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Autor Thema: 18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg  (Gelesen 13672 mal)

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Offline RR-E-ft

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #15 am: 21. Oktober 2007, 13:19:30 »
@jroettges

Es sollte sich niemand verrückt machen lassen.
Die Sammelklagen sind richtig und wichtig.

Neben den Oldenburger Prozessen gibt es auch nach das Verfahren vor dem Kartellsenat des LG Hannover und das Verfahren vor dem LG Frankfurt/ Oder.

In den Kundeninformationen zur Sondervereinbarung der EWE AG zum 01.09.2004 und zum 01.08.2005 war unter 1.2 ausdrücklich aufgeführt:

\"Diese Sondervereinbarung ist kein Allgemeiner Tarif im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes\"


Es handelte sich gem. Punkt 2 ausdrücklich um Sondergaspreise.

Damit steht fest, dass die Sondervereinbarungen S I und S II , nunmehr umbenannt in  EWE Erdgas Classic, keine Allgemeinen Tarife im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes waren, auf welche die AVBGasV als Verordnung überhaupt nur Anwendung fand (vgl. § 1 AVBGasV).


Sicher tut auch der Prozessbevollmächtigte der EWE gut daran, seine Brille zu putzen, dies nochmals genau nachzulesen und dies selbst schleunigst richtig zu stellen, sollte er im Eifer des Gefechts unwahre Tatsachen in der Verhandlung zum Vortrag gebracht haben. Des Lesens selbst soll er ja mächtig sein. Dass er vielleicht aufgrund gewisser Betagtheit schon etwas tuttelig ist und deshalb im Eifer eines Gefechts schon einmal  Sachen durcheinander bringt, mag man ihm ggf. noch nachsehen. Nicht nachsehen würde man, wenn keine unverzügliche Richtigstellung dazu erfolgt.

Möglicherweise waren auch Juristen der EWE in der Verhandlung zugegen, die dem Prozessbevollmächtigen ggf. sogleich hätten ins Wort fallen müssen, weil sie es selbst besser wissen (müssen).

Sollten  die EWE- Anwälte demgegenüber tatsächlich wahrheitswidrig etwas anderes im Prozess vorgetragen haben und daran weiter festhalten, dann gibt es dafür klare prozessuale und strafrechtliche Regelungen. Und sicher sind auch die Juristen- Kollegen bei den Staatsanwaltschaften des Lesens mächtig und ganz gewiss nicht nur des Lesens.

Wenn Zuschauer des Prozesses sich an enstprechende Aussagen des Prozessbevollmächtigten der EWE erinnern, wonach es sich bei den Sonderpreisen S I um Allgemeine Tarife im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes handelt, sollten sie dies schleunigst als Gedankenstütze zu Papier bringen, so dass sie selbst auch mit Zeugenaussagen, eidesstattlichen Versicherungen für diese Tatsatsache später zur Verfügung stehen können. Es müssen doch einige Zuschauer (nicht Kläger) Zeugen des entsprechenden Vortrags geworden sein. Diese sollte man nach Möglichkeit feststellen, um sie zu benennen, wenn die objektivste Behörde der Welt den Sachverhalt später aufklären wollte.

Vorsorglich also schon einmal eine Zeugenliste mit Anschriften  zusammenstellen.

Im Übrigen ist es so, dass EWE selbst Erdgas fördert und nach Deutschland importiert bzw. an der Erdgasförderung und am Import beteiligt ist.

Der Wert der Ware Erdgas hatte sich laut amtlicher Statistik des BAFA Eschborn gegenüber April 2003 und November 2004 bis zum Mai 2005 gerade einmal von 1,31 Ct/ kWh auf 1,45 Cent/ kWh erhöht.

Preiserhöhung der EWE zum 01.09.2004 jedoch 0,40 Cent/ kWh (netto).

Der Wert der Ware Erdgas hatte sich laut amtlicher Statistik des BAFA Eschborn gegenüber Abril 2003 und November 2004 bis zum November 2006 gerade einmal von 1,31 Cent/ kWh auf 2,23 Cent/ kWh um 0,92 Cent/ kWh erhöht.

Die kumulierten Preiserhöhungen der EWE in dieser Zeit betrugen 1,510 Cent/ kWh (netto).

EWE behauptet dabei eine kumulierte Bezugskostensteigerung in dieser Zeit um 1,816 Cent/ kWh, was angesichts des vom BAFA amtlich festgestellten Anstiegs des Werts der Ware Erdgas an der deutschen Grenze in selber Zeit um lediglich 0,92 Cent/ KWh überhaupt nicht nachvollziehbar ist.

EWE behauptet, ohne eine plausible Erklärung dafür zu haben, dass ihre Beschaffungskosten doppelt so stark gestiegen seien wie der Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze. Wie denn das?

Einzige Begründung: weltweit gestiegene Energienachfrage, vornehmlich in aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien.

Diese führte indes allein zum Anstieg des Werts der Ware Erdgas an der deutschen Grenze um lediglich 0,92 Cent/ kWh.

Dass da wohl etwas nicht stimmen kann, liegt wohl offen auf der Hand.

Offline RR-E-ft

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #16 am: 21. Oktober 2007, 14:02:31 »
Ich habe den Kollegen der EWE- Rechtsabteilung heute folgende Mail geschickt:


Sehr geehrter Herr Kollege Darimont,
sehr geehrter Herr Kollege Grabow,

einige Kunden Ihres Unternehmens, die an den Gaspreis- Verhandlungen am 18.10.2007 vor dem Landgericht Oldenburg teilgenommen haben, meinen, sich an einen Vortrag Ihres Prozessbevollmächtigten zu erinnern, wonach es sich bei den Sondergaspreisen S I um Allgemeine Tarife im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes handelt, auf welche die AVBGasV unmittelbar Anwendung findet.

Sollte es einen solchen Vortrag tatsächlich gegeben haben, wäre er aus meiner Sicht wohl schleunigst richtig zu stellen.


Bitte hier lesen:

18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg





Freundliche kollegiale Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline uwes

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #17 am: 06. November 2007, 17:27:13 »
Zitat
Original von Thomas S.
Und warum werden diese Punkte nicht von den Verbrauchern massiv bestritten? Ich verstehe es nicht...

Wer behauptet das? Die in den Wirtschaftsprüferstellungnahmen aufgestellten Behauptungen, wonach ausschlließlich Bezugskostensteigerungen weitergegeben worden sein sollen, wurden meines Wissens in allen Verfahren detailliert bestritten.
Die für mich prozessrechtlich relevante Frage lautet:
Wie will das Gericht dann um eine Beweisaufnahme dazu herumkommen?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #18 am: 06. November 2007, 17:43:42 »
@uwes

Ggf. sollte man jetzt dem Gericht das  Sondergutachten 49 der Monopolkommission
vom heutigen Tage vorlegen, wonach es keinen wirksamen Wettbewerb gibt und der BGH eine unzutreffende Marktabgrenzung vorgenommen hat (vgl. S. 140, 152f.), was nicht verwundert, weil für Fragen der Marktabgrenzung eigentlich der Kartellsenat zuständig ist.

Aus OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 19.09.06 - 11 U 44/05 zum Bedarfsmarktkonzept:

An dieser zutreffenden Marktabgrenzung ändert es nichts, wenn die Beklagte im fraglichen Zeitraum in der Lage gewesen sein sollte, Dieselkraftstoff für den Betrieb ihres Eisenbahnunternehmens von Drittlieferanten zu beziehen. Denn sie hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie nur über eine Diesellok, aber über mehrere Elektrolokomotiven verfügt. Der sachlich relevante Angebotsmarkt bestimmt sich nach dem Bedarfsmarktkonzept. Danach sind sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet hält, abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht, marktgleichwertig.

Stehen unterschiedliche Systeme zur Bedarfsdeckung zur Verfügung, so ist eine Austauschbarkeit zu verneinen, wenn nach den Verbrauchsgewohnheiten der Abnehmer nicht davon auszugehen ist, dass diese von einem System zum anderen wechseln. So sind trotz der objektiv gegebenen Substituierbarkeit verschiedene Energieträger, die den gleichen Bedarf nach Raumwärme decken, nicht unbedingt als austauschbar anzusehen, da die Umstellung von einem Heizungssystem auf das andere, z. B. von Gas auf Heizöl, unter Umständen erhebliche Kosten verursacht. Selbst bei Produkthomogenität kann es an der funktionellen Austauschbarkeit und damit an einem einheitlichen Markt fehlen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Abnehmer Anpassungsleistungen erbringt, um vorhandene Unterschiede in der Aufmachung des Angebots zu überwinden. Insbesondere fehlt es an einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit, wenn sie mit besonderen Kostenaufwendungen verbunden ist (Götting in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht § 19 Rn. 13f; Langen/Bunte/Schultz, Kartellrecht, 10.Aufl. § 20 Rn. 53 ff ). Die von der Klägerin als ihr günstig zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23.02.2005 scheint diesen Umstand nicht zu berücksichtigen, sondern ohne weiteres von der Austauschbarkeit zwischen Fernwärme, Öl, Gas und Elektrizität auszugehen.


Siehste auch hier Seite 66.

Offline Lüder

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #19 am: 09. November 2007, 17:28:09 »
Als Zuhörer der mündlichen Verhandlung vor dem LG Oldenburg am 18.10.07 wegen der EWE Gaspreise habe ich mich zunächst mal doch sehr gewundert, daß eine schriftliche Protokollführung lt. Richter Boklage aus Kostengründen nicht möglich sei.
Da gehen natürlich große Teile des Argumentationsaustauschs schlicht und einfach unter den Teppich.
Ist es überhaupt zulässig, daß ein vorsitzender Richter selber per Diktiergerät protokolliert ?

Ich habe deshalb gleich am nächsten Tag ein Gedächtnisprotokoll erstellt :
Es ist ja schon ziemlich fatal, daß die Justiz lt. Richter Boklage überfordert sein könnte mit dem Thema „Gaspreiserhöhung“ und daß er meint, da wäre die Politik gefragt. So kann man natürlich sehr bequem eine Entscheidung auf der Grundlage bisher ergangener Gerichtsurteile und gesetzlicher Gegebenheiten treffen. Gesunder Menschenverstand bleibt da besser außen vor.
  „Was wir wissen müssen, haben wir“ ! so Richter Boklage im Hinblick auf eine LG Entscheidung am 22.11. bzw. 29.11.07.Das Gericht argumentiert:
[list=1]
  • Die EWE ist immer noch einer der preiswertesten Anbieter im Markt
  • Es liegen „unabhängige“ Wirtschaftgutachten vor, die belegen, daß die EWE tatsächlich nur erhöhte Bezugskosten weitergegeben hat.
  • Die enorm gesteigerten Bilanzgewinne der letzten drei Jahre, extensives Engagement im Ausland oder Sponsoring von Sport und Kultur/Wissenschaft spielen für eine Entscheidungsfindung keine Rolle.
  • [/list=1]   Darüberhinaus ist fraglich, ob man eine Revision des zu erwartenden Urteils zulassen wird angesichts einer Vielzahl bereits ergangener Urteile einschl. der BGH Entscheidung vom 13.6.07.   Da bliebe dann möglicherweise nur noch eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO.   In der Verhandlung für mehrere Klagen haben nach meinem Eindruck die RA’e der Kläger gegenüber der EWE Präsenz keine überzeugende Vorstellung gegeben. Einzig RA Adler hat in eigener Sache deutliche Worte gesprochen.   Als Protestgemeinde müssen wir wohl konstatieren, daß die Entscheidung einiger Verbraucher, die EWE aktiv zu verklagen, ein gravierender strategischer Fehler war. Nach meiner Ansicht hat diese Vorgehensweise die Erfolgsaussichten der Protestler auf eine Verurteilung der EWE wahrscheinlich doch erheblich geschwächt. Besser wäre wohl gewesen, sich von der EWE verklagen zu lassen !!Die Diskussion um die rechtliche Bedeutung von Sondertarifen und Grundversorgung ist mir unverständlich geblieben.Inzwischen habe ich die EWE Jahresabrechnung 2006/07 erhalten und umgehend zurückgewiesen, da diese wieder auf der Basis der nach §315 bestrittenen Preissteigerungen erstellt wurde.

Offline jroettges

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #20 am: 22. November 2007, 18:02:56 »
Hier die Presseerklärung zum Urteil des LG Oldenburg vom 22.11.07.

Offline RR-E-ft

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18.10.07 Verhandlung beim LG Oldenburg
« Antwort #21 am: 22. November 2007, 21:16:38 »
Jetzt sollte man erst einmal die Urteilsbegründungen abwarten und dann sehen, ob man etwa in Berufung geht.

Pressemitteilung der EWE

Die Kläger hatten sich damit durchgesetzt, dass das Landgericht Oldenburg für die Billigkeitsentscheidung zuständig ist, und nicht das Landgericht Hannover als Kartellgericht, wie es EWE verlangt hatte.

Dann müssen die Kläger wohl auch geltend gemacht haben, dass eine Billigkeitskontrolle stattzufinden hat.

Deren Voraussetzungen liegen jedoch nach dem Urteil des BGH vom 13.06.2007 dann nicht vor, wenn die Parteien nicht bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei zur einseitigen Festlegung der Preise vereinbart hatten und wenn sich ein Recht zur Preisänderung auch nicht aus dem Gesetz ergibt.

Gegenüber Sondervertragskunden S I ergibt sich kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht aus dem Gesetz, weil die AVBGasV als Rechtsverordnung auf diese Vertragsverhältnisse, bei denen es sich ausdrücklich nicht um die Versorgung gem. § 10 EnWG 1998  handelte, nicht zur Anwendung kam.

Sicher wurde ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der vom Kunden zu zahlenden Preise auch nicht bei Vertragsabschluss vereinbart. Hätte es eine entsprechende vertragliche Vereinbarung bei Vertragsabschluss gegeben, so unterlägen die zuletzt festgelegten Preise insgesamt, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB.

So kann der Fall nicht gelegen haben, weil das Gericht es ablehnte, einen \"Preissockel\" zu prüfen.

Die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen bemisst sich allein nach § 307 BGB. Entsprechende Klauseln müssen dem Transparenzgebot entsprechen.

Meines Erachtens hätte also vorliegend gar keine Billigkeitskontrolle stattfinden dürfen, weil schon die Voraussetzungen für eine solche gar nicht vorlagen. Das Gericht hätte vielmehr feststellen müssen, dass ein Recht zu  einseitigen Preisänderungen nicht besteht, die Preisänderungen deshalb unwirksam sind (so auch OLG Bremen).

Wenn die Kläger jedoch auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle gedrungen haben sollten, obschon die Voraussetzungen für eine solche gem. § 315 BGB schon gar nicht vorlagen, dann ist ihnen wohl auch nicht recht zu helfen. :rolleyes:

 

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