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Autor Thema: Strompreiserhöhung Stadtwerke Schwerin  (Gelesen 6417 mal)

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Strompreiserhöhung Stadtwerke Schwerin
« am: 04. April 2005, 17:59:13 »
Mit Schreiben vom 21.12.2004 wurde Stromkunden der Stadtwerke Schwerin beim Sondervertrag \"Citystrom\" Preiserhöhungen zum 01.03.2005 mitgeteilt.

Dies betrifft auch Kunden, die erst im März 2004 ihre entsprechende Vertragsbestätigung erhielten.

Bisher sollen folgende Preise gegolten haben:

Fall 1

AP 12,71 Ct/ kWh brutto
GP 10,73 EUR/ a brutto

Fall 2

AP 15,28 Ct/ brutto
GP 4,35 EUR/ Monat = 52,20 EUR/a brutto


Die neuen Preise ab 01.03.2005 sollen betragen:

AP 16,99 Ct/ kWh brutto
GP  7,83 EUR/ Monat = 93,96 EUR/ a brutto

In den Vertragsbestätigungen wird ausgeführt, dass die Versorgung aufgrund der Bestimmungen der AVBEltV erfolgt.

Die Preiserhöhungen wurden begründet mit Ankündigungen von \"Preiserhöhungen durch diverse Netzbetreiber\" und gestiegene Kosten gem. den Umlagen nach KWKModG und EEG.


Dabei ergibt sich Folgendes:

Vorgelagerte Netzbetreiber sind Vattenfall Europe Transmission und wohl e.dis Energie Nord AG (demnächst E.on edis).

Die im Sommer 2004 angekündigten Preiserhöhungen von Vattenfall Europe sowohl bei den Netznutzungsentgelten als auch beim Strompreis gegenüber den Regionalversorgern wie e.dis wurden entsprechend dem e´net - Newsletter Netznutzung Nr. 24 vom Januar 2005  nach der öffentlichen Disskussion darüber nicht im zuvor angekündigten Umfange realisiert, sondern fielen weit geringer aus, vgl. unter http://www.netznutzungsentgelte.de/german/newsletter.htm



Diese Preiserhöhungen wie auch die gestiegenen Umlagen nach KWKG und EEG sind wohl nicht geeignet, die drastischen Preiserhöhung zu rechtfertigen:

http://forum.energienetz.com/viewtopic.php?t=889

Das eingeräumte Sonderkündigungsrecht gem. § 32 Abs. 2 AVBEltV schließt die Billigkeitskontrolle der Preiserhöhung schon nicht aus.

Vielmehr ist die Gewährung eines Sonderkündigungsrechts Voraussetzung für die AGB- rechtliche Zulässigkeit einer Vertragsklausel, wonach einer Partei das Recht zur Leistungsbestimmung vorbehalten bleibt, vgl. § 310 Abs. 2 BGB ivm § 32 Abs. 2 AVBEltV.

Ein solches Sonderkündigungsrecht schließt die Billigkeitskontrolle nicht aus, vgl. nur BGH Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02.

Der Einwand der Unbilligkeit gem. § 315 BGB durchbricht die §§ 30, 31 AVBV, vgl. nur Urteile des BGH vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und 279/02. Dies gilt gerade im Bereich des Massengeschäfts. Die Forderungen sind demnach vollkommen unverbindlich.

Für Preiserhöhungen bedeutet dies, dass bis zu einer gerichtlichen Klärung der Billigkeit der alte Preis weitergilt. Es soll vollkommen genügen, dass der Kunde die \"Unbilligkeit\" rügt, vgl. LG Köln, Urteil vom 23.07.2004, Az.  81 O (Kart) 207/01, RdE 2004, S. 306.

Die Billigkeitskontrolle von Strompreiserhöhungen auch im Bereich von Sonderverträgen bestätigt hat das LG Potsdam im Urteil vom 09.07.2004, Az. 52 O 208/02, RdE 2004, S. 307.

Zur weiteren Anwendung der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle nach der Liberalisierung vgl. nur Joachim Held \"Strompreise und Verbraucherschutz durch § 315 BGB\", VuR 8/2003, S. 296 ff. und Dr. Gabriele Braband \"Strompreise zwischen Privatautonomie und staatlicher Kontrolle\", Dissertation Jena 2001, erschienen in der Reihe \"Energie- und Infrastrukturrecht\", Band 2, Hrsg. Theobald/ Britz/ Held, C.H. Beck- Verlag, München 2003.

Bei den Sonderverträgen wurde jedoch schon ein Recht zu einseitigen Preisanpassungen wohl nicht wirksam vertraglich vereinbart.

Dabei gilt:

Wer sich auf ein solches Recht beruft, hat dieses nachzuweisen (vgl. Palandt, BGB, § 315 Rn. 19 m.w.N.).

Die Einbeziehung der Bestimmungen der AVBEltV genügt hierfür nicht.

Diese  Bestimmungen gelten schon nicht für Sonderverträge, § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBEltV. Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus der entsprechenden Anwendung von § 4 Abs. 2 AVBEltV, der sich nur zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Tarifänderung verhält.

Diese Bestimmung gibt jedoch aus sich selbst heraus kein Recht zu einseitigen Preiserhöhungen:

Diese bedürfen im Bereich der Allgemeinen Versorgung, für welche die AVBEltV gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBEltV nur gilt, vielmehr einer entsprechenden Tarifgenehmigung gem. § 12 BTOElt.

Das Recht zu einseitigen Preisanpassungen muss sich demnach aus dem Sondervertrag selbst ergeben.
 
Ein solches vertraglich vereinbartes Recht setzt dann die Bestimmung des § 4 Abs. 2 AVBEltV gerade voraus.

In den Sonderveträgen ist ein solches Recht zu einseitigen Preisanpassngen jedoch nicht ersichtlich.

Das EVU ist dann darauf verwiesen, bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Vertragsanpassung gem. § 313 BGB zu verlangen.

Die Voraussetzungen für ein solches Anpassungsverlangen dürften jedoch schon nicht vorliegen, vgl. oben.

Die Berechtigung des Anpassungsverlangens ist nachzuweisen.

Dabei ergibt sich nichts anderes als bei der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.

Die Kalkulation ist offen zu legen.

Im Falle eines berechtigten Vertragsanpassungsverlangens nach § 313 BGB ist das EVU auch nicht berechtigt, die Preise einseitig anzupassen.

Es verbleibt vielmehr beim Konsensualprinzip:

Verweigert der Kunde ein nachweislich berechtigtes Anpassungsverlangen, kann das EVU seinerseits den Vertrag kündigen.

Dieser Weg wurde jedoch schon nicht beschritten.

Verbraucher sollten ggf. nur die Abschläge und Rechnungsbeträge zahlen, die sich nach dem Einwand der Unbilligkeit nach den - bis auf weiteres - weiter geltenden  alten Preisen ergeben. Die Einzugsermächtigung sollte entsprechend beschränkt werden.

Der Versorger sollte mit dem Unbilligkeitseinwand aufgefordert werden, die Berechtigung der Preiserhöhung durch Offenlegung der Kalkulation nachzuweisen, um die Möglichkeit eines \"sofortigen Anerkenntnisses\" im Falle eines Zahlungsprozesses des Versorgers, innerhalb dessen ggf. die Kalkulationsgrundlagen erstmals offen gelegt werden, zu erhalten. Die Kostenfolge im Falle eines solchen sofortigen Anerkenntnisses ergibt sich aus § 93 ZPO.

Evtl. könnte auch eine Sammelklage eines Verbraucherverbandes für Verbraucher zur Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhung erwogen werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich genügend Betroffene an ihre Verbraucherzentrale wenden.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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