Das Verfahren betrifft Gaspreiserhöhungen der Regionalgas Euskirchen GmbH.
Siehste hier.VerhandlungsberichtBezeichnenderweise argumentierten die Prozessvertreter des Versorgers in der Verhandlung damit, auch einem Sondervertragskunden müsse es möglich sein, über eine Billigkeitskontrolle eine Absenkung des bisherigen Gaspreises zu verlangen, weil diese Möglichkeit für Tarifkunden eröffnet sei (\"Vereinbarter Preissockel\"?!). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen jedoch auch die mit einem Monopolisten
vereinbarten Preise keiner Billigkeitskontrolle (BGH NJW-RR 1990, 1204).
Es steht ein Fall zur Entscheidung an, bei dem
das LG Bonn eine Monopolstellung des Gasversorgers angenommen hatte. Nach den Feststellungen der Tatsachensinstanz handelt es sich um einen Sondervertrag, bei dem das Preisänderungsrecht einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliege.
Das LG Bonn hatte ausgeführt:
Grundlage für die beanstandete Preiserhöhung ist die Regelung in § 2 Ziff. 2 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Gas- Sondervertrages, die wie folgt lautet: \"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Allgemeinen Tarife erfolgt.\"Damit hatte sich zuletzt das Urteil des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 befasst. Danach setzt die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen klare Termine in solchen Klauseln voraus, zu denen die Preise geändert werden können. Diese Termine müssen von vornherein in der Klausel selbst festgelegt sein und bereits bei Vertragsabschluss feststehen.
Aus der Klausel geht indes nicht hervor, wann genau und vor allem in welche Richtung und in welchem Umfang sich der vereinbarte Gas- Sonderpreis ändert. Die Klausel scheint deshalb nach der Rechtsprechung des BGH wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH besteht auch kein Leitbild des § 4 AVBGasV, aus dem sich etwas anderes ergeben könnte. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht demnach nicht.
Fraglich, wie der achte Zivilsenat des BGH damit umgeht, ob er von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen will. Offensichtlich eignet sich dieser Fall wohl nicht gerade für eine weitere Grundsatzentscheidung zur Billigkeitskontrolle von Gaspreisen, die der Senatsvorsitzende Ball laut Presseberichten anstrebt. Es fehlt schon am vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht als Voraussetzung einer Billigkeitskontrolle.
Der Kartellsenat des BGH hatte bereits am 29.04.2008 (KZR 2/07)
grundsätzlich entschieden, dass Preisänderungsklsaueln in Gas- Sonderverträgen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen, sich insoweit kein Preisfestsetzungsrecht des Gasversorgers aus § 4 AVBGasV ergibt. Die Fälle sind insoweit identisch.
In § 1 Abs. 2 AVBGasV war klar geregelt, dass diese nur für Tarifkunden gilt. Nur für diesen Bereich gab es in § 7 EnWG 1935/ § 11 EnWG 1998 eine Ermächtigungsgrundlage. Zu einer gesetzlichen Regelung für Gas- Sonderverträge fehlt nicht nur eine Rechtsgrundlage in einer Verordnung, sondern auch eine Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber selbst. Der Verordnungsgeber hätte die Gas- Sonderverträge überhaupt nicht inhaltlich gestalten dürfen und hat es auch nicht getan.
Selbst bei einer Einbeziehung des § 4 AVBGasV in einen Sondervertrag ergibt sich aus diesem kein Preisänderungsrecht in Bezug auf vereinbarte Sonderpreise. Denn diese Vorschrift verhält sich
im Tatbestand wie auf der Rechtsfolgenseite nur zu den (
nicht vertragsgegenständlichen) Allgemeinen Tarifen für die Belieferung im Rahmen der Allgemeinen Versorgungspflicht gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998, nicht aber zu den vereinbarten Sonderpreisen eines Sondervertrages.
Dies hat der Kartellsenat des BGH in seiner grundsätzlichen Entscheidung vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (dort Tz. 29) auch bereits zum Ausdruck gebracht. Auch in dem vom Kartellsenat des BGH dabei entschiedenen Fall war nämlich
unter Ziffer 6 der Norm- Sonderverträge geregelt, dass die Bestimmungen der AVBGasV Anwendung finden.Zudem hielte die Regelung der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht stand.
Insbesondere sieht
§ 310 Abs. 2 BGB keine Beschränkung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB vor.
(Amtliche Begründung zu § 310 Abs. 2 BGB in BT-Drs. 14/6040 S. 160 f.)Absatz 2 übernimmt die bisherige Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 3 AGBG. Danach gelten die bisherigen §§ 10, 11 AGBG (= §§ 308, 309 RE) nicht für Verträge mit Sonderabnehmern von Strom und Gas, es sei denn, dass die Verträge Abweichungen von den Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas, die für den Regelfall der typisierten Vertragsbeziehungen der Versorgungsunter-nehmen zu Tarifkunden den Inhalt der Versorgungsverträge bestimmen, vorsehen.
Hinter dieser Ausnahme steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten.
Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist durch die zunehmende Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt gestiegen. Daraus folgt nämlich, dass zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen,
und insoweit zu „Sonderabnehmern“ werden. Das Bedürfnis für eine Parallelgestaltung der Vertragsbedingungen der Versorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern besteht mithin weiterhin, so dass der Entwurf die Ausnahmeregelung beibehält.
Zugleich wird die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 um eine entsprechende Regelung für Verträge mit Sonderabnehmern über die Versorgung von Wasser und Fernwärme sowie die Entsorgung von Abwasser ergänzt. Insoweit lag nämlich nach bisherigem Recht eine „planwidrige Lücke“ (Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 23 Rdnr. 39) vor. Auch für diese Bereiche sieht nämlich der geltende § 27 AGBG, der als Artikel 242 in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche integriert werden soll (vgl. Artikel 2 Nr. 3 des Entwurfs) eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Ver- bzw. Entsorgungsbedingungen vor. Die entsprechenden Verordnungen über die Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Wasser und Fernwärme für Verträge zwischen Versorgungsunternehmen und ihren (Tarif-)Kunden sind inzwischen auch mit Wirkung vom 1. April 1980 erlassen worden. Der Erlass einer entsprechenden Verordnung über die
Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser steht bevor. Gründe, die für eine divergierende Regelung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich, so dass der Gesetzgeber die Lücke im Rahmen einer Fortschreibung der Vorschriften zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen schließen sollte.
Ausgenommen von dieser Beschränkung bleibt also weiterhin die Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB, die auch zuvor - geregelt in § 9 AGBG - schon eindeutig von der Beschränkung ausgenommen war. Eine Einschränkung auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB bei Erdgas- Sonderverträgen wäre deshalb vom Gesetz nicht mehr gedeckt und verstieße somit gegen geltendes Recht.
Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht für Verträge innerhalb der gesetzlichen Anschluss- und Versorgungspflicht rechtfertigt sich daraus, dass der Versorger zu den entsprechenden Bedingungen jedermann beliefern musste. Auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht gem. § 5 II GasGVV findet seine alleinige Rechtfertigung darin, dass der Grundversorger gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV den Vertrag grundsätzlich nicht kündigen darf und zu den allgemeinen Preisen liefern muss. Bei (zeitlich befristeten) Sonderverträgen außerhalb dieser gesetzlichen Versorgungspflicht besteht deshalb schon keinerlei innere Rechtfertigung für ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches der gesetzlichen Regel widerspricht, wonach sich die Vertragspartner bei Vertragsabschluss gem. § 433 BGB auf einen Preis einigen, an den sie hiernach gleichermaßen kraft dieser Einigung gebunden sind.
Für diese Inhaltskontrolle von Preisänderungsvorbehalten gem. § 307 BGB gilt (BGH; Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06):
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel als Preisnebenabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unterzogen.
a) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene sogenannte Kostenelementeklauseln, die wie die hier in Rede stehende Bestimmung eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 - III ZR 63/07 - Rn. 19; BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05 - NJW-RR 2005, 1717 unter II. 2.; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06 - NJW 2007, 1054, 1055 Rn. 20; jeweils m.w.N.).
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
b) Diesen Anforderungen wird die beanstandete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie verstößt zum einen gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot. Sie ist deshalb zu unbestimmt, weil sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt. Insbesondere werden die Kostenelemente und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Abonnementpreises nicht offen gelegt. Für den Abonnenten ist deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kostenänderungen auftreten können, noch hat er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.
Zum anderen führt die Klausel auch nach ihrem Inhalt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Abonnenten, weil sie Preiserhöhungen nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten, die Abonnementpreise ohne jede Begrenzung zu erhöhen und nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will § 307 BGB verhindern.
Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der \"weite Spielraum der Billigkeit\" gerade nicht den Anforderungen an Konretisierung und Begrenzung, die § 307 BGB erfordert.BGH, Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6:
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
Ein einseitiges Leistungsbestimmungs
recht folgt auch nicht aus der vom Berufungsgericht festgestellten Monopolstellung des Versorgers. Wäre dies der Fall, unterläge materiell- rechtlich der Gesamtpreis, der sich aus Grund- und Arbeitspreis zusammensetzt, der Billigkeitskontrolle. Dieser wiederum könnte im konkreten Fall die prozessuale Beschränkung gem. § 308 ZPO entgegenstehen, wenn die Kläger nur die Unbilligkeit der Erhöhung festgestellt haben wollten.
Fehlt es aber am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, kommt auch keine Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB in Betracht. Besteht hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, so ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB zwangsläufig die Kehrseite der selben Medaille. Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, besteht auch eine Verpflichtung zur Preissenkung, wenn dies für die Kunden günstig ist.
Wollte der achte Zivilsenat von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen, müsste der Große Senat angerufen werden.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt