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Strompreis, Wirtsch.Minister Niedersachsen

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enerveto:
Walter Hirche
Niedersächsischer Minister
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Hannover

Hannover, 3.04.[2007] 2008
WB 24-32.00

„Sehr geehrter Herr …,

zunächst möchte ich mich für Ihre E-Mail vom 29.02.2008, in der Sie die von der Stadtwerke Lingen GmbH vorgenommene Strompreiserhöhung kritisieren, bedanken.

Wie ich Ihnen mit Schreiben vom 24.01.2008 auf eine ganz ähnliche Eingabe bereits mitgeteilt habe, hat der Gesetzgeber zum 01.07.2007 die Preisgenehmigung von Stromtarifen abgeschafft und sie damit nur noch der nachträglichen kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle unterworfen. Diese Tätigkeit wird für die niedersächsischen Unternehmen von der Landeskartellbehörde in meinem Hause bzw. vom Bundeskartellamt ausgeübt. Diese bedeutet jedoch keine flächendeckende Preiskontrolle aller Unternehmen, sondern die Möglichkeit, gegen einzelne besonders teure Ausreißer kartellrechtlich vorzugehen. Die Prüfungen, ob ein solcher Preishöhenmissbrauch nach dem Kartellrecht vorliegt, dauern derzeit noch an.

Im Übrigen möchte ich Sie auf die schon länger eröffnete Möglichkeit, ihren Stromanbieter zu wechseln, hinweisen und Ihnen raten, bei anhaltendem Ärger über die Preisgestaltung Ihres lokalen Versorgungsunternehmens entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Auf diese Weise kann jeder Einzelne seinen Teil zur Belebung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift i. V. Joachim Werren, Staatssekretär“
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Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr; Hannover
E-Mail: walter.hirche@mw.niedersachsen.de
12.04.2008

Strompreis
Stromtarif der Stadtwerke Lingen GmbH, Tariferhöhung zum 01. 02. 2007

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Werren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 3.04.[2007] 2008.

Wie Sie selber nun wiederholt schreiben, wurde die Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) erst ab 01. Juli 2007 außer Kraft gesetzt.
Die Tariferhöhung des Strompreises der Stadtwerke Lingen GmbH zum 01. Februar 2007 erfolgte daher noch nach Prüfung und Genehmigung gem. BTOElt.

Web-Seite Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport >Pfad >Strompreise
„Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, ihren Kunden allgemeine Tarife im Sinne einer Grundversorgung mit Elektrizität anzubieten. Nach der Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) müssen diese bestimmten Erfordernissen genügen, unter anderem eine möglichst sichere und preisgünstige Elektrizitätsversorgung gewährleisten.
Die Aufsicht über die Gestaltung dieser Tarife nimmt die Regierungsvertretung Braunschweig für das Niedersächsische Umweltministerium als so genannte „Vor-Ort-Aufgabe“ im Bereich de gesamten Landes Niedersachsen wahr.
„Plant ein Elektrizitätsunternehmen, die Tarife der Strompreise zu erhöhen, so bedarf dies nach den geltenden preis- und energierechtlichen Vorschriften der Genehmigung. Diese wird nur dann erteilt, wenn das jeweilige Elektrizitätsunternehmen die Notwendigkeit hierfür zum Beispiel in Anbetracht der Kosten- und Erlöslage nachweist.“

Sowohl mit meiner E-Mail vom 27.12.2007 als auch mit meiner E-Mail vom 29.02.2008 habe ich Sie darauf hingewiesen, dass die genehmigte Tariferhöhung des Strompreises der Stadtwerke Lingen GmbH zum 01.02.2007 nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes entspricht.

Der Gesetzestext ist doch eindeutig prägnant und zwingend:
„§ 1 (1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
§ 2 (1) Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Rahmen des § 1 dieses Gesetzes verpflichtet.“

„Möglichst preisgünstig“ heißt, so preisgünstig wie nur eben möglich!
Das EnWG2005 gilt auf allen Handelsstufen.

Das Netzentgelt der Stadtwerke Lingen GmbH  wurde durch die Bundesnetzagentur (Beschluss vom 23.01.2007) zur Berechnung an die Endverbraucher ab 01.Januar 2007 erheblich gekürzt, und zwar sowohl beim Arbeitspreis als auch beim Grundpreis.
Diese Kürzung ist von den Versorgern sofort anzuwenden und gemäß §§ 1, 2 EnWG2005 an die Verbraucher weiterzugeben.
Das gleiche gilt für das so genannte vorgelagert Netzentgelt des oder der Stromlieferanten der Stadtwerke Lingen GmbH.

Die Stadtwerke Lingen GmbH hat die verminderten Netzentgelte ab 01.01.2007 nicht an die Kunden weitergegeben. Durch diese unterlassene Preisreduzierung ist der Anteil Vertrieb und Gewinn zum 01.02.2007 im Verhältnis zum vorherigen Preisanteil vom 01.01.2006 unverhältnismäßig gestiegen.

Arbeitspreis:
Netznutzung Stadtwerke Lingen Minderung 0,550 Cent/kWh – 12,3 %
EEG-Umlage  Erhöhung 0,145 Cent/kWh + 24,2 %
KWK-Umlage Minder 0,052 Cent/kWh – 15,3 %
Konzessionsabgabe und Stromsteuer unverändert
Anteil Vertrieb und Gewinn Erhöhung 1,857 Cent/kWh + 42,4 %

Grundpreis:
Netznutzung Stadtwerke Lingen unverändert
Messung Minderung 0,56 Euro/Jahr
Abrechnung Minderung 0,51 Euro/Jahr
Anteil Vertrieb und Gewinn Erhöhung 1,07 Euro/Jahr + 5,2 %
Auch der Grundpreis musste nach der Netzentgeltminderung gesenkt werden; er wurde jedoch unverändert beibehalten. Die Berechtigung für einen verbrauchs- und lieferunabhängigen Grundpreis ist ohnehin fraglich. Der Heizöllieferant berechnet keinen Grundpreis.

Die Minderung der Netzentgelte erfolgte ab 01.Januar 2007 und war daher noch gem. BTOElt bei der Prüfung und Genehmigung der Erhöhung der Strompreise der Stadtwerke Lingen GmbH zum 01.Februar 2007 zu berücksichtigen.

Bei einem Musterverbrauch von 3.500 kWh/Jahr erhöhte sich der Anteil Vertrieb und Gewinn am Gesamtpreis um 66,06 Euro/Jahr + 38,0 %.

Deutlich wird die unverhältnismäßige Preiserhöhung zum 01.02.2007 auch im Vergleich der grafischen Darstellung (Gesamtpreis netto):
01.01.2006
Anteil Netznutzung 32,4 %, Anteil Vertrieb und Gewinn 32,7 %;
01.02.2007
Anteil Netznutzung 26,4 %, Anteil Vertrieb und Gewinn 41,4 %.

Es gibt keine Begründung für eine derartige Erhöhung des Strompreises zum 01.02.2007.

Sie erhalten eine Datei (EXCEL-Format) mit der Tarifentwicklung der Stadtwerke Lingen GmbH vom 01.01.2006 bis 01.02.2007.   Anlage

Den Hinweis, dass Sie zurzeit prüfen, ob ein Preishöhenmissbrauch nach dem Kartellrecht vorliegt, habe ich zur Kenntnis genommen.

Ebenso Ihren Hinweis auf die Möglichkeit, den Stromanbieter zu wechseln. Dabei können Sie davon ausgehen, dass mir diese Möglichkeit schon bekannt ist. Das war und ist aber hier nicht das Thema.

Es geht auch nicht um „anhaltenden Ärger über die Preisgestaltung des lokalen Versorgungsunternehmens“.
Es geht um die Frage, ob bei der Prüfung und Genehmigung der unverhältnismäßigen Tariferhöhung der Stadtwerke Lingen GmbH zum 01.02.2007 zur „Kostenlage“ zum Beispiel die vorliegende Kürzung der Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur berücksichtigt wurde.

Soweit Sie für diesen Vorgang nicht zuständig sind, bitte ich diesen an die zuständige Behörde weiterzugeben. In diesem Fall bitte ich um eine entsprechende Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen   Anlage

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E-Mail von
goetz-friedrich.schau@mw.niedersachsen.de

07.05.2008
Ihre Eingabe vom 12.04.2008

Sehr geehrter Herr…,
 
ich bedanke mich für Ihre Mail vom 12. April, in der Sie erneut die Tarifpreiserhöhung der Stadtwerke Lingen von 01. Februar 2007 kritisieren.

Wie Sie selbst ausführen, ist dieser Tarif noch nach den Vorgaben der Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) genehmigt worden. Der Prüfungsmaßstab der Behörden für die Erteilung der Genehmigungen ergab sich aus § 12 BTOElt und beinhaltete vor allem einen Kosten- und Erlösnachweis der Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Wie Sie richtigerweise ausführen wurde diese Aufgabe für Niedersachsen vom Ministerium für Umwelt und Klimaschutz ausgeübt, eine Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bestand dahingegen nicht.

Gleichwohl ergeben sich aus Ihren Ausführungen keinerlei nachträgliche Zweifel an der sachlichen und fachlichen Richtigkeit der Wahrnehmung dieser Aufgabe. Entgegen Ihrer Auffassung waren die Vorschriften des im Juli 2005 in Kraft getretenen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) nicht Gegenstand der Tarifgenehmigung nach BTOElt. Das EnWG regelt, wie auch aus dem von Ihnen zitierten § 1 ersichtlich ist, die leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Damit hat der Gesetzgeber umfangreiche Vorgaben erlassen, wie die Aufsicht über die Strom- und Gasnetze der Versorgungsunternehmen auszuüben ist. Dabei hat sich diese – auch Regulierung genannte – Aufsicht die 5 in § 1 Abs.1 EnWG niedergelegten Gesetzeszwecke zu beachten. Die von Ihnen zitierte Preisgünstigkeit der Energieversorgung ist demnach nur ein Gesetzeszweck, der im Spannungsverhältnis mit den anderen 4 Zwecken steht und daher nicht isoliert betrachtet werden kann. Beispielsweise erfordern die Zwecke der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit der Energieversorgung Kosten, die die Energieverbraucher zu tragen haben. Gleichwohl wird die Berücksichtigung dieser Gesetzeszwecke – und damit auch die Preisgünstigkeit – von den Regulierungsbehörden bei der Genehmigung der Strom- und Gasnetzentgelte berücksichtigt. Dass die Preisgünstigkeit dabei eine wichtige Rolle spielt können Sie daran sehen, dass es in den letzten beiden Jahren zu teilweise erheblichen Netzentgeltsenkungen durch die Behörden kam.
 
Diese Kürzungen des Netzentgelts, das bekanntlich ca. 1/3 des Strompreises ausmacht, sind jedoch entgegen Ihrer Ansicht nicht aufgrund gesetzlicher Verpflichtung von den Energieversorgungsunternehmen an die Kunden weiterzugeben. Ein solcher Schluss kann auch nicht aus §§ 1 und 2 EnWG gezogen werden. Der Hintergrund dieser auf den ersten Blick etwas befremdlichen rechtlichen Regelung ist folgender: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sinkende Netzentgelte den Wettbewerb beflügeln und anderen Strom- bzw. Gasanbietern den Markteintritt erleichtern. Wenn nun diese Drittanbieter mit niedrigeren Preisen als die lokalen Anbieter Kunden akquirieren, ist der lokale Anbieter ebenfalls gezwungen, die Netzentgeltsenkungen an seine Kunden weiterzugeben, um so im Wettbewerb mit den neuen Anbietern zu bestehen. Diese Weitergabe der Senkungen ist von vielen Anbietern auch vorgenommen worden, allerdings – und da sind die von Ihnen genannten SW Lingen offenbar ein Beispiel – nicht von allen. Dies kann viele Ursachen haben, nicht von der Hand zu weisen ist die Argumentation vieler Unternehmen, dass die gesenkten Netzentgelte durch steigende Beschaffungskosten für Strom zumindest teilweise wieder aufgefangen wurden.
 
Ob es bei der aktuellen Preisgestaltung der Energieversorgungsunternehmen zu einem kartellrechtlichen Missbrauch gekommen ist, ist Gegenstand der Tätigkeit der Landeskartellbehörde.
 
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben.
 
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Dr. Götz-F. Schau
Niedersächsisches Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Referat 24 -Landeskartellbehörde-
Friedrichswall 1
30159 Hannover
 
Tel.: 0511-120-5538
Fax: 0511-120-995538
E-Mail  goetz-friedrich.schau@mw.niedersachsen.de

nomos:

--- Zitat ---Die von Ihnen zitierte Preisgünstigkeit der Energieversorgung ist demnach nur ein Gesetzeszweck, der im Spannungsverhältnis mit den anderen 4 Zwecken steht und daher nicht isoliert betrachtet werden kann. Beispielsweise erfordern die Zwecke der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit der Energieversorgung Kosten, die die Energieverbraucher zu tragen haben.
--- Ende Zitat ---
@enerveto, der Tenor ist bekannt, die sind so, die Antworten der verantwortlichen Politiker. Das Spannungsverhältnis besteht wohl eher in den diversen Interessenkonflikten und Verflechtungen der Landes- und Kommunalpolitik und den Versorgern.

Das \"magische Viereck\" der im EnWG genannten Anforderungen bildet sicher ein Spannungsverhältnis das austariert werden muß. Ich denke das ist unstreitig. Danach ist aber Schluß mit der Spannung! Quersubventionierung und zweckfremd verwendete Gewinne oder exclusive Geschäftsführergehälter und Pensionsregelungen (siehe hier) gehören nicht zum Spannungsverhältnis sondern verstoßen gegen dieses Gesetz. Das gilt erst recht für kommunale Wirtschaftsunternehmen (Stadtwerke), für die das EnWG eigentlich gar nicht nötig sein sollte! Die sichere und preisgünstige Energieversorgung gehört schon als selbstverständliche Pflicht zur Daseinsvorsorge für die Bürger. Das sollte sich schon zweifelsfrei aus dem Kommunarecht ergeben. Wie weit haben sich Politiker aller Couleur eigentlich von den Bürgern entfernt?  Bei der nächsten Wahl sollten die Kandidaten wenigstens vorher mal zur Sache befragt werden. [/list]

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