@Cremer
Richtig ist, dass dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Aber wir erinnern uns an das Urteil des AG Hamburg- Harburg.
Das ist auch noch nicht rechtskräftig, wurde im SPIEGEL lanciert und dieser Artikel dann von den Gasversorgern benutzt, um bundesweit Kunden einzuschüchtern.
Tatsächlich wurde in Heilbronn die Berufung zugelassen und wird möglicherweise vom Versorger eingelegt.
Da habe ich jedoch keine Sorge.
Eine Aufhebung steht nicht zu erwarten:
Das Urteil ist sehr gut begründet und deckt sich vor allem mit der langjährigen und deshalb sehr gefestigten, höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH.
Wenn also der Schuss für den Versorger nach hinten los geht, will man sicher nicht noch ein \"edleres\" Berufungsurteil eines Landgerichts.
Vielleicht geht man deshalb gar nicht erst in die Berufung oder nimmt diese nach einem entsprechenden richterlichen Hinweis alsbald zurück.
Zudem gibt es für den Versorger ein prozessuales Problem, was wohl von diesem nicht beachtet wurde:
In der Berufungsinstanz können nach neuerem Prozessrecht keine Tatsachen mehr vorgetragen werden, die man schon in der I. Instanz vortragen konnte.
Mit entsprechendem Vortrag ist man schlicht abgeschnitten.
Juristen sprechen von Präklusion infolge einer Verspätung.
Hier hat der Versorger trotz dreimaliger Aufforderung durch das Gericht in der I. Instanz seine Kalkulation nicht offen gelegt.
Allein weil der Versorger sich so sicher war, hat er diese Konstellation wohl von Anfang an gar nicht bedacht. Nun kann es zu spät sein.
Es darf deshalb bezweifelt werden, ob der Versorger in der Berufungsinstanz nach neuem Prozessrecht mit einer vorgelegten Kostenkalkulation überhaupt noch gehört werden kann.
Die hätte er ja schon dem Amtsgericht vorlegen können, wenn es denn überhaupt eine Kalkulation gibt:
Meine Auffassung ist die, dass viele Versorger schon gar keine notwendige Preiskalkulation haben, die sie offen legen könnten.
Es gibt wohl nur eine imaginäre große \"Preisschraube\".
Aber die kann man ja dem Gericht schlecht vorzeigen.
Das ist das wirkliche Problem der Versorger:
Sie haben oft gar keine Preiskalkulation, aufgeschlüsselt in Personalkosten, Sachkosten, Bezugskosten, Gewinn etc. pp., obschon diese für die zivilrechtliche Billigkeistkontrolle vor Gericht ersichtlich zwingend notwendig ist !!!
Dieses kleine \"Geheimnis\", das ganz am Ende des SWR- Films \"Das Gas-Kartell\" anklang, kann nun gelüftet werden. Dieses \"Geschäftsgeheimnis\" der gesamten Branche soll wohl gewahrt werden und nichts weiter.
Deshalb wehren sich die Gasversorger so gegen die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB. Es ist ihnen wegen ihres kleinen Geheimnisses deshalb schlicht unmöglich, die Billigkeit nachzuweisen.
Nun sind sie für diese aber gerade ganz allein nachweispflichtig, was also nicht gelingen kann.
Das macht gerade den Charme aus.
Es handelt sich dabei um einen \"Systemfehler\" von Anfang an.
Niemand hatte damit gerechnet, dass die Verbraucher mal nach einer Kalkulation fragen würden, schon gar nicht so hartnäckig. Früher reichte ein nichtssagendes Schreiben mit vielen Griffen in die Trick- Kiste und schon gaben die Leute Ruhe. Man hatte einfach so getan, als gäbe es den über einhundert Jahre alten Paragrafen § 315 BGB nicht oder dieser käme sowieso nicht zum Tragen.
Henessy hat es schon lange eingeräumt:
http://forum.energienetz.com/viewtopic.php?t=4801. Es gibt keine Kostenpreise beim Erdgas, sondern nur \"angelegte\" Preise, die man dann \"Marktpreis\" nennt.
2. Hat die Billigkeit der Preiserhöhung bei E.on etwas mit der Billigkeit der Preiserhöhung bei RWE zu tun?- Nein!
Die Angemessenheit der Preiserhöhung eines Versorgers sagt damit nichts über die Angemessenheit der Preiserhöhung bei einem anderen Versorger aus. Es kommt immer auf die individuelle Preiskalkulation des einzelnen Unternehmens an. Der Gewinnanteil am Preis darf sich gerade nicht erhöhen, weil dies nach der Rechtsprechung des BGH gerade unbillig wäre. Um dies zu prüfen, muss das Gericht wissen, wie hoch der Gewinnanteil am Preis vor und nach der Preiserhöhung ist.
Zudem kommt es auf das Kriterium der Preiswürdigkeit gem. § 1 EnWG ( Leistungserbringung so billig wie überhaupt möglich, d. h. nur Deckung der tatsächlichen Kosten und marginaler Gewinn) an, dem ohne kostenbasierte Preise nicht entsprochen werden kann.
Und genau das hat nun das Amtsgericht Heilbronn auch gesagt!
Wenn in einem laufenden Vertragsverhältnis Preiserhöhungen von Vorlieferanten überzogen, Preissenkungen der Vorlieferanten jedoch gar nicht oder nicht im selben Umfange weitergegeben wurden, wurden die Endverbraucherpreise über einen längeren Zeitraum unter unzulässiger Erhöhung des eigenen Gewinnanteils und folglich unbillig \"aufgeblasen\".
Anders lässt es sich wohl auch nicht erklären, dass die Energiepreise auch nach den Aussagen
aller Fraktionen in der Debatte im Deutschen Bundestag am 15.04.2005 zum neuen Energiewirtschaftsgesetz im europäischen Vergleich Spitzenplätze belegen und deshalb nicht wettbewerbsfähig sind.
Von \"marktgerechten\" Preisen war dabei nicht die Rede.
Andernfalls gäbe es auch keinen dringenden Reformbedarf.
Von \"marktgerechten\" Preisen spricht allein der BGW in einer Pressemitteilung vom 19.04.2005 zum Heilbronner Gaspreisurteil unter
http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2005_4_19_12.html .
Offensichtlich ist beim Branchenverband helle Aufregung über die keinesfalls überraschende Entscheidung des Amtsgerichts Heilbronn ausgebrochen. Sonst sähe man sich schon nicht zu einer eigenen Pressemitteilung zu einer Amtsgerichtsentscheidung genötigt.
Immerhin macht der Verband durch seine Pressemitteilung das Urteil selbst noch bekannter, welches man wohl am liebsten totgeschwiegen sähe.
\"Marktgerechte\" Preisanpassungen gibt es gleich gar nicht.
In einem Markt für Erdgas, auf dem gar kein Wettbewerb stattfindet, sprechen gleichgeschaltete Preiserhöhungen eher für unzulässige Preisabsprachen der marktbeherrschenden Konzerne, die gegen das Kartellverbot verstoßen.
Das Bundeskartellamt will sich in nächster Zeit ja auch mit der Frage befassen, ob nicht schon die einheitliche Berufung aller im BGW verbundenen Gasversorgungsunternehmen aller Wertschöpfungsstufen auf eine Ölpreisbindung selbst kartellrechtswidrig ist.
Anmerkung:
Die staatliche Kartellkontrolle und Missbrauchsaufsicht soll ihrerseits wieder einer \"Bewertung und Kontrolle\" unterliegen, nämlich praktischerweise durch den Branchenverband BGW. Wer hätte das gedacht?
http://www.bgw.de/de/bgw/fachausschuesse/fa_kartell-_und_energiewirtschaftsrechtMit freundlichen Grüßen
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt