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Energiepreis-Protest => R => Stadt/Versorger => REWAG Regensburg => Thema gestartet von: § 315 BGB am 01. April 2009, 23:18:38

Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 01. April 2009, 23:18:38
Ich habe gehört, dass das Amtsgericht Regensburg zwei Urteile erlassen haben soll, die besagen, dass § 315 BGB auf Versorgungsentgelte gar nicht anwendbar ist. Ist jemandem dazu genaueres bekannt? Stimmt das?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 01. April 2009, 23:24:22
In Regensburg setzt sich ein Amtsrichter bewusst über die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinweg.

AG Regensburg, Urt. v. 15.09.2008 - 10 C 1336/08 (http://www.agfw.de/typo3conf/ext/naw_securedl/secure.php?u=0&file=fileadmin/dokumente/rec/Gesetzlicher_Rahmen/AG_Regensburg_080915_10C1336-08.pdf&t=1238710867&hash=c6b47a7fc28da597cc2e3d295efcab7a) steht im Widerspruch u.a. zu BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 und zu BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07.

Ob dagegen ggf. Berufung/ Verfassungsbeschwerde erhoben wurde, ist hier nicht bekannt.

Die Entscheidung verletzt den Betroffenen in seinen Grundrechten und ist verfassungswidrig.

Rechtsprechung des Bundesverfassungsrichts zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle von einseitigen Entgelterhöhungen. (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk19991228_1bvr220398.html)


Zitat
Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ist aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. Dieser muss die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes ermöglichen. Die Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Zu einem wirkungsvollen Rechtsschutz gehört auch, dass der Richter die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne hinreichende Prüfung bejaht. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>; 74, 220 <224>; 91, 176 <181 ff.>; vgl. auch BGHZ 116, 47 <58>; BGH, NJW-RR 1993, S. 1034 <1035>; BGH, NJW 1994, S. 2899).

Mit diesen Maßstäben lassen sich die angegriffenen Entscheidungen nicht in Einklang bringen.

Die bis 1994 notwendige Genehmigung der Aufsichtsbehörde konnte der Beschwerdeführer nicht verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen, da sie dem einzelnen Versicherungsnehmer gegenüber keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltete (vgl. BVerwGE 30, 135; 75, 147; BVerwG, VersR 1996, S. 1133). Damit war es unvereinbar, im zivilgerichtlichen Verfahren unter Hinweis auf diese Genehmigung eine sachliche Überprüfung der Prämienerhöhungen anhand der maßgeblichen privatrechtlichen Normen abzulehnen. Anderenfalls wären einseitige Prämienerhöhungen der Versicherungsunternehmen jeglicher wirkungsvollen richterlichen Kontrolle auf Veranlassung und unter Mitwirkung der Versicherungsnehmer entzogen gewesen.

In Regensburg sollte man die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts  gem. §§ 108, 102 EnWG rügen und außerdem wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Rücksicht auf die BGH- Rechtsprechung vorsorglich für den Unterliegensfall die Zulassung der Berufung beantragen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 10:42:47
sehr interessantes Urteil des AG Regensburg
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: jroettges am 02. April 2009, 12:14:36
Wirklich. Ein Urteil mit interessanten Begründungen und Folgerungen.

Für mich steht es damit in einer Linie mit dem Urteil des OLG Oldenburg vom 5.9.08, das die Situation in Sonderverträgen ebenfalls sehr sauber seziert hat.

Der Regensburger Richter zeigt die ganze Absurdität der Streitereien um den § 315 BGB im Rahmen des EnWG auf. Möglicherweise war er nicht zuständig und wird zurückgepfiffen, seine Gedankengänge sind aber schlüssig und zutreffend.

Wohin soll es denn führen, wenn ein einzelner Tarifkunde in einem Rechtsstreit die Unbilligkeit der Preise seines Versorgers bescheinigt bekommt?

Mein Schluss aus der Sache: Der Gesetzgeber hat sie nicht zuende gedacht und muss schleunigst handeln.

Zitat
(3.6)
Abschließend hierzu sei wiederholt, dass - gerade angesichts der öffentlichen Diskussion hierzu - nicht verkannt werden soll, dass vorstellbar ist, dass die Klägerin (möglicherweise in Zusammenwirkung mit anderen großen Gasversorgern) tatsächlich ein faktisches Monopol an den Gasleitungen durch faktische Zugangsbeschränkung dazu nutzt, um Preise zu verlangen, welche auf einem (wirklich) freien Markt nicht erzielbar wären.

Hierauf kann jedoch nicht vernünftig mit einer Preiskontrolle gemäß §315 BGB reagiert werden, sondern dieses Problem ist entweder dadurch zu beheben, dass der Staat als Konsequenz der Liberalisierung die Voraussetzungen dafür schafft, dass in der leitungsgebundenen Energieversorgung ein funktionierender Wettbewerb stattfindet, oder die Liberalisierung ist aufzuheben, und die Gaspreise sind wieder direkt einer staatlichen Reglementierung zu unterwerfen.

Aus dem Urteil des AG Regensburg vom 15.09.2008
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: reblaus am 02. April 2009, 14:03:32
Da arrangiert sich mal einer nicht mit der ihm von einem völlig unwilligen Gesetzgeber zugewiesenen Rolle: die ärgsten Auswüchse eines nur pro forma europarechtlichen Vereinbarungen genügen sollenden \"freien\" Energiemarktes zu verhindern. Kam schon mal irgend ein Endkunde auf die Idee die Deutsche Telekom wegen überhöhter Telefontarife vor den Kadi zu zerren?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 15:04:33
Das Urteil des AG Regensburg ist falsch, weil es verkennt, dass dem Versorgungsunternehmen gegenüber Tarifkunden gesetzlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde und auf dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet (BGH Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97; BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Tz. 14, 17; BGH, Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06 Tz. 20). Gegenüber Tarifkunden ist der Versorger nicht nur gesetzlich berechtigt, die Tarife der Billigkeit entsprechend einseitig neu festzusetzen. Er ist dazu auch gesetzlich verpflichtet (BGH, Urt. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26). Die gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten verbraucherfreundlichen leitungsgebundenen Versorgung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG ist dabei zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 43).


Die bestrittene Billigkeit ist wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB somit  entscheidungserheblich und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sind bei der Streitentscheidung deshalb vom Gericht zwingend anzuwenden, andernfalls ein Verstoß unter anderem gegen Art. 20, 19 IV GG vorliegt (vgl. BVerfG, aaO.)

@reblaus

Möglicherweise sollte man sich - bevor man hier umfangreich Statements abgibt - zunächst mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle der Tarife von Versorgungsunternehmen befassen. Dazu eignen sich besonders  Energiedepesche Sonderheft Nr. 1 vom April 2006 wie auch der Vortrag von RiBGH Barbara Ambrosius, gehalten auf dem Deutschen Mietgerichtstag 2006 in Dortmund.
Die Tarife der Telekom unterliegen wegen einer sog. punktuellen Tarifgenehmigung, die dem Unternehmen - im Gegensatz zu Stromtarifgenehmigungen nach BTOElt - keinen Ermessensspielraum belässt, keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle (BGH Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97 = NJW 1998, 3188 (3192).


@jroettges

Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht gegenüber Tarifkunden ergibt sich bereits aus § 10 EnWG 1998 (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06 Tz. 20). Die von Ihnen genannte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 05.09.2008 betrifft Sondervertragskunden und keine Tarifkunden.  Dass dem Versorgungsunternehmen gegenüber Tarifkunden ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist, stellt das OLG Oldenburg überhaupt nicht in Frage. Auch Ihnen sei eine Befassung mit der einschlägigen BGH- Rechtsprechung ggf. nahe gelegt, insbesondere mit dem Urteil des BGH vom 05.07.2005 - X ZR 60/04. Bei Sondervertragskunden geht es nicht um Billigkeit, sondern um die Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB.

Es gibt Grund zu der Annahme, dass nicht einmal volkskundlich urige Kanibalen alles in einen Topf werfen würden, weil danach Ungenießbarkeit zu besorgen steht.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 15:46:48
Das Urteil des AG Regensburg \"verkennt\" nicht die Rechtsprechung des BGH, es lehnt sie ab und Begründet diese Ablehnung (sehr ausführlich). Gerade diese Möglichkeit der Abweichung von der BGH Rechtsprechung wurde hier doch bereits als besonders auszeichnend für den selbständigen Richter gefeiert.

Zitat
Original von RR-E-ft
Ein Richter, der dies aufgrund seiner juristischen Ausbildung und Erfahrung erkennt, darf dieser Entscheidung des BGH in diesem Punkt nicht folgen. So habe ich die sehr erfahrene Vorsitzende Richterin am Landgericht Dortmund Frau Marlies Bons-Künsebeck verstanden.

Das AG Regensburg verkennt auch nicht die Billigkeitsprüfung, sondern prüft § 315 BGB und lehnt diesen begründet ab. Die Begründung ist auch in sich schlüssig:

Zitat
Solange die Gasversorger kein gesetzliches Monopol haben, und die Kunden nicht rechtlich gezwungen sind, die Leistungen der Gasversorger abzunehmen, liegt der Kern der Regelung (§ 4 AVBGasV) nicht darin, dass die Gasversorger einen Preis festlegen, sondern dass die Gasversorger einen Preis veröffentlichen müssen, zu dem sie jedenfalls mit jedem vertragswilligen Kunden einen Vertrag schließen (müssen).

Sie steht lediglich im Widerspruch zu abweichenden Ansichten in der übrigen Rechtsprechung.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 15:49:32
@Black

Die Entscheidung ist in erster Linie verfassungswidrig, wie sich aus der Rechtsprechung des BVerfG ergibt. Private Karnkenversicherungen haben ebensowenig eine rechtlich abgesicherte  Monopolstellung wie Verkehrsflughäfen, deren einseitige Entgelterhöhungen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06). Auch Freiberufler wie Ärzte, Architekten und Rechtsanwälte haben keine rechtlich abgesicherte Monopolstellung und gleichwohl unterliegen deren einseitigen Honorarfestsetzungen auf gesetzlicher Grundlage der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 08.11.2007 - III ZR 54/07; BGH, Urt. v. 04.12.2008 - IX ZR 219/07). Ohne dass Banken eine rechtlich eingeräumte  Monopolstellung hätten, unterliegen auch deren einseitige Zinsänderungen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle (vgl. BGHZ 97, 212, 217 ff.; BGHZ 118, 126, 130 f.; BGH, Urt. v. 12.10.1993 – XI ZR 11/93, NJW 1993, 3257, 3258].


Ohne gesetzliches/ vertragliches einseitiges Leistungsbetimmungsrecht
ist der Versorger schon nicht berechtigt, die Entgelte einseitig zu erhöhen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).

Der Versorger wäre in diesem Fall bis zur Vertragsbeendigung vertraglich verpflichtet gewesen, zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis zu liefern, da er an die vertragliche Vereinbarung gem. § 433 Abs. 2 BGB gebunden ist (vgl. BGH, Urt. 19.11.2002- X ZR 243/01).

Besteht aber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB, ist die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB die unmittelbare Folge davon, so dass bei Unbilligkeitseinrede wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zwingend eine gerichtliche Billigkeitskontrolle erfolgen muss, andernfalls ein Verstoß u.a. gegen Art. 20, 19 IV GG vorliegt.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 15:52:56
Woraus sollte sich eine Verfassungswidrigkeit ergeben?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 15:57:58
@Black

Ich habe eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur unterlassenen gerichtlichen Billigkeitskontrolle von einseitigen Prämienerhöhungen der Krankenversicherung angeführt. Lesen und gedanklich einordnen müssen Sie diese schon selbst.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 16:10:56
Na dann mal ab vor das Verfassungsgericht  :D
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 16:16:40
Möglicherweise befindet sich die Entscheidung des AG Regensburg in der Berufung oder es wurde Gehörsrüge gem. § 321a ZPO erhoben. Es steht jedoch jedem Bürger frei, auch verfassungswidrige Entscheiungen gegen sich gelten zu lassen und diese nicht mit einem Rechtsmittel anzufechten, so dass sie (im Verhältnis der am Rechtsstreit beteiligten Parteien) in Rechtskraft erwachsen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: reblaus am 02. April 2009, 17:51:49
Zum Glück subsumiere ich nicht jeden Gedankengang unter ein mir bekanntes Gesetz, da würde ich kirre werden. Leute, wie dieser Regensburger Richter liegen möglicherweise in 99% der Fälle völlig falsch, aber mit dem einen Prozent, bei dem sie richtig liegen, verändern sie die Welt. 8)
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 18:16:21
Wenn man als Jurist nicht verstanden hat, dass es zu komplexen Rechtsproblemen verschiedene vertretbare Lösungsansätze geben kann, findet sich leicht in einer Welt voller \"offensichtlich falscher\" Urteile wieder, die natürlich alle die einzig wahre Rechtsmeinung verkennen. Das hilft jetzt zwar dem Kunden nicht weiter, bewahrt aber das eigene Weltbild.  ;)
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 18:58:00
Nun ist immer noch nicht ersichtlich geworden, woraus sich ohne einseitiges Leistungsbestimmungsrecht- auf welches § 315 BGB unmittelbar zwingend anwendbar ist - im Widerspruch zu § 433 Abs. 1 BGB ein Preisänderungsrecht des Versorgers ergeben sollte, welches ihn von einer - so das Gericht zuvor  vertraglich getroffenen Preisvereinbarung -  entbinden könnte.

Einer der ältesten Rechtsgrundsätze überhaupt ist der, dass beide Vertragspartner an einen vertraglich vereinbarten Preis gleichermaßen gebunden sind, pacta sunt servanda.

Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung, dass der Richter sich zunächst entgegen §§ 108, 102 EnWG für zuständig erklärt, um dann in einer umfangreichen Begründung darüber zu sinnieren, dass er die ihm gestellte Aufgabe nicht bewältigen könne. Dies ist so ungewöhnlich, dass es interessant wäre zu erfahren, was diesen Richter tatsächlich angetrieben haben mag. An Arbeitsüberlastung mag er wohl nicht gelitten haben.

Wo er aber soviel Zeit hatte, hätte er auch den Willen des Gesetzgebers ergründen können und sollen.

Dabei hätte er wohl auf die Frage stoßen müssen, was sich wohl der Gesetzgeber bei der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV gedacht haben mag.

Zitat
§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt von Satz 2 unberührt.

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass dem grundversorgten Kunden die Unbilligkeitseinrede gem. § 315 BGB zusteht undzwar gegen die dort geregelten Rechnungen und Abschläge. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, die darauf verweist, dass dies schon der vorherigen Gesetzeslage entsprach.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 02. April 2009, 19:43:26
Zitat
Original von RR-E-ft
Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung, dass der Richter sich zunächst entgegen §§ 108, 102 EnWG für zuständig erklärt, um dann in einer umfangreichen Begründung darüber zu sinnieren, dass er die ihm gestellte Aufgabe nicht bewältigen könne.

Das fand ich auch sehr lustig. Faulheit kann es nicht gewesen sein.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 19:47:25
@Black

Wissen Sie ggf. Genaueres, wenn es keine Arbeitsüberlastung war, an der er litt.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: tangocharly am 02. April 2009, 21:32:25
Das Gericht wollte zu einer \"Lichtblick-Entscheidung\" avancieren; verblieben ist allerdings nur ein \"Feuerwerk von Geistesblitzen\".
Das Gericht sucht nach Maßstäben für die Billigkeitskontrolle, welche es nicht zu erkennen vermochte. Der Blick auf § 1, § 2 EnwG wurde verstellt, weil es in der Grundversorgung angeblich \"nur um das Ob\" und nicht \"um das Wie\" gehe. Hierauf gestützt, wurde die Zuständigkeit nach § 102 EnwG verneint, um sich dann doch wiederum seitenweise mit \"dem Tarif\" auseinander zu setzen. Die seitenweisen Ausführungen darüber, wie man dann sonst einen Maßstab für das Ermessen nach § 315 BGB finden können soll (was -wie das Gericht meint-  nicht möglich sei), muten  an die berühmte \"Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen\".
Nett auch die Überlegungen, wie das Gericht Normen anwenden will, die nicht anwendbar seien.
Und der Vogel  wird mit den philosophischen Schluß-Überlegungen abgeschossen, die die  Abschaffung der Liberalisierung streifen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 02. April 2009, 21:40:30
Das Urteil scheint gut durchdacht und umfassend vorbereitet zu sein. Arbeitsüberlastung des Richters kann man bei einem 25 Seiten langen Urteil, das sich umfassend mit der Rechtsprechung auseinandersetzt, kaum annehmen. Die Argumente, die das Gericht anführt, erscheinen mir auch gar nicht so abwegig.

Die Einschlägigkeit der Zuständigkeitsregel des § 102 EnWG wird nicht nur vom AG Regensburg abgelehnt. Soweit mir bekannt ist, halten sogar relativ viele Gericht § 102 EnWG für nicht einschlägig.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 02. April 2009, 22:21:15
@§ 315 BGB

Zu Ende durchdacht kann die Entscheidung schon deshalb nicht sein, weil es nirgends sonst eine gesetzliche Verpflichtung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung im Interesse der Allgemeinheit gibt, die bei der Tarifgestaltung Berücksichtigung finden muss (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz 26; BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 43).

Meine Erfahrung ist die, dass die meisten Amtsgerichte nach § 102 EnWG mit aus meiner Sicht zutreffender Begründung verweisen.

Aktuell wieder AG Hohenstein-Ernstthal, AG Annaberg, AG Erfurt.
Heute erst kamen zwei Beschlüsse von zwei verschiedenen Richtern am AG Jena rein, die die Verfahren an die KfH des LG Gera verwiesen haben.

Entscheidend ist die vom Gesetzgeber beabsichtigte Konzentrationswirkung, vgl. nur

AG Erfurt, B. v. 22.01.2009
LG Lüneburg, B. v. 14.10.2008
AG Erfurt, B. v. 12.03.2008

(alle in der Urteilssammlung)
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 03. April 2009, 09:47:51
Zitat
Original von RR-E-ft

Meine Erfahrung ist die, dass die meisten Amtsgerichte nach § 102 EnWG mit aus meiner Sicht zutreffender Begründung verweisen.

Meine Erfahrung ist zunehmend, dass erstinstanzlich scheinbar niemand sich die Arbeit machen möchte. Wird beim LG gestartet, schieben die es gerne an die AG weiter. Wird beim AG gestartet, hält dieses das LG für zuständig. Hauptsache das Verfahren ist ohne Aufwand vom Tisch.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 03. April 2009, 15:24:16
@Black

Immerhin decken sich unsere Erfahrungen hinsichtlich der Amtsgerichte. Sollten Ihnen entsprechende Beschlüsse von Landgerichten vorliegen, wo diese sich für nicht zuständig erklären und an Amtsgerichte verwiesen haben, so können Sie solche bitte als pdf in anonymisierter Form an info@energienetz.de schicken, damit diese auch veröffentlicht werden können. Mir sind solche Beschlüsse nicht bekannt geworden. Ganz wenige Amtsgerichte (besser gesagt einzelne Amtsrichter an diesen) verweisen auf entsprechende Rüge nicht gleich an das Landgericht.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 03. April 2009, 17:40:09
Zitat
LG Göttingen, 27.06.2007, 3 O 90/07, ZNER 2007, S. 348
Die Verweisung eines Rechtsstreits, bei dem die Billigkeit einer Gaspreiserhöhung zu prüfen ist, aufgrund der Zuständigkeitsregelung des § 102 EnWG an das Landgericht - Kammer für Handelssachen - ist willkürlich und damit nicht als bindend gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zu betrachten

Das OLG Braunschweig hat dann diese Entscheidung aufgehoben, aber nur die Willkürlichkeit der Verweisung verneint. Ob das LG Göttingen tatsächlich zuständig war aber offen gelassen (OLG Braunschweig, 15.08.2007, 1 W 43/07, ZNER 2007, 348 )

LG Gießen, Beschluss vom 14.02.2008
bestätigt durch
OLG Frankfurt (Main) Beschluss vom 15.04.2008 (http://web1.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/9D939564F4D743B3C1257481002EA103/$file/21ar01508.pdf)
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 03. April 2009, 17:48:42
@Black

Habe ich auch gelesen, sagt aber nichts.

Dies betraf auch gerade keinen Fall, wo das Landgericht als Eingangsinstanz fungierte und sich dann für unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an ein Amtsgericht verwiesen hat.
Sie hatten gerade eigene Erfahrungen mit solchen Fällen behauptet.

Zitat
Meine Erfahrung ist zunehmend, dass erstinstanzlich scheinbar niemand sich die Arbeit machen möchte. Wird beim LG gestartet, schieben die es gerne an die AG weiter.

Um diese Fälle ging es mir. Solche wurden mir bisher nicht bekannt.

OLG Frankfurt gründet darauf, dass dem nicht anwaltlich vertretenen Beklagten vor der Verweisung kein rechtliches Gehör gewährt wurde.
Ich hatte u.a. auf LG Lüneburg, B. v. 14.10.2008 verwiesen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 03. April 2009, 17:53:42
Geht es Ihnen darum Entscheidungen von LG zu finden, die eine Zuständigkeit nach § 102 EnWG ablehnen, oder darum Verfahren zu kennen, an denen ich beteiligt war/bin?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 03. April 2009, 17:59:43
@Black

Es ist für mich völlig uninteressant zu erfahren, an welchen Verfahren Sie ggf. beteiligt waren/ sind. Deshalb habe ich schon darum gebeten, entsprechende Beschlüsse vorher zu anonymisieren. Entsprechende pdf können Sie oder Ihre Haushaltshilfe von jedwedem EMail- Account oder von einem Internet- Cafe aus übersenden. Ist doch nun wirklich vollkommen egal. Wenn Sie Erfahrungen behauptet hätten, die Sie tatsächlich gar nicht haben, wäre Ihnen das möglicherweise etwas peinlich, mir jedoch vollkommen egal. Die Adresse info@energienetz.de ist auch ein Postfach des Vereins und nicht etwa von mir. Ich habe darauf gar keinen Zugriff und sehe selbst auch nur, ob und ggf. welche Beschlüsse in der Urteilssammlung veröffentlicht wurden.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 03. April 2009, 18:02:15
Sehen Sie einen Unterschied in den Fällen, in denen ein LG seine Eingangszuständigkeit abgelehnt hat, zu den Fällen in denen ein LG eine Verweisung vom AG abgelehnt hat?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 03. April 2009, 18:06:05
@Black

Ja, weil es ja auch gerade um eine Mentalität geht, welche Sie behaupten.

Meine Erfahrung ist die, dass sich Landgerichte- Kammer für Handelssachen -  für bei diesen eingelegte Klagen selbst dann für zuständig hielten, wenn deren Zuständigkeit ausdrücklich gerügt wurde. Solche Erfahrungen habe ich zB. in Bayern gemacht.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Black am 03. April 2009, 18:11:50
Ich schau mal was ich tun kann.


Aber das LG Gießen und das LG Göttingen dürften nun auch als Eingangsinstanz kein guter Startpunkt mehr sein.

Bezüglich der Mentalität finde ich es fast noch bedenklicher wenn offensichtlich gar niemand zuständig sein will (AG verschiebt an LG, LG will auch nicht, OLG schickt zurück an AG  :rolleyes:  )
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 03. April 2009, 18:12:14
Danke.

Einer ist immer zuständig.
Am Landgericht Gießen als Eingansinstanz die KfH, vgl. LG Gießen, B. v. 05.12.2008.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 04. April 2009, 01:42:59
@RR-E-ft
Ist Ihnen bekannt, inweit der Richter des AG Regensburg noch weitere Urteile zu § 315 BGB gesprochen hat?
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: uwes am 15. April 2009, 14:24:55
Zitat
Original von RR-E-ft
In Regensburg setzt sich ein Amtsrichter bewusst über die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinweg.

Die Entscheidung verletzt den Betroffenen in seinen Grundrechten und ist verfassungswidrig.

Rechtsprechung des Bundesverfassungsrichts zur gerichtlichen Billigkeitskontrolle von einseitigen Entgelterhöhungen. (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk19991228_1bvr220398.html)

Unglaublich. Woher nehmen Sie dieses Lexikonartige Wissen um deise Entscheidungen? Herzlichen Glückwunsch, zumal dieser Beschluss des BVerfG auf den entschiedenen Fall passt.

Uwes
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: nomos am 02. Juli 2009, 21:33:56
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Zitat
Original von tangocharly
LG Regensburg, Urt. v. 30.06.09, Az. 1 HK O 587/09 gibt Gaspreis-Zahlungsklage statt (Sondervertrag) (http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=58313#post58313)
Wow, das lässt sich nicht mehr toppen ..
Weißwurstäquators (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6a/Karte_Wei%C3%9Fwurst%C3%A4quator.png) geht das noch ( Energieverbraucher im Schatten der 3. Gewalt ;)  )[/list]
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Fridericus Rex am 07. Juli 2009, 16:39:57
Tatsächlich kann man glaube ich nicht ernsthaft vertreten, dass die Landgerichte für solche Zahlungsklagen zuständig sind. Es handelt sich doch völlig unstreitig um Kaufpreisforderungen, jede andere Ansicht ist doch \"offensichtlich falsch\"  :tongue:

Wenn man die These von der Unzuständigkeit des Amtsgerichts weiter verfolgen würde, bedeutet dies doch nicht zuletzt, dass die Zuständigkeit des Gerichts von der Verteidigung des Kunden abhängt. Sagt dieser § 315 - dann Landgericht, verteidigt er sich anders (oder gar nicht) - dann Amtsgericht. Dieser Irrwitz liegt ja auf der Hand.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 07. Juli 2009, 16:52:29
@Friedericus Rex

Ihre Auffassung ist nicht haltbar.

Wendet der Beklagte ein, dass es sich bei den einseitig festgestzten Preisforderungen um einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch des marktbeherrschenden Versorgungsunternehmens gem. §§ 19, 33, 29 GWB iVm. § 134 BGB handelt, so sind zB. auch die Landgerichte gem. § 87 GWB sachlich ausschließlich zuständig. Wendet der Kunde ein, dass die einseitige Preisfestsetzung eines Grundversorgers gegen dessen gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung verstößt und deshalb auch unbillig ist, so folgt daraus m. E. die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte gem. §§ 108, 102 EnWG. Nicht anders verhält es sich, wenn es für die Streitentscheidung auf eine Vorfrage ankommt, etwa die, ob der Beklagte in der gesetzlichen Grundversorgung gem. § 36 EnWG beliefert wird oder aber aufgrund eines Liefervertrages außerhalb der Grundversorgung, zB. gem. § 41 EnWG.

Es ist kein Irrwitz, sondern entspricht der gesetzlichen Regelung.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Lothar Gutsche am 07. Juli 2009, 18:38:05
@ RR-E-ft

Zitat
Wendet der Beklagte ein, dass es sich bei den einseitig festgestzten Preisforderungen um einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch des marktbeherrschenden Versorgungsunternehmens gem. §§ 19, 33, 29 GWB iVm. § 134 BGB handelt, so sind zB. auch die Landgerichte gem. § 87 GWB sachlich ausschließlich zuständig.
Das hatte ich bis zu meinem Verfahren am Amtsgericht Würzburg auch geglaubt, wo ich neben der Unbilligkeit eine sehr umfassenden Vortrag zu § 19 GWB eingebracht habe. Mit einer Aussage, die sehr den Begründungen aus dem BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 ähneln, hat der Richter die kartellrechtlichen Bedenken einfach beiseite geschoben: \"Die Anwendung des § 29 Nr. 1 GWB, welcher vorliegend ins Feld geführt wird, ist ausdrücklich so eingeschränkt worden, das sie keine Grundlage für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mehr bieten sollte (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/126, S. 13170). Angesichts der erklärten Absicht des Gesetzgebers überhöhte Preise im Bereich der Versorgung mit Gas und Strom ausschließlich durch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und nicht im Wege zivilrechtlicher Auseinandersetzungen bekämpfen zu wollen, sind die Zivilgerichte zu einer entsprechenden Anwendung von § 315 BGB und darauf gestützten umfassenden Billigkeitskontrolle allgemeiner Tarife etwa von Gasversorgungsunternehmen nicht legitimiert (vergl. BVerfG 82, 6, 12 f.). \". Richter Peikert vom Amtsgericht Würzburg hat damit trotz § 87 GWB seine gerichtliche Zuständigkeit begründet.

Das Urteil des Amtsgerichts Würzburg mit Aktenzeichen 30 C 2420/08 vom 2.6.2009 kann ich noch nicht zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen, da derzeit eine von mir beantragte Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO und eine Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO vom Gericht zu bearbeiten ist. Gegen das Urteil ist von meiner Seite Berufung eingelegt worden. Mit meinem Anwalt muß ich noch klären, ob dem Amtsrichter darüber hinaus Rechtsbeugung vorzuwerfen ist, weil er in extremer Form das rechtliche Gehör verletzt hat und entscheidungserheblichen Vortrag ignoriert hat und weil er in willkürlicher Weise das Gesetz \"fortentwickelt\" hat. Denn meiner Ansicht nach liegt in meinem Fall kein Grund vor, das Verfassungsgerichtsurteil BVerfG 82, 6, 12 f. heranzuziehen, und in diesem Zivilverfahren \"mal eben\" das ganze Kartellrecht außer Kraft zu setzen.

Sobald diese Fragen geklärt sind, werde ich etwas ausführlicher zu der 1. Instanz und dem Urteil berichten. Mein Ziel ist ein öffentliches Verfahren, bei dem sämtliche Schriftsätze im Internet für jedermann frei zugänglich gemacht werden, damit jeder erkennen kann, wie in Deutschland und speziell in Würzburg \"Recht\" gesprochen wird. Ich bitte aber noch um einige Wochen Geduld, bis das erstinstanzliche Urteil korrigiert wurde und die Berufungsschrift fertiggestellt ist. Der eigentliche Prozessgegner sind für mich übrigens nicht die Stadtwerke Würzburg, sondern deren Minderheitsaktionär E.ON, der zugleich Vorlieferant der Stadtwerke ist.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Fridericus Rex am 07. Juli 2009, 21:51:34
Zitat
Original von RR-E-ft
so folgt daraus m. E. die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte gem. §§ 108, 102 EnWG.

Schön, das Sie das als ihre persönliche Meinung darstellen. In der Tat ist Ihre Rechtsauffassung kaum haltbar. Nicht umsonst liest man hier viel über Amtsgerichtsurteile. Diese dürfte es nach Ihrer Auffassung ja nicht geben.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: bolli am 08. Juli 2009, 10:26:38
Zitat
Original von Fridericus Rex
Schön, das Sie das als ihre persönliche Meinung darstellen. In der Tat ist Ihre Rechtsauffassung kaum haltbar. Nicht umsonst liest man hier viel über Amtsgerichtsurteile. Diese dürfte es nach Ihrer Auffassung ja nicht geben.

Aber eben auch ne Menge von LG-Urteilen, wo nach der Argumentation von Herrn Fricke die Zuständigkeit beurteilt wird, die es nach IHRER Auffassung nicht geben dürfte. Wer hat nun  Recht ?

Es gilt wie so oft in der Juristerei: Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes (bzw. des Richters) Hand. Je nachdem, wie ER die Sache sieht, entscheidet er. Wer will entscheiden, ob dass, was er für richtig hält auch tatsächlich so ist ? Klar gibt es meistens eine herrschende Meinung, aber das nützt mir im Einzelfall erstmal wenig, wenn sie nicht mit der MEINES Richters übereinstimmt. Da kann man nur auf die Berufung hoffen, was aber manchmal auch eine Kostenfrage ist.

Also ganz so einfach und klar wie Sie das darstellen, ist es nicht.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: nomos am 08. Juli 2009, 12:20:22
Zitat
Original von Fridericus Rex
Wenn man die These von der Unzuständigkeit des Amtsgerichts weiter verfolgen würde, bedeutet dies doch nicht zuletzt, dass die Zuständigkeit des Gerichts von der Verteidigung des Kunden abhängt. ...
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 08. Juli 2009, 13:48:52
@Friedericus Rex

Viele Amtsgerichtsurteile mögen darauf gründen, dass die sachliche Zuständigkeit nicht gerügt wurde. Zudem hat man bereits viele Klagen gesehen, wo die Versorger nach Unbilligkeitseinrede ihre Zahlungsklage unter Berufung auf deren ausschließliche Zuständigkeit gem. § 87 GWB oder 108, 102 EnWG auch bei geringem Streitwert beim Landgericht anbringen. Diese Klagen wurden bezeichnenderweise  nicht wegen fehlender örtlicher/ sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

So hat die E.ON Westfalen Weser AG, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer aus düsseldorf Zahlungsklage beim LG Dortmund erhoben; die Stadtwerke Bad Kreuznach vertreten durch Dr. Hempel aus Wuppertal beim Landgericht Mainz; die Erdgas Schwaben GmbH vertreten durch PATT Rechtsanwälte aus Chemnitz beim Landgericht Augsburg.....

Möglicherweise halten Sie die genannten Kollegen, die auf Versorgerseite tätig sind, allesamt für \"juristische Flachzangen\". Mit dieser Einschätzung lägen Sie indes voll daneben.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 11. Juli 2009, 19:24:57
@nomos:
Selbst wenn im Mahnbescheid ein Amtsgericht angegeben ist, an das der Rechtsstreit abgegeben werden soll, kann der Kunde die Zuständigkeit immer rügen. Der Richter muss dann entscheiden, ob er den Rechtsstreit verweist. Tut er dies, trägt das EVU auch die Kosten dafür, dass zunächst beim dann unzuständigen AG geklagt wurde, sofern das LG die Verweisung nicht für willkürlich hält. Das kann also kein Grund dafür sein, dass so viele AG über § 315-Streitigkeiten entschieden haben.

 Ich halte allerdings auch § 102 EnWG eher nicht für einschlägig. Es geht doch letztlich um eine normale Zahlungsklage. § 315 BGB ist eine Norm, die im BGB geregelt ist und in zivilrechtlichen Streitigkeiten auch in ganz anderem Zusammenhang vorkommt. § 1 EnWG beschreibt doch lediglich den Gesetzeszweck. Aus dem EnWG ergibt sich aber gar nichts dazu, wann ein Preis der Billigkeit entspricht.
Soweit es um unwirksame Preisklauseln geht, läuft das ganze auf eine einfache Prüfung nach dem AGB-Recht hinaus. Auch hier ist wieder nur das BGB maßgeblich.Das EnWG sagt nichts dazu, wie Preisklauseln ausgestaltet sein müssen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 11. Juli 2009, 22:32:53
§ 315 BGB

Oftmals bestreitet der Kunde, dass seine Beleferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht nach dem EnWG erfolgt, hilfsweise dass die einseitige Preisbestimmung der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus § 2 EnWG entspricht. Darüber hinaus wird oftmals ein kartellrechstwidriger Preishöhenmissbrauch geltend gemacht.

Die ersten beiden Vorfragen sind nach dem EnWG zu entscheiden und sind deshalb geeignet, eine ausschließliche Zuständigkeit gem. §§ 108, 102 EnWG zu begründen. Die dritte Einwendung kann eine ausschließliche Zuständigkeit nach § 87 GWB begründen. Unzweifelhaft wird bei einem kartellrechstwidrigen Preishöhenmissbrauch der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 EnWG nicht enstprochen und die einseitige Preisbestimmung kann deshalb auch nicht der Billigkeit entsprechen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: nomos am 11. Juli 2009, 22:53:33
Zitat
Original von § 315 BGB
Selbst wenn im Mahnbescheid ein Amtsgericht angegeben ist, an das der Rechtsstreit abgegeben werden soll, kann der Kunde die Zuständigkeit immer rügen. Der Richter muss dann entscheiden, ob er den Rechtsstreit verweist. Tut er dies, trägt das EVU auch die Kosten dafür, dass zunächst beim dann unzuständigen AG geklagt wurde, sofern das LG die Verweisung nicht für willkürlich hält. Das kann also kein Grund dafür sein, dass so viele AG über § 315-Streitigkeiten entschieden haben.
Zitat
Original von § 315 BGB Ich halte allerdings auch § 102 EnWG eher nicht für einschlägig. Es geht doch letztlich um eine normale Zahlungsklage. § 315 BGB ist eine Norm, die im BGB geregelt ist und in zivilrechtlichen Streitigkeiten auch in ganz anderem Zusammenhang vorkommt. § 1 EnWG beschreibt doch lediglich den Gesetzeszweck. Aus dem EnWG ergibt sich aber gar nichts dazu, wann ein Preis der Billigkeit entspricht.
Soweit es um unwirksame Preisklauseln geht, läuft das ganze auf eine einfache Prüfung nach dem AGB-Recht hinaus. Auch hier ist wieder nur das BGB maßgeblich.Das EnWG sagt nichts dazu, wie Preisklauseln ausgestaltet sein müssen.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: reblaus am 12. Juli 2009, 08:29:25
@§ 315 BGB
Sie übersehen, dass bei der Beurteilung von Gaspreisklagen nicht nur §§ 1, 2 EnWG angewendet werden müssen. Daneben ist meist streitig, ob es sich um ein Grundversorgungsverhältnis oder einen Sondervertrag handelt. Diese Unterscheidung beruht auf § 36 EnWG. Sobald feststeht, dass dem Versorger ein einseitiges Preiserhöhungsrecht zusteht, geht der Streit um die Frage inwieweit ihn das Geschäftsgeheimnis berechtigt, die Gesamtsteigerung seiner Kosten geheimhalten zu dürfen. Hierfür ist § 10 EnWG heranzuziehen, der eine Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses für Sparten GuVs enthält. Erst wenn diese EnWG-Fragen geklärt wurden, findet erstmalig § 315 BGB Anwendung, der aber wiederum nur im Lichte von §§ 1, 2 EnWG interpretiert werden kann.

Selbst die GasGVV hat ihre Ermächtigungsgrundlage im EnWG.

Es dürften nicht viele zivilrechtliche Streitigkeiten geben, bei denen keine BGB-Norm anzuwenden ist. Nur weil ergänzend das BGB heranzuziehen ist, liegt die Zuständigkeit der ganzen Handels, Kartell- oder Arbeitsgerichtssachen aber noch lange nicht beim AG oder den allgemeinen Zivilkammern des LG.

Uneingeschränkt zustimmen kann ich Ihnen dabei, dass für Gaspreisklagen auf unstreitiger Basis von Sonderverträgen ohne einseitige Preisänderungsklausel keine Sonderzuständigkeit besteht. In solchen Klagen muss dann nur über die Anwendung des Preissockels auf Sonderverträge verhandelt werden. Oder der Kunde ist klamm und hat einfach nicht bezahlt, oder aber die Klage ist offensichtlich unbegründet.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Rob am 12. Juli 2009, 14:05:10
Hallo,

alles gut und schön was Ihr schreibt.
Aber letztendlich liegt die Entscheidung beim Richter, ob er ans LG verweist oder nicht.
Auch wenn der Beklagte die sachliche Zuständigkeit mehrfach gerügt hat und selbst die Klägerseite aus dem EnWG zitiert, obwohl sie sich an anderer Stelle ihrer Klage auf eine normale Zahlungsklage beruft, sehen so manche AG-Richter ihre eigene Zuständigkeit bestätigt.
Man kann dann noch soviele Urteile zitieren, wenn der Richter nicht will, dann will er nicht.
So erlebt in Bayern, persönlich und bei Mitstreitern.

Recht haben und recht bekommen sind halt doch zwei Paar Schuhe... .

Gruß vom Rob,
Besitzer eines Endurteils eines Amtsgerichts :(
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: tangocharly am 12. Juli 2009, 14:40:49
Unterstellt, eine solche Frage würde tatsächlich einmal die Gerichte beschäftigen, d.h. ein Haushaltskunde müsste den Zugang zur Grundversorgung erstreiten (das beliebte, wie falsche Argument -z.B. Landgericht Ravensburg vom 13.03.2008- : 102 erfasse über 36 nur das \"Ob\", nicht das \"Wie\" der Grundversorgung).

In diesem Falle hätte die Kammer für Handelssachen über den Zugang zur Grundversorgung zu entscheiden. Dies hängt dabei dann aber offensichtlich von keiner Entscheidung der Netzbehörde oder der Kartellbehörde ab, sondern nur von der gerichtlichen Entscheidung der KfH. Diese wendet nun den 36 an und sagt: \"Du musst\" (- und nicht du darfst).

Nach der geäusserten Auffassung müsste nun die KfH ein Grundurteil fällen und im Übrigen den Rechtsstreit -antragsgemäss- an das Amtsgericht verweisen, wenn zudem die Frage der Billigkeit der Grundversorgungspreise streitig würde, denn dann ginge es ja um das \"Wie\" der Grundversorgung (oder etwas flach ausgedrückt, die Tüte gibt es im Haushaltswarenladen und die Brezel beim Bäcker).

Den 102 hätte man, so dies gewollt gewesen wäre, in diesem so verstandenen Sinne etwas klarer und eindeutiger formulieren können, z.B. einschränkender.

Doch darauf kann es schon deshalb nicht ankommen, weil die \"Vor die Klammer gezogenen\" Bestimmungen des EnWG (1 u. 2) nicht ohne
Grund im Gesetz an dieser Stelle positioniert wurden und ohne Zweifel zum Energiewirtschaftsrecht gehören und ohne Zweifel (Wortlaut) keine Ziele, sondern Pflichten statuieren.

Und wem das noch nicht genügt, der sollte dann (falls zweifelnd) zusätzlich noch einen Blick in 39 Abs. 1 Satz 1 (http://www.buzer.de/s1.htm?a=39&g=enwg) werfen
Zitat
(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gestaltung der Allgemeinen Preise nach § 36 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 des Grundversorgers unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 1 regeln
.

Hätte also der Verordnungsgeber die Allgemeinen Preise gestaltet, dann wäre er an die Bestimmung gem. 1 Abs. 1 gebunden; - nur der Amtsrichter nicht, der nur über 315 BGB entscheidet  ????
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: reblaus am 12. Juli 2009, 16:13:05
@rob
Da hilft dann schlussendlich nur noch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt wurde.

Der Spruch \"vor Gericht und auf hoher See, ist man in Gottes Hand\" erhält seinen Sinn nicht in der undurchschaubaren Gesetzeslage in Deutschland, die nur zufällige Ergebnisse zulässt, sondern in dem Risiko an einen unfähigen oder unwilligen Richter zu geraten. Selten hängt es damit zusammen, dass eine als überholt angesehene Rechtsprechung aufgegeben wird.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 13. Juli 2009, 23:46:05
@reblaus
Aber was ein Sondervertrag ist und was ein Grundversorgungsvertrag regelt das EnWG doch auch nicht wirklich. § 36 EnWG regelt nur, dass eine Verpflichtung zur Grundversorgung besteht. Ob das Versorgungsunternehmen zur Versorgung verpflichtet ist, darum geht es doch in Gaspreisentscheidungen in der Regel nicht.
Zum Sondervertrag steht im EnWG doch nur, was notwendiger Inhalt ist. Die ganzen derzeitigen Streitfragen zur Problematik der Abgrenzung sind doch gar nicht im EnWG geregelt...

Irgendwie erscheint es mir auch unplausibel, wenn die Zuständigkeit von der Verteidigung des Kunden abhängt. Es wäre dann bei einer Klage seitens des EVU völlig offen, wo geklagt werden muss, wenn § 102 EnWG tasächlich in § 315er Verfahren einschlägig wäre. Würde vorm LG geklagt werden und beruft sich der Kunde überraschend doch nicht auf § 315 wäre vorm falschen Gericht geklagt worden, anders herum genauso.

Kann das wirklich richtig sein? Rechtssicherheit wäre doch was anderes???? und zwar für alle Beteiligten...
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Juli 2009, 00:15:13
@§ 315 BGB

Na dann lesen Sie mal die Kommentierung zu § 87 GWB, wovon die Zuständigkeit dabei abhängt.  

Die Gesetzesmaterialien zu § 102 EnWG verweisen auf jene Vorschriften des GWB, sind diesen nachgebildet.

Und wenn der Kunde nicht gerade Haushaltskunde ist, dann ist im EnWG entweder gar nichts geregelt oder aber bei einem Bestandskunden möglicherweise doch etwas in § 116 EnWG.

Insbesondere für  die Vorfrage, ob ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht besteht, kommt es entscheidend darauf an, ob die Belieferung innerhalb oder außerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht nach dem EnWG (§§ 36, 38 EnWG) erfolgt.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Opa Ete am 14. Juli 2009, 09:31:53
Moin zusammen,

hier wird auf 3 Seiten darüber gestritten, welches Gericht wann zuständig
ist, aber noch keiner hat gesagt, warum es für den Kunden, der auf Zahlung verklagt wird, besser sein soll, vor dem LG verklagt zu werden. Ich kann mir durchaus Fälle vorstellen, in denen es besser für manche ist vor dem AG verklagt zu werden, zumal wenn es um kleinere Beträge geht und wenn man davon ausgeht, dass Richter am AG genauso intelligent sind wie Richter am LG.

Gruß Opa Ete
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: nomos am 14. Juli 2009, 10:19:36
Zitat
Original von Opa Ete
...
Ich kann mir durchaus Fälle vorstellen, in denen es besser für manche ist vor dem AG verklagt zu werden, zumal wenn es um kleinere Beträge geht und wenn man davon ausgeht, dass Richter am AG genauso intelligent sind wie Richter am LG.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Opa Ete am 14. Juli 2009, 11:30:39
@nomos

umgekehrt wird aber auch ein Schuh daraus. Wenn ich meiner Sache sicher bin und das EVU nicht in Berufung gehen kann. Und von den Gerichtskosten ist es doch auch egal, ob ich AG mit Berufung LG oder LG mit Berufung OLG durchlaufe.

Gruß Opa Ete
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 14. Juli 2009, 13:06:04
Ist eine Sache vor dem AG wegen des geringen Streitwerts nicht berufungsfähig, dann ist die Entscheidung eines sachlich ausschließlich zuständigen Landgerichts ebensowenig berufungsfähig.

Kammern für Handelssachen sind erwartungsgemäß  dann sachlich kompetenter, wenn es um Fragen betreibswirtschaftlicher Kalkulationen geht. Zudem haben sie allein aufgrund ihrer geringeren Fallzahlen die möglichkeit einer gründlicheren Sachbefassung.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 24. Februar 2010, 16:50:09
Aber wenn alle Klagen, in denen über die Billigkeit gestritten wird, jetzt vor den Handelskammern verhandelt werden müssten, dann hätten diese doch auch keine Zeit mehr... Im Zweifel wären diese dann doch angesichts der sich gerade in letzter Zeit offensichtlich häufenden Klagen überlastet... Das Argument, dass die Handelskammern geringere Fallzahlen haben, kann mich daher nicht wirklich überzeugen...
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: bolli am 25. Februar 2010, 08:16:30
Wenn man für einen Versorger in einem bestimmten Gebiet einmal ein Gutachten für einen bestimmten Zeitraum hat erstellen lassen, steht die Billigkeit der Preise für diesen Versorger in diesem Gebiet und diesem Zeitraum fest. Da ist es egal, ob dazu 2, 20 oder 200 Klagen vorliegen. Nach dem ersten Verfahren werden die restlichen deutlich schneller gehen.  ;)

In diesen Fällen der gesetzlichen Grundversorgung dürfte, entgegen den Sonderverträgen, keine großartigen Sachverhaltsaufarbeitungen notwendig sein.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: Mechthild am 25. Februar 2010, 10:43:59
In meinem Fall geht es darum, dass ich bisher alle Gasrechnungen gezahlt habe, seit 2005 allerdings unter Vorbehalt. Ich möchte jetzt das überzahlte Geld zurückfordern. Ich habe meinem Versorger einen Mahnbescheid zunächst über die Summe geschickt, die zu verjähren drohte. Das waren unter 600 €. Laut Mahnbescheid soll die Sache bei Einzahlung der Gerichtsgebühr an das zuständige Amtsgericht überwiesen werden.
Ist für meine Rückzahlungsklage das Amtsgericht zuständig? Oder doch das Landgericht nach § 102 Energiewirtschaftsgesetz? Ich habe einen Sondervertrag von 1984, mein Gasversorger behauptete jedoch brieflich ich befände mich in der Grundversorgung.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: bolli am 25. Februar 2010, 13:17:22
Zitat
Original von Mechthild
Ist für meine Rückzahlungsklage das Amtsgericht zuständig? Oder doch das Landgericht nach § 102 Energiewirtschaftsgesetz? Ich habe einen Sondervertrag von 1984, mein Gasversorger behauptete jedoch brieflich ich befände mich in der Grundversorgung.
Wenn Sie davon ausgehen, einen Sondervertrag zu haben (und damit ja wahrscheinlich, wovon Sie sicher ebenfalls ausgehen, eine unwirksame Preisanpassungsklausel im Vertrag haben), so begründet sich Ihr Rückzahlungsanspruch auf einen Herausgabeanspruch gemäß  § 812 BGB.
Dieses hat erst einmal nichts mit § 102 EnWG zu tun und insoweit gibt es auch keine Zuständigkeit des Kartellsenats des Landgerichtes. Da Sie des weiteren angeben, dass Sie derzeit nur eine Summe von unter 600,- EUR geltend machen, ist da das Amtsgericht für zuständig. Etwas anderes wäre es, wenn sie, entweder um direkt einen Titel für die gesamten Rückzahlungsansprüche zu erhalten oder weil Sie die landgerichtliche Zuständigkeit erreichen wollen, Ihre sämtlichen Ansprüche geltend machen (und diese über 600,- EUR liegen), dann ist zwar das Landgericht zuständig, aber nicht der Kartellsenat.

Sie sollten sich für das Verfahren aber in jedem Fall anwaltlichen Beistand suchen. Vor dem Landgericht brauchen Sie ihn sowieso und im AG-Verfahren sollte hilfsweise immer auch die Billigkeit der Preise gerügt werden, damit, falls dem Argument des Versorgers, Sie befänden sich in der Grundversorgung, gefolgt wird, der Prozess nicht sofort zu Ende ist. Das setzt aber voraus, dass bereits im Klageschriftsatz ALLE Argumente, auch die zur Billigkeit, vorgetragen werden. Und das setzt Fachkenntnis eines versierten Anwaltes voraus.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 25. Februar 2010, 16:39:49
@ bolli
Im Zivilprozess wirkt eine Entscheidung doch nur zwischen den Parteien. Das heißt ein Gutachten, dass in einem Fall erstellt wurde kann doch gar nicht ohne Weiteres auf  andere Fälle übertragen werden. Zudem bedarf es doch immer einer Einzelfallprüfung, die zumindest die Punkte berücksichtigt:
1) Wann war der erste Widerspruch?
2) Gibt es im konkreten Einzelfall Besonderheiten beispielsweise hinsichtlich den Mitteilungsschreiben bei Preisanpassungen usw.

Auch Zeugenvernahmen müssen in jedem einzelnen Fall neu durchgeführt werden. Insoweit glaube ich schon, dass es zu einer Überlastung der wenigen Handelskammern kommen würden, wenn auf einmal alle dort klagenm würden und verklagt werden würden.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: bolli am 26. Februar 2010, 08:53:32
Zitat
Original von § 315 BGB
@ bolli
Im Zivilprozess wirkt eine Entscheidung doch nur zwischen den Parteien. Das heißt ein Gutachten, dass in einem Fall erstellt wurde kann doch gar nicht ohne Weiteres auf  andere Fälle übertragen werden.
Im Gegensatz zum Sondervertrag, wo individuelle Inhalte vereinbart werden können, gibt es in der Grundversorgung nur EINEN Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Gebiet. Wenn also mittels eines Gutachtens in der Grundversorgung ein unbilliger Preis für einen bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort festgestellt wurde, so gilt diese Feststellung auch für alle anderen Kunden in dieser Versorgungsart zu diesem Zeitpunkt in diesem Gebiet.
Und diese Feststellung ist das Zeitaufwändigste im Billigkeitsverfahren.

Zitat
Original von § 315 BGB
Zudem bedarf es doch immer einer Einzelfallprüfung, die zumindest die Punkte berücksichtigt:
1) Wann war der erste Widerspruch?
Da sind nur noch wenige Punkte zu prüfen, die wohl schnell abgehandelt sind. Zeugen sehe ich an dieser Stelle eher weniger, die kommen eher bei der Billigkeitsprüfung zum Zuge.

Zitat
Original von § 315 BGB
2) Gibt es im konkreten Einzelfall Besonderheiten beispielsweise hinsichtlich den Mitteilungsschreiben bei Preisanpassungen usw.
In der Grundversorgung ist die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben, die aber schon zu Beginn der Billigkeitsprüfung überprüft wird, da bei mangelnder öffentlicher Bekanntmachung das einseitige Leiostungsbestimmungsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt wurde und daher schon keine wirksame Preisanpassung stattgefunden hat, weshalb eine Prüfung der Billigkeit dieser Preise ebenfalls nicht mehr durchgeführt wird. Individuelle Schreiben mit vertraglich relevanten Inhalten sollten da weniger auftauchen,  da die gesetzlichen Regelungen gelten und kaum Spielraum für individuelle Vereinbarungen lassen, sonst ist\'s ein Sondervertrag.

Inwieweit nun tatsächlich Überlastungen stattfinden, müsste im Einzelfall geprüft werden, ist aber auch keine entscheidende Frage. Denn die Zuständigkeitsfrage beurteilt sich nicht deshalb anders, weil im Falle der Entscheidung so oder so die eine oder andere Instanz überlastet ist. Sie richtet sich nach den Zuständigkeitregelungen des Rechtssystems. Und falls dann da eine Überlastung auftritt, gibt\'s eine politische Ebene, die für ein funktionieren des Systems zu sorgen hat. Und tut sie dieses nicht, hat man möglicherweise, falls durch dieses Versäumnis ein Schaden eintritt, einen Schadenersatzanspruch gegen den Staat.

Die seinerzeitige Zuordnung der Zuständigkeit zu den Handelskammern der Landgerichte bei Streitigkeiten aus dem EnWG beurteilte sich auf jeden Fall u.a. nach den genannten Gesichtspunkten. Ob sie heute noch (oder immer in Einzelfall) so zutreffen, ist dabei weniger die Frage.
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: § 315 BGB am 26. Februar 2010, 15:37:29
Ich dachte immer, der Zivilprozess wäre ein Parteienprozess, der auch maßgeblich davon abhängt, was bestritten wird. Ein zivilprozessuales Urteil wirkt doch immer nur zwischen den Parteien. Theoretisch müsste doch damit in jedem Einzelfall eines Versorgungsunternehmens ein neuer Billigkeitsnachweis gegenüber jedem einzelnen Kunden erfolgen. Da es keine Wirkung gegenüber Dritten gibt, kann auch ein Sachverständigengutachten nicht ohne weiteres auf ein Parallelverfahren übertragen werden... dachte ich zumindest... Natürlich hat der Sachverständige in jedem Einzelfall genau das gleiche zu prüfen...

Außerdem dürfte es doch - wenn es hier eine Bindung gäbe - eigentlich nie gegensätzliche Urteile hinsichtlich der Billigkeit der Preisanpassungen eines EVU geben. Auch müssten sämtliche Kunden eines Versorgungsunternehmens ihren Widerspruch zurücknehmen, wenn ein Gericht die Billigkeit rechtskräftig oder letztinstanzlich  festgestellt hat. Genau davon wird doch aber hier immer abgeraten, wenn die entsprechenden Urteile für falsch gehalten werden....
Titel: Negative Amtsgerichtsurteile in Regensburg
Beitrag von: RR-E-ft am 26. Februar 2010, 16:09:13
Eine Bindungswirkung besteht nicht. Die Entscheidung hängt i-m-m-a maßgeblich vom Bestreiten ab (vgl. LG Ulm, Urt. v. 27.01.10 Az. 1 S 107/09).

Ein gerichtliches Sachverständigengutachten (vgl. LG Köln, Urt. v. 14.08.09 Az. 90 O 41/07) kann indes auch in anderen Verfahren verwertet werden, § 411a ZPO.

Eine mit Handelsrichtern besetzte KfH hat regelmäßig besseren eigenen Sachverstand hinsichtlich kaufmännischer Kalkulationen, insbesondere wo es auf die notwendie Einbeziehung der zwischenzeitlichen Entwicklung aller preisbildenden Kostenkatoren des Preissockels eines bestimmten Vertragspreises ankommt (vgl. LG Köln, aaO.; LG Dortmund, Urt.v. 20.08.09 Az. 13 O 179/08 Kart).