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Autor Thema: LG Koblenz, Urt. v. 30.11.2007 - 3 HKO 176/06 und 3 HKO 177/06 (Verbraucherklagen abgewiesen)  (Gelesen 5321 mal)

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Offline RR-E-ft

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Die Urteile des LG Koblenz vom 30.11.2007 sind unter den genannten  Aktenzeichen hier veröffentlicht:

Aktenzeichen: 3 HKO 176/06
Aktenzeichen: 3 HKO 177/06

Verbraucher mit Gas- Sonderverträgen hatten die Feststellung der Unbilligkeit/ Unwirksamkeit der Gaspreiserhöhungen beantragt.
Die Klagen wurden abgewiesen, weil die angegriffenen Erhöhungen der Billigkeit entsprochen hätten.

Anmerkung:

Die Urteile vermögen nicht zu überzeugen.

Das Gericht konnte und durtfte nicht offenlassen, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten enthaltenen Preisänderungsklauseln unwirksam sind.

Zitat
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Beklagte sich im Hinblick auf die Gaspreiserhöhung zu Recht auf § 2 Nr.2 des zwi schen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrages beruft oder diese Klausel unwirksam ist. So hat eine Prüfung der Billigkeit der Preiserhöhung auch bei Wirksamkeit der vorbezeichneten Klausel zu erfolgen. Die vertragliche Vereinbarung gibt die Möglich keit einer Preisanpassung durch Bestimmung seitens der Beklagten.

Die entsprechenden Preisänderungsvorbehalte verstoßen gegen § 307 BGB und sind deshalb unwirksam, weil die Befugnis an betriebsinterne Kalkulationsgrößen (Vorlieferantenpreise) anknüpft, die der Klauselgegner schon  nicht kennen kann und deshalb die  vorgenommenen Preisänderungen nicht anhand der Klausel selbst auf ihre Berechtigung kontrollieren kann (vgl. BGH NJW 2007, 1054).

Zitat
§ 2 Nr.2 des Vertrages enthielt eine Preisanpassungsklausel wie folgt:

\"Die … [Beklagte] ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten des Versorgers erfolgt.\"

Die Klausel gesattet es dem Versorger ihrem Wortlaut nach  sogar, die Vertragspreise unbegrenzt zu erhöhen, wenn eine Absenkung der Bezugspreise durch den Vorlieferanten (Preisänderung) erfolgt !!!

Entgegen den Geboten von Treu und Glauben verschafft sich der Lieferant einen praktisch nicht kontrollierbaren, nachträglichen Preisgestaltungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne durch Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Kunden.

Zwar ist es nicht völlig abwegig, dass im Falle wirksamer Preisänderungsvorbehalte innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen die Ausübung des dadurch eingeräumten Preisänderungsrechts noch der Billigkeitskontrolle unterliegen kann. Der vom Landgericht Koblenz daraus getroffene Umkehrschluss ist indes rechtsirrig. Im Falle der Unwirksamkeit eines Preisänderungsvorbehalts hat gerade keine Billigkeitskontrolle zu erfolgen.

Wenn wegen § 307 BGB schon keine wirksame Preisänderungsklausel im Vertrag enthalten ist, kommt eine Billigkeitskontrolle der Ausübung einer solchen  jedenfalls nicht in Betracht.

Die Ausübung eines nicht wirksam eingeräumten Rechts lässt sich nicht kontrollieren.
Die Ausübung eines (infolge Unwirksamkeit) nicht bestehenden Rechts ist immer rechtswidrig und lässt sich deshalb auch nicht anders beurteilen.


Voraussetzung für die gerichtliche Billigkeitskontrolle ist immer, dass überhaupt ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 I BGB vertraglich vereinbart wurde, dessen Ausübung nach § 315 II BGB der gerichtlichen Kontrolle gem. § 315 III BGB unterliegt.


Zitat
Sofern Gründe für eine Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel gegeben sind (vergl.hierzu BGH WM 2005, 2335) ist gleichwohl eine Anpassungsmöglichkeit des Gaspreises durch die Beklagte im Fall von Bezugskostenänderungen vorhanden (§ 4 AVBGasV). Diese Preisanpassung unterliegt sodann der Überprüfung gemäß § 315 Abs.3 BGB.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 I BGB ergibt sich bei einem Sonderabkommen auch nicht aus einem Gesetz, insbesondere nicht aus der AVBGasV, weil diese gem. § 1 AVBGasV gar nicht gilt (vgl. BGH NJW 1998, 1640, 1642 zur Geltung der AVBEltV in Sonderabkommen).

Zitat
Allerdings hält die angegriffene Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG – entgegen der Ansicht der Revision – nicht bereits deshalb stand, weil sie der Bestimmung des § 6 I AVBEltV entspricht und diese eine gesetzliche Regelung i. S. des § 9 II Nr. 1 AGBG darstellt, an deren „Leitbild“ sich eine Inhaltskontrolle auszurichten hätte.

Die „gesetzliche Regelung, von der abgewichen wird“, umfasst die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen, d. h. neben den (dispositiven) Gesetzesbestimmungen auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. BGHZ 89, 206 [211] = NJW 1984, 1182 = LM § 9 [Bm] AGBG Nr. 5; BGHZ 100, 157 [163] = NJW 1987, 1931 = LM 651 a BGB Nr. 4; BGHZ 121, 13 [18] = NJW 1993, 721 = LM H. 6-1993 § 339 BGB Nrn. 35-36 m. w. Nachw.).

Die Rechtsgrundsätze müssen jedoch, um ein „Abweichen“ durch AGB überhaupt zu ermöglichen, in dem jeweiligen Vertragsverhältnis grundsätzlich Geltung erlangen. Daran fehlt es für die AVBEltV im Verhältnis zu Sonderkunden der Energieversorgungsunternehmen. Unmittelbar gelten sie hier deshalb nicht, weil sich die dem Verordnungsgeber durch § 7 II Energiewirtschaftsgesetz [Anm: EnWG 1935] eingeräumte Regelungskompetenz zum Erlass der AVBEltV auf den Bereich der Tarifkunden beschränkt hat (vgl. Schmidt- Salzer; in: Herrmann-Recknagel – Schmidt/ Salzer, § 6 Rdnr. 329).

Eine analoge Anwendung der AVBEltV auf die Sonderkunden der Energieversorgungsunternehmen kommt im Hinblick darauf, dass § 23 II Nr. 2 AGBG  sonst gegenstandslos wäre, ebenfalls nicht in Betracht.

Die Bedingungen der AVBGasV konnten deshalb allenfalls  als Allgemeine Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis einbezogen werden (vgl. Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 310 Rn. 6).

Wenn die Bestimmung des § 4 AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Vertrag gem. § 305 II BGB einbezogen worden wäre (Voraussetzungen des § 305 II BGB wäre zu prüfen gewesen), unterläge eine solche Preisanpassungsklausel selbst als Preisnebenabrede ebenfalls der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Sie  könnte einer solchen wegen nicht hinreichender Konkretisierung nicht standhalten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nach der Rechtsprechung des BGH der nach § 307 BGB zu fordernden Konkretsierung und Bestimmtheit gerade nicht genügt (vgl. BGH KZR 10/03 unter II. 6).

Wurde hingegen bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 I BGB des Versorgers hinsichtlich der zu zahlenden Entgelte wirksam vereinbart, so unterliegen allein deshalb die in Ausübung eines solchen Rechts einseitig festgesetzten Entgelte insgesamt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung der Norm (BGH NJW 2006, 684 ff.; BGH NJW-RR 1992, 183).

Möglicherweise lag ein Fehler der Kläger unter Umständen darin, dass sie nicht von Anfang an das Recht des Versorgers auf Preisneufestsetzung bestritten hatten, sondern von Anfang an eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einer einzelnen Erhöhung verlangten.

(Hinterher ist man immer klüger.)

Deshalb Obacht und Augen auf im Rechtsverkehr: Billigkeitskontrolle bei Sonderabkommen immer nur hilfsweise verlangen.

Aber selbst ein solcher Fehler hätte das Gericht nicht davon entbunden, das geltende Recht richtig anzuwenden.



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline RA-FF

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