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Autor Thema: Grundlagenwissen für Seminararbeit  (Gelesen 3699 mal)

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Offline Schepi

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« am: 19. März 2008, 12:40:08 »
Hallo!
Ich habe mich neu in diesem Forum angemeldet, da ich für die Uni ein Seminar anfertigen muss. Das Thema lautet:

Reicht das aktuelle Unbundling-Regime des EnWG zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs in der Stromwirtschaft? – Eine anreiztheoretische Untersuchung

Ich erwarte natürlich keine Lösung dieser Thematik, auch wenn Anstöße, wo die Reise hinführen könnte, natürlich durchaus erwünscht sind ;) Vielmehr geht es mir darum grundlegende Fragen zum deutschen Strommarkt zu klären, da ich absolut gar keine Vorkenntnisse besitze und sich mein bisheriges Wissen auf wikipedia und ähnliche Quellen stützt.

Ich habe mittlerweile verstanden, dass es Stromproduzenten (80% gehen dabei scheinbar auf die vier großen Anbieter), Stromversorger und die Netzbetreiber gibt. Bezüglich der Netzbetreiber verstehe ich folgendes nicht: Einerseits lese ich, dass es in Deutschland nur vier Netzbetreiber gibt (RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall), in einem anderen Bericht habe ich gefunden, dass die Anreizregulierung den 1600 deutschen Netzbetreibern vorschreibt, in welcher Höhe diese ihre Netzentgelte veranschlagen können. Was stimmt denn nun?

Wäre super wenn in diesem fortgeschrittenen Forum auch jemand ein Herz für einen absolut Unwissenden hätte 8) Danke!

Offline superhaase

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #1 am: 19. März 2008, 13:54:21 »
Es gibt vier Übertragungsnetz-Betreiber, die in ihren vier Regelzonen ihr Hoch- und Höchstspannungsnetz (110 - 470 kV) betreiben: EON, Vattenfall, RWE, EnBW.

Die anderen 1600 Netzbeteiber betreiben Verteilungsnetze im Mittel- und Niederspannungsbereich (0,4 - 60 kV, teilweise auch 110 kV). Das sind z.B. die Stadtwerke.
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Offline Wasserwaage

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #2 am: 19. März 2008, 14:55:31 »
@ schepi

darf man fragen wo und was du studierst und wer sich dieses thema hat einfallen lassen?!
gott lobe den tag an dem es soweit ist, dass ich mir prepaidkarten mit strom von jedem x-beliebigen anbieter überall kaufen kann um sie dann in meinen zähler zu schieben.

Offline Schepi

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #3 am: 20. März 2008, 17:55:04 »
@superhaase: Vielen Dank für die schnelle Antwort, das macht Sinn! Und erklärt auch, wieso ich in meiner Bude in Münster nicht Strom von RWE beziehen kann, obwohl das überregionale Verteilernetz in dieser Region ja RWE gehört. Allerdings war mir nicht bewusst, wie viele Alternativen zu den Stadtwerken sich in meiner Gegend bieten..

@wasserwaage: Ich studiere Volkswirtschaftslehre an der Uni Münster! Dieses Thema wurde mir als Seminar zur Wirtschafts- und Finanzpolitik (gehört zum Breitenstudium, ist also kein Schwerpunktfach - daher ja auch meine rudimentären Kenntnisse) zugeteilt. Wer persönlich für dieses Thema verantwortlich ist kann ich leider nicht beantworten. Ist das Thema so ungewöhnlich?  :rolleyes:

Für Anregungen zum Thema oder Hinweise zu guten Literaturquellen bin ich jederzeit dankbar!

Offline superhaase

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #4 am: 21. März 2008, 11:51:43 »
Zitat
Original von Schepi
...erklärt auch, wieso ich in meiner Bude in Münster nicht Strom von RWE beziehen kann, obwohl das überregionale Verteilernetz in dieser Region ja RWE gehört. Allerdings war mir nicht bewusst, wie viele Alternativen zu den Stadtwerken sich in meiner Gegend bieten...
Sicher kannst Du Strom von RWE beziehen.

Du musst unterscheiden zwischen Netzbetreibern und Versorgern (Stromanbieter).
Das sind seit ein paar Jahren zwei paar Stiefel.

RWE tritt sowohl als Stromanbieter auf, als auch in Form lokaler Verteilnetzbetreiber, die mehr oder weniger \"eigenständige\" Netz-GmbHs innerhalb des RWE-Konzerns sind.
Das Übertragungsnetz (Höchstspannungsnetz) von RWE und seine Regelzone ist nochmals eine separate Sache.

Die Stadtwerke haben auch eine Netz-GmbH oder dergleichen \"ausgegliedert\". Diese leitet Strom von einem beliebigen Anbieter zu Dir, auch von RWE.

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline Schepi

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #5 am: 21. März 2008, 13:28:59 »
Danke, deine Ausführungen sind wirklich hilfreich um das Ganze besser nachvollziehen zu können.

Eins jedoch kann ich so nicht ganz nachvollziehen:

Zitat
Original von superhaase

Sicher kannst Du Strom von RWE beziehen.


Mich hat schon irritiert, dass wir z.B. in meinem Elternhaus den Strom von RWE beziehen (wobei ich mich nach einem verifox-Preisvergleich für unsere PLZ durchaus frage wieso wir das eigentlich machen), beim Verifox-Preisvergleich für meine PLZ in Münster (48151) allerdings kein Tarif von RWE aufgelistet ist.

Habe ebenfalls auf der RWE-Seite gesucht: In meiner Heimat werden mir verschiedene Tarife seitens RWE angeboten, \"RWE Strom Klassik\", \"RWE Strom 2010\", \"RWE Naturstrom\" usw...  In Münster wird mir unter Eingabe meiner PLZ lediglich die Möglichkeit \"RWE Naturstrom\" angeboten. Jetzt stellen sich mir hier zwei Fragen:

1. Wieso bietet RWE mir in Münster nur den Ökostrom?? Demnach betreibt RWE ja hier das lokale Netz bzw. zahlt die Netznutzungsentgelte an die Stadtwerke um die Netze nutzen zu dürfen: Wieso bietet RWE, wenn sie ohnehin die Möglichkeit der Netznutzung haben, dann nur den Ökostrom?? Im Netz wird ja ohnehin nicht zwischen Ökostrom und normalem Strom unterschieden..
2. Wieso taucht RWE gar nicht im Verifox-Preisvergleich für Münster auf? Wobei dieser Umstand natürlich auch einfach darauf zurückzuführen sein kann, dass der entsprechende Tarif hier vergessen wurde.

Ohnehin ist Frage 1 für meine Fragestellung natürlich von größerer Relevanz. Wäre super wenn mir dabei jemand auf die Sprünge helfen könnte.

Offline superhaase

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #6 am: 21. März 2008, 19:41:42 »
Frag doch einfach mal bei RWE nach.
Die sollten es wissen.
8) solar power rules

Offline Lothar Gutsche

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #7 am: 22. März 2008, 13:26:38 »
@ Schepi

die Frage, welches Unternehmen in welcher Stadt konkret Strom liefert, hilft bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung nur wenig weiter. Aktuelle Quellen für das Seminarthema wären:

Deutscher Bundestag Drucksache 16/7087, 16. Wahlperiode 20. 11. 2007
Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 15. November 2007 gemäß § 62 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes.
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung, 200 Seiten
Quelle: http://www.monopolkommission.de/sg_49/text_s49.pdf und auch http://www.monopolkommission.de/sg_49/text_s49.pdf


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6532, 16. Wahlperiode 28. 09. 2007
Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 26. September 2007 gemäß § 112 des Energiewirtschaftsgesetzes.
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Evaluierungsbericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Ergebnisse mit der Regulierung durch das Energiewirtschaftsgesetz, 28 Seiten
Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/065/1606532.pdf


Monitoringbericht 2007 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
Bericht gemäß § 63 Abs. 4 i.V.m. § 35 EnWG
214 Seiten, Redaktionsschluss 29.6.2007, publiziert am 7.11.2007
Quelle: http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/12086.pdf#search=%22monitoringbericht%202007%22


Entflechtung des Eigentums an Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen von anderen Bereichen der Energieversorgung
- Handlungsformen und verfassungsrechtliche Bewertung -
Gutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e. V. (vzbv)
von Christian von Hammerstein
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hogan & Hartson Raue L.L.P.
Berlin, 28. August 2007
Quelle: http://www.vzbv.de/mediapics/gutachten_entflechtung_hammerstein_08_2007.pdf

Eigentumsrechtliche Entflechtung aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht
Manuskript von Privatdozent Dr. Frank Schorkopf vom 5.11.2007, 18 Seiten
Quelle: http://www.jura.uni-bonn.de/fileadmin/Fachbereich_Rechtswissenschaft/Einrichtungen/Lehrstuehle/Oerecht5/Manuskript_Unbundling__Schorkopf__endg.pdf


Eine schöne Quelle für weitergehende Studien ist die Homepage von Georg Walter aus Düsseldorf:
http://www.infopolitics.de/studien-liberalisierung.php


Ein ganz anderer Zugang zu dem Thema ergibt sich aus dem Begriff \"anreiztheoretische Untersuchung\". Denn die Gesetzgebung zum aktuellen Energiewirtschaftsgesetz wurde massiv von Lobbyisten manipuliert. Dazu gibt es einige Quellen:

1. „Schwarzbuch Klimaschutzverhinderer – Verflechtungen zwischen Politik und Energiewirtschaft“ von Greenpeace im Februar 2007
Quelle: http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/klima/Verflechtung_Energiewirtschaft_Politik.pdf

2. Artikel „Rot-Grün zwischen Lobby und Korruption“, Seite 92 – 104 von Götz Hamann in der Dokumentation „Dunkelfeld Korruption“ des Wiesbadener Vereins Netzwerk Recherche e. V., April 2006
Quelle: http://www.netzwerkrecherche.de/dokumente/nr_doku_dunkelfeld_korruption.pdf
besonders Seite 100 - 102

3. Buch „Der gekaufte Staat“ von Adamek, Sascha; Otto, Kim
Wie bezahlte Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben. 231 Seiten, März 2008, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN 3-462-03977-6
Quelle: http://www.kiwi-verlag.de/36-0-buch.htm?isbn=9783462039771

Die „anreiztheoretische Untersuchung“ könnte sich vielleicht auch auf die Anreize beziehen, die deutsche Politiker dazu bewegt, nicht im Sinne des Volkes, sondern im Sinne ihrer eigenen Brieftasche zu entscheiden. Es gibt auch Theorien dazu, z. B. im Rahmen der sogenannten \"Neuen Institutionenökonomik\" die \"Prinzipal-Agent-Theorie\".  Aber zu erklären, warum das EnWG so gestaltet wurde, wie wir es aktuell vorfinden, könnte für eine einfache Seminararbeit etwas zu weit führen.


Viel Spass beim Schreiben
Lothar Gutsche

Offline Schepi

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #8 am: 22. März 2008, 18:36:53 »
@Lothar:

Für die Themenstellung ist es natürlich nicht relevant welches Unternehmen wo Strom liefert. Gleichwohl wundert es mich immer noch, dass ich unter Angabe meiner PLZ lediglich auf das Angebot des Ökostroms treffe.

Was allerdings viel wichtiger ist: Einen ganz großen Dank für die vielen Quellen! Das ist wirklich eine wahnsinnig große Hilfestellung für mein Projekt. Werde die Quellen im Laufe der nächste Woche durcharbeiten, habe ja jetzt genügend Material :) Danke!!

Offline superhaase

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Grundlagenwissen für Seminararbeit
« Antwort #9 am: 22. März 2008, 18:40:08 »
Dickes Lob für Lothar!
Wirklich schön zusammengestellt.
8) solar power rules

 

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