Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Wie gehen Widersprüchler langfristig mit der rasanten Erhöhung der Gaspreise um?
Black:
Tja, die niedere Rechtsprechung scheint derzeit der Ansicht des 8. Zivilsenats in dieser Frage zu folgen. Siehe LG Osnabrück.
RR-E-ft:
@Black
Tja, oder auch nicht, siehe LG Dortmund. ;)
Auch interessant: Kammergericht Berlin
Black:
Tja, dann bleibt in Bezug auf die Rechtsprechung festzustellen \"bleibt alles anders\".
Aber wie sollte die Kontrolle des Ausgangspreises begründbar sein? Der § 315 BGB schützt ja nur den Vertragspartner, der innerhalb eines bestehenden Vertrages sich der (Preis)Bestimmungsmacht des anderen Vertragspartners gegenübersieht.
Zu Beginn des Vertrages kann der Kunde jedoch (sofern kein Monopol besteht) auswählen ob er zu diesem Preis versorgt werden will oder nicht. Es wäre widersprüchliches Verhalten, wenn der Kunde ohne Zwang einen bestimmten Preis X annimmt und ihn dann nachträglich als unbillig rügen will.
RR-E-ft:
@Black
Der Kunde nimmt schon keinen Preis an, wenn der andere Vertragsteil berechtigt ist, das Entgelt nach Vertragsabschluss einseitig neu festzusetzen, undzwar sowohl hinsichtlich Grund- als auch Arbeitspreis niedriger oder höher.... Es besteht eben kein vereinbarter Preis, sondern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des einen Vertragsteils gegenüber dem anderen.
Es gibt da einen aktuellen Fall vor einem Landgericht, wo jemand am 30.11.200. mit seinen Stadtwerken einen Vertrag über Strom-, Gas- und Wasserlieferungen abgeschlossen hat. Wie das eben so üblich ist. Der Vertrag wurde schriftlich abgeschlossen, Preise jedoch nicht aufgeführt. Wie üblich wurden in der Zeit zwischen dem 21.12. und 31.12. des gleichen Jahres die ab dem 01.01. des Folgejahres geltenden Tarifpreise für Strom, Gas, Wasser durch öffentliche Bekanntgabe neu festgesetzt. Die Belieferung und Abrechnung dieses Kunden begann ab dem 10.01. ... Auf welche Entgelte sollte sich dieser Kunde mit den Stadtwerken für die Lieferungen denn wohl geeinigt haben, wo doch die ab 01.01. des Folgejahres geltenden Tarife im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht öffentlich bekannt gegeben waren, sondern erst nach Vertragsabschluss von den Stadtwerken einseitig neu festgesetzt wurden ?! Er hatte sich mit den Stadtwerken auf keine Preise geeinigt, sondern die Belieferung sollte zukünftig zu den von den Stadtwerken gem. § 4 AVBGasV/ AVBEltV/ AVBWasserV einseitig festgesetzten Entgelten erfolgen. Es bestand ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht.
Wie sollte man dabei sonst kontrollieren, ob etwa ein einseitig abgesenktes Entgelt der Billigkeit entspricht? Oder entspricht ein solches per se der Billigkeit? Warum? Warum entspricht nicht erst ein noch weiter abgesenkter Preis der Billigkeit? Möglicherweise war die Preissenkung zu gering und gerade deshalb unbillig.
Die Annahme eines vereinbarten Preises bei gleichzeitigem Bestehen eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hinsichtlich des zu zahlenden Entgelts verstößt insbesondere im Bereich des Kaufrechts eben schon gegen Denkgesetze. Das eine schließt das andere denknotwendig aus (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04). Bei einem weit zurückliegendem Vertragsabschluss wird auch nicht der Ausgangspreis kontrolliert, sondern das streitgegenständliche Entgelt, welches bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht insgesamt dessen Ergebnis ist. Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, stellt sich also immer die Frage, warum gerade das geforderte Entgelt der Billigkeit entsprechen soll, warum es nicht etwa abgesenkt wurde, wenn doch ggf. die Möglichkeit dazu bestand und dies für den Kunden günstig gewesen wäre.
Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, sieht sich der andere Vertragsteil diesem immer gegenüber. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht beinhaltet eben auch eine Verpflichtung zur Entgeltsenkung, wenn dies möglich und für den Kunden günstiger ist. Das geforderte Entgelt muss dabei jederzeit unter Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile unter umfassender Würdigung des Vertragszwecks, in welche weitere Gesichtspunkte einfließen können, der Billigkeit entsprechen. Im Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht ist die möglichst preisgünstige Versorgung Vertragszweck. Diese soll das betreffende Unternehmen bewerkstelligen und allein dafür wurde vom Gesetzgeber auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht eingräumt. Nur der Versorger kann wissen, welches Entgelt diesem Vertragszweck entspricht.
Und wir bleiben auch auf dem Teppich:
Ein gesetzlich eingräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht betrifft nur gesetzlich versorgungspflichtigte Unternehmen. Und diese sind bei ihrer Preisgestaltung nie frei, sondern haben die energiwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen zu beachten, insbesondere die gesetzliche Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG. Es besteht keinerlei schutzwürdiges Interesse des zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Unternehmens an der Aufrechterhaltung eines Entgtelts, das unter Verstoß gegen diese gesetzliche Verpflichtung gebildet wurde. Ein Entgelt, welches gegen die energiewirtschaftsrechtlich immanente Preisbildungsschranke des § 2 Abs. 1 EnWG gebildet wurde, hätte schon im Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht gar nicht erst angeboten werden sollen/ dürfen.... Wenn der Grund- und Ersatzversorger gesetzlich zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen im Interesse der Allgmeinheit verpflichtet ist, dann darf doch jeder Kunde, der einen gesetzlichen Anspruch auf eine dementsprechende Versorgung gem. §§ 36, 38 EnWG in Anspruch nimmt, von Anfang an auch erwarten, dass die dafür einseitig festgesetzten und geforderten Entgelte (Allgemeinen Preise) dementsprechend gebildet wurden, was sich auch kontrollieren lassen muss. §§ 36, 38 EnWG geben den entsprechend Berechtigten nicht nur einen Anspruch auf Versorgung, sondern einen Anspruch auf Versorgung zu Entgelten, die unter Beachtung von § 2 Abs. 1 EnWG gebildet wurden.
In den allermeisten Verträgen (Sonderverträgen) besteht doch schon gar kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und die Entgelte unterliegen deshalb auch keiner Billigkeitskontrolle (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07). Das ergibt sich doch auch gerade aus der jüngsten Rechtsprechung. Im Bereich der Sonderverträge kann man also Sonderpreise vereinbaren. Diese vereinbarten Sonderpreise wiederum unterliegen grundsätzlich keiner Billigkeitskontrolle, weil schon kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, finden jedoch bei marktbeherrschenden Unternehmen eine absolute Grenze durch §§ 19, 20, 29 GWB i.V.m. § 134 BGB. Soweit diese vereinbarten Sonderpreise nicht kartellrechtswidrig sind, ist auch das Energieversorgungsunternehmen an diesen vereinbarten Sonderpreis gebunden und muss kraft bindender Einigung zu diesem vereinbarten Preis liefern. Auch klar. Das Unternehmen kann also nach Vertragsabschluss den Preis gerade nicht einseitig neu festsetzen.
Das scheinen viele in der Branche noch nicht verstanden zu haben, obschon es eigentlich jedem einleuchten sollte, dass Verträge bindend sind, auch getroffene Preisvereinbarungen. Sonst bräuchte man keinen Preis vereinbaren.... Und möglicherweise haben selbst einige Juristen Schwierigkeiten mit dieser Einsicht.
Tja, die Ausgangsfrage dieses Threads war m. E. vollumfänglich beantwortet.
Black:
--- Zitat ---Original von RR-E-ftDer Kunde nimmt schon keinen Preis an, wenn der andere Vertragsteil berechtigt ist, das Entgelt nach Vertragsabschluss einseitig neu festzusetzen, undzwar sowohl hinsichtlich Grund- als auch Arbeitspreis niedriger oder höher.... Es besteht eben kein vereinbarter Preis, sondern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des einen Vertragsteils gegenüber dem anderen.
--- Ende Zitat ---
Es ist nach meiner Wertung keineswegs so, dass der Kunde im Rahmen der Einigung über die essentialia des Vertrages den Preis einfach offenlässt und durch ein Bestimmungsrecht des EVU ersetzt.
Die Regelung des § 5 Abs. 3 GVV ist nur eine gesetzliche Preisanpassungsklausel zur Anpassung des vertraglich vereinbarten Ausgangspreises. Es handelt sich um das Gegenstück zu „handgemachten“ Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen.
--- Zitat ---Original von RR-E-ftWie sollte man dabei sonst kontrollieren, ob etwa ein einseitig abgesenktes Entgelt der Billigkeit entspricht? Oder entspricht ein solches per se der Billigkeit? Warum? Warum entspricht nicht erst ein noch weiter abgesenkter Preis der Billigkeit? Möglicherweise war die Preissenkung zu gering und gerade deshalb unbillig.
--- Ende Zitat ---
Was Sie anstreben scheint keine Preiskontrolle sondern eine Margenkontrolle zu sein. Soll ein Gericht dann konkret festlegen welche Marge noch zulässig ist und welche nicht? Eine derartige Festlegung hätte eine Kettenraktion zur Folge. Da diese interessante Thema ein wenig OT zur Ausgangsfrage ist, schlage ich vor, das in einem extra Thread zu diskutieren.
--- Zitat ---Original von RR-E-ftDie Annahme eines vereinbarten Preises bei gleichzeitigem Bestehen eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hinsichtlich des zu zahlenden Entgelts verstößt insbesondere im Bereich des Kaufrechts eben schon gegen Denkgesetze. Das eine schließt das andere denknotwendig aus (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).
--- Ende Zitat ---
Verstösst gegen Denkgesetzte soso… es gibt Gesetze was man denken darf? Die Entscheidung (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04) halte ich übrigens nicht für einschlägig. Natürlich schließt es sich aus, dass der Ausgangspreis vereinbart und doch einseitig bestimmt sein soll. Vorliegend ist jedoch der Ausgangspreis vereinbart und nur seine Anpassung ist per Gesetz in das billige Ermessen des Grundversorgers gestellt.
--- Zitat ---Original von RR-E-ftEin gesetzlich eingräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht betrifft nur gesetzlich versorgungspflichtigte Unternehmen. Und diese sind bei ihrer Preisgestaltung nie frei, sondern haben die energiwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen zu beachten, insbesondere die gesetzliche Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG. Es besteht keinerlei schutzwürdiges Interesse des zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigten Unternehmens an der Aufrechterhaltung eines Entgtelts, das unter Verstoß gegen diese gesetzliche Verpflichtung gebildet wurde. Ein Entgelt, welches gegen die energiewirtschaftsrechtlich immanente Preisbildungsschranke des § 2 Abs. 1 EnWG gebildet wurde, hätte schon im Bereich der gesetzlichen Versorgungspflicht gar nicht erst angeboten werden sollen/ dürfen....
--- Ende Zitat ---
Auch hierzu wieder, das bedeutet letztendlich gerichtliche Margenkontrolle.
--- Zitat ---Original von RR-E-ftDas scheinen viele in der Branche noch nicht verstanden zu haben, obschon es eigentlich jedem einleuchten sollte, dass Verträge bindend sind, auch getroffene Preisvereinbarungen. Sonst bräuchte man keinen Preis vereinbaren.... Und möglicherweise haben selbst einige Juristen Schwierigkeiten mit dieser Einsicht..
--- Ende Zitat ---
Preisvereinbarungen sind bindend, genauso wie gesetzliche oder vertragliche Klauseln um diesen Preis unter Beachtung der jeweiligen Preisanpassungskriterien anzupassen. Preisanpassungsrechte widersprechen keineswegs dem Grundsatz der Vertragstreue.
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