Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BGH, B. v. 25.09.2007 - KZR 33/06 - Fernwärme- Monopol der Stadtwerke München  (Gelesen 4528 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Moderator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Der Beschluss des BGH vom 25.09.2007 - KZR 33/06 befasst sich mit der Marktabgrenzung.

Der Kartellsenat des BGH tritt der Auffassung des OLG München entgegen, dass auf einen einheitlichen Wärmemamarkt abzustellen sei. Vielmehr habe die Marktabgrenzung nach dem nachgefragten Gut  zu erfolgen, wenn die Abnehmer über entsprechende Anschlüsse verfügen und den Energieträger nicht wechseln können.

Zitat
Allerdings rügt die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht (OLG München, WuW/E DE-R 1887) den sachlich-relevanten Markt unzutreffend abgegrenzt hat.

Die Klägerin, die sogenanntes Wärmecontracting aus einer Hand anbietet, will von den beklagten Stadtwerken beliefert werden, um ihrerseits die Endverbraucher – zusammen mit anderen Leistungen – mit Fernwärme zu versorgen. Von diesem Ausgangspunkt hätte deshalb der sachlich -relevante Markt bestimmt werden müssen. Das von der Klägerin nachgefragte Gut (Fernwärme) bestimmt die Marktabgrenzung.

Die Fernwärme ist für die Klägerin nicht austauschbar, weil ihre Kunden Fernwärmeanschlüsse haben. Demnach hätte – wie der Senat in einem vergleichbaren Fall bereits entschieden hat (BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – KVR 13/05, WuW/E DE-R 1726, 1728 Tz. 13 – Stadtwerke Dachau) – das Berufungsgericht nicht auf den Markt der Endverbraucher und deren Ausweichmöglichkeiten abstellen dürfen.

Demnach besteht ein eigenständiger sachlich- relevanter Markt für Fernwärme.

Keine Aussage enthält der Beschluss indes für die Frage der Marktabgrenzung auf dem Endkundenmarkt.

Das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffe Urteil des OLG München vom 18.10.2006 - U (K) 3090/06 betraf das Verhältnis eines Energiedienstleisters zu den Stadtwerken München (SWM).


Das OLG München hatte seine Entscheidung u. a. wie folgt begründet:

Zitat
Die Annahme der Klägerin, die Beklagte verfüge über eine marktbeherrschende Stellung (§ 19 Abs. 2 GWB),
weil sie einziges Fernwärmeunternehmen in ihrem Versorgungsgebiet sei, beruht im Streitfall, in dem für das betreffende Grundstück kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht (vgl. zu einer solchen Konstellation OLG Naumburg, Urteil vom 11.05.2005 – 1 U 6/05 Kart = NJOZ
2005, 4115, in juris dokumentiert), auf einer zu engen Marktabgrenzung.

Der Angebotsmarkt der Wärmeversorgung im Raum M. beschränkt sich nicht auf Fernwärme. Er umfasst vielmehr auch – aus Sicht der nachfragenden Kunden funktional austauschbare – Energieträger wie insbesondere Heizöl, Erdgas und Festbrennstoffe (z.B. Pellets) (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2005 – VI-U (Kart) 19/04 = NJOZ 2005, 2184, 2189, in juris dokumentiert; Büdenbender, Zulässigkeit der Preiskontrolle von Fernwärmeversorgungsverträgen nach § 315 BGB, 2005, S. 86-88.

Dass die Klägerin auf dem so abgegrenzten Markt eine beherrschende Position innehätte und als Wärmeanbieter keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt wäre (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB), trägt die Klägerin nicht vor; dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.

Dieser Marktabgrenzung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sie nur für die Zeit vor der Investitionsentscheidung richtig sei; habe der Kunde sich hingegen für eine bestimmte Energieart wie Fernwärme entschieden und entsprechende Investitionen getätigt, sei der Wechsel zu einer anderen Energieart erschwert (vgl. Pauschke in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 19 GWB 2005, Rdn. 140 unter Bezugnahme auf BKartA WuW/E BKartA 1840, 1841 – Texaco/Zerssen; ähnlich Witzel/Topp aaO S. 39, die auf den Gesichtspunkt der langfristigen Vertragsbindung abstellen).

Eine solche Spaltung des Marktes zwischen Alt- und Neukunden ist sachwidrig (vgl. Büdenbender aaO S. 87 unter Bezugnahme auf das Sondergutachten Nr. 7 der Monopolkommission „Missbräuche der Nachfragemacht und Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle im Rahmen des
GWB“, 1977). Dies folgt daraus, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen als Energieversorger ihre Preis- und Konditionenpolitik aus ökonomischen Gründen so ausgestalten müssen, dass sie möglichst viele neue Kunden gewinnen. Würde ein Fernwärmeversorgungsunternehmen wie die Beklagte eine Preis- und Konditionenpolitik zu Lasten von Altkunden betreiben, würde sich dies herumsprechen und die Gewinnung von Neukunden erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Folglich kommen auch die Altkunden stets in den Genuss der „neukundenorientierten“ Preis- und Konditionenpolitik; für Neukunden aber besteht ein Wärmemarkt mit Substitutionskonkurrenz (vgl. zum Ganzen Büdenbender aaO S. 87 f.).

Selbst wenn dem Gesichtspunkt, dass für die Grundstückseigentümer, die sich für Fernwärme entschieden und entsprechende Investitionen
getätigt haben, Fernwärme und andere Formen der Wärmeenergie nicht mehr ohne Weiteres austauschbar sind, bei der Marktabgrenzung in sachlicher Hinsicht mehr Gewicht eingeräumt würde (vgl. BGHZ 151, 274, 276 – Fernwärme für Börnsen; im Zusammenhang mit der Subsumtion unter § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB), so hätte dies allenfalls zur Folge, dass die Beklagte im Verhältnis zu Grundstückseigentümern bzw. Letztverbrauchern als Normadressatin der kartellrechtlichen Bestimmungen der § 19, § 20 GWB einzustufen wäre (vgl. Pauschke in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht aaO), nicht aber im Verhältnis zu Energiedienstleistungsunternehmen wie der Klägerin.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht hinreichend dargetan hat, dass es ihr ohne die Wärmelieferung seitens der Beklagten an sie, die Klägerin, nicht möglich ist, auf einem nachgelagerten Markt im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als Wettbewerberin der Beklagten
tätig zu werden. Soweit die Klägerin geltend macht (Schriftsatz vom 01.03.2006, S. 9), sie sei auf den eigenen Bezug von Fernwärme seitens der Beklagten angewiesen, um gegenüber ihrem Kunden (der G.) Energieliefer-Contracting-Leistungen „aus einer Hand“ erbringen zu können, ist dies unter dem Gesichtspunkt des Tätigwerdens auf einem nachgelagerten Markt im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht schlüssig. Denn soweit sich die Klägerin gegenüber der G. zur Fernwärmeversorgung verpflichtet hat (vgl. den zwischen der G. und der M. geschlossenen
Wärmelieferungs-Vertrag, Anlage K 1, in den die Klägerin nach ihrem Vortrag anstelle der M. eingetreten ist), ist sie auf demselben Markt wie die Beklagte, nicht auf einem nachgelagerten Markt tätig. Auch die übrigen von der Klägerin zu erbringenden Energiedienstleistungen wie Errichtung und ggf. Wartung der Heizstation sowie Verbrauchserfassung betreffen keinen nachgelagerten Markt im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, auf dem die Klägerin ohne Wärmelieferung an sie nicht tätig werden könnte.

Fazit:


Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH erfolgt die Marktabgrenzung nach dem vom Kunden nachgefragten Gut. Benötigt ein Kunde für den Betrieb seiner Heizungsanlage Erdgas/ Fernwärme, so ist auf den sachlich- relevanten Markt für Erdgas/ Fernwärme abzustellen.

Demnach kann auch eine Monopolstellung eines Gasversorgungsunternehmens auf dem räumlich abzugrenzenden sachlich-ralevanten Markt für Erdgas bestehen (so bereits BGH, B. v. 13.12.2005 - KVR 13/05, anders wohl BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06).

Es kommt darauf an, ob der Energieträger aus Sicht des Kunden funktional austauschbar ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Kartellsenats dann nicht der Fall, wenn der Kunde sich einmal für einen Energieträger entschieden hat und hiernach nicht mehr ohne weiteres den Energieträger wechseln kann. Der gegenteiligen Argumentation der OLG München und OLG Düsseldorf ist der Kartellsenat des BGH nicht gefolgt.

Der Kartellsenat des OLG Dresden hatte mit Urteil v. 11.12.2006 eine Monopolstellung eines Gasversorgungsunternehmens gegenüber Endkunden bejaht und dabei u. a. auch zutreffend darauf abgestellt, dass die Preisbildung bei Erdgas und Heizöl vollkommen unterschiedlich sei.

Eine erdgasbetriebene Heizungsanlage lässt sich grundsätzlich nur mit Erdgas betreiben, so dass der Kunde ausschließlich Erdgas nachfragt (so auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.06.2006 ), was bei der Frage der Monopolstellung des Gasversorgers zu berücksichtigen ist. Auch das OLG Karlsruhe hatte eine Monopolstellung des Gasversorgers festgestellt.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz