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Autor Thema: Falsche Interpretation des BGH-Urteils VIII ZR 36/06 druch die Medien  (Gelesen 4575 mal)

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Offline RA-FF

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Hallo zusammen!

Ich will im folgenden auf zwei \"nicht ganz ungefährliche\" Veröffentlichungen in den Printmedien hinweisen, denen entgegenzuwirken ist. In beiden Fällen wird der BGH bezüglich seines Urteils vom 13.06.07 falsch wiedergegben. Gerade \"Widersprüchler\", die das eins zu eins für bare Münze nehmen, könnten dazu geneigt sein, den Widerspruch fallen zu lassen.


1. Regionalteil Hochtaunus in der Frankfurter Rundschau vom 27.09.2007; Artikel zu den Zahlungsaufforderungen der Gasversorger im Hochtaunus; Interviewteil mit Rechtsanwalt und Vorsitzendem des Mieterschutzvereins Hochtaunus Romini
Headline: \"Verweigerer sollten jetzt zahlen\"

FR: \"Herr Romini, was empfehlen Sie Gaskunden, die die Preiserhöhungen verweigerten und jetzt erneut zur Zahlung aufgefordert werden?\"

Hr. R.: \"Sie sollten dasselbe tun, was ich auch gemacht habe: Ich habe meine Gasrechnung im Nachhinein gezahlt.\"

FR: \"Warum?\"

Hr. R.: \"Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Offenlegungspflicht gegenüber Endverbrauchern nicht die gesamte Preiskalkulation betrifft, sondern nur die Erhöhungen. Das heißt natürlich gar nichts, denn die Versorger sagen, wir geben nur die Preiserhöhungen unserer Lieferanten weiter. Aber an dem Urteil kann man nichts ändern.

FR: \"Wenn jemand dennoch nicht zahlt?

Hr.R.: \"Der wird verklagt und verliert.\"

FR: \"Können die Versorgungsunternehmen säumigen Zahlern den Gashahn abdrehen?\"

Hr. R.: \"Nein. Ohne Titel geht das nicht. Sie können nicht, nur weil eine Rechnung offen ist, den Kunden das Gas abdrehen.\"


Soweit der Text. Es geht um die Stellungnahme zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Druchreichens von gestiegenen Bezugskosten.
Das ist meines Erachtens so weder vollständig noch richtig. Der BGH hat das SO NICHT gesagt. Das war auch auf dem Expertentreffe in Hannover einhellige Meinung. Dazu eine originale Textpassage aus dem Urteil:

„Eine auf eine Bezugskostenerhöhung gestützte Preiserhöhung kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (vgl. auch Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, unter II 3 a). Ein solcher Fall ist hier indessen nicht gegeben. Wie sich aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und in seiner inhaltlichen Richtigkeit vom Kläger nicht bestrittenen Gutachten der Wirtschaftsprüfer E. GmbH (Anlage BK 22) ergibt, sind die weiteren allgemeine Kosten der Beklagten nicht gesunken sonder gestiegen.“ (Originaltext Urteil vom 13.06.2007 AZ:VII ZR 36/06; Stelle II 3. b. Rdnr. 26)

Dass der Anstieg bei nicht durch rückläufige Kosten kompensiert werden konnte (nur beispielsweise bei Personalkosten oder Netzentgelte) ist zumindest durch die immer wieder herangezogenen \"Wirtschaftsprüfertestate\" bislang nicht dargestellt worden. Insofern sind solche Gutachten über ihre Eigenschaft als Parteigutachten an sich hinaus besonders wertlos und würde vor Gericht in jedem Falle (nicht wie im Fall vor dem BGH) hinsichtlich der  inhaltlichen Vollständigkeit, nicht nur bezüglich der rückläufigen Kosten, von Verbraucher Seite bestritten.



2. Artikel in der Neuen Westfälischen vom 21.09.2007 mit dem Titel: Energieversorger unter Dampf - Auch der dritte Verhandlungstag bringt kein Urteil im Gasprozess: Eon Westfalen Weser muss Preiserhöhung detaillierter belegen

mit folgender Passage:
\"...Gestern ging es in der knapp 90 minütigen Verhandlung erneut um juristische Detailarbeit, unterschiedliche Sichtweisen und die Auslegung bisheriger Urteile des Bundesgerichtshofes.

Der hatte nämlich im Juni entschieden, dass der von den Verweigerern stets vorgebrachte § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar angewendet werden darf, aber nur auf die Preiserhöhung und nicht auf den Gesamtpreis. Außerdem akzeptiere jeder Gaskunde den Preis des Versorgers, wenn er einmal den vollen Preis gezahlt habe.

Das freilich schmeckt den Gaspreis-Kritikern überhaupt nicht. „Wir wollten immer, dass der ganze Gaspreis auf den Prüfstand kommt, weil wir überzeugt sind, dass schon der Ausgangsbetrag vor Oktober 2004 viel zu hoch ist“, begründet Reinhard Weeg und sieht jetzt kaum noch eine Möglichkeit den gesamten Gaspreis gerichtlich unter die Lupe zu nehmen...\"

Soweit die Passage. Hier geht es hauptsächlich um die Darstellung, der BGH hätte entschieden, der Streitgegenstand könnte grundlegend und immer nur eine \"Preiserhöhung\" leider aber nie der Gesamtpreis sein. Auch das hat der BGH SO NICHT entschieden.

Auch hier nochmals zur Verdeutlichung die originale Passage aus dem Urteil zum Streitgegenstand:
„Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Streitgegenstand lediglich die Überprüfung der von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommen Tariferhöhung, nicht aber der gesamten von der Beklagten in Rechnung gestellten Gasttarifs ist. Der Kläger hat in erster Instanz die Feststellung der Unbilligkeit der zum 1. Oktober 2004 vorgenommenen Erhöhung des Gastarifs beantragt. Nur diese – und nicht etwas die Unbilligkeit des gesamten Tarifs – hat das Amtsgericht im Tenor und in den Gründen seiner Entscheidung festgestellt. Es hat ausgeführt, durch die Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhung gelte ohne weiteres der bisherige Preis als billiger Preis. Dieser Streitgegenstand hat sich auch in der zweiten Instanz, in der der Kläger die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat, nicht verändert.“ (Originaltext Urteil vom 13.06.2007 AZ:VII ZR 36/06; Stelle I 2. a. Rdnr. 12)

Wie hier sehr deutlich hervortritt, ist der Streitgegenstand vom Antrag des Klägers abhängig. Das Gericht überprüft und entscheidet dann auch lediglich zum definierten Streitgegenstand. Wie es sich verhält, wenn der Kläger einen „neu erhöhten Gesamtpreis“ angreift, sprich die Überprüfung auf Billigkeit eines solchen beantragt, hat der BGH offen gelassen. Der Streitgegenstand wäre dann jedenfalls ein gänzlich anderer als im zitierten Verfahren.

Wenn Sie anderer Auffassung sind, so lassen Sie mich das gerne wissen.

MfG FF
Alea iacta est...

Offline RR-E-ft

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Falsche Interpretation des BGH-Urteils VIII ZR 36/06 druch die Medien
« Antwort #1 am: 01. Oktober 2007, 17:09:20 »
@RA-FF

Sehr geehrter Herr Kollege,

man sollte ggf. der FR- Redaktion eine entsprechende Stellungnahme zukommen lassen, so dass diese den Hintergrund der Rechtsprechung für die Leser näher ausleuchten kann. Woher sollten Journalisten es auch sonst besser wissen. Deren Ausbildung besteht nicht darin, Urteile zu interpretieren.

 

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