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Autor Thema: OLG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2008 - 11 U 12/07 (Kart) und 11 U 13/07 (Kart)  (Gelesen 5159 mal)

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Offline RR-E-ft

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Pressemitteilung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt hat die marktbeherrschende Stellung eines Gasversorgers mit der Begründung verneint, dass auf einen einheitlichen Wärmemarkt abzustellen sei. Ohne marktbeherrschende Stellung kann kein missbräuchliches Ausnutzen einer solchen durch eine diskriminierende Preisspaltung gem. § 19 GWB vorliegen.

Zitat
Nach dem OLG Celle (Fall Uelzen) hat  mit dem OLG Frankfurt (Fall Entega) nun ein weiteres Oberlandesgericht die Abgrenzung eines Marktes für die Belieferung von Endkunden mit Erdgas ausdrücklich verworfen. C/M/S Hasche Sigle sollen laut ZfK mitgeteilt haben, auf Grundlage der auch vom OLG Frankfurt in seiner Entscheidung  vom 19. Februar vorgenommenen Marktabgrenzung sei nun die kartellrechtliche Gaspreisaufsicht bei Haushaltskunden obsolet.


Weil das OLG Frankfurt dabei dem VIII. Zivilsenat im Gaspreisurteil vom 13.06.2007 folgt und dieses umstritten sei, hat das OLG Frankfurt die Revision zugelassen, über die bei Einlegung der Kartellsenat des BGH zu entscheiden hat. Siehste hier.

Zitat
\"Die BGH-Entscheidung ist allerdings umstritten\", so Nöhre weiter. Aus diesem Grund sei das Urteil auch nicht rechtskräftig.\"

Das OLG Karlsruhe (RdE 2006, 356) und das OLG Dresden [RdE 2007, 58] haben hingegen eine Monopolstellung der örtlichen Gasversorger gegenüber Kleinkunden  angenommen.

Der Kartellsenat des BGH hatte im Beschluss vom 25.09.2007 - KZR 33/06 festgestellt, dass sich die Abgrenzung des sachlich-relevanten Marktes nach dem nachgefragten Gut richtet, bei dem es sich auch um Fernwärme oder Erdgas handeln kann. Dabei hatte er wiederum die Annahme eines  einheitlichen Wärmemarktes durch das OLG München verworfen. Möglicherweise war dem Kartellsenat des OLG Franfurt diese noch neuere BGH- Rechtsprechung nicht bekannt.

Zudem hat der Gesetzgeber den § 29 GWB n.F. betreffend den Preismissbrauch im Energiesektor  insbesondere mit der Begründung eingeführt, dass auf den Gas- Endkundenmärkten für Haushalts- und Kleinkunden bisher kein wirksamer Wettbwerb existiere und die Preise ein volkswirtschaftlich unerträgliches Niveau erreicht haben. Deshalb sollten die Kartellbehörden in die Lage versetzt werden, die Preisgestaltungen der marktbeherrschenden Gasversorgungsunternehmen besser zu kontrollieren. Deshalb erscheint es nicht nachvollziehbar, wenn Gerichte nunmehr unterstellen, die Gasversorgungsunternehmen hätten gegenüber ihren Kunden gar keine marktbeherrschenden Stellungen. Dies würde der Intention des § 29 GWB n. F. einfach den Boden entziehen.

Tatsächlich hat wohl auch noch niemand einen Wärmemarkt gesehen oder sonst leibhaftig erfahren.

Der Kartellsenat des BGH verhandelt bereits am 04.03.2008 in dem Verfahren KZR 2/07, in dem es möglicherweise auf die Frage ankommt, ob der sächsische Gasversorger Enso gegenüber seinen Kunden eine marktbeherrschende Stellung einnahm.

Offline tangocharly

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OLG Frankfurt, 19.02.2008, 11_U_12_07

Zitat
Der Senat verkennt nicht, dass die vorstehenden Ausführungen im Rahmen der Prüfung ergangen sind, inwieweit einseitige Tariferhöhungen eines Gasversorgers einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegen. Aber auch wenn das Kartellgesetz und § 315 BGB unterschiedliche Zielrichtungen haben, ist nicht zu erkennen, dass die Frage, ob von einem einheitlichen Markt der Energieanbieter auszugehen ist, weil Gasversorgungsunternehmen auf dem Wärmemarkt einem (Substitutions-)Wettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger stehen, unterschiedlich in dem Sinn beantwortet werden kann, dass sie in dem einen Fall ( § 315 BGB) zu bejahen und in dem anderen Fall (§ 19 GWB) zu verneinen ist (ebenso OLG Celle a.a.O).

Der Senat des OLG Ff/M hat ausdrücklich seine bislang andere Auffassung aufgegeben, wie man den Entscheidungsgründen entnimmt.

So man aber aus Gründen der Rechtssicherheit  sich nicht auf die Seite eines BGH-Senats zu stellen vermochte, der aus der Sicht der Revision Marktstruktur und -verhältnisse geprüft hatte und dabei zu der Feststellung gelangte, dass es auf das Endprodukt ankommt, so soll es zwingend sein (aus Gründen der Rechtssicherheit) sich auf die Seite eines BGH-Senats zu stellen, der einen (fragwürdigen) Wärmemarkt sieht, dessen Existenz aber aus der Sicht der Revision nicht geprüft wurde (weil nicht angegriffen) ?
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Der Kartellsenat des BGH hat im Beschluss vom 27.09.2007 - KZR 33/06 klargestellt, dass sich die sachliche Marktabgrenzung nach dem nachgefragten Gut zu richten habe. Handelt es sich bei dem nachgefragten Gut um Erdgas oder Fernwärme, ist nur auf diese und nicht auf einen einheitlichen Wärmemarkt abzustellen.

Es ist jedenfalls nicht juristisch einwandfrei, wenn das OLG Frankfurt aus dem Gaspreisurteil vom 13.06.2007 eine weite Marktabgrenzung (Tatsachenfrage) entnehmen will, nachdem aus diesem Urteil auch hervorgeht, dass der selbe Senat auch schon einmal als Revisionsgericht  an die Feststellung eines Berufungsgerichts gebunden war, wonach der Gasversorger eine Monopolstellung hatte.

Gerade daraus folgt, dass die Frage der Marktabgrenzung auf Tatsachenfragen beruht, die im konkreten Einzelfall vom Tarichter zu klären sind.

Es stellen sich also immer die Fragen:

Gibt es vor Ort konkret einen einheitlichen Wärmemarkt?
Wenn dies der Fall sein sollte:

Besteht auf einem solchen ein wirksamer Wettbewerb, der geeignet ist die Preisforderungen des Gasversorgers wirksam zu begrenzen?

Man kann letztere Frage auch anders wenden:

Sind die Gaspreise des Versorgers vor Ort geeignet, die Preise für andere Energieträger vor Ort wirksam zu beschränken/ zu beeinflussen?

Denn der Wettbewerb- wenn es einen solchen geben sollte - muss in alle Richtungen funktionieren.

Sind die Gaspreise des Versorgers  nicht geeignet, die Heizölpreise und Preise für Fernwärme, Holzpellets etc. vor Ort wirksam zu begrenzen, kann es sich in der anderen Richtung nicht anders verhalten.

Man muss die Fragen also - zu Kontrollzwecken - getrost einmal anders herum stellen.

Offline tangocharly

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Eben !

Genau dieser Kartellsenat ist auch gemeint,
der sich m.W. schon seit längerer Zeit zu dieser Thematik
so eindeutig äußert, wie dies mein Vorredner aufzeigt.
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