits für Jura- Erstsemester erkennbar sein.
Für alle, die damit ein Verständnisproblem haben sollten, hat es der Kartellsenat des BGH in seiner Entscheidung KZR 2/07 Rn. 29 ausdrücklich ausgeführt.  

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 29

kein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 AVBGasV. Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes [1998] jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV). Die Kläger sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch keine Tarif-, sondern Sondervertragskunden. Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung in § 2 Abs. 1 des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
Anm.: Es handelte sich um die Allgemeinen Tarife gem. § 6 Abs. 1 EnWiG 1935 bzw. § 10 Abs. 1 EnWG 1998.

Eine wirksam einbezogene textlich inhaltsgleiche Klausel kann diesbezüglich dann aber auch weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig etwas zur Änderung des vertraglich vereinbarten Gas- Sonderpreises beitragen.
Das ergibt sich aus den zu beachtenden Denkgesetzen (Logik).

Der Allgemeine Tarif ist zudem  bei einem Gas- Sondervertrag schon ebensowenig wie etwa ein Marmeladenpreis vertragsgegenständlich.
Und eine einbezogene Vertragsklausel, die sich zur Änderung eines Marmeladenpreises verhielte, würde wohl auch kein Preisänderungsrecht in Bezug auf den vertraglich vereinbarten Gas- Sonderpreis begründen.

Unklarer kann deshalb eine Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag wohl überhaupt nicht sein.  


Die Normen §§ 4 II AVBV/ 5 II GVV  gestalten nur die besondere Ausübung nach § 315 Abs. 2 BGB desjenigen gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts in Bezug auf Allgemeine Tarife aus, welches sich seinerseits bereits aus dem EnWG selbst ergibt (BGH KZR 29/06 Rn. 20). Normalerweise ist es für die Ausübung eines einseitigen Leistungsbetimmungsrechts notwendig, dass dem anderen Vertragsteil eine entsprechende (unwiderruflkiche) Willenserklärung zugeht. Wegen der damit verbundenen Beweischwierigkeiten wollte der Gesetzgeber ausdrücklich auf das Zugangserfordernis verzichten. Deshalb ist etwa bei § 5 GasGVV auch nicht der Zugang einer brieflichen Mitteilung an den Kunden maßgeblich, sondern weiterhin - wie schon zuvor - die öffentliche Bekanntgabe geänderter Preise.

Zitat
BGH KZR 29/06 Rn. 20:

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. für jedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

Da es nur um die besondere Ausübungsform des sich bereits aus dem EnWG ergebenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts geht, hatte der Verordnungsgeber insbesondere auch keine Tranparenz zu berücksichtigen. Die Verordnungsbestimmungen unterliegen in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich schon nicht der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. §§ 9 AGBG, 307 BGB, weil es sich ja schon um keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt

Deshalb erscheint auch ein entsprechender Rückschluss des VIII. Zivilsenats nicht nachvollziehbar, wonach der Verordnungsgeber selbst das Maß der Transparenz vorgegeben habe.

=======

Wenn die Kunden zuvor bereits Sondervertragskunden waren, kann aus einem Mitteilungschreiben des Versorgers und dem Weiterbezug von Energie nicht darauf geschlossen werden, dass ein neues Vertragsverhältnis begründet werden sollte (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 20).

Einer ergänzenden Vertragsauslegung - wenn deren Voraussetzung Unzumutbarkeit denn überhaupt in Anbetracht des Versorgerrechts zur ordentlichen Künduigung vorläge - muss m. E. auch deshalb ausscheiden, weil die verscheidensten Regelungen zur Lückenschließung in Betracht gekommen wären und nicht klar ist, für welche hiervon  sich die Parteien hypothetisch entschieden hätten, wenn sie die Unwirksamkeit gekannt hätten.

Siehe auch:

Motive zu § 307 BGB (http://www.sadaba.de/Mot/GSBM_BGB_0307.html)

EU-Richtlinie 93/13/EWG (http://www.jura.uni-bielefeld.de/Lehrstuehle/Artz/files/allg_epr/199313ewg.pdf)
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 18. November 2010, 17:09:47
Schon wieder erkenne ich in der angedeuteten Auffassung des VIII. Senats, dass man sich dem Verbraucherschutz nicht stellen will.

Was anders soll diese Argumentation denn sonst schon bedeuten, wenn man beim Senat der Auffassung ist, in den europäischen Richtlinien sei nur die \"Transparenz des Verfahrens\" gemeint.

Vielleicht sollte sich der VIII. Senat einmal näher mit dem § 41 Abs. 2 EnWG befassen und dann sich über die dort statuierte Weiterverweisung auf die dort zitierten Richtlinien Gedanken machen.

Wenn schon der Gesetzgeber auf diese Richtlinien verwiesen hat dann denke ich, dass der VIII. Senat nicht mit weiteren Verbiegungen ein neues Fass aufmachen muß. Wie lautet es in dem Text des in der Gasrichtlinie zitierten Anhang A:

Zitat
ANHANG A  
Maßnahmen zum Schutz der Kunden  

Unbeschadet der Verbraucherschutzvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere der Richtlinien 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(1) und 93/13/EG des Rates(2) soll mit den in Artikel 3 genannten Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Kunden  

a) Anspruch auf einen Vertrag mit ihren Anbietern von Elektrizitätsdienstleistungen haben, in dem Folgendes festgelegt ist:  

- Name und Anschrift des Anbieters,  
- erbrachte Leistungen und angebotene Qualitätsstufen sowie Zeitpunkt für den Erstanschluss,  
- falls angeboten, die Art der angebotenen Wartungsdienste,  
- Art und Weise, wie aktuelle Informationen über alle geltenden Tarife und Wartungsentgelte erhältlich sind,  
- Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses, Vorhandensein eines Rücktrittsrechts,  
- etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Leistungsqualität und  
- Vorgehen zur Einleitung von Streitbeilegungsverfahren gemäß Buchstabe f).  

Die Bedingungen müssen gerecht und im Voraus bekannt sein. Diese Informationen müssen in jedem Fall vor Abschluss oder Bestätigung des Vertrags bereitgestellt werden. Auch bei Abschluss des Vertrags durch Vermittler müssen die oben genannten Informationen vor Vertragsabschluss bereitgestellt werden;  

b) rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Elektrizitätsdienstleister mitgeteilt hat;  

c) transparente Informationen über geltende Preise und Tarife sowie über die Standardbedingungen für den Zugang zu Elektrizitätsdienstleistungen und deren Inanspruchnahme erhalten;  

d) über ein breites Spektrum an Zahlungsmodalitäten verfügen können. Die Unterschiede in den Vertragsbedingungen spiegeln die Kosten wider, die dem Lieferanten durch die unterschiedlichen Zahlungssysteme entstehen. Die allgemeinen Vertragsbedingungen müssen fair und transparent sein. Sie müssen klar und verständlich abgefasst sein. Die Kunden müssen gegen unfaire oder irreführende Verkaufsmethoden geschützt sein;  

e) den Lieferanten ohne Berechnung von Gebühren wechseln können;  

f) transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden in Anspruch nehmen können. Diese Verfahren müssen eine gerechte und zügige Beilegung von Streitfällen ermöglichen und für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und Entschädigungssystem vorsehen. Sie sollten, soweit möglich, den in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission(3) dargelegten Grundsätzen folgen;  

g) beim Zugang zur Grundversorgung gemäß den von den Mitgliedstaaten nach Artikel 3 Absatz 3 erlassenen Bestimmungen über ihre Rechte in Bezug auf die Grundversorgung informiert werden.  

(1) ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19.  (2) ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29.  (3) ABl. L 115 vom 17.4.1998, S. 31.

Die Frage, ob der Europäische Gesetzgeber nur die \"Transparenz des Verfahrens\" regeln wollte oder die \"Transparenz der Vertragsregeln\", liegt sicherlich nicht zur Beurteilung in der Zuständigkeit des VIII. Senats; es sei denn hierfür gibt es klare Ansagen aus der Institution selbst.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 18. November 2010, 19:20:26
Möglicherweise sollte man es besser so ausdrücken:
\"Schon wieder glaube ich zu erkennen, dass...\"

Es ist wohl so, dass der Senat eine Prüfung der Konfirmität mit europarechtlichen Bestimmungen für möglicherweise geboten hält.
Dafür, dass ihm dabei die Kompetenzen  des EuGH nicht geläufig wären, ist nichts ersichtlich.

Nun müsssen wohl die wissenschaftlichen Mitarbeiter ran:
Es ist zu prüfen, ob eine Vorlage an den EuGH geboten ist.

Lesenswert:

Schreiner: Leitbildfunktion der StromGVV/ GasGVV  für § 307 BGB (http://www.ewerk.hu-berlin.de/ewerk/Leitbildfunktion+der+Strom-+und+GasGVV)

Am Rande: Schwintowski: Transparenz- Transparenz- Transparenz (http://www.ewerk.hu-berlin.de/ewerk/transparenz)
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Februar 2011, 17:30:06
Verkündungstermin 09.02.11
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 11:45:49
PM Nr. 26/2011 vom 09. 02.11 EuGH- Vorlage (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2011&Sort=3&nr=55015&pos=0&anz=26)


Zitat
Nr. 26/2010


Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Richtlinien 93/13/EWG (Klausel-Richtlinie) und 2003/55/EG (Gas-Richtlinie)

Der Kläger, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., verlangt von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, aus abgetretenem Recht von 25 Haushaltskunden die Rückzahlung von Gaspreisentgelten, die diese in der Zeit von Januar 2003 bis Oktober 2005 auf Gaspreiserhöhungen gezahlt haben. Der Kläger hält die Gaspreiserhöhungen für unwirksam und fordert die gezahlten Erhöhungsbeträge zurück. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-Richtlinie)*** dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Gaslieferungsverträgen mit Verbrauchern, die außerhalb der allgemeinen Versorgungspflicht im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit beliefert werden (Sonderkunden), nicht den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen, wenn in diesen Vertragsklauseln die für Tarifkunden im Rahmen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht geltenden gesetzlichen Regelungen unverändert in die Vertragsverhältnisse mit den Sonderkunden übernommen worden sind?

2. Sind - soweit anwendbar - Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie****,****** in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie***** sowie Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (Gas-Richtlinie)******** dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden den Anforderungen an eine klare und verständliche Abfassung und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz genügen, wenn in ihnen Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?

Bei den Kunden der Beklagten handelt es sich zumindest teilweise um Sonderkunden. Für diese gilt das gesetzlich im Tarifkundenverhältnis vorgesehene einseitige Preisänderungsrecht des Gasversorgers nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nur dann, wenn es als Vertragsklausel wirksam vereinbart wird. Nach dem vorliegend zugrunde zu legenden Sachverhalt erfolgte eine derartige Vereinbarung im Wege der Bezugnahme in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der Senat geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Preisänderungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV - einschließlich der insoweit bestehenden Kündigungsmöglichkeiten - unverändert in einen Sonderkundenvertrag übernimmt, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB* darstellt. Dies gilt auch im Hinblick auf die Transparenz der Preisänderungsklausel. Zwar enthält ein § 4 AVBGasV nachgebildetes vertragliches Preisänderungsrecht keine Angaben zu Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung. Gleichwohl ist eine solche Klausel wirksam, da der Schutz von Sonderkunden nicht weitergehen soll als derjenige, der Tarifkunden durch § 4 AVBGasV gewährt wird.

Die Vorlage dient einer Klärung der Frage, ob die Auffassung des Senats im Einklang mit den Anforderungen steht, die Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie und Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie******* an eine klare und verständliche Abfassung von Vertragsklauseln und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz stellen. Bezüglich der Klausel-Richtlinie ist vorab zu klären, ob diese überhaupt vertragliche Vereinbarungen erfasst, die inhaltlich mit Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten übereinstimmen.

Die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Klausel-Richtlinie und die Auslegung der in ihr sowie in der Gas-Richtlinie enthaltenen Anforderungen an die Transparenz von Preisänderungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen mit Verbrauchern sind dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten.

*§ 307 Abs. 1 BGB lautet:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

**§ 4 AVBGasV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden) lautet auszugsweise:

(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. (…)

(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. (…)

***Art. 1 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:

Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften (…) beruhen, (…) unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.

****Art. 3 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:

(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. (…)

(3) Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für mißbräuchlich erklärt werden können.

*****Der Anhang zu Art. 3 Abs. 3 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:

1. Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, daß (…)

j)der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern kann; (…)

2. (…) b)(…) Buchstabe j) steht (…) Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Gewerbetreibende das Recht vorbehält, einseitig die Bedingungen eines unbefristeten Vertrages zu ändern, sofern es ihm obliegt, den Verbraucher hiervon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, und es diesem freisteht, den Vertrag zu kündigen.

******Art. 5 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:

Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. (…)

*******Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie lautet auszugsweise:

Die Mitgliedstaaten (…) gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren.

********Anhang A der Gas-Richtlinie lautet auszugsweise:

(…) soll mit den in Artikel 2 genannten Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Kunden (…)

rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat;

transparente Informationen über geltende Preise und Tarife sowie über die Standardbedingungen für den Zugang zu Gasdienstleistungen und deren Inanspruchnahme erhalten;

Beschluss vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 162/09

LG Dortmund - Urteil vom 18. Januar 2008 – 6 O 341/06

OLG Hamm - Urteil vom 29. Mai 2009 – 19 U 52/08 (veröffentlicht in RdE 2009, 261 = ZNER 2009, 274)

Karlsruhe, den 9. Februar 2011

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 09. Februar 2011, 20:03:09
Der VIII. Senat ist sich der Richtigkeit seiner eigenen Rechtsprechung offenbar nicht mehr sicher.
Jetzt ist offenbar die Gasrichtlinie nicht mehr (nur) noch verfahrensrechtlicher Natur, sondern im Hinblick auf die Transparenzvorgabe doch ein Grund über materiellrechtliche Auslegungsfragen nachzudenken.

Konsequenter Weise hätte er dem EuGH etwas konkreter mitteilen sollen, warum nicht die Vorschriften des BGB als gegenüber der AVBGasV höherrangigem Recht eine Leitbildfunktion ausüben und welche gesetzliche Ermächtigungsnorm dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffnet hatte, mit den Vorschriften der AVBGasV die Nichtanwendbarkeit des § 307 BGB zu ermöglichen.

In der dargestellten Form kann der EuGH die Vorlagefrage gar nicht umfänglich verstehen.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 09. Februar 2011, 20:15:15
Der Senat durfte sich wohl nach dem Vorlagenbeschluss des OLG Oldenburg vom 14.12.10  gar nicht mehr sicher sein.
Die Vorlage ist nur konsequent (Palandt, BGB, § 310 Rn. 22 ff. )

Der Senat konnte sich nach BGH VIII ZR 246/08 nicht noch einmal wegen dieser Fragen \"in die Büsche schlagen\".

Dass der Senat grundversorgte Kunden und Sondervertragskunden gleich schlecht behandelt sehen will, konnte ggf. wohl so deutlich nicht formuliert werden.

Es gibt im nationalen Recht keine gesetzliche Norm, die Sonderverträge hinsichtlich der Inhalts- und Transparenzkontrolle von Preisänderungsklauseln gem. § 307 BGB privilegiert.

Die Privilegierung muss der Senat wohl aus dem nichts geschöpft haben.

Eine solche Privilegierung ergibt sich insbesondere nicht aus § 310 Abs. 2 BGB.  Ergäbe sie sich daraus, wäre wohl das nationale Recht (§§ 305 ff. BGB) seinerseits nicht richtlinienkonform.

Der EuGH wird wohl erkennen, dass es sich um Parallelverfahren zum Vorlagenbeschluss des OLG Oldenburg handelt.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 10. Februar 2011, 16:29:45
die numehr vom BGH geforderte Überprüfung ist gerade der Kernpunkt aller Überlegungen sowohl des OLG Oldenburg als auch des BGH.
Die Klauselrichtlinie enthält ja eine gewichtige Ausnahme vom ansonsten uns Juristen bekannten Prüfungssschema in AGB-rechtlichen Fragen.
Artikel 5 der Richtlinie 93/13 EWG des Rates vom 5. April 1993 stellt nämlich in der Tat Anwendbarkeitsprobleme. Gemäß Artikel 1 Absatz 2 unterliegen
Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, nämlich nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.
Allerdings gibt es in der Strom- und der Gasrichtlinie auch Tranzparenzbestimmungen.

Der EuGH muss demnach Stellung nehmen, ob die AVBGasV und GasGVV- Bestimmungen, wenn sie ungeändert in einen Vertrag einbezogen werden, überhaupt unter die Bestimmungen der Klauselrichtlinie fallen.
Verneint er die Frage, muss er prüfen, ob das Transparenzgebot der \"Gas - und/oder Stromrichtlinien\" tangiert ist. Bejaht er sie, muss die Transparenz richtlinienkonform beurteilt werden und kann nicht nach bisheriger Rechtsprechung einfach unter den Tisch fallen, weil der deutsche Gesetzgeber keine unterschiedliche Behandlung von Tarif- und Sonderkunden beabsichtigt habe.

Der BGH hat die Frage einer wirksamen Einbeziehung einer intransparenten Vertragsbestimmung übrigens auch immer noch nicht an den Maßstäben von § 305 BGB geprüft.
Er kommt nämlich in seiner jüngsten Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass durch die Einbeziehung der genannten Normen keine Transparenz hergestellt wird.
Allerdings erfordert § 305 Absatz 2 Nr. 2 BGB, dass allgemeine Vertragsbedingungen für den Kunden verständlich sein müssen. Die Vorschrift enthält damit ein Transparenzgebot (OLG Schleswig NJW 1995, 2858 ].  

Die Einbeziehung einer Klausel, die in ihrem Kernbereich unklar oder für den Durchschnittskunden unverständlich ist, scheitert bereits an § 305 Absatz 2 Nr. 2 BGB (KG NJW-RR 1999, 1659; OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1440; OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 786, 787; OLG Schleswig NJW 1995, 2858, 2859).
Zitat: OLG Oldenburg Beschl. Vom 14.12.2010).

Eine Prüfung nach § 307 BGB wäre wohl dann gar entbehrlich.

Kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die genannten Verordnungsbestimmungen nicht dem Tranzparenzgebot der Richtlinien 2003/55/EG bzw. 2003/54/EG entsprechen, dann kann auch die bisherige Auslegung des BGH nicht mehr aufrechterhalten werden.

Nur dann, wenn weder die Klauselrichtlinie anwendbar und auch das Transparenzgebot der Richtlinien 54 und 55 aus 2003 nicht tangiert bzw. verletzt wäre, könnte der BGH seine bisherige, schwer nachvollziehbare, Rechtsprechung beibehalten. Dann müsste er aber immer noch die Einbeziehung nach dem Maßstab des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB konkreter prüfen.

Das ist meine Lesart der neueren Rechtsprechung hierzu.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Februar 2011, 16:40:40
Für Sonderverträge gibt es keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen. Insbesondere die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV gelten für Sonderverträge nicht unmittelbar.

Deshalb gilt m.E. das Transparenzgebot des § 307 BGB uneingeschränkt.

Die jeweeiligen Klauseln halten dem nicht stand. Bei Lichte betrachtet regeln sie die Änderung eines Sondervertrags- Gaspreises weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig, so dass bereits ihre wirksame Einbeziehung deshalb in Frage stehen kann. Sie entsprechen jedenfalls  nicht den Erfordernissen, die der BGH sonst regelmäßig an die Transparenz von Preisänderungsklauseln stellt.  

Ihre Einbeziehung steht indes auch noch aus ganz anderen Gründen in Frage, wenn den Kunden die Bedingungen nicht vor Vertragsabschluss mit Hinweis darauf, dass sie als AGB in den abzuschließenden Sondervertrag einbezogen werden sollen, ausgehändigt wurden, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB (Arg.: § 2 Abs. 3 AVBGasV, § 2 Abs. 4 GasGVV). Lediglich ein Verweis auf diese Bedingungen ohne deren Aushändigung genügt nicht für die wirksame Einbeziehung.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 11. Februar 2011, 17:20:11
Zitat
Original von RR-E-ftFür Sonderverträge gibt es keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen. Insbesondere die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV gelten für Sonderverträge nicht unmittelbar.

Das letztere ist natürlich mittlerweile wohl jedem bekannt. Aber warum sollten gesetzliche Regelungen wie z.B. die §§ 305 ff BGB nicht verbindlich, da gesetzlich sein?

Wenn Sie meinen, dass es keine spezialgesetzliche Regelungen gibt, in denen der Energiebezug im Rahmen von Sonderverträgen geregelt wird, dann ist es ja gerade dieser Umstand, der Anlass zu Kritik gibt. Wenn dem deutschen Gesetzgeber schon mit der Richtlinie 2003/54/EG aufgegeben wurde, einen bestimmten rechtlichen Rahmen zu schaffen, der u.a. den Verbraucherschutz bewirken bzw. sicherstellen sollte, dann aber die Ermächtigungsnorm des § 41 Abs. 2 EnWG 2005 nicht genutzt wird, dann muss man meines Erachtens von einer erneuten Vertragsverletzung der Bundesrepublik Deutschland sprechen, die wieder einmal die Vorgaben einer EG- Richtlinie nicht innerhalb der Frist bis zum 1.7.2004 in innerstaatliches Recht umgesetzt hat.

Im Gegensatz zur Auffassung einiger Richter insbesondere des VIII. Zivilsenats des BGH sind die deutschen Gerichte jedoch spätestens mit Erreichen der Umsetzungsfrist gehalten, die Vorgaben der RiLi in der Weise zu beachten, als dass sie nationale Rechtsvorschriften im Sinne der Richtlinie, mithin \"richtlinienkonform\" auslegen müssen.

Einer solchen richtlinienkonformen Auslegung steht die derzeitige Rechtsprechung des BGH zu den Normsonderkundenverträgen diametral entgegen. Sie negiert das Bestehen hochrangigen EU- Rechts und den damit bezweckten Verbraucherschutz.

Es ist zu hoffen, dass diese irrigen Ansichten von der Beachtung bzw. Nichtbeachtung des europäischen Rechts vom EuGH zurechtgerückt werden.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Februar 2011, 18:06:36
Sonderverträge werden im Bereich der Vertragsfreiheit abgeschlossen.

Der bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbarte Preis unterliegt keiner Kontrolle.

Wenn § 307 BGB uneingeschränkt gilt (und nicht etwa unter fragwürdiger  Berufung auf § 310 Abs. 2 BGB einschränkend ausgelegt wird), dann gibt es doch gar nichts zu beanstanden (BGH KZR 10/03 unter II.6, III ZR 247/06 Rn. 10, XI ZR 78/08 Rn. 38].

Zitat
BGH III ZR 247/06 Rn. 10

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002- X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 23. Februar 2011, 20:45:39
BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55196&pos=8&anz=645)
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 04. Mai 2011, 13:34:15
Prof. Markert hat in ZNER 15/2/2011 S. 174 ff. eine lesenswerte Anmerkung zu dem Beschluss veröffentlicht.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 18. Juni 2012, 19:03:04
Mündliche Verhandlung über die Vorlagefrage vor dem EuGH soll am 28.6.2012 stattfinden.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 19. Juni 2012, 12:05:33
Zitat
Original von RR-E-ft
Mündliche Verhandlung über die Vorlagefrage vor dem EuGH soll am 28.6.2012 stattfinden.

Wo kann man das nachlesen?
Ich sehe nur, dass in der Kartellsache (https://www.juris.de/jportal/portal/t/10ql/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA120601842&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp) betreffend die Gasmärkte in Frankreich und Deutschland am 29.6. verhandelt werden soll.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 19. Juni 2012, 12:13:23
Mitteilung der VZ NRW (http://www.vz-nrw.de/UNIQ134010069224216/rueckzahlungen-aus-ueberhoehten-gasrechnungen-der-rwe-westfalen-weser-ems-ag)

Zitat
Das Verfahren läuft beim Europäischen Gerichtshof unter dem Aktenzeichen C-92/11. Der Termin ist für den 28.06.2012 bestimmt worden.
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 19. Juni 2012, 12:30:47
InfoCURIA (http://curia.europa.eu/juris/fiche.jsf?id=C%3B92%3B11%3BRP%3B1%3BP%3B1%3BC2011%2F0092%2FP&pro=&lgrec=de&nat=&oqp=&dates=&lg=&language=de&jur=C%2CT%2CF&cit=none%252CC%252CCJ%252CR%252C2008E%252C%252C%252C%252C%252C%252C%252C%252C%252C%252Ctrue%252Cfalse%252Cfalse&num=C-92%252F11&td=ALL&pcs=O&avg=&mat=or&jge=&for=&cid=1351093)
Titel: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 02. Juli 2012, 16:09:25
Nach der Verhandlung ist der Verfahrensausgang offen.
Die Generalanwältin hat mitgeteilt, dass sie ihre Schlussanträge am 13.09.2012 stellen wird.
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 13. September 2012, 19:04:16
Nach der Verhandlung ist der Verfahrensausgang offen.
Die Generalanwältin hat mitgeteilt, dass sie ihre Schlussanträge am 13.09.2012 stellen wird.

Da heute Termin ist - noch einmal zur Erinnerung

InfoCURIA
Titel: Schlußanträge - EuGH 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 13. September 2012, 19:28:50
Nach der Verhandlung ist der Verfahrensausgang offen.
Die Generalanwältin hat mitgeteilt, dass sie ihre Schlussanträge am 13.09.2012 stellen wird.

Da heute Termin ist - noch einmal zur Erinnerung

InfoCURIA

Da sind sie nun - die Schlußanträge (http://www.juris.de/jportal/portal/t/1hio/page/homerl.psml;jsessionid=DAABE73BC8B7E837361D408C50D5849D.jpj4?nid=jnachr-JUNA120902712&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp)
Titel: Schlussanträge der Generalanwältin EuGH Az. C-92/11 vom 13.09.12
Beitrag von: RR-E-ft am 13. September 2012, 20:17:56
Hier sind die Schlussanträge der Generalanwältin vom 13.09.12 (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30db752aa35a48184a779fa5bc01efb6f224.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxuKbx10?text=&docid=126803&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1814572)

Presse-Echo Handelsblatt (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/urteil-mit-symbolkraft-rwe-droht-schlappe-wegen-gaspreis-/7130120.html)
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 17. September 2012, 17:00:50
Wenn der Gerichtshof den Anträgen folgt, dann dürften eine Reihe von Fragen und rechtlichen Einschätzungen in Bezug auf die Auslegung und Handhabung der AVBGasV und der GasGVV innerhalb von sonderverträgen und innerhalb der Grundversorgung geklärt sein. Allerdings nicht im Sinne der Energieversorgungsunternehmen.

Zitat
Die Generalanwältin: Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot in den Art. 3 und 5 der Richtlinie 93/13 in
Verbindung mit Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 dieser
Richtlinie  sowie  Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit  Anhang A Buchst. b und/oder c der
Richtlinie 2003/55/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003
über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie
98/30/EG   ist   auch   dann   anzunehmen,   wenn   sichergestellt   ist,   dass   ein
Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im
Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu
lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen.

Zur Begründung wird auch mitgeteilt, dass die - den europarechtlichen Anforderungen nicht genügenden -  Vorschriften nicht auch vorübergehend noch angewendet werden könnten.

Es wäre ganz zweifellos ein Sieg der europäischen Verbraucher. 
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 01. März 2013, 18:25:45
Laut INFOCuria ist Verkündungsdatum bestimmt auf den 21.03.13.
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 21. März 2013, 12:17:05
Das Urteil vom 21.03.2013 (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30db8c10db81acc94b879305862c3d0abde5.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxuLa3b0?text=&docid=135405&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=399391#Footnote*)
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 22. März 2013, 17:52:13
Urteil EuGH 21.03.2013, Az.: C-92/12

Tz. 25      Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 unterliegen Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 hat folgenden Wortlaut:

„Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft – insbesondere im Verkehrsbereich – Vertragsparteien sind, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“

Grundlage:
Tz. 26      Wie aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 hervorgeht, erstreckt sich die in deren Art. 1 Abs. 2 vorgesehene Ausnahme auf Klauseln, die auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruhen, die unabdingbar sind oder die von Gesetzes wegen greifen, wenn sie nicht abbedungen wurden.

13. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 hat folgenden Wortlaut:

„Bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, wird davon ausgegangen, dass sie keine missbräuchlichen Klauseln enthalten. Daher sind Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Grundsätzen oder Bestimmungen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft Vertragsparteien sind, nicht dieser Richtlinie zu unterwerfen; der Begriff ‚bindende Rechtsvorschriften‘ in Artikel 1 Absatz 2 [dieser Richtlinie] umfasst auch Regeln, die nach dem Gesetz zwischen den Vertragsparteien gelten, wenn nichts anderes vereinbart wurde.“

Soweit auch das EuGH-Urteil:
Tz. 28      Wie die Generalanwältin in Nr. 47 ihrer Schlussanträge ausführt, ist dieser Ausschluss von der Geltung der Regelung der Richtlinie 93/13 dadurch gerechtfertigt, dass in den vorstehend in den Randnrn. 26 und 27 bezeichneten Fällen die Annahme zulässig ist, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge getroffen hat.

Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Grundsätzen oder Bestimmungen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft Vertragsparteien sind, sind folglich nicht dieser Richtlinie unterworfen.

Bei nationalen Rechtsvorschriften geht die Richtlinie pauschal davon aus, dass diese bereits angemessene Lösungen von Interessenkonflikten darstellen und keine im Sinne der Richtlinie enthaltende Klauseln enthalten. Die Mitgliedstaaten werden insoweit aber auch in die Pflicht genommen.Unabhängig von der Frage, ob diese Annahme richtig ist, ist der eigentliche Sinn von Art. 1 Abs. 2 RiLi darin zu sehen, zu verhindern, dass indirekt die nationalen Rechtsvorschriften einer Kontrolle durch Richter/Behörden unterzogen werden. Der Art. 1 Abs. 2 RiLi ist daher Ausdruck der Bindung des Richters an das Gesetz.und soll zudem die Rechtsetzungsautonomie der einzelnen EU-Staaten sichern. Der Erwägungsgrund 13 stellt klar, dass Begriff "bindende Rechtsvorschriften" nicht im Sinne von zwingendem Gesetzesrecht zu verstehen ist, sondern auch Bestimmungen des dispositiven Rechts erfasst. Auch bei vorhandenen dispositiven Bestimmungen wäre eine inhaltliche Kontrolle unsinnig, weil im Fall der Unverbindlichkeit der Klausel ohnehin wiederum die Bestimmungen des dispositiven Gesetzesrechts gelten würden. "Bindend" ist also so zu verstehen, dass damit alle Rechtsvorschriften gemeint sind, die verbindlich gelten, wenn eine abweichende vertragliche Regelung fehlt.
Der Vorrang der "nationalen Regelungen" nach Art. 1 Abs. 2 RiLi gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung nur bei "Rechtsvorschriften", die eine abschließende wertende Regelung des nationalen Gesetzgebers hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aufweisen. Nur insoweit kann davon ausgegangen werden, dass die gesetzliche Wertung als angemessene Regelung eine Mißbräuchlichkeitskontrolle ersetzt und entbehrlich macht und eine indirekte Kontrolle der sonst geltenden nationalen Vorschrift wäre nach Art. 1 Abs. 2 RiLi zu verhindern.
Folglich sind Klauseln, die mit solchen Rechtsvorschriften übereinstimmen, welche eine vertragliche Regelung zulassen, ohne deren Inhalt zu regeln (z.B. § 315 BGB, § 767 Abs. 1, S.3 BGB) nicht nach Art. 1 Abs. 2 RiLi der Mißbräuchlichkeitskontrolle entzogen.

Fazit:
Alle Klauseln, die sich innerhalb eines (gesetzlichen) Gestaltungsrahmens bewegen und damit die gesetzlichen Mindestschranken nicht überschreiten, können somit - auch wenn sie sich innerhalb des Bereichs der äußeren gesetzlichen Inhaltsschranken bewegt - im Falle der Benachteiligung der Vertragspartei und Intransparenz (Erwägungen zur RiLi: Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein) missbräuchlich und damit unverbindlich i.S.v. Art. 1 Abs. 2 RiLi sein.

Dieser Hinweis soll lediglich vorbeugen helfen davor, dass die Versorgerindustrie nun schon ins Frohlocken übergeht, der EuGH habe ja bei den Grundversorgungsverträgen seinen Segen erteilt, weil es sich ja bei den Bestimmungen der GasGVV/AVBGasV um "bindendes Recht" handeln soll.

Gerade hierbei, die ganze Rechtsprechung des BGH in der Grundversorgung ist von den Grundsätzen zu § 315 BGB geprägt, wird sich der BGH nicht um seine Verantwortung aus Art. 20 Abs. 3 GG drücken können, insbesondere wenn man die weiteren Entscheidungsgründe der EuGH-Entscheidung berücksichtigt.
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 22. März 2013, 22:38:20
Die gesetzlichen Preisänderungsrechte gem. §§ 4 AVBV/ 5 GVV unterliegen nicht der Richtlinie 93/13/EWG (Klauselrichtlinie).
Sie sind vielmehr an den Binnenmarktrichtlinien Strom bzw. Gas zu messen, die ihrerseits auch Transparenz einfordern.

Der BGH hat alle Verfahren betreffend Grundversorgungskunden gem. § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung in Sachen EuGH C- 359/11 ausgesetzt auch in Ansehung des Umstandes, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C - 359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C -8/11 und C -92/11 ausgesetzt hat (vgl.  BGH, B. v. 19.02.13 Az. VIII ZR 208/12) .

Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen vom 13.09.12 zum Verfahren C- 92/11 deutlich herausgestellt, dass die Transparenzanforderungen, die von den Binnenmarktrichtlinien Strom/ Gas gestellt werden, nicht anders zu beurteilen sein sollen, als diejenigen Transparenzanforderungen der Richtlinie 93/13/EWG, mit denen sich das EuGH- Urteil vom 21.03.13 Az. C- 92/11 befasst.

In seinem Urteil vom 21.03.13 Az. C -92/11 stellt der EuGH m.E.zum einen klar, dass AGB-  Preisänderungsklauseln in Gaslieferungsverträgen uneingeschränkt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen, und stellt ferner  für die Wirksamkeit einer solchen Preisänderungsklausel mit Rücksicht auf das Transparenzgebot auf die gleichen Kriterien ab, auf die der BGH sonst gem. § 307 BGB in seiner ständigen Rechtsprechung auch abstellt (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.07 Az. III ZR 247/06, juris Rn. 10 ff.).

Zitat
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene sogenannte Kostenelementeklauseln, die wie die
hier in Rede stehende Bestimmung eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 11. Oktober
2007 - III ZR 63/07 - Rn. 19; BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05 - NJW-RR 2005, 1717 unter II. 2.; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06 - NJW 2007, 1054, 1055 Rn. 20; jeweils m.w.N.).

Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).

Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des
Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September
2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).

b) Diesen Anforderungen wird die beanstandete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie verstößt zum einen
gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot. Sie ist deshalb zu unbestimmt, weil sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt. Insbesondere werden die Kostenelemente und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung
für die Kalkulation des Abonnementpreises nicht offen gelegt. Für den Abonnenten ist deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kostenänderungen auftreten können, noch hat er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.

Zum anderen führt die Klausel auch nach ihrem Inhalt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Abonnenten, weil sie Preiserhöhungen nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten, die Abonnementpreise ohne jede Begrenzung zu erhöhen und nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiter
zugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen
Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will § 307 BGB verhindern.

 
Titel: Re: mdl. Verh. EuGH am 28.06.12 über BGH- Vorlage v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 24. März 2013, 16:40:07
Der BGH hat sich im Zuge des Verfahrens C-359/11 in seiner Vorlagefrage darauf festgelegt:

Zitat
[...] Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen
.

Nach der Entscheidung vom 21.03.2013 bleibt dann nur noch das Thema: "... und den Kunden dabei vorher über sein Rücktrittsrecht belehrt ...". (vgl. OLG Düsseldorf).
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 26. März 2013, 21:40:48
Beitrag im BBH- Energieblog:

http://www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/gvv-preisanpassungsklauseln-in-sondervertragen-drohen-zu-kippen/

Siehe auch:

http://www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/gvv-preisanpassungsklauseln-in-sondervertragen-vor-dem-aus-wie-wird-der-eugh-entscheiden/#more-9863

Wo wohl zuviel versprochen wird:

http://www.managementcircle.de/downloads/weiterbildung/energieliefervertraege-aktuell-0374507.pdf

Zitat
Vorsicht Vertragsfallen – so gestalten Sie Ihre Verträge und Preisanpassungen rechtssicher
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: tangocharly am 27. März 2013, 17:11:30
Zitat
Wo wohl zuviel versprochen wird:

http://www.managementcircle.de/downloads/weiterbildung/energieliefervertraege-aktuell-0374507.pdf

Zitat

    Vorsicht Vertragsfallen – so gestalten Sie Ihre Verträge und Preisanpassungen rechtssicher

Vielleicht sollten die Herrschaften mal lieber bei Herrn Gasball nachfragen   ???
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Mai 2013, 23:08:51
Beim enreg- Workshop am 06.05.13 in Berlin war zu erfahren, dass der Senat beabsichtige, im Verfahren Az. VIII ZR 162/09 eine Verhandlung noch vor den "Gerichtsferien" anzuberaumen, mithin noch vor August.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 29. Mai 2013, 19:50:22
Eine interessante Anmerkung zu EuGH vom 21.3.2013 ist von Kurt Markert in LMK (Lindenmaier- Möhring) abgedruckt in http://beck-online.beck.de/?bcid=Y-300-Z-LMK-B-2013-N-345547 (Online Zugang für Beck- Online erforderlich)  hierzu zu lesen.
Er vertritt die Auffassung, dass der EuGH auch ausdrücklich der Feststellung der Generalanwältin zustimme, der deutsche Gesetzgeber habe durch § 310 II BGB die Sonderkundenverträge „bewusst nicht der Regelung des nationalen Rechts über den Inhalt der Klauseln der Gaslieferungsverträge unterworfen.“ (Rdnr. 37) – und meint, hierin sei eine klare Distanzierung von der vom BGH zur Begründung seiner „Übernahmethese“ angeführten Ansicht zu sehen, der deutsche Gesetzgeber habe mit § 4 I und II AVBGasV auch für die Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen den Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit nach § 307 BGB gesetzt (z. B. BGHZ 182, 59 = NJW 2009, 2662 Rdnr. 24 – GASAG).

Er meint ferner, dass dieser Auslegung des Tranparenzerfordernisses des Art. 5 RL 93/13 ist zuzustimmen sei, weil sie auch deutscher höchstrichterlicher Rechtsprechung zu § 307 I  2 BGB mit Ausnahme der „Übernahmethese“ des VIII. Zivilsenats entspreche.

Herr Markert äußert sich auch zu den Aussichten der von dem EuGH noch nicht entschiedenen Verfahren der Tarifkunden.
Dazu führt er aus, dass der EuGH In seinem Urteil vom 21. 3. 2013  die Ansicht vertreten habe, wonach Vorausinformation und Kündigungsmöglichkeit des Kunden die erforderliche Transparenz hinsichtlich Anlass und Modus künftiger Preiserhöhungen nicht ersetzen könnten, und stützt die Auffassung auf Art. 3 III und Anhang A der GasRL 2003/55 (Rdnr. 45). Es spräche deshalb viel dafür, dass er die Vorlagefragen des BGH hier ebenso beantworten würden wie in diesem Urteil.

Gute Aussichten für die Verbraucher.

Zu raten ist den Verbrauchern mit Vertragsklauseln, die den Regelungen der GasGVV entsprechen wegen der "Fristenlösung“ des VIII. Zivilsenats, wonach die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn diese nicht innerhalb von drei Jahren seit Zugang der die Erhöhung erstmals berücksichtigenden Jahresabrechnung beanstandet wurden (zuletzt BGH, NJW 2013, 991), den Preisänderungen nach wie vor - sogar vorsorglich - zu widersprechen, wenn das noch nicht passiert  sein sollte.

Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 30. Mai 2013, 00:30:29
Prof. Kurt Markert auf dem enreg- Workshop am 06.05.13 in Berlin:

http://www.enreg.de/content/material/2013/06.05.2013.Markert.pdf
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Mai 2013, 11:16:48
Aus unterrichteten Kreisen war folgendes zu erfahren:

Der BGH hat inzwischen in dem Verfahren  VIII ZR 162/09 die mündliche Verhandlung auf den 10.7. anberaumt.
Es soll auch eine Anfrage des EuGH beim BGH gegeben haben, ob die beiden Vorlagen zum Preisbestimmungsrecht der Tarifkunden- bzw. Grundversorger im Lichte des
Urteils vom 21.3. noch aufrechterhalten werden, was ein starkes Indiz ist, dass der EuGH auch hier die gleichen Transparenzanforderungen wie für Sonderkundenverträge stellt.
Allerdings soll der VIII. Zivilsenat nicht überraschend die Rücknahme seiner Vorlagen abgelehnt haben.
Titel: Terminsbericht Fortsetzung 10.07.13 BGH VIII ZR 162/09 nach EuGH- Urteil
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juli 2013, 14:27:54
Verhandlung am 10.07.2013 von 10:00 bis 11:20 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider

(Verhandlungstermin: 17. November 2010 = Vorlage EuGH)
VIII ZR 162/09
LG Dortmund - Urteil vom 18. Januar 2008 - 6 O 341/06
OLG Hamm - Urteil vom 29. Mai 2009 - 19 U 52/08
(veröffentlicht in RdE 2009, 261 = ZNER 2009, 274)

Kläger: RWE Vertriebs AG; vormals RWE Westfalen Weser Ems AG, RA Prof. Dr. Krämer, Dr. Rosin
Beklagte: Verbraucherzentrale NRW, RA Wassermann, Herr Schröder (VZ NRW)

----- 10:00 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Das Verfahren wurde ausgesetzt. Dem EuGH wurden zwei Fragen vorgelegt. Der EuGH hat geantwortet:
1) Die Klauselrichtlinie gilt auch für Vertragsklauseln, die aus einer gesetzlichen Vorschrift übernommen worden sind.
2) Es gilt die volle Transparenzkontrolle.

Das Auslegungsergebnis des EuGH ist für den Senat bindend. Es ist fraglich, ob die Rechtsprechung des Senats basierend auf §301, Abs. 2 BGB noch aufrecht erhalten werden kann. Dies wird der Senat zu prüfen haben. Falls die bisherige Rechtsprechung aufgegeben werden muss, ist zu prüfen, ob und wie die dadurch entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen ist; entweder durch Anwendung der Fristenregelung oder durch Annahme eines wirksam vereinbarten Preisanpassungsrechts. Falls eine ergänzende Vertragsauslegung für Versorgungsverträge untragbar sein sollte, kommt eine Rückabwicklung der dann nichtigen Verträge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen nach §812 in Betracht.

----- 10:05 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer:

Es ist der Kontext zu beachten, in dem der EuGH-Beschluß umzusetzen ist. Hier ist keine Anwendung von §812 BGB geboten. Er verweist auf seine schriftlichen Ausführungen zur ergänzenden Vertragsauslegung und begrüßt die Fristenlösung als gerechte Lösung.

Den EVUs wird durch die bisher richtige Rechtsprechung des Senats zur Gleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden Rechtssicherheit gegeben. Es kann nicht richtig sein, dass diese langjährige Rechtsprechung zur unveränderten Übernahme der Regelungen der AVB/GVV jetzt verworfen und die EVU im Regen stehen gelassen werden.

Zu §306, Abs.3 und §812: Eine Rückabwicklung der Verträge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ist auch problematisch. Eine Versorgung des Kunden zum Ausgangspreis ist unzumutbar. Die Rückabwicklung eines Vertrags ist dabei nicht in dem Maß möglich wie durch eine ergänzende Vertragsauslegung.

Daher liegt eine ergänzende Vertragsauslegung näher, denn durch das EuGH-Urteil ist eine Regelungslücke entstanden. Was hätten redliche Vertragspartner bei Vertragsabschluß vereinbart? Materialrechtlich bietet sich eine ergänzende Vertragsauslegung auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Senats an.

Der Senat ist nur beschränkt an die EuGH-Entscheidung gebunden; er hat Spielraum bei der Wertung des Sachverhalts. Zitiert C-92/11, Rn55: "Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung anhand aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, einschließlich aller Klauseln in den allgemeinen Bedingungen der Verbraucherverträge, die die streitige Klausel enthalten.".

Der EuGH argumentiert mit einem Verständnis des Begriffs "Vertragskategorie", der nicht in die Deutsche Dogmatik passt. Was wollte denn der Gesetzgeber? Was ist die Folge der Leitbild-Rechtsprechung des Senats? Die Tarif- und Sonderkunden sollten nicht unterschiedlich behandelt werden. Der EuGH hat die Gesetzesbegründung in Rn37 falsch wiedergegeben. Denn der Gesetzgeber wollte die Gleichbehandlung der Kunden durch die Rechtsprechung des Senats gewährleisten. Ein Sondervertrag, der die Regelungen der AVB übernimmt, implementiert doch diese Tarifregelung. Demnach gibt es nur eine Vertragskategorie für Tarif- und Sondervertragskunden; die des "Versorgungsvertrags mit Gas".

Die geforderte Transparenz wird durch öffentliche Bekanntmachung und dem Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit erfüllt. Der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB ist der Modus, die gestiegenen Bezugskosten sind der Anlaß einer Preisanpassung. Bei Vertragsbeginn ist keine Preisvereinbarung für die gesamte Vertragslaufzeit möglich.

Der EuGH hat ja nichts zu den strittigen Klauseln selbst gesagt. Es ist Sache des Senats, über diese zu entscheiden. Die unveränderte Übernahme der AVB/GVV-Klauseln sollte weiterhin Bestand haben. Der BGH ist nicht daran gehindert, Regelungen für eine Vertragskategorie individuell zu beurteilen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach §3, Abs.1 GG kann auch durch den EuGH nicht ausgehebelt werden. Auch hat der EuGH keine Kompetenz, dem Senat vorzuschreiben, ob §242 BGB oder eine ergänzende Vertragsauslegung anzuwenden ist.

Tarif- und Sondervertragskunden sind keine unterschiedlichen Vertragskategorien. Ich wiederhole nicht nochmal meine Ausführungen zur ergänzenden Vertragsauslegung.

Der EuGH ist auch auf die Frage einer zeitlichen Beschränkung eingegangen. Ohne diese kämen die Versorger doch in Überobligationsschwierigkeiten. Dies wäre doch eine richterliche Disziption. (Ich könnte beide Fremdwörter falsch verstanden haben). Eine zeitliche Beschränkung ist ja auch im Deutschen Recht zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes bekannt. Der EuGH hat eine Beschränkung aber abgelehnt. Laut Rn59 sei diese nur ausnahmsweise möglich. Gemäß Rn63 wurde das Kriterium der Gutgläubigkeit aber garnicht geprüft. Die EVU haben sich natürlich auf die Rechtsprechung des Senats verlassen. Ein Deutsches Gericht ist daher weiterhin frei, wegen Gutgläubigkeit eine Beschränkung festzusetzen. Das Prinzip des Vertrauensschutzes gilt nicht nur zwischen Vertragsparteien sondern auch zur Rechtsprechung.

Laut EuGH ist weiterhin eine "gravierende Störung" nicht erwiesen. Der Senat hat die These der Überforderung der EVU im Falle von Rückforderungen bisher immer verworfen. Dazu hat RWE dem Senat sowie dem EuGH aber nun genaue Zahlen vorgelegt. Im Rahmen der Rechtstreue ist eine gravierende Störung zu prüfen.

Es geht um die Frage ob im Rahmen des Vertrauensschutzes nicht die Position der EVU berücksichtigt werden muss. Wenn schon, dann sollte die neue Rechtsprechung nur für neue Verträge gelten.

Insgesamt sollte eine ergänzende Vertragsauslegung nicht erst bei einer "exzessiven Verschiebung" des Vertragsverhältnisses möglich sein.

----- 10:40 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Der Senat hat über die Wirksamkeit der Klauseln zu entscheiden. Der Senat ist an die Entscheidung des EuGH gebunden. Prof. Krämer ging auf die Argumente des EuGH garnicht ein. Der Senat hat gar keine andere Wahl, als die aus den AVB/GVV übernommenen Klauseln als unwirksam zu erklären.

Denn Vertragsklauseln müssen kumulativ folgende Anforderungen erfüllen:
1) Der Verbraucher muss VOR Vertragsabschluss umfangreich informiert werden.
2) Falls der Versorger eine Klausel anwendet, dann muss der Verbraucher tatsächlich kündigen können.

Eine übernommene Klausel wird dem nicht gerecht, wie der Senat selbst erkannt hat. Sie erfüllt nicht die Anforderung, den Kunden über Anlaß und Modus einer Preisänderung ausreichend zu informieren. Der Anlaß "Erhöhung der Bezugspreise" war damit vom EuGH nicht gemeint. Es müssen detaillierte Kriterien genannt werden. Das 2. Kriterium - die Kündigungsmöglichkeit - kann das Fehlen des 1. Kriteriums nicht heilen. Ebenso sind auch andere Kompensationsmöglichkeiten, wie ein Unbilligkeitseinwand, nicht ausreichend. Denn wurde der Kunde vor Vertragsbeginn schon nicht umfangreich informiert, so hatte er auch später keine ausreichenden Informationen um in einem Prozess zur Billigkeitsprüfung seine Interessen zu wahren.

Die Ausführungen zur Leitbildfunktion der AVBGas für Sondervertragskunden führen hier in die Irre. Das EuGH sagt in Rn33 klar: Die AVB gelten nicht für Sondervertragskunden. Rn56: Der Gesetzgeber hatte es in der Hand, die Verordnung auch auf Sondervertragskunden auszudehen, aber er hat es nicht getan.

Der §310, Abs. 2 regelt nur, dass §308 und §309 keine Anwendung finden. Die Anwendung des §307 zur Transparenzprüfung ist aber weiterhin zugelassen. Die vom Senat gesehene Leitbildfunktion findet in der Gesetzeslage keine Rechtfertigung.

Die Ausführungen von Prof. Krämer zur Vertragskategorie sind schlichtweg falsch. Tarif- und Sondervertragskunden sind verschiedene Kategorien. In ersteren gibt es Kontrahierungszwang und eine vollständige Verordnung, in letzterer gilt Vertrags- und Inhaltsfreiheit.

Eine Anwendung der Leitbildfunktion würde die Entscheidung des EuGH unterhöhlen, demzufolge Sonderverträge der vollen Inhaltskontrolle unterliegen. Die Regelungen der AVB und GVV liegen derzeit ja selbst beim EuGH zur Prüfung vor.

Der Senat muss seine derzeitige Rechtsprechung ändern.

Die Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Transparenzgebotes hat die Unwirksamkeit der Klausel, die strikte Nichtanwendung, keine geltungserhaltende Reduktion und keine zeitliche Begrenzung mit Wirkung auf die Zukunft zur Folge. Der Senat hat nicht die Kompetenz, die nur in die Zukunft gerichtete Bedeutung des EuGH-Urteils anzuordnen. Das EuGH-Urteil gilt auch für existierende Verträge. Es gelten §306 BGB bzw. §6 der Klauselrichtlinie.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung darf keinen inhaltsgleichen Ersatz erzeugen, es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Es kann nicht sein, eine andere Klausel - per richterlicher Kompetenz - als von Anfang an wirksam einzusetzen. Der Zweck der Unwirksamkeitsfolge ist ja gerade ein Abschreckungseffekt für den Klauselverwender und das berechtigte Interesse der Verbraucher. Zum Urteil vom 14.03.2012: Die Drei-Jahres-Frist führt ja zu einer zeitlichen Befristung der Unwirksamkeit einer unwirksamen Klausel.

Die Revision lässt zwei wichtige Aspekte außer Acht:
Gemäß dem EuGH dient ja das Transparenzgebot einem Interessenausgleich.
1) Für Verbraucher gelten strenge Informationspflichten (Rn53). Eine ergänzende Vertragsauslegung kann nicht dazu führen, dass Kunden ggf. bis zur letztinstanzlichen Entscheidung an intransparente Klauseln gebunden wären. Zudem wären Kunden durch ihr Informationsdefizit an ihrer Rechtsausübung gehindert. Bei Vertragsschluß zwischen redlichen Vertragspartnern hätten Kunden sicher keine Regelung vereinbart, derzufolge sie unwirksame Klauseln bis zur gerichtlichen Klärung akzeptieren wohingegen der Versorger Vertrauensschutz genießen solle.
2) Der Aspekt des Verwenders. Ein Klauselverwender trägt das Risiko. Dabei gibt es keinen Vertrauensschutz darin, dass sich die Rechtsprechung nicht ändern kann.

Prof. Krämer sieht einen Vertrauensschutz durch "staatliches Versagen und die Rechtsprechung" geboten. Nicht der Gesetzgeber sondern die EVU selbst haben entschieden, die Regelungen der AVB in ihre Verträge zu übernehmen und sie sind damit das Risiko eingegangen, intransparente Klauseln zu verwenden. Diese Praxis war zudem von Anfang an umstritten. Der Gesetzgeber hat die Anwendung der AVB auf Sonderverträge ausdrücklich ausgenommen.

Zu den "nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Konsequenzen" sei erwähnt, dass diese sehr begrenzt sind. Es geht hier um 14 Kunden eines Versorgers. Die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Energieversorger im allgemeinen können hier nicht relevant sein, denn dadurch würden Anbieter in Massengeschäften ungerechtfertigt priviligiert werden.

Der Senat bemüht sich ja, durch ergänzende Vertragsauslegung einen Interessenausgleich herbeizuführen. Aber nur wenige Kunden haben ja widersprochen und durch die Drei-Jahres-Frist sind die möglichen Rückforderungen sehr begrenzt. In der Vergangenheit gab es zudem viele ungerechtfertigte Preiserhöhungen, die nie geprüft wurden und durch die nicht gerechtfertigte Beträge vereinnamt wurden. Mit einer ergänzenden Vertragsauslegung ist aber für §306, Abs. 2 kein Raum mehr.

----- 11:10 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Rosin

Herr Wassermann setzt die EU-Regelungen fälschlicherweise mit einer Mißbrauchsprüfung gleich.
Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion soll doch verhindern, dass ein Klauselverwender seine Interessen ultimativ durchsetzen kann. Dies haben die EVU aber garnicht versucht, sondern sie haben doch die Regelungen des AVB direkt übernommen.

In der Praxis sieht es doch so aus: Es geht nicht nur um einige Kläger, sondern dieses Urteil hat große Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Versorgungswirtschaft.
1) Der Senat hat bislang alle selbstgestrikten Klauseln kassiert.
3) Der Gesetzgeber hat gesagt, dass die AVB-Klauseln einen Ausgleich der Interessen schaffen.
4) Der Senat hat seit 1999 eine Leitbildfunktion gesetzlicher Regelungen bejaht.

Je detaillierter eine Kostenklausel wurde, desto intransparenter wurde sie. Letzlich haben die EVU die AVB-Klauseln unverändert übernommen und nun sollen diese auch kassiert werden.

Er beschwört eine Klagewelle herauf und macht auch den Senat dafür verantwortlich. Der Senat möge sich bitte auch mal auf die andere Seite des Tisches setzen und den Standpunkt der Versorger berücksichtigen.

----- 11:20 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann

Der Senat möge bitte auch die Verbaucherinteressen berücksichtigen.

----- 11:21 ---------------------------------------------------------------------------
Ball

Eine Entscheidung erfolgt noch heute; eventuell auch ein Urteil.


Meine Anmerkung dazu:
Nur Herr Wassermann hat mit einem Wort kumulativ angedeutet, dass die AVB Verordnung nur in ihrer Gesamtheit einen Interessenausgleich darstellen kann. Der EuGH hatte dazu in Rn 31 festgestellt, dass ein Klauselverwender sich gerade dadurch einen Vorteil verschaffen kann, dass er einzelne Klauseln einer gesetzlichen Regelungen im Kontext seiner übrigen AGB zu seinem Vorteil nutzen kann. Die Konsequenz daraus kann m.E. nur sein, dass ein solches Vertragskonstrukt a-priori die Parteieninteressen nicht ausgeglichen wahrt, solange keine Inhaltskontrolle stattfindet.

Gruss,
ESG-Rebell.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 10. Juli 2013, 14:59:53
Die bisherige Senatsrechtssprechung zur sog. "Übernahmethese" wird sich wohl nicht aufrecht erhalten lassen. Schon § 310 Abs. 2 BGB lässt keinerlei Privilegierung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB zu.

Eine Inhalts- und Transparenzkontrolle am Maßstab der übrigen BGH- Rechtsprechung halten solche Klauseln schon nicht stand, wie der Senat selbst bereits mehrfach ausgeführt hat.

Es muss m.E. hinsichtlich geltungserhaltender Reduktion genauso verfahren werden wie bei anderen unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen auch (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11).

Allein die dabei im Falle der Unwirksamkeit einer wirksam einbezogenen Preisänderungsklausel vom Senat bisher vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH VIII ZR 113, juris Rn. 20), die sog. "Fristenlösung", ist ebenfalls bereits in ernstzunehmende Kritik geraten (vgl. nur Markert, ZNER 2013, S. 257).

Die Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung besteht nicht allein in einer planwidrigen Regelungslücke im Vertragsgefüge, die durch die Unwirksamkeit einer einbezogenen Preisänderungsklausel bewirkt wird, sondern es bedarf darüber hinaus auch immer einer daraus resultierenden unzumutbaren Härte für den Klauselverwender. Letzteres muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft werden.

Vorliegend kann Letzteres jedoch wohl offen bleiben:

Sollte der Senat an seiner sog. "Fristenlösung" festhalten, wird dies für die zu treffende Revisionsentscheidung wohl dann ohne Belang bleiben, wenn die Verbraucher, deren Rückzahlungsansprüche im Streit stehen, den betroffenen Preisänderungen innerhalb der von der Rechtssprechung aufgestellten Dreijahresfrist widersprochen hatten.

Der Revision muss dann der Erfolg versagt sein.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Juli 2013, 10:36:08
Am 31.07.13 um 11.00 Uhr soll eine Entscheidung des Senats verkündet werden.
Dabei kann es sich auch um ein Urteil handeln.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Juli 2013, 11:52:53
Der BGH hat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass die Revision von RWE als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Pressemitteilung des BGH:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2013&Sort=3&nr=64850&anz=130&pos=0&Blank=1

Das Urteil lässt sich auf entsprechende AGB-Preisänderungsklauseln in Stromlieferungsverträgen direkt übertragen.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Juli 2013, 14:51:13
Statement des Lobbyverbandes BDEW zum Urteil des BGH vom 31.07.13 Az. VIII ZR 162/09:

http://www.bdew.de/internet.nsf/id/20130731-ps-zum-heutigen-urteil-des-bundesgerichtshofes-bgh-zu-preisanpassungsklauseln-in-erdgas-lie

Meine Anmerkung hierzu:

Natürlich sind auch aktuelle Sonderverträge betroffen, die inhaltlich nur auf die gesetzliche Regelung des § 5 GVV verweisen.

Entsprechende Klauseln, entsprechen nicht den Anforderungen, die der BGH seit langem bei Verträgen außerhalb der Energiewirtschaft nach dem Transparengebot des § 307 BGB stellt (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.09 Az. VIII ZR 56/08 Rn.26).

Zitat
BGH, Urt. v. 15.07.09 Az. VIII ZR 56/08, juris Rn. 26:

Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass eine § 5 Abs. 2 GasGVV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen genügt, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urteil vom 21. April 2009- XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, Tz. 25; BGHZ 164, 11, 26 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2).

§ 5 Abs. 2 GasGVV regelt nur, dass Änderungen der Allgemeinen Preise (im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss, und dass das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu der beabsichtigten Änderung zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.

Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362, Tz. 25). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung der Allgemeinen Preise (des Allgemeinen Tarifs) an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 26).



Seine bisherige, wenig nachvollziehbare Leitsatz-  Rechtsprechung, wonach solche Klauseln in Energielieferungsverträgen gleichwohl mit § 307 BGB vereinbar seien, musste der BGH nach der für ihn verbindlichen Entscheidung des EuGH vom 21.03.13 C-92/11 aufgeben.

Zitat
BGH PM Nr. 131/13 vom 31.07.13

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zunächst mit Beschluss vom 9. Februar 2011 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. Pressemitteilung 26/2011). Hierbei ging es um die Auslegung bestimmter Vorschriften der Klausel- und der Gasrichtlinie. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11 – RWE Vertrieb) entschieden, dass es für die Frage, ob eine Gaspreisänderungsklausel den Anforderungen der genannten Richtlinien an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt, insbesondere darauf ankommt,

– ob der Anlass und der Modus der Änderung dieser Entgelte in dem Vertrag so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann, und dass das Fehlen der betreffenden Information vor Vertragsabschluss grundsätzlich nicht allein dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Verbraucher während der Durchführung des Vertrags mit angemessener Frist im Voraus über die Änderung der Entgelte sowie über sein Recht unterrichtet wird, den Vertrag zu kündigen, wenn er diese Änderung nicht hinnehmen will, und

– ob von der dem Verbraucher eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr unter Zugrundelegung dieser für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlichen Auslegung entschieden, dass Preisänderungsklauseln in Sonderkundenverträgen, die sich darauf beschränken, das für Tarifkundenverhältnisse vorgesehene Änderungsrecht des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* in Bezug zu nehmen, diesen Anforderungen nicht genügen und deshalb unwirksam sind.

RA Thomas Fricke, Jena 
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 31. Juli 2013, 15:38:06
Zutreffende Einschätzung in der ZfK:

http://www.zfk.de/unternehmen/artikel/bgh-gibt-gaspreisrebellen-recht.html

Zitat
Das Urteil betrifft nach Einschätzung eines größeren Kommunalunternehmens fast alle Gasversorger und hat eine größere finanzielle Dimension, da weitere Rückforderungsansprüche erst jetzt nach dem letztinstanzlichen Urteil zu erwarten sind. Die Unternehmensberatung Rödl & Partner sprach von einer "Hiobsbotschaft für die Energieversorger". "Praktisch alle neueren Sonderkundenverträge" enthielten Preisanpassungsklauseln, die nun unwirksam seien.

Damit ist rechtskräftig, dass Gasversorger in Wahltarifen die Preisanpassungsklausel im Kleingedruckten nicht wirksam nur von den gesetzlichen Preisvorschriften für die Grundversorgungstarife übernehmen können. Solche Klauseln sind nichtig. Der Europäische Gerichtshof hatte im März 2013 auf Vorlage des BGH nach zweijähriger Beratungszeit geurteilt, das Preisanpassungsverfahren gemäß Gas-Grundversorgungsverordnung (GasGVV) – der hier tangierte Vorläufer hieß "Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden" (ABGasV) – genieße nur für jene Sachverhalte eine EU-Verbraucherschutzausnahme, für die es ausdrücklich gelte: eben für Grundversorgungsverträge. Eine Leitbildwirkung auf Wahltarife verwarf der EuGH. In der Grundversorgung genügt es, die Preiserhöhung mit bestimmtem Vorlauf anzukündigen und auf ein Sonderkündigungsrecht hinzuweisen.

Der BGH übernahm vom EuGH, dass Gasversorger ihre Wahltarifkunden vielmehr über den Anlass und den Modus einer Preiserhöhung (oder -senkung) klar und verständlich informieren müssen und sich dies im Kleingedruckten widerspiegelt. Ein Sonderkündigungsrecht reicht nicht aus.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 05. August 2013, 14:41:28
Beitrag im BBH-Energieblog:

http://www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/bgh-kippt-preisanpassungsklauseln-in-gas-sondervertragen/#more-11726
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 09. August 2013, 18:15:46
Lesenswert:

Prof. Dr. Knut Werner Lange RdE 7/2013 S. 249 ff.
"Energieversorgungsvertrag mit Sonderkunden: ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Preisänderungsklausel nach BGH und EuGH"

Prof. Dr. Dr. Dr. Franz Jürgen Säcker und Kim Mengering, Betriebs-Berater 32/2013 S. 1859 ff.:
"Rechtsfolgen unwirksamer Preisanpassungsklauseln in Endkundenverträgen über Strom und Gas"
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 05. September 2013, 11:29:57
Das Urteil des BGH vom 31.07.13 Az. VIII ZR 162/09 ist veröffentlicht:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=65217&pos=6&anz=592

Zitat
BGB § 307 (Cb), § 310 Abs. 2, § 315; AVBGasV § 1, § 4, § 32; Richtlinie 93/13/EWG; Art. 1, Art. 3, Art. 5; Richtlinie 2003/55/EG Art. 3

1.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ein Energieversorgungsunternehmen in Gasversorgungsverträgen mit Endverbrauchern (Normsonderkunden) verwendet, halten die Klauseln

a)
"Ändern sich die allgemeinen veröffentlichten Tarifpreise (Haushalt und Gewerbe) [des Versorgungsunternehmens], so ist [das Versorgungsunternehmen] berechtigt, die Vertragspreise angemessen zu ändern. Die Änderungen werden wirksam mit der öffentlichen Bekanntgabe der geänderten Preise ab dem in der Bekanntgabe angegebenen Zeitpunkt ..."

b)
"Die Preise des Sonderabkommens HS sind an den Tarif H II, die Preise des Sonderabkommens GS an den Tarif G II der ab 1. Oktober 1981 gültigen allgemeinen Tarife für die Versorgung mit Gas [des Versorgungsunternehmens] gebunden. Ändern sich die Grundpreise dieser Tarife, so ändern sich auch die Grundpreise der Sonderabkommen im gleichen Verhältnis; ändern sich die Arbeitspreise dieser Tarife, so ändern sich die Arbeitspreise der Sonderabkommen um den gleichen Betrag."

der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand

(zu a) Fortführung von BGH, Urteil vom 17.Dezember 2008 - VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 Rn. 12ff.; zu b) Bestätigung von
BGH, Urteil vom 14.Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 38 ff.).
2.
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgungsunternehmens, die für das Vertragsverhältnis mit Normsonderkunden eine Preisanpassung oder ein einseitiges Preisänderungsrecht des Energieversorgungsunternehmens in der Weise regeln, dass sie die unmittelbare Anwendbarkeit der AVBGasV oder ein mit § 4 AVBGasV in jeder Hinsicht gleichlautendes Änderungsrecht vorsehen, halten der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand (im Anschluss an EuGH, RIW 2013, 299 - RWE Vertrieb; Aufgabe von BGH, Urteile vom 15.Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 19 ff., und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711 Rn. 21. ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 33 ff.).

Der BGH hat damit ausdrücklich seine bisherige (rot markierte) Rechtsprechung aufgegeben, wonach eine AGB- Preisänderungsklausel, welche inhaltlich der gesetzlichen Regelung des § 5 Grundversorgungsverordnung unverändert entspricht, der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält.
Titel: BGH VIII ZR 162/09 Anmerkungen von Prof. Markert zum Urteil
Beitrag von: energienetz am 27. September 2013, 14:18:36
Anmerkung von Prof. Dr. Kurt Markert zum BGH Urteil vom 31.7.2013, VIII ZR 162, 09 - VZ-NRW ./. RWE Vertrieb

1. Nach dem auf Vorlage des VIII. Zivilsenats des BGH ergangenen EuGH-Urteil vom 21.3.2013 (ZNER 2013, 147 = ZMR 2013, 520 m. Anm. Markert) ging es im Ausgangsverfahren hauptsächlich darum, ob vor dem Hintergrund dieses Urteils die 2009 begonnene Leitbildrechtsprechung des Senats (NJW 2009, 2662 = RdE 2009, 287 m. krit. Anm. Markert - GASAG; NJW 2009, 2667 – kgu) noch aufrechterhalten werden kann. Nach dieser Rechtsprechung sind Preisanpassungsklauseln in den AGB von Erdgassonderkundenverträgen mit Endverbrauchern mit § 307 Abs. 1 BGB vereinbar, wenn sie das vom Senat aus den Verordnungen für die Versorgung von Tarif- bzw. Grundversorgungskunden (§ 4 Abs. 1 u8nd 2 AVBGasV; § 5 Abs. 2 GasGVV) gefolgerte gesetzliche Preisbestimmungsrecht des Versorgers unverändert ohne Nachteil des Kunden übernehmen. Die Frage, ob diese Rechtsprechung angesichts des hierbei vom Senat selbst eingeräumten Fehlens jeglicher Konkretisierung dieses Rechts hinsichtlich Anlass, Voraussetzung und Umfang der danach möglichen Preisanpassungen mit den Transparenzanforderungen des europäischen Rechts (Art. 5 der Klauselrichtlinie 93/13/EWG und Art. 3 i. V. m. Anhang A der Binnenrichtlinien Gas von 2003 und 2009) vereinbar ist, hatte der Senat zunächst übergangen und erst 2011 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (ZNER 2011, 179 m. Anm. Markert). Dieser hat in seinem Urteil vom 21.3.2013 entschieden, dass die Missbrauchskontrolle der RL 93/13 auch für solche AGB gilt, die eine für eine andere Vertragskategorie geltende Norm des nationalen Rechts übernehmen, und dass Art. 3 und 5 dieser RL i. V. m. Art. 3 Abs. 3 der Erdgas-Binnenmarktrichtlinie 2003/55/EG dahin auszulegen sind, dass in Preisanpassungsklauseln mit Endverbrauchern Anlass und Modus der danach möglichen Preisänderungen so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher diese anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann. Vor diesem Hintergrund hat der SVIII Zivilsenat in seinem Urteil vom 31.7.2013 seine Leitbildrechtsprechung aufgegeben (Leitsatz 2 und Rdnrn. 45 ff.) und außerdem entschieden, dass zwei andere vom Versorger im fraglichen Zeitraum von 2003 bis 2005 in Gassonderkundenverträgen verwendete Preisanpassungsregelungen auch unabhängig von dieser Rechtsprechung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. I BGB nicht standhalten (Leitsatz 1 und Rdnrn. 39-44).

2. Der Entscheidung des BGH ist, auch soweit der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch als begründet angesehen wurde, ohne Einschränkung zuzustimmen.

a) Der BGH ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Auslegungsergebnis des EuGH für die nationalen Gerichte nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs.  EUV bindend ist und deshalb seine Leitbildrechtsprechung  bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 307 Abs. 1 BGB mit dessen Transparenzanforderungen nicht vereinbar ist. Zutreffend hat er auch die vom Versorger erstrebte Ersetzung der danach unwirksamen Preisanpassungsklauseln mittels ergänzender Vertragsauslegung durch eine wirksame andere Klausel abgelehnt, weil dies der Sache nach auf eine sowohl nach deutschem AGB-Recht als auch nach Art. 6 RL 93/13 unzulässige geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel hinausliefe (Rdnr. 62). Eine ergänzende Vertragsauslegung nach der vom VIII. Zivilsenat in zwei Urteilen vom 14.3.2012 (z. B. NJW 2012, 1865 = ZMR 2012, 521 m. krit. Anm. Markert) begründeten „Fristenlösung“, wonach der Kunde die Unwirksamkeit der auf eine nach § 307 Abs. Abs. 1 BGB unwirksame Preisanpassungsklausel gestützten Preiserhöhungen nicht mehr geltend machen kann, wenn er diesen nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung widersprochen hat, kam hier nicht in Betracht, weil für die Berechnung der Rückforderungsansprüche keine länger als drei Jahre seit der Klageerhebung zurückliegenden Ausgangspreise zugrunde gelegt wurden (Rdnr. 64). Auf die m. E. zu verneinende Frage, ob die vom Senat in  Urteilen vom 23.1.2013 (z. B. NJW 2013, 991 = ZNER 2013, 152 m. krit. Anm. Markert) auch durch amtliche Leitsätze bekräftigte Ansicht, seine „Fristenlösung“ sei mit dem Anpassungsverbot des Art. 6 RL 93/13 vereinbar, brauchte der Senat deshalb nicht einzugehen. Wegen dieser zeitlichen Begrenzung des Rückzahlungsanspruchs schied auch dessen Verjährung von vornherein aus. Zu Recht hat der Senat schließlich auch die Gewährung eines mittels ergänzender Vertragsauslegung begründeten Vertrauensschutzes für den Versorger abgelehnt (Rdnr. 63). Denn der Verwender einer Klausel habe im Allgemeinen das Risiko zu tragen, dass die Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen als nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam beurteilt wird. Außerdem habe es in dem fraglichen Zeitraum bis 2006 die Leitbildrechtsprechung des Senats als mögliche Vertrauensgrundlage noch gar nicht gegeben. Die m. E. zu verneinende Frage, ob nationale Gesetzgeber und Gerichte überhaupt ein europarechtlich zu schützendes Vertrauen in eine sich nachträglich als unrichtig herausstellende Auslegung europäischer Normen begründen können, konnte der Senat deshalb unerörtert lassen.

b) Zu begrüßen ist, dass der BGH den durch Abtretung von Kundenansprüchen begründeten Rückzahlungsanspruch der Verbraucherzentrale nicht an § 399 BGB und dem RBerG scheitern ließ (Rdnrn. 23f.). Denn so lange es im deutschen Schadensersatzrecht das Instrument der Sammelklage nicht gibt, trägt die Möglichkeit der Abtretung von Kundenansprüchen an Verbraucherverbände wenigstens begrenzt dazu bei, dass die den Kunden in derartigen Fällen zustehenden Rückforderungsansprüche auch praktisch durchgesetzt werden können. Fallübergreifend von Bedeutung ist auch, dass es nach Ansicht des BGH für die Kundeneinstufung als Sondervertragskunden bereits ausreicht, wenn der Versorger selbst die den betreffenden Kunden in Rechnung gestellten Preise als „Sondertarife“ bezeichnet (Rdnr. 37). Schließlich machen die im Leitsatz 1 des Urteils als nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam erklärten Preisanpassungsklauseln die strenge Beurteilungspraxis des Senats mit Ausnahme seiner jetzt aufgegebenen Leitbildrechtsprechung erneut deutlich. Bei der Klausel a) scheiterte die Wirksamkeit bereits an der fehlenden Verpflichtung des Versorgers, gefallenen Gasbezugskosten nach den gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen (Rdnrn. 39-41), und bei der Klausel b) daran, dass die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB für den Kunden nicht hinreichend deutlich herausgestellt wurde (Rdnrn. 43f.).

3. Das Urteil hat über den entschiedenen Einzelfall hinaus weitreichende Auswirkungen. Da der EuGH im Urteil vom 21.3.2013 sein Auslegungsergebnis nicht auf die Zeit nach der Urteilsverkündung begrenzt hat und die betreffenden europarechtlichen Vorschriften folglich vom Beginn ihrer Geltung an entsprechend auszulegen sind, wirkt die als Konsequenz daraus vom BGH gezogene Aufgabe seiner Leitbildrechtsprechung nicht erst für die Zukunft, sondern rückwirkend. Damit sind alle nach dieser Rechtsprechung gestalteten Preisanpassungsregelungen in den AGB von Strom- und Gaslieferverträgen mit Normsonderkunden nach § 307 I BGB von Anfang an unwirksam. Offenbar trifft dies auch auf eine sehr große Zahl noch laufender Verträge zu, denn seit Beginn der Leitbildrechtsprechung im Juli 2009 sind dem Vernehmen nach verbreitet bisherige Preisanpassungsregelungen entsprechend umgestellt worden. Gegen die sich aus der Unwirksamkeit dieser Regelungen für die Kunden ergebende Möglichkeit, bereits bezahlte Erhöhungsbeträge nach § 812 BGB zurückzufordern, stehen den Versorgern nur geringe Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung. Sie beschränken sich praktisch auf die Einrede der Verjährung gegen nicht rechtzeitig geltend gemachte Rückforderungsansprüche (dazu näher unter d)).

a) Dass die bloße Bezahlung der auf eine unwirksame Preisanpassungsklausel gestützten Erhöhungsbeträge weder als stillschweigende Zustimmung des Kunden zur Preiserhöhung noch als Verwirkung seines Rückforderungsanspruchs gewertet werden kann, hatte der Senat bereits vorher wiederholt entschieden (Rdnrn. 65f.). Den ebenfalls vom Senat bereits früher abgelehnten Einwand der Entreicherung durch die  Energiebeschaffungsaufwendungen des Versorgers (z. B. NJW 2013, 991, Leitsatz b) und Rdnrn. 41 ff.) hatte dieser hier offenbar gar nicht erst vorgebracht.

b) Die nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Preisanpassungsklauseln lassen sich auch nicht mittels ergänzender Vertragsauslegung durch eine wirksame andere Klausel mit verkürzter Laufzeit ersetzen, da dies auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klauseln hinauslaufen würde (Rdnr. 62). Das europarechtliche Anpassungsverbot des Art. 6 Abs. 1 RL 93/13 steht aber auch der ergänzenden Vertragsauslegung nach Maßgabe der „Fristenlösung“ des Senats entgegen. Denn wie der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, ist es den nationalen Gerichten verwehrt, den Inhalt einer nach der RL 93/13 missbräuchlichen Klausel abzuändern, statt „schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen“ (z. B. Urteil vom 14.6.2012, C–618/10, NJW 2012, 2257, Rdnr. 71). Wie von mir in ZNER 2013, 156f. näher dargelegt, verleiht auch die „Fristenlösung“ der Sache nach einer unwirksamen Preisanpassungsklausel eine begrenzte Wirksamkeit dadurch, dass sich der Verbraucher auch bei noch nicht verjährten Rückforderungsansprüchen nicht mehr auf die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen berufen kann, die länger als drei Jahre seit dem ersten Widerspruch des Kunden gegen die ihm zugegangene jeweilige Jahresabrechnung zurückliegen. Aus europarechtlichen Gründen scheidet schließlich auch eine auf Vertrauensschutz gestützte Anpassung für die Zeit seit dem Beginn der Leitbildrechtsprechung am 15.7.2009 bis zur Vorlage an den EuGH am 9.2.2011 aus, denn der BGH konnte als nationales Gericht mit dieser Rechtsprechung kein europarechtlich zu schützendes Vertrauen darauf begründen, dass diese europarechtskonform ist (Meyer in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, nach Art. 6 EUV, Rdnr. 397).

c) Dem Anpassungsverbot des Art. 6 Abs. 1 RL 93/13 widerspräche auch eine nicht nur auf die Zukunft beschränkte Vertragsanpassung nach § 313 IBGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage (weitergehend jedoch Säcker/Mengering BB 2013, 1859, 1862 ff.). Denn auch diese  Anpassung würde ebenso wie die „Fristenlösung“ der EuGH-Rechtsprechung widersprechen, dass eine nach der RL 93/13 missbräuchliche und deshalb unwirksame AGB-Klausel für den Verbraucher „schlicht“ unverbindlich ist, d. h. keine auch nur partielle Wirksamkeit haben darf. Nach § 313 III 2 BGB kann hier deshalb nur eine ex nunc wirkende Kündigung des Liefervertrages durch den Versorger in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB erfüllt sind. Die Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 306 3 BGB wegen unzumutbarer  Härte  für den Versorger kann bei richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Art. 6 Abs. 1 RL 93/13 allenfalls in extremen Ausnahmefällen angenommen werden. Die Ansicht des VIII. Zivilsenats, ohne Anwendung der „Fristenlösung“ könnte sich der Versorger wegen für ihn unzumutbarer Härte auf § 306 III BGB mit dessen Nichtigkeitsfolge berufen (NJW 2013, 991, Rdnr. 37), ist in dieser Pauschalität nicht haltbar.

d) Für die Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Kunden wegen Unwirksamkeit der nicht in den Anwendungsbereich der der Leitbildrechtsprechung fallenden Preisanpassungsklauseln gilt nach mehreren Urteilen des VIII. Zivilsenats die dreijährige Regelverjährung nach §§ 195, 199 I BGB beginnend mit dem Ablauf des Jahres, in dem die jeweilige Jahresabrechnung dem Kunden zugegangen ist (z. B. NJW 2013, 1077, Rdnrn. 42 ff.). Begründet wird dies damit, dass für den Kunden im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln nach § 307 Ab s. 1 BGB eine Klageerhebung innerhalb dieses Zeitraums zumutbar sei. Dies dürfte auch mit dem Anpassungsverbot des Art. 6 Abs. 1 RL 93/13 vereinbar sein (so wohl auch BGH, 4.12.2012, VIII ZR 4/12, Rdnr. 6, nach juris). Ob aber die Zumutbarkeit einer Klageerhebung des Kunden auch für die im Anwendungszeitraum der Leitbildrechtsprechung ab dem 15.7.2009 vom BGH als wirksam beurteilten Preisanpassungsklauseln bejaht werden kann, ist jedenfalls für die Zeit bis zum EuGH-Urteil vom 21.3.2013 mehr als zweifelhaft. Erst von da ab lässt sich deshalb die Klageerhebung des Kunden als zumutbar ansehen. Die dreijährige Verjährungsfrist kann daher in diesen Fällen nach § 199 I 2 BGB  erst ab 2014 zu laufen beginnen.

e) Nach Aufgabe der Leitbildrechtsprechung des VIII. Zivilsenats ist nunmehr auch rückwirkend klargestellt, dass auch die nach dieser Rechtsprechung gestalteten Preisanpassungsklauseln in den AGB von Strom- und Gaslieferverträgen mit Normsonderkunden vom Beginn ihrer Laufzeit an die Anforderungen erfüllen müssen, die höchstrichterlich insb. auch von diesem Senat generell an die Wirksamkeit solcher Klauseln nach § 307 Abs. 1 BGB gestellt werden (Rdnr. 59). Sie müssen deshalb in jedem Fall den Kunden Aufschluss über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der nach dem Preisbestimmungsrecht des Versorgers möglichen Preisänderungen geben. Dazu gehört auch, dass gefallenen Gasbeschaffungskosten nach den gleichen Maßstäben wie gestiegenen Kosten Rechnung zu tragen ist (Rdnrn. 39-41) und der Kunde über die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB informiert wird (Rdnrn. 43f.). Den Strom- und Gasversorgern, soweit sie weiterhin Normsonderkunden langfristig beliefern und dabei ein formularmäßiges Preisbestimmungsrecht in ihren AGB beanspruchen, bleibt vor diesem Hintergrund keine andere Wahl, als diese Anforderungen zu erfüllen. Diese sicher nicht einfache Aufgabe ist auch lösbar, wie Beispiele aus anderen Branchen zeigen, in denen ebenfalls langfristige Lieferverträge mit formularmäßigen Preisanpassungsregelungen praktiziert werden. Eine „Flucht in die Grundversorgung“ wäre kein Ausweg. Denn erstens geht dies nur mit Zustimmung der Kunden und zweitens ist auch beim Preisbestimmungsrecht der Grundversorger die Europarechtskonformität keineswegs sicher. Die Entscheidung des EuGH über die Vorlagen des VIII. Zivilsenats dazu vom 18.5.2011, ZMR 2011, 791 m. Anm. Markert, und vom 29.6.2011, ZNER 2011, 435) steht noch aus.

Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 02. Oktober 2013, 15:35:20
Als Konsequenz aus dem BGH- Urteil vom 31.07.13 Az. VIII ZR 162/09 zur Unwirksamkeit von AGB-Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen kündigen die Versorger tausende Sonderverträge (Strom/ Gas) zum 31.12.13:

http://muehlhausen.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Kunden-fuehlen-sich-von-Stadtwerken-zu-neuen-Stromvertraegen-gedraengt-483228951

http://www.wz-newsline.de/lokales/wuppertal/post-von-den-wsw-die-stadtwerke-stellen-tausende-gasvertraege-um-1.1437309
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: RR-E-ft am 17. Oktober 2013, 12:39:03
Der Nachrichtendienst des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) informiert zutreffend darüber, welche (Norm-) Sonderverträge von dem Urteil des BGH betroffen sind.

http://www.zfk.de/politik/artikel/berichtigung-zu-printartikel-verwirrendes-urteil.html

Zitat
Der Bundesgerichtshof hatte Ende Juli rechtskräftig geurteilt, dass Preisänderungsklauseln in Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung unwirksam sind, wenn sie ausschließlich auf die Regeln in der alten "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden" (ABVGasV) verweisen oder diese übernehmen. Nach dem  „VKU-Nachrichtendienst“  ist das Urteil – richtig zitiert – auch auf Normsonderkundenverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung übertragbar, soweit diese in ihren AGB auf die alte ABVEltV oder auf die heutigen Gas- und Strom-Grundversorgungsverordnung Bezug nehmen. Das Urteil gilt aber nicht für Preisänderungen in der Grundversorgung, teilt der VKU mit. Diesen Eindruck vermittelte aber die in der ZfK abgedruckte Satzverkürzung, die zudem versehentlich dem VKU-Bereichsleiter Recht, Herrn Andreas Seifert, zugesprochen wurde.
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 18. November 2014, 19:26:10
Ich sehe die Fristenlösung als europarechtswidrig an.
Zumindest kann der VIII. Zivilsenat diese nach der erneuten Entscheidung des EuGH nicht mehr ohne eine erneute Vorlage anwenden.
http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg111900.html#msg111900 (http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg111900.html#msg111900)
Titel: Re: EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09
Beitrag von: uwes am 04. Dezember 2014, 12:28:17
Ich sehe die Fristenlösung als europarechtswidrig an.
Zumindest kann der VIII. Zivilsenat diese nach der erneuten Entscheidung des EuGH nicht mehr ohne eine erneute Vorlage anwenden.
http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258 (http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258)