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Autor Thema: Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06  (Gelesen 3214 mal)

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Offline Andreas Roth

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« am: 11. Februar 2008, 13:13:13 »
Wir haben am 1.1.2008 die seit Anfang des Jahres geltenden Preiserhöhungen durch eon Bayern mit dem von energieverbraucher.de empfohlenen Musterschreiben an den Versorger unter Bezug auf §315 BGB betritten. Im Antwortschreiben verweist eon jedoch auf das Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06 in dem das BGH feststellt, dass eine Billigkeitkontrolle nach § 315 BGB nicht in Betracht kommt. Das entsprechende Urteil habe ich auf den Seiten von energieverbraucher.de gelesen.

Nun meine Frage. Stellt diese Urteil nicht sämtliche Versuche unter Bezug auf § 315 BGB in Frage? Auf den Web Seiten von energieverbraucher.de wird zu dieser entscheidenden Frage leider nirgends Stellung genommen, während das auf § 315 verweisende Musterschreiben weiter empfohlen wird. Wie sollen wir uns nun eon gegenüber verhalten? Wir sind etwas ratlos.

Mit herzlichen Grüeßn

Andreas & Stefanie Roth

Offline RR-E-ft

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« Antwort #1 am: 11. Februar 2008, 13:53:04 »
@Andreas Roth

Aus dem Urteil vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 ergibt sich, dass der vereinbarte Anfangspreis eines Stromlieferungsvertrages keiner Billigkeitskontrolle unterliegt, wenn die dortigen Vertragspartner kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vereinbart , sich vielmehr auf einen konkreten Preis geeinigt hatten.

Der Fall betraf ein Sonderabkommen \"local plus\", bei dem bei Vertragsabschluss ein vom Allgemeinen Tarif abweichender, günstigerer Preis zwischen den Vertragspartnern vereinbart worden war.

Ob § 315 BGB auf Preiserhöhungen und erhöhte Preise Anwendung findet, hatte der BGH dabei ausdrücklich offen gelassen (Rn. 16), weil eine solche einseitige Preiserhöhung nicht erfolgt war und weil es auf diese Frage im zu entscheidenen Fall nicht ankam.

Im Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 hatte der BGH dann festgestellt, dass immer dann, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vereinbart wurde oder sich ein solches aus der direkten Anwendung einer Rechtsverordnung (AVBGasV/ AVBEltV) ergibt, die gerichtliche Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB erfolgt.

Ergibt sich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht aus einem Gesetz und wird nur die einzelne Preiserhöhung als unbillig gerügt und zur gerichtlichen Kontrolle gestellt,  so soll diese gerichtliche Kontrolle wegen der der entsprechenden Beschränkung des Streitgegenstandes durch den Kläger  (§ 308 ZPO)  auf die angegriffene Erhöhung beschränkt sein, wenn nur eine einzelne Erhöhung als unbillig angegriffen wurde.

Bei Stromtarifkunden in der Grundversorgung unterliegen Tariferhöhungen deshalb der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Man sollte die einseitig erhöhten Entgelte insgesamt als unbillig rügen.

Bei Kunden, die aufgrund günstigerer Preise (\"Wettbewerbsprodukte\"/ \"Sonderabkommen\"/ Sonderverträge) zu günstigeren Preisen als den Allgemeinen Tarifen der Grundversorgung  beliefert werden (zB. E.ON Power...- Verträge) besteht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht aus der direkten Anwendung der AVBEltV, da diese nur die Versorgung zu Allgemeinen Tarifen regelte.

In Sonderabkommen/ Sonderverträgen stellt sich deshalb die Frage, ob mit den Allgemeinen Geschäftsbesingungen überhaupt eine Preisanpassungsklausel in den Vertrag einbezogen wurde (§ 305 Abs. 2 BGB) und wo dies der Fall ist, ob die Preisanpassungsklausel dem Transparenzgebot entspricht, andernfalls unwirksam ist, so dass keine einseitigen Preisänderungen darauf gestützt werden können.

Die Frage, welche Anforderungen nach dem Transparenzgebot gem. § 307 BGB an eine Preisanpassungsklausel zu stellen sind, ist vom BGH immer wieder entschieden worden. Der weite Spielraum der Billigkeit genügt den Anforderungen an Konkretisierung gerade nicht (BGH KZR 10/03 unter II.6).

Bei solchen Sonderabkommen ist also eine Preisänderung nach billigem Ermessen regelmäßig ausgeschlossen. Der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis ist für beide Seiten gleichermaßen bindend.

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle findet also nicht auf alle Strompreise Anwendung, sondern nur auf die Entgelte, bei denen die Vertragspartner schon bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten hinsichtlich der zu zahlenden Entgelte vereinbart hatten oder bei denen sich das Recht des Versorgers zur einseitigen Festsetzung der Entgelthöhe aus einem Gesetz/ einer Verordnung ergibt. Letzteres ist nur bei der Grund- und Ersatzversorgung gem. § 36, 38 EnWG der Fall, nicht aber bei Sonderverträgen gem. § 41 EnWG.

Ob auf den eigenen Vertrag § 315 BGB Anwendung findet oder nicht, sollte man ggf. durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen. Der Bund der Energieverbraucher bietet seinen Mitgliedern hierfür einen sog. \"Energieschutzbrief\" an.

Offline Andreas Roth

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« Antwort #2 am: 12. Februar 2008, 14:20:59 »
Hallo Herr RR-E-ft aus Jena,

herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort!

Unser Vertrag basiert auf der \"Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Traifkunden\" (AVBEltV) und besteht seit Einzug in unser Einfamilienhaus seit 06.10.2003. Der Versorger wurde noch nie gewechselt. Ein Sonderabkommen, Sonderverträge oder ein speziell verbilligter Tarif wird nicht in Anspruch genommen. Es handelt sich also um einen Grundversorgungsvertrag. Wenn ich Ihre Antwort richtig verstanden habe, sollte dieser Grundversorgungsvertrag trotz des Urteils des BGH vom 28. März 2007 VIII ZR 144/06 der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen.

eon schreibt jedoch folgendes:

\"Am 28. März 2007 hat der BGH im Urteil VIII ZR 144/06 klargestellt, dass eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der bei Abschluss des Vertrages vereinbarten Preise für die Stromlieferungen im liberalisierten Strommarkt weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 315 BGB in Betracht kommt. Das LG München 11 hat im Urteil vom 24. Mai 2007 klargestellt, dass dies auch für die nach § 4 abs. 2 A VBEltV geänderten Preise gilt.\"

Ihren Informationen nach wäre der Hinweis von eon auf das Urteil des BGH vom 28. März 2007 VIII ZR 144/06 sowie der Hinweis auf das Urteil vom 24. Mai 2007 grob irreführend. Zudem widerspräche das von Ihnen zitierte Urteil des BGH vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 insbesondere dem von eon zitierten Urteil des LG München vom 24. Mai 2007.

Obwohlich oder vielleicht gerade weil ich als Informatiker durchaus in der Lage bin logisch zu denken, scheint mir die Rechtslage völlig undurchsichtig.

Mit besten Grüßen und der Hoffnung auf Antwort

Andreas Roth

Offline RR-E-ft

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« Antwort #3 am: 12. Februar 2008, 15:13:24 »
@Andreas Roth

Ob es sich um einen Grundversorgungsvertrag handelt, kann man möglicherweise daran erkennen, ob die Abrechnung zu den veröffentlichten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung (früher Allgemeiner Tarif)  erfolgt. Siehste hier. Voraussetzung ist weiter, dass der Lieferant Grundversorger im entsprechenden Netzgebiet ist.

Gab es keine einseitigen Preisneufestsetzungen nach Vertragsabschluss, so gelten heute immer noch die gleichen Preise wie bei Vertragsabschluss.

Einseitige Preisneufestsetzungen nach Vertragsabschluss sind überhaupt nur möglich, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB besteht.

Besteht ein solches Recht und wurde es gem. § 315 Abs. 2 BGB durch einseitige Preisneufestsetzung nach Vertragsabschluss wirksam ausgeübt, so unterliegen diese einseitigen Preisneufestsetzungen nach Vertragsabschluss auch der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB.

Die Rechtslage ist nicht undurchsichtig.

Wegen einer Beratung im konkreten Einzelfall wende man sich ggf. bitte an einen Rechtsanwalt.

Ersparen Sie uns hier bitte, zu kommentieren, was ein einzelner Energiekonzern seinen Kunden als seine Rechtsauffassung mitteilt.

Offline Andreas Roth

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« Antwort #4 am: 12. Februar 2008, 17:51:08 »
Danke, ist jetzt klarer. Als Neueinsteiger muss man sich in diesem Dschungel der juristischen Argumente erst mal zurechtfinden.

Grundversorgung liegt bei uns eindeutig vor, steht sogar in unserer Jahresabschlussrechnung. Damit unterliegen die einseitigen Preiserhöhungen offensichtlich dem § 315 und die Stellungnahmen von eon zum BGH Urteil VIII ZR 144/06 vom 28. März 2007 sind Rauchbomben. Wir werden weiterhin widersprechen und unsere Kürzung auf das zuletzt bezahlte Preisniveau weiter vertreten.

Noch eine Frage: Ich habe gelesen, dass der Grundversorgungs-Status verloren geht, wenn man in einen anderen Traif wechselt oder den Anbieter wechselt. Ist das richtig? Wir sollten also, um den Nachweis der Billigkeit in Anspruch nehmen zu können, den Tarif oder den Anbieter nicht wechseln? Bedeutet das auch, dass wir, falls wir den Anbieter wechseln, dort grundsätzlich nicht mehr als Grundversorger betrachtet werden, oder könnte man dort nach einigen Jahren ebenfalls widersprechen, wenn die Preisspirale so weiter geht?

Danke für Ihre Unterstützung

Offline RR-E-ft

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Urteil des BGH vom 28.März 2007 VIII ZR 144/06
« Antwort #5 am: 12. Februar 2008, 18:09:02 »
@Andreas Roth

Der Kunde ist  nie der Grundversorger, sondern allenfalls derzeit grundversorgter Kunde. Im Gebiet eines jeden Netzbetreibers gibt es nur einen Grundversorger. Grundversorger ist immer ein Energieversorgungsunternehmen.  

Als grundversorgter Kunde sollte man jeweils die einseitig erhöhten Entgelte insgesamt, bestehend aus verbrauchsunabhängigem und verbrauchsabhängigem Entgeltbestandteilen, als unbillig rügen und sich auf deren Unverbindlichkeit berufen, auch die zuvor geltenden Entgelte nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung  leisten.

Wenn man sich mit dem gleichen oder einem anderen Lieferanten auf einen (neuen) Preis einigt (§ 145 ff. BGB), dann gilt dieser (neue) Preis kraft dieser Einigung und ist für beide Teile gleichermaßen bindend und verbindlich.

Weil er nicht einseitig festgesetzt wurde, es sich also gerade nicht um die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts handelt, findet auch keine gerichtliche Billigkeitskontrolle statt.

Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle kann sich immer nur da auf einseitige Preis(neu)festsetzungen beziehen, die in Ausübung eines bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gegenüber dem anderen Vertragsteil erfolgten. Besteht schon kein Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung, so ist die einseitige Preisbestimmung unwirksam.

Wenn man außerhalb der Grundversorgung mit einem Lieferanten bei Vertragsabschluss nicht ausdrücklich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB hinsichtlich der zu zahlenden Entgelte vereinbart, besteht ein solches Recht zur einseitigen Entgeltsbestimmung durch den Lieferanten schon überhaupt nicht. Er ist also von Anfang an nicht berechtigt, die Preise einseitig neu festzulegen.

Eine einseitige Preisanpassung ist allenfalls möglich, wenn bei Vertragsabschluss entsprechende AGB in den Vertrag einbezogen wurden, die eine Preisanpassungsklausel enthalten (§ 305 Abs. 2 BGB) und wenn die Preisanpassungsklausel nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist (§ 307 BGB).

Ist die Klausel - wie zumeist - unwirksam, besteht kein Recht zur einseitigen Preisänderung.

Das ist aber keine Frage der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, sondern eine Frage der AGB- rechtlichen Kontrolle gem. § 305 ff. BGB. Hierzu besteht seit langem eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen, welche an Preisanpassungsklauseln zu stellen sind.

 

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