Das Urteil ist
veröffentlicht.Der achte Zivilsenat des BGH hängt bedauerlicher Weise weiter seiner These an, durch einen unwidersprochenen Weiterbezug und vorbehaltslose Zahlungen des Tarifkunden käme es zu einer konkludenten Preisneuvereinbarung, die als solche keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliege.
Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein konkludenter Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV dann ausgeschlossen ist, wenn bereits ein Vertrag abgeschlossen wurde (BGH, Urt. v. 28.03.2007 VIII ZR 144/06 und Urt. v. 10.12.2008 VIII ZR 293/07).
Es widerspricht zudem der zutreffenden Rechtsprechung des Kartellsenats im Urteil vom 29.04.2008, KZR 2/07 Rn. 23, 26, wonach aus dem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht auch eine gesetzliche Verpflichtung des Gasversorgers besteht, die Tarifpreise im laufenden Vertragsverhältnis abzusenken, wenn es die Kostenentwicklung des Gasversorgungsunternehmens zulässt und dies für die Kunden günstig ist, was einen vereinbarten \"Preissockel\" denknotwendig ausschließt.
Es widerspricht zudem der rechtlichen Regelung, wonach die Willenserklärung, mit welcher ein bestehendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, schon kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB darstellt und sein kann, dessen Geltung ausschließlich von einer fristgerechten Annahme abhängt.
Die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 BGB folgt nun einmal anderen Gesetzen als ein Vertragsabschluss gem. §§ 145 ff. BGB hinsichtlich Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen.
Bei direkter Anwendung des § 315 BGB bei einem bestehenden gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB kommt es auf die sog. Monopolsrechtsprechung eigentlich schon nicht an.
Soweit der Senat nunmehr erkannt hat, dass seine Ablehnung der sog. Monopolrechtsprechung des BGH mit der bisherigen Begründung (einheitlicher Wärmemarkt) offensichtlich unhaltbar geworden ist (eigentlich schon immer war), meint er nun, eine Anwendung der sog. Monopolsrechtsprechung liefe einer Intention des Gesetzgebers zuwider.
Der Gesetzgeber hätte ja mit der Kartellrechtsverschärfung auf die ergangene und bekannte Rechtsprechung dieses Senats zur Billigkeitskontrolle von Gastarifpreisen reagieren können.
Und dies obschon die Entscheidung vom 13.06.2007 zum einen maßgeblich mit einem beschränkten Streitgegenstand gem. § 308 ZPO (Erhöhung) und zum anderen mit einem angeblichen Substitutionswettbewerb auf einem angeblich bestehenden einheitlichen Wärmemarkt gründete, den der Gesetzgeber gerade bei der Kartellrechtsverschärfung in § 29 GWB als nicht dazu geeignet ansah, die Gastarifpreise monopolisitischer Anbieter wirksam zu beschränken.
Die Neuregelung des § 29 GWB kennt zwar die Beweislastumkehr zu Lasten der Energieversorgungsunternehmen nur im Verfahren vor den Kartellbehörden, schließt es jedoch nicht aus, dass Gastarifkunden wie auch sonstige Kunden in Kartellzivilverfahren die kartellrechtswidrig überhöhten Preise der letungsgebundenen Energieversorgung marktbeherrschender Energieversorger gem. §§ 33, 29 GWB angreifen.
Direktansprüche bestehen seit der 6. Kartellrechtsnovelle.
Den einzelnen Kunden ist es demnach unbenommen und keinesfalls gesetzlich verwehrt, die gesamten, selbst vertraglich vereinbarten Energiepreis kartellzivilrechtlich gerichtlich überprüfen zu lassen, soweit nur der Energieversorger als Vertragspartner eine marktbeherrschende Stellung auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt inne hat. Allein die Beweislastumkehr des § 29 GWB, die nur für Kartellbehörden gilt, kommt ihnen dabei nicht zu Gute.
So auch das vom Bund der Energieverbraucher veröffentlichte Gutachten von Prof. Markert.Der Intention des Gesetzgbers entsprach es, den gesetzlich versorgungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB gegenüber ihren im Rahmen der gesetzlichen Lieferpflicht versorgten Kunden einzuräumen. Aus diesem Recht folgt zugleich die gesetzliche Verpflichtung, die Entgelte im laufenden Vertragsverhältnis immer wieder am Maßstab der Billigkeit unter Beachtung energierechtlicher Bestimmungen neu zu bestimmen. Diese Intention des Gesetzgebers ist also klar erkennbar. Schließlich blieb sie dem Kartellsenat des BGH auch nicht verborgen.
Schlussendlich führt es zu einem eklatanten
Wertungswiderspruch, wenn kartellrechtswidrig überhöhte Gaspreise von Zivilgerichten als der Billigkeit entsprechend gewertet werden müssten.
Zutreffend BGh, Urt. v. 29.04.2008 (KZR 2/07) Rn. 15:
Zwar nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass eine Preiserhöhung, mit der die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen würde, auch vertragsrechtlich nicht angemessen wäre und nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspräche.
Der Gesetzgeber wollte mit § 29 GWB offensichtlich die Verbraucherrechte nicht beschneiden, sondern diese gerade stärken, weil er hierfür eine dringende Notwendigkeit erkannt hatte.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sich die Lobby der Energieversorger im Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Frage der Beweislastumkehr nur im kartellbehördlichen Verfahren (wieder einmal) erfolgreich durchsetzen konnte.
Der Senat erscheint relativ vermessen, wenn er meint, der Gesetzgeber habe sich auf die Rechtsprechung dieses Senats einzustellen und dies etwa auch dann, wenn sie in offenem Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des BGH steht. Der Senat läuft damit Gefahr, sich selbst zum Maß aller Dinge zu machen. Der Gesetzgeber kann gewiss nicht in dem Takt tätig werden, wie ein einzelner Senat des BGH seine Rechtsprechung ändert bzw. fragwürdig neu begründet. Das liefe auf ein \"Ping Pong\" zwischen Legislative und Judikative hinaus.
Demnach müsste der Gesetzgeber wohl auch nunmehr auf die neuerliche Entscheiung des Senats reagieren, so jedenfalls dessen konkludent geäußerte Erwartung.
Es darf gleichwohl abgewartet werden, ob nicht etwa eine Fraktion des Deutschen Bundestages auf entsprechendes Wirken der Verbraucherverbände eine entsprechende Gesetzesinitiative ergreift, um klarzustellen, dass Allgemeine Preise der gesetzlichen Grund- und Ersatzversorgung gem. §§ 36, 38 EnWG immer wieder vom Grundversorger am Maßstab der Billigkeit unter Beachtung der § 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu festzusetzen sind (BGH, Urt. v. 29.04.2008, KZR 2/07 Rn. 23, 26), nicht feststehend vereinbart sind, und deshalb der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelberer Anwendung des § 315 BGB unterliegen und dies vollkommen unbeschadet der Möglichkeit einer kartellzivilrechtlichen Überprüfung vertraglich vereinbarter Preise marktbeherrschender Unternehmen gem. §§ 19, 29, 33 GWB.
Das könnte doch auch eine Frage sein, an der sich die politischen Wettbewerber noch vor der Bundestagswahl politisch profilieren könnten, quasi auch als indirektes, dringend notwendiges Binnen- Konjunktuprogramm für die Verbraucher, welches der BDEW sonst oft schmerzhaft vermisst, wenn es nach Hildegard Müller geht.
Das Verfahren betraf einen sog. Altfall, auf den §§ 102, 108 EnWG noch keine Anwendung fanden.
Die Entscheidung überzeugt also in vielen Punkten nicht.
Dies gilt auch, soweit der Senat etwa meint, streitgegenständlich sei auch diesmal nur die Erhöhung gewesen. Die Revision betraf nämlich allein die Widerklage (Zahlungsklage des Versorgers). Den Streitgegenstand legte insoweit gem. § 308 ZPO der Versorger fest. Der Streitgegenstand steht also nicht in der Macht des Gerichts. Der Versorger hatte sich dazu entschieden, streitige vertragliche Zahlungsansprüche einzuklagen und gerade nicht isoliert die Billigkeit zwischenzeitlicher Entgelterhöhungen zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Nach der Unbilligkeitseinrede des Kunden stand es dem Versorger frei, eine Feststellungsklage zu erheben, dass seine getroffenen Leistungsbestimmungen der Billigkeit entsprachen. Das hat der Versorger jedoch gerade nicht getan. Nachdem also der Streitgegenstand gem. § 308 ZPO immer Sache des Klägers ist, der sich mit seinem Antrag festlegt.
Der achte Zivilsenat macht jedoch
auch deutlich, mit welchen Argumenten die Gasversorger bisher deutlich auf dem Holzweg sind (u.a. angeblich Billigkeitsnachweis durch Preisvergleiche mit anderen Gasversorgern; Weiterwälzung auch beliebiger Bezugskostensteigerungen; Unerheblichkeit anderer preisbildender Kostenfaktoren des bisherigen Preissockels; alles überragendes Geheimhaltungsbedürfnis hinsichtlich der Kalkulationsgrundlagen, dem angeblich im gerichtlichen Verfahren nicht Rechnung getragen werden könne).
Der Senat lässt schon offen, ob überhaupt in jedem Fall ein Grundrechtsschutz besteht, und zeigt auf, dass ein Geheimhaltungsinteresse dargelegt werden muss und wie einem solchen ggf. im gerichtlichen Verfahren Rechnung getragen werden kann.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt