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Autor Thema: BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Allg. Entgelte  (Gelesen 4056 mal)

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Der BGH hatte mit Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 über die gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig festgelegter Entgelte (für die Flughafenbenutzung) zu entscheiden.

Eine Fluggesellschaft hat einen Flugplatz angeflogen, für dessen Benutzung die Benutzungsentgelte einseitig neu festgelegt (erhöht) worden waren, hat die Erhöhung als unbillig gerügt und nur die alten Entgelte weiter bezahlt. Der Flugplatzbetreiber hat die Restforderung eingeklagt.

Der BGH hat ausgeführt, dass die erhöhten Entgelte einer Billigkeitskontrolle unterliegen.

Das Urteil enthält viele Anhaltspunkte hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast, insbesondere beim zu beachtenden Kostendeckungsprinzip.

Zitat
Das Recht des Flugplatzunternehmers, für die den Benutzern zur Verfügung gestellten Leistungen durch einseitig festgesetzte Allgemeine Geschäftsbedingungen Benutzungsentgelte zu bestimmen, steht unter dem Vorbehalt, dass die Bestimmung der (Gegen-)Leistung der Billigkeit entspricht. Unbeschadet der behördlichen Genehmigung der Flughafenbenutzungsordnung nach § 43 LuftVZO unterliegt die Entgeltregelung der richterlichen Inhaltskontrolle nach § 315 BGB (Senatsurteile vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. I.; vom 23. Januar 1997 aaO S. 1019 unter 2. a); BGH, Urteil vom 17. Juni 1993 - VII ZR 243/91 - NVwZ 1993, 914, 915 unter II. m.w.N.).

Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319).

Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.). Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).

Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301). Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/ Rieble aaO Rn. 302).

Ergo:

Der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz kann selbst gar keinen generellen Prüfungsmaßstab für die Billigkeitskontrolle vorgeben. Es kommt vielmehr immer auf den Tatrichter an, dessen Entscheidung nur eingeschränkt in der Revision überprüfbar ist. Deshalb konnte und hat der BGH auch keinen Prüfungsmaßstab für die Billigkeitskontrolle einseitig  neu festgesetzter Gastarifpreise vorgegeben.


Zitat
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Darlegungslast nicht verkannt.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin als Bestimmungsberechtigter nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Bestimmung obliegt (vgl. BGHZ 41, 271, 279; Senat, BGHZ 115 aaO S. 322; BGH, Urteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02 - NJW 2003, 3131, 3132 unter II. 2. a); Clausen aaO S. 126 ff; Giesberts/Sieberg, ZLW 2005, 181, 183 f; jew. m.w.N.).

Ihrer Darlegungslast ist die Klägerin mit den in den Prozess eingeführten Unterlagen zu den Flughafenentgelten und den ergänzenden Erläuterungen gerecht geworden. Sie hat in der \"Betriebsabrechnung Aviation - Zentrale Infrastruktur 2001\" und den zugrunde liegenden Kostenaufstellungen im Einzelnen dargetan, dass ihren den Zentralen Infrastruktureinrichtungen zuzuordnen Erlösen von 19.401.000 € Gesamtkosten von 28.241.000 € im Jahre 2001 gegenüberstanden und sie durch die Entgelterhöhung eine Erhöhung des Kostendeckungsgrades von 68,7 % auf 98,5 % anstrebte.
´

Zitat
Weiterhin wendet sich die Revision ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Vorbringen der Klägerin sei nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen als zugestanden zu behandeln, weil die Beklagte dem von der Klägerin vorgelegten Datenmaterial nicht mit der gebotenen Substanzierung entgegengetreten sei.

Die Anforderungen an die Substanziierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substanziiert der darlegungsbelastete Gegner - hier die Klägerin - vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungsbelasteten Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substanziieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei ist (BGH, Urteile vom 30. September 1993 -VII ZR 178/91 - NJW 1993, 3196 unter III. 1.; vom 11. Juli 1995 - X ZR 42/93 - NJW 1995, 3311, 3312 unter II. 3.; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404, 1405 unter II. 2. b) aa); jew. m.w.N.).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht das einfache Bestreiten der Beklagten zu Recht als nicht ausreichend erachtet. Angesichts des von der Klägerin vorgelegten Zahlenmaterials durfte sich die Beklagte nicht auf pauschales Bestreiten beschränken. Vielmehr war sie als mit dem betrieblichen Rechnungswesen vertraute Handelsgesellschaft imstande, zu den von der Klägerin vorgelegten Einzelheiten ihrer Kalkulation substanziiert Stellung zu nehmen, und daher zu eingehender und differenzierter Erwiderung verpflichtet. Auch wenn die Beklagte der Betriebsführung der Klägerin fern steht, wurde sie durch die Vorlage der Betriebsabrechnung und der dazugehörigen Kostenaufstellungen in die Lage versetzt, die behauptete Kostenunterdeckung sowie die beabsichtigte Erhöhung des Kostendeckungsgrades auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und hiergegen konkrete Einwendungen zu erheben. Ein derart substanziiertes Bestreiten hat die Beklagte nicht nur in der ersten Instanz, sondern auch in der Berufungsinstanz unterlassen. Soweit sie die ergänzenden Zahlenangaben zum Flughafen Berlin-Tegel in der Berufungsbegründung der Klägerin bestritten hat, hat das Berufungsgericht auch dieses Bestreiten mangels einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Unterlagen und Erläuterungen der Klägerin rechtsfehlerfrei als unzureichend angesehen.

Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass die Beklagte die Richtigkeit der Vergleichsangaben der Klägerin betreffend andere Flughafenentgelte bestritten habe, greift nicht durch. Diesem Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler keinen erheblichen Stellenwert eingeräumt.

Zwar kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO S. 184 unter III. 1.). Das Berufungsgericht hat jedoch festgestellt, dass es auf deutschen Flughäfen keine einheitliche Definition der Zentralen Infrastruktureinrichtungen gibt, sondern diese ganz unterschiedlich festgelegt werden und zudem die einzelnen Preise auf den unterschiedlichen Flughäfen eine große Bandbreite aufweisen. Im Übrigen geht es hier um die Billigkeit einer Preiserhöhung im einzigen Flughafensystem in der Bundesrepublik Deutschland, dessen einzelne Flughäfen zudem unterschiedlich hohe Defizite aufweisen. Damit fehlt es an gleichen Verhältnissen in zahlreichen Einzelfällen, die Voraussetzung für die Anerkennung der Üblichkeit von Entgelten sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 239/98 - NJW 2001, 151, 152 unter III. 2).

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Zitat
Bei der Billigkeitskontrolle der in Rede stehenden Entgeltanhebung kommt dem Grundsatz der Kostendeckung besondere Bedeutung zu.

Die Preiskontrolle der von der Klägerin einseitig festgesetzten Flughafenentgelte hat sich - ähnlich wie bei anderen Entgelten im Bereich der Daseinsvorsorge - am Kostenbezug der geforderten Entgelte zu orientieren (vgl. Senatsurteil BGHZ 115 aaO S. 318; BGH, Urteile vom 2. Oktober 1991 aaO S. 185 unter III 2. a); vom 21. September 2005 aaO S. 135 unter II. 2. b); Landgericht Berlin aaO S. 480; ZLW 2006, 475, 478; Clausen aaO S. 90 ff m.w.N.; von Einem, Die Liberalisierung des Marktes für Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen in Europa S. 201; Giesberts/Sieberg aaO ZLW 2005 S. 183,  Hoffmann/ Grabherr, Luftverkehrsgesetz Stand Mai 2006 § 6 Rn. 173 zur Prüfung des Antrags auf Genehmigung der Entgelte nach § 43 Abs. 1, § 53 Abs. 1 LuftVZO).

Im Rahmen der Leistungsbestimmungsbefugnis des Flughafenbetreibers ist es prinzipiell hinzunehmen, dass die Klägerin für die Berechnung der Flughafenentgelte die einzelnen Geschäftsbereiche des Flughafens unterscheidet und ihrer Entscheidung isoliert die Erlös- und Kostensituation im Bereich der Zentralen Infrastruktureinrichtungen zugrunde gelegt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2003 - VI U (Kart) 64/01 - juris Rn. 22; Giesberts/Sieberg aaO S. 188  ). Die Begrenzung auf den Geschäftsbereich der Zentralen Infrastruktureinrichtungen ist dadurch gerechtfertigt, dass die Fluggesellschaften gerade diese Einrichtungen in Anspruch nehmen. Somit ist der notwendige Kostenbezug grundsätzlich gewahrt.

Über die Deckung der Kosten der Leistung sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht dem Flughafenbetreiber auch ein Gewinn zu, aus dem er die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann (EuGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 aaO S. 86 f Rn. 56; Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 147 unter A. II. 5.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO S. 185 unter III. 2. a) m.w.N.; Land-gericht Berlin, ZLW 2001 aaO S. 481; Clausen aaO S. 91).
Dem Grundsatz der Kostendeckung widerspricht die Anerkennung der kalkulatorischen Abschreibungen nicht. Bei solchen Berechnungsverfahren werden die Anschaffungs- und Herstellungskosten einer abnutzbaren Anlage auf Zeiteinheiten verteilt. Die kalkulatorische Abschreibung erfasst den betriebsbedingten Wertverzehr des abgenutzten Anlagevermögens und zielt darauf ab, dass der Unternehmer bei Nutzungsende das erforderliche Kapital für die Erneuerung des abgeschriebenen Anlagegutes zur Verfügung hat. Gegen die Berücksichtigung derartiger Faktoren bei der Kostenermittlung bestehen grundsätzlich keine Bedenken (BVerwG, NVwZ 1985, 496, 497; OVG Münster, NVwZ 1995, 1233, 1234 f; Landgericht Berlin, ZLW 2001 aaO S. 480). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schreibt die Klägerin gemäß den von ihr überreichten ADV-AfA-Tabellen ab, d.h. sie orientiert sich an den in diesen Tabellen vorgegebenen Zeitspannen für die jeweiligen Abschreibungsgüter. Die tatsächlichen Abschreibungen im Geschäftsfeld der Zentralen Infrastruktureinrichtungen im Jahre 2001 hat das Berufungsgericht der weiteren von der Klägerin vorgelegten Auflistung entnommen. Der von der Klägerin überreichten Stellungnahme der von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, auf die sich auch die Revision bezieht, lässt sich entnehmen, dass der Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen durch die Klägerin grundsätzlich anerkannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht.

Wenn der die Leistung bestimmende Unternehmer betriebswirtschaftlich vertretbare Regeln, Grundsätze und Methoden richtig angewandt hat, entspricht seine Festsetzung der Billigkeit (OLG Oldenburg, RdE 1998, 154, 156; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO Rn. 24). Insbesondere ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Klägerin auf der Grundlage betriebswirtschaftlich vertretbarer Regeln die baulichen Anlagen auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes abschreibt, weil sie auf diese Weise ihr Ziel erreicht, bei Nutzungsende das erforderliche Kapital für die Erneuerung des abgeschriebenen Anlagegutes zur Verfügung zu haben. Insoweit rügt die Revision ohne Erfolg, dass eine solche Abschreibung über die geschätzte Nutzungsdauer hinaus zu einem Gewinn führe, der unter Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs. 3 Satz 2 BADV in der Deckungsbeitragsrechnung der Klägerin verschleiert werde. Die Entgeltbestimmung durch die Klägerin ist nicht bereits dann intransparent, wenn die Kosten der Wertminderung so lange in die Kalkulation einfließen, wie das Wirtschaftsgut tatsächlich genutzt wird. Ziel der Fortführung der Abschreibung ist es, Preissteigerungen für die entsprechend später fällige Erneuerung aufzufangen, die dadurch entstehen, dass das Wirtschaftsgut infolge der überplanmäßig langen Nutzung erst zu einem späteren Zeitpunkt als ursprünglich kalkuliert erneuert werden muss. Vor diesem Hintergrund hält sich die kalkulatorische Abschreibung über den ursprünglich kalkulierten Zeitpunkt hinaus innerhalb des Spielraums, der der Klägerin bei der Festlegung der Entgelte zuzubilligen ist.

Außerdem ist der Klägerin eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 aaO S. 185 unter III. 2.a); Clausen aaO S. 91). Mit Blick darauf ist es nicht zu beanstanden und wird dem Grunde nach auch von der Revision hingenommen, dass das Berufungsgericht neben der kalkulatorischen Abschreibung auch kalkulatorische Zinsen bei der Kostenermittlung für berücksichtigungsfähig gehalten hat. Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der Ansatz eines in der Stellungnahme der Wirtschaftsprüfer angegebenen Zinssatzes von 10 % auf das Eigenkapital verstoße gegen das Äquivalenzprinzip. Das Berufungsgericht ist - den Aufstellungen sowie dem Vorbringen der Klägerin folgend - von einem kalkulatorischen Zinssatz von nur 4 % auf jedes noch nicht abgeschriebene Anlagegut ausgegangen. Zugleich hat es deutlich gemacht, dass die Höhe der Entgeltanhebung nach den gesamten Umständen selbst bei Eliminierung der angesetzten kalkulatorischen Zinsen den zu tolerierenden Ermessensbereich noch nicht verließe. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht der Höhe der kalkulatorischen Verzinsung des Eigen- bzw. Fremdkapitals keinen entscheidenden Einfluss für die Überprüfung der Billigkeit der Entgeltfestsetzung beigemessen. Diese tatrichterliche Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung, dass es nicht um eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB wegen einer Monopolstellung der Klägerin oder eines bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs  geht und dass im Bereich der Daseinsvorsorge das Kostendeckungsprinzip zu beachten ist.

Derjenige, der ohne vorherigen Vertragsabschluss Energie aus einem örtlichen Verteilnetz entnimmt, sieht sich ebenso vom EVU einseitig festgesetzten Entgeltbestimmungen gegenüber.

Andererseits konnte sich auch die Fluggesellschaft über die geltenden (erhöhten) Flughafenentgelte informieren, bevor sie den Flughafen anflog. Schließlich hätte die Fluggesellschaft auch auf andere Flughäfen ausweichen können.

Zitat
Es hat sich an der ständigen Rechtsprechung des Senats orientiert, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Flugplatzunternehmer und Luftfahrtunternehmen privatrechtlicher Natur und nach bürgerlichem Recht zu beurteilen sind (z.B. Senatsurteile vom 24. November 1977 - III ZR 27/76 - ZLW 1979, 140, 142 unter A. I. 1.; vom 23. Januar 1997 - III ZR 27/96 - NJW-RR 1997, 1019 unter 2. a); jew. m.w.N.). Ein Vertragsverhältnis kommt allein durch die Benutzung eines Flughafens zustande (Senatsurteil vom 23. Januar 1997 aaO). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat den Flughafen Berlin-Tegel - auch nach der Entgelterhöhung - angeflogen.

Gleichwohl blieben die Flughafenbenutzungsentgelte das, was sie von Anfang an waren, nämlich einseitig festgesetzte Entgelte (Tarife), die der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen, selbst dann wenn die Entgeltfestsetzung mit behördlicher Genehmigung erfolgte.

Warum es bei einseitig festgesetzten Energiepreisen, über die es keinerlei individuelle Preisverhandlungen gab, anders sein sollte, leuchtet nicht ein.

Auch handelt es sich bei der leitungsgebundenen Energieversorgung weiterhin um Leistungen der Daseinsvorsorge. Dass auch dabei das Kostendeckungsprinzip zu beachten ist, ergibt sich unmittelbar aus §§ 1,  2 Abs. 1 EnWG.

Deshalb muss die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats noch einmal einer sehr kritischen Würdigung unterzogen werden. Es ist nicht klar, wie nun eine Abgrenzung zur Billigkeitskontrolle von Flughafenbenutzungsentgelten erfolgen sollte.

Offensichtlich liegen die vielen Erwägungen von Kühne und anderen zur Verdrängung der Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Entgelte durch kartellrechtliche Bestimmungen derart neben der Sache, dass der BGH keinerlei Veranlassung hatte, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen.

Die Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast sind auch für die Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Entgelte für leitungsgebundene Energielieferungen hochaktuell.


Thomas Fricke
Rechtsanwalt


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