Verhandlungsbericht vom 28.05.2008 (schneller als die Feuerwehr, vielen herzlichen Dank!)
Pressestimmen:
BGH denkt neu nach, noch nichts zementiertBGH für eingeschränkte BilligkeitskontrolleBGH erscheint Kontrolle der Gastarifpreise kaum machbar.Hintergrund:
Ein Gastarifkunde vereinbart bei Vertragsabschluss keine für alle Zeit geltende Entgelthöhe.
Die vom Tarifkunden zu zahlenden Entgelte wurden nach Vertragsabschluss durch das Versorgungsunternehmen gem. § 4 AVBGasV einseitig festgesetzt.
Dabei war eine Entgeltneufestsetzung \"über Nacht\" durch Veröffentlichung in der Tagespresse branchenüblich.
Wer also am 30.08.2004 einen Tarifvertrag abgeschlossen hatte, konnte also von einer am 31.08.2004 veröffentlichten Tarifneufestsetzung zum 01.09.2004 betroffen sein, ohne dass er deren Erforderlichkeit und Angemessenheit einschätzen konnte.
So hatte etwa die Oldenburger EWE zum 01.09.2004 die Gastarifpreise um über 12 Prozent erhöht. Dabei wurden gegenüber einzelnen Tarifkunden durch Auhebung der bisherigen Allgemeinen Tarife Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G durch einen einheitlichen Basistarif BT neben den Arbeitspreisen auch die Grundpreise neu festgelegt. Ob zu recht oder nicht, konnte kein betroffener Tarifkunde erkennen.
Die Höhe der vom Tarifkunden zu zahlenden Entgelte stand also nicht kraft Vereinbarung für beide Vertragsteile bindend fest, sondern hing somit jederzeit von der Ermessensentscheidung des Versorgers ab, die Entgelte nach Vertragsabschluss zu erhöhen, abzusenken oder aber stabil zu halten.
All diese Ermessensentscheidungen, ob und ggf. in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Entgelte neu festgsetzt werden, müssen der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, weil der willkürlichen Ausübung der eingeräumten und unzweifelhaft bestehenden Rechtsmacht sonst Tür und Tor geöffnet wären. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist die Kehrseite eines im konkreten Vertragsverhältnis bestehenden einseitigen Leistungsbetimmungsrechts gem. § 315 Abs. 1 BGB.
Das entsprechende einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers folgt aus § 4 AVBGasV.
Eine Erhöhung der Entgelte nach Vertragsabschluss entspricht der Billigkeit, wenn der Versorger nur zwischenzeitlich (insgesamt) gestiegene Kosten, die ihm bei der Belieferung der Tarifkunden entstehen, auf die Tarifkunden weitergewälzt hat (BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06).
Der Kartellsenat des BGH hat festgestellt, dass im Falle eines gesetzlichen einseitigen Leistungsbestimmunsgerchts die Entgelte vom Energieversorgungsunternehmen unter Beachtung der energiewirtschaftlichen Bestimmungen zu bilden sind (Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06).
Der Kartellsenat des BGH hat weiter festgestellt, dass es gegenüber Gastarifkunden gerade auch der Billigkeit entsprechen kann, die Entgelte bei rückläufigen Kosten abzusenken. Eine entsprechende Verpflichtung zur Entgeltabsenkung folge bereits aus dem Gesetz (Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und BGH- PM Nr. 86).
Demnach kann eine der Billigkeit entsprechende Entgeltfestsetzung gegenüber einem Tarifkunden es auch erfordern, das Entgelt unter die bei Vertragsabschluss geltende Entgelthöhe abzusenken, nämlich dann, wenn seit Vertragsabschluss die Kosten des Versorgers zwischenzeitlich rückläufig waren.
Der Senat ist ersichtlich bemüht, Grundsätze für eine Billigkeitskontrolle der Gastarifpreise aufszustellen. Nach Gerichtsverfassungsgesetz und Zivilprozessordnung gehört es schon nicht zu den Aufgaben des Revisionsgerichts, Grundsätze zur inhaltlichen Billigkeitskontrolle aufzustellen. Die Billigkeitskontrolle ist vornehmliche Aufgabe der Tatsacheninstanzen und unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Kontrolle (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Rn. 21):
Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301). Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/ Rieble aaO Rn. 302).
Mit seinem Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 scheint dem Senat nun die von ihm angestrebte Aufstellung entsprechender Grundsätze wohl selbst auch noch nicht gelungen zu sein.
Der Kartellsenat hatte zutreffend festgestellt, dass es bei der Billigkeitskontrolle in Form
Allgemeiner Tarife einseitig festgesetzter Entgelte zu willkürlichen Zufallsergebnissen führen muss, wenn man die einheitliche Preisvereinbarung künstlich in einen \"vereinbarten\" Anfangspreis und in einseitig festgesetzte Folgepreise aufspaltet (Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04).
Diese Gefahr besteht nach den
bisher vom Senat aufgestellten Grundsätzen tatsächlich, wie ein
fiktiver Fall hoffentlich eindrucksvoll belegt:
Ein Gastarifkunde habe seinen Vertrag ab 02.01.20004 abgeschlossen.
Die dem Versorger durch die Belieferung entstehenden Kosten sind zum 01.04.2004 um 0,3 Ct/ kWh, zum 01.07.2004 um 0,8 Ct/ kWh, angestiegen, zum 01.10.2004 um 0,2 Ct/ kWh gesunken.
Der Versorger nahm diesen zwischenzeitlichen (für ihn unvermeidbaren) Kostenanstieg zum Anlass, die Entgelte gegenüber seinen Tarifkunden zum 01.11.2004 um 0,8 Ct/ kWh anzuheben.
Diese Entgeltneufestsetzung entspricht gegenüber dem vorgenannten Tarifkunden, der den Vertrag am 02.01.2004 abgeschlossen hatte, somit der Billigkeit.
Die gleiche Entgeltneufestsetzung gilt jedoch auch für einen Tarifkunden, der seinen Vertrag erst am 15.09.2004 abgeschlossen hat.
Diesem gegenüber kann der Versorger sich indes gerade nicht darauf berufen, dass sich seine Kosten seit Vertragsabschluss entsprechend erhöht hätten. Denn die Kosten waren seit Vertragsabschluss mit diesem Kunden sogar rückläufig !
Somit wäre die Billigkeit ein und der selben einseitigen Entgeltneufestsetzung gegenüber verschiedenen Tarifkunden des Versorgers (abhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) unterschiedlich zu beurteilen, obschon der Versorger von allen Tarifkunden die gleichen (ausdrücklich) Allgemeinen Tarife verlangen muss.
Wenn beide Tarifkunden aus dem fiktiven Fall (die selbstredend die tatsächliche Kostenentwicklung des Versorgers gar nicht kennen können) gleichermaßen wegen der Unbilligkeit der Entgeltneufestsetzung zum 01.11.2004 geklagt hätten, so fiele das Ergebnis aus deren Sicht - bei Zugrundelegung der bisherigen Grundsätze aus dem Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 - vollkommen zufällig und willkürlich aus.
Womöglich könnte man in einer Würfelbude auf dem Jahrmarkt den Ausgang vorher besser abschätzen. So darf es jedoch gerade nicht sein.
Entgegen anderlautenden Pressestimmen betrifft das Verfahren VIII ZR 138/07 nicht die Klage eines Kunden der Stadtwerke Dinslaken, sondern eine Zahlungsklage der Stadtwerke Dinslaken, mit denen die erhöhten Tarifpreise eingefordert werden, die der Kunde insgesamt als unbillig gerügt hat.
Streitgegenstand ist deshalb nicht die Billigkeit einer einzlenen Erhöhung, sondern der Zahlungsanspruch des Versorgers und dabei incident die Billigkeit der von diesem einseitig erhöhten Tarife.
Sowohl der von einseitigen Tarifneufestsetzungen betroffene Tarifkunden wie auch das im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht Tarifkunden beliefernde Versorgungsunternehmen muss ein gewisses Maß an Rechtssicherheit erwarten können.
Für die gerichtliche Entgeltkontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB ist lediglich erforderlich, dass einem Vertragsteil hinsichtlich der Entgelthöhe ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Auf eine Monopolstellung oder Angewiesenheitslage des anderen Vertragsteils kommt es dabei überhaupt nicht an.
Ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Entgelthöhe wurde den Gasversorgern gegenüber Tarifkunden gem. § 4 AVBGasV durch den Gesetzgeber eingeräumt (zutreffend LG Duisburg, Urt. v. 10.05.2006).
Man wird gesetzlich versorgungspflichtigen EVU auch weiterhin nicht das einseitige Entgeltfestsetzungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB hinsichtlich Allgemeiner Tarife absprechen können, welches dazu führt, dass sich der betroffene Kunde gegenüber der einseitigen Leistungsbestimmung auf § 315 Abs. 3 BGB berufen kann.
Fraglich ist nur, wie man die Billigkeit einer einseitigen Entgeltneufestsetzung bzw. das Festhalten an einer bestehenden Tarifpreisfestsetzung (= Unterlassen einer Entgeltneufestsetzung) bzw. die Billigkeit eines aktuell einseitig festgesetzten Tarifpreises beurteilen soll.
Sowohl eine Tariferhöhung, die über einen tatsächlichen Kostenanstieg hinausgeht, als auch eine unterlassene Tarifherabsetzung bzw. eine Tarifherabsetzung, die hinter einer eingetreten Kostenabsenkung zurückbleibt, führt zur Erhöhung des in den Tarif einkalkulierten Gewinnanteils und ist somit unbillig.
Hat das Versorgungsunternehmen nach der Rechtsprechung des Kartellsenats bei der Preisbildung die energiewirtschaftlichen Bestimmungen zu beachten, so kommt es vornehmlich auf die gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung gem. § 1 EnWG an (vgl. auch § 2 Abs. 1 EnWG).
Dies schließt notwendig eine Kosten- und Gewinnkontrolle ein.
Eine Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Entgelte erfordert immer die Abwägung der naturgemäß gegenläufigen Interessen beider Vertragspartner (BGH, Urt. v. 18.10. 2007 - III ZR 277/06 Tz. 20).
Der Kunde hat durch die einschlägigen energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen ein rechtlich anerkanntes Interesse an einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung, welche bei der einseitigen Entgeltfestsetzung durch ein EVU zu beachten ist (vgl. BGH NJW-RR 1992, 183).
Welches berechtigte Interesse des Versorgungsunternehmens hiergegen abzuwägen ist, muss ggf. geklärt werden.
Bisher ging die Rechtsprechung davon aus, dass ein EVU ein Interesse an der Deckung der allgemeinen und besonderen Kosten hat, die ihm bei der Belieferung entstehen, und ihm darüber hinaus auch ein
angemessener Gewinn zusteht, aus dem es notwendige Investitionen bestreiten und das eingesetzte Kapital verzinsen kann. Damit würde den Interessen eines zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung verpflichtetem EVU Rechnung getragen (BGH, NJW-RR 1992, 183).
Fraglich, ob man einem gesetzlich versorgungspflichtigem EVU dieses Interesse neuerdings absprechen kann. Dies erscheint sehr zweifelhaft.
Dazu käme es jedoch wohl, wenn nicht auf die konkrete Preis- und Kostenkalkulation des einzelnen gesetzlich versorgungspflichtigen EVU abgestellt würde.
Soweit der VIII. Zivilsenat die Beachtung energiewirtschaftsrechtlicher Bestimmungen ausblenden wollte, würde er - im Widerspruch zur Rechtsprechung des Kartellsenats - wohl den eindeutigen Willen des Gesetzgebers sehenden Auges untergraben.
Die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG liefe praktisch leer. Zudem wären keine Interessen der Vertragspartner greifbar, die bei einer einseitigen Leistungsbestimmung des EVU notwendig gegeneinander abzuwägen wären.
Schließlich sind die notwendigen und angemessenen Gewinne des Versorgers (Verzinsung des eingesetzten Kapitals) bereits in den (von den Regulierungsbehörden deutlich abgesenkten) Netzkosten kalkulatorisch enthalten. Die behördlich genehmigten Netzentgelte tragen auch allen unternehmensindividuellen Besonderheiten Rechnung.
Gerade weil die behördlich genehmigten Netzkosten den unternehmensindividuellen Besonderheiten Rechnung tragen, diese Kosten die örtlichen Gaspreise maßgeblich beeinflussen, ist es unmöglich, auf einen Vergleich der Tarifpreise anderer Gasversorger abzustellen, deren Kosten sich insoweit schon völlig anders darstellen.
Im vollkommenem Wettbewerb entspricht der Preis den Grenzkosten.
Einen Unterschied zwischen Kostenpreis und fiktivem Wettbewerbspreis gibt es deshalb eigentlich gar nicht.
\"Als Marge wird der Gewinn pro Mengeneinheit verstanden. In einem wettbewerbsintensiven Markt konvergiert dieser Gewinn gegen null.\" [vgl.
Pilgram in: Zenke/ Wollschläger, § 315 BGB, Streit um Versorgerpreise, S. 138].
Für den Gashandelsbereich (Vertrieb) als solchen braucht also kein mit den Tarifpreisen abzudeckender Gewinn übrig bleiben, wenn nur die behördlich regulierten Netzkosten abgedeckt sind, ggf. auch Vertriebskosten (einschließlich auf den Gasvertrieb geschlüsselte Overhead- Kosten eines Mehrspartenunternehnens).
Die behördlich genehmigten Netzkosten (Entgelte) sind veröffentlichungspflichtig und stellen deshalb schon keine Betriebsgeheimnisse dar.
Die gerichtliche Gewinnkontrolle, die den Senat umzutreiben scheint, ist deshalb wohl ein Scheinproblem.
Die durch die Regulierung deutlich abgesenkten Netzkosten würden schließlich nicht an die Tarifkunden weitergegeben und auch dadurch der eindeutige Wille des Gesetzgebers sehenden Auges untergraben.
Schließlich kann nicht auf die Preisentwicklung alternativer Energieträger abgestellt werden:
Nach Aussage des BDEW gegenüber der Süddeutschen Zeitung - dort berichtet am 30.04.2008 - sind die meisten der 1,8 Millionen Gaskunden, die mit Gas heizen, Sondervertragskunden.
Bei Sondervertragskunden besteht jedoch regelmäßig schon kein einseitiges Leistungbestimmungsrecht, so dass sich die Frage der Billigkeitskontrolle gar nicht erst stellt (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).
Die bis 1998 in der BTOGas geregelten Gastarife
Kleinverbrauchstarif K und
Grundpreistarif G betreffen in der Regel Tarifkunden, die Gas nur zum Kochen oder zum Kochen/ Warmwasseraufbereitung bei einem Jahrsesverbrauch unter 10.000 kWh einsetzen.
Gerade in diesem Anwendungsbereich kommt seltenst Heizöl, Fernwärme oder Kohle zum Einsatz.
Den Verbraucher, der mit Heizöl oder Fernwärme kocht, mit Kohle oder Heizöl ausschließlich Warmwasser aufbereitet, wird man erst noch zu suchen haben, um ihn dann ggf. nach der Entwicklung seiner Kosten zu befragen. Schlimm, wenn man dann an einen Verbraucher gerät, der seinen rustikalen Badeofen nur mit getrockneter Borke oder Torf befeuert.
Bei Heizölpreisen gibt es schon keine verbrauchsunabhängigen Grundpreise. Die Preisbildung folgt völlig anderen Regeln (OLG Dresden, RdE 2007, 58; Lutz, RdE 2000, 62).
Die Gaspreise werden hingegen maßgeblich durch die mit den Preisen abzudeckenden behördlich genehmigten Netzentgelte sowie durch die auf den Preisen lastenden Steuern und Abgaben (Energiesteuer, Konzessionsabgabe) beeinflusst.
So mögen die Heizölpreise eine zwischenzeitliche Hochpreisphase erfahren, die Mehrheit der gut bevorateten Heizölnutzer diese jedoch boykottieren, in dem sie gar kein Heizöl zu diesen angebotenen Preisen kaufen.... Dass Heizölpreise sich zudem nicht im freien Wettbewerb bilden, sondern maßgeblich durch das OPEC- Preiskartell beeinflusst werden, ist allgemein bekannt.
Es gibt ersichtlich nur einen objektiven Wert, den man heranziehen könnte:
Die nominale Veränderung der Erdgasimportpreise (Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze) nach den monatlichen Veröffentlichungen des BAFA.
Besteht ein wirksamer Wettbewerb, so können sich die Bezugskosten der Versorger nominal nicht stärker erhöhen als der Wert der überwiegend importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze.
Zudem würden sich bei wirksamen Wettbewerb die Erdgasbezugspreise aller Versorger auf einem vorgelagerten Beschaffungsmarkt über Angebot und Nachfrage bilden ud entsprechen. Sie wären somit marktöffentlich und könnten allein deshalb keine Geschäftsgeheimnisse eines einzelnen Unternehmens darstellen.
Der nominale Anstieg der Erdgasimportpreise seit 2003 in Ct/ kWh ist bei den Gas- Haushaltskunden am Ende der Lieferkette jedoch mit dem
Faktor 2 angekommen.
Es darf zu keinen Wertungswidersprüchen zwischen der Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Gastarifpreise für Gaslieferungen an Haushaltskunden und deren kartellrechtlicher Preishöhenkontrolle gem. § 29 GWB führen, die auch eine Kosten- und Gewinnkontrolle einschließt.
Und dabei ist offensichtlich, dass ein gem. § 29 GWB kartellrechtswidrig überhöhter Gastarifpreis jedenfalls nicht mehr im Rahmen der Billigkeit gem. § 315 Abs. 3 BGB liegen kann. Er ist sogar gesetzlich verboten.
Zudem besteht für Gasversorger zunehmend die Möglichkeit des Gasbezugs ohne Ölpreisbindung.
Gestiegenen Heizölpreisen stehen deshalb nicht ebenso gestiegene Kosten des Gasversorgers gegenüber. Der Gasversorger, der seine Entgelte stärker erhöht, als seine Kosten zwischenzeitlich tatsächlich gestiegen sind, erhöht unweigerlich seinen in die Entgelte einkalkulierten Gewinnanteil, was evident unbillig wäre.
Auf Geschäftsgeheimisse kann es auch nicht ankommen.
Denn schon zur AGB- rechtlichen Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln ist in der Rechtsprechung des BGH seit langem anerkannt, dass dabei die Kosten- und Preiskalkulation bereits innerhalb der Klausel selbst offen gelegt werden muss (BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06):
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
Schließlich steht einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle der einseitigen Entgeltfsetsetzung auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber keine behördliche Preiskontrolle vorgesehen habe. Das Gegenteil ist der Fall.
Der Kartellsenat des BGH nimmt die gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig festgsetzter Stromnetztarife gerade auch für eine Zeit vor, in der keine behördrliche Entgeltkontrolle stattfand (Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06). Erfolgt hingegen eine bindende behördliche Entgeltfestsetzung wie bei Telekom-Tarifen, so ist für eine gerichtliche Billigkeitskontrolle gerade gar kein Platz. Die gerichtliche Billigkeitskontrolle beruht darauf, dass dem EVU bei der Entgeltfestsetzung ein Gestaltungsspielraum verbleibt.
Nach der langjährig gefestigten Rechtsprechung des BGH gilt Folgendes (vgl. Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Rn. 20):
Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319).
Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).
Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, dass die gerichtliche Billigkeitskontrolle bezüglich der Landeentgelte von Flughafenbetrieben geeignet ist, nicht jedoch für die einseitig festgsetzten Entgelte von Energieversorgungsunternehmen.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt