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Autor Thema: Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV  (Gelesen 13113 mal)

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Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« am: 22. Juni 2007, 10:51:13 »
Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV

Die Stadtwerke Neubukow haben für die nächste Stadtverordnetenversammlung eine Beschlußvorlage eingebracht,um die Preise zukünftig erhöhen zu können (Anm. danach hatten sie wohl vorher gar kein Recht dazu ?!)

\" Die Wärmelieferung erfolgt mit Abschluß des Wärmeliefervertrages zu den Bedingungen der derzeit gültigen Preisblattes \" (Anmerk. dies ist eigentlich nachvollziehbar ,wenn der Wärmeversorger frei wählbar wäre,aber in der Stadt Neubukow besteht Anschluß -und Benutzerzwang )

Im Preisblatt für die Fernwärmeversorgung soll neu zugefügt werden.

Abrechnung, Abschlagszahlungen:
Die Abrechnung sowie die Festsetzung von Abschlagszahlungen erfolgt entsprechend § 24 und 25 der AVB Fernwärme (Anm. also gab es bisher garkeine Berechtigung für die Festsetzung von Abschlagszahlungen ?!)

Preisänderungen:

Die Stadtwerke Neubukow GmbH sind gem. §4 Abs. 1,2 AVB FernwärmeV berechtigt,die Preise anzupassen,wenn sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses so ändern,dass die vereinbarten Preise oder Bedingungen für die Stadtwerke Neubukow GmbH nicht mehr in dem bei Vertragsabschluß anerkannten angemessenen Verhältnis ( Anm. wird damit nicht schon BGB § 315 ausgeschlossen ?!) von Leistung und Gegenleistung stehen. Die Preisanpassung erfolgt nach billigem Ermessen.

Am 27,6,2007 ist eine öffentliche Stadtvertretersitzung zu diesem Thema bzw. Beschlußfassung.

Ich kann aus dem §4 AVBF (aus meiner Sicht) keine Berechtigung zur Anpassung der Fernwärmepreise herauslesen, es sei denn die technischen Werte werden verändert oder es ergeben sich Zusatzkosten lt. Gesetz etc. z.B Ökosteuer ????.

mfg

M.Harms

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #1 am: 22. Juni 2007, 12:08:14 »
Wir werden hier nicht diskutieren, wie eine wirksame Preisänderungsklausel auszusehen hat.

Rechtsgutachten Clifford Chance § 315 BGB auf Fernwärmepreise (Versorgersicht)

Weitere Infos des Lobbyverbandes AGFW

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #2 am: 22. Juni 2007, 21:34:53 »
S.g.Herr Fricke,
Vielen Dank für die Links. Beim AGFW schaue ich sowieso desöfteren nach,habe aber zu dem Thema nichts gefunden,was natürlich auch dem Umstand geschuldet sein kann,dass ich als \"rechtlicher \"Laie wohl anders lese und verstehe als ein Jurist.
Das Rechtsgutachten habe ich mittlerweile auch gelesen(zumindest was §315 und die Preisanpassung betrifft) ,allerdings gilt auch hier vg.

Mir geht es nicht darum zu diskutieren ,wie eine wirksame Preiserhöhungsklausel auszusehen hat , sondern darum, ob  die Stadtwerke berechtigt sind ,gem. AVBF § 4 die Preise einseitig zu  ändern. Ich habe natürlich auch Ihre Ausführungen zur Billigkeitskontrolle von Energiepreisen gelesen. Auf Seite 10 führen Sie aus \":... ergibt sich allein daraus,dass dem anderen Vertragspartner das Recht eingeräumt ist,die Preise nachträglich einseitig zu ändern.Wurde kein Recht zu einseitigenPreisanpassungen wirksam vereinbart,verbleibt es hingegen allein bei den Regelungen der §§ 313,314 BGB Ein Vertragspartner ist dann nicht berechtigt,die Preise einseitig zu ändern .Vielmehr bedarf es unter den Voraussetzungen des § 313 BGB eines wirksamen Anpassungsverlangens\"
Ist also schon allein die Berufung auf §4 Abs 2 AVBF ein wirksames Anpassungsverlangen ?

Ich habe den von mir zitierten Punkt Preisänderungen eigentlich garnicht als
Preisänderungsklausel angesehen. Lt. AVBF §24 Abs 3 handelt es sich um Faktoren und  Prozente die in der PäKlausel zu verwenden sind . Folglich müsste die Preisänderungsklausel eigentlich mathematisch ausgedrückt werden.
Somit kann es sich bei der\"Preisänderung\"wohl nicht um eine Preisänderungsklausel im Sinne der AVBF § 24 handeln.

Mir hat nachfolgende Formulierung sehr zu denken gegeben :...
 in dem bei Vertragsabschluß anerkannten angemessenen Verhältnis  von Leistung und Gegenleistung stehen.
Bei freier Wahl meines Wärmelieferanten könnte ich der Formulierung schon folgen. Allerdings beim Anschluß-und Benutzerzwang  wehre ich mich schon dagegen,daß  nunmehr unterstellt wird,die Vertragspartner wären sich bei Abschluß des Vertrages(dh. durch Entnahme aus d: Netz), einig,daß es sich um ein anerkanntes ,angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung handelt.

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #3 am: 24. Juni 2007, 21:17:35 »
Wenn im Zeitpunkt des erstmaligen Vertragsabschlusses ein Anschluss- und Benutzungszwang galt, kann § 315 BGB zur Anwendung kommen.

§ 4 AVBFernwV enthält keine Preisänderungsbefugnis, was sich allein aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 AVBFernwV ergibt.

BGH Urteil vom 11.10.2006 (Beachte Randnummer 19!)

§ 24 AVBFernwärmeV

Ist im Vertrag keine Preisänderungsklausel enthalten, verbleibt es beim  vereinbarten Preis bzw. beim (von Anfang an vereinbartem) einseitigen Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich des Gesamtpreises.

BGH Urt. v. 15.02.2006 (Beachte Randnummer 29 f. !)

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #4 am: 25. Juni 2007, 09:12:33 »
Vielen Dank Herr Fricke.

die von Ihnen zitierten Urteile werde ich in der nächsten Stadtverordnetenversammlung benennen. Ich gehe davon aus,daß die Stadtverwaltung und die Abgeordneten die garnicht kennen.
Insoweit \"freue\" ich mich auf die entsprechende Diskussion.

ps. Der Anschluss und Benutzerzwang ist erst im Jahre 2000 also 8 Jahre nach Fertigstellung der FW Versorgung ausgesprochen worden. Ich denke aber,daß somit BGB § 315 trotzdem zur Anwendung kommt ?

Offline RR-E-ft

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #5 am: 29. Juni 2007, 15:08:05 »
@Stadt/Versorger

Ich kann nicht erkennen, welchen Gefallen Sie sich selbst dadurch tun wollen, dass Sie darauf hinweisen. Dann wird eben nachgebessert, bis sich die Position der Kunden  entsprechend verschlechtert hat.

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #6 am: 29. Juni 2007, 20:46:23 »
@ fricke

Ich habe mich leider nicht vollständig genug ausgedrückt. Besser wäre gewesen :\" Ich gehe davon aus,daß die Stadtverwaltung und die anderen Abgeordneten die gar nicht kennen.\"
Ich bin nämlich auch Abgeordneter der Stadt(Einzelkämpfer) und bei den letzten Kommualwahlen sicherlich nur mit dem zweithöchsten Stimmenanteil gewählt worden,weil ein Hauptpunkt von mir die verfehlte Energiepolitik der Stadt war. (Stadtwerke/zu hohe Preise/Anschluß und Benutzerzwang/)
Insoweit sehe ich meine Verpflichtung auch gegenüber denen,die mich gewählt haben.
Ich will mir also in erster Linie nicht selbst einen Gefallen tun,auch wenn ich als Privatmann selbst von dieser Politik betroffen bin ( 1x verklagt von den Stadtwerken, da ich die Preise im Zuge der Kommunalwahl als Abzocke bezeichnet hatte , 1x verklagt, da ich die Preise gekürzt habe und Abschlagsrechnungen entsprechend -BGB 315-)
Insoweit bin ich auch in diesem Forum aktiv ,um mich einigermaßen fit zu machen auf rechtlichem Gebiet.
Informierte und kampfbereite Bürger sind wohl mit das größte Übel für Bürokraten.
Ein entprechendes Wissensniveau bringt schon Vorteile ,gerade in meiner Arbeit als Stadtvertreter.Dies ist wohl die einzige Waffe ,die eine Minderheit hat,um sich in diesem Gremium entsprechend behaupten zu können.Leider herrscht in solchen Gremien oftmals Gedankenlosigkeit oder Parteidisziplin,die es der Verwaltung ermöglichen ,entsprechend genehme Beschlußvorlagen durchzusetzen.
Ihrem letzten Satz entnehme ich,daß Sie selbst entsprechende negative Erfahrungen haben könnten bzw. solche kennen. Es ist auch eine entsprechende Resignation spürbar.
Aber ich kann Ihnen aus meiner Tätigkeit als Stadtvertreter versichern,daß es manchmal möglich ist ,an den gesunden Menschenverstand der Abgeordneten zu appellieren und entsprechende Beschlußvorlagen zu Fall zu bringen. Wenn das nicht reicht sollten die Bürger mobilisiert werden. Ich selbst habe soetwas schon einmal getan.(Abwassergebühren) Der Saal war übervoll. Als abgestimmt wurde und die Bürger während der Abstimmung aufgeregt aufstanden und riefen :\"wir wollen mal sehen ,wer von euch uns ans Geld will\",konnten man zusehen wie die zur \"ja\"Stimme erhobenen Finger vor der Auszählung ganz schnell wieder unten waren. In solchen Gremien wie Stadtverordnetenversammlungen (zumindest in kleinen Gemeinden)kann also noch etwas erreicht werden,insbesondere wenn es an den Geldbeutel der Bürger gehen soll. Allerdings vergessen die Bürger schnell und es zieht Gleichgültigkeit und Interessenlosigkeit wieder ein. Es gilt wohl die Devise :Sollen die anderen man entscheiden ,besserwissen und meckern kann man dann später immer noch. Nur dann ist es oftmals zu spät.
Trotzdem gehe ich nicht davon ab,daß bei entsprechender Vorbereitung und Überzeugung es zumindest schwieriger für die Verantwortlichen ist ,die Positionen der Kunden entsprechend zu verschlechtern. Dies gilt wie gesagt zumindest im dem Falle,wo Entscheidungen \"vor Ort\" getroffen werden.(Gemeinden)

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #7 am: 28. Juni 2011, 21:12:48 »
Das Landgericht Rostock tendiert offenbar in die Richtung,daß es die Preise nach 315 garnicht prüfen möchte,sondern den Stadtwerken Neubukow ist die Auffassung mitgeteilt worden,daß das Gericht dazu neigt,keine Preiserhöhungsbefugnis seit 2005 erkennen zu können. Die Stadtwerke sollen ihrer Forderungen deshalb unter dieser Prämisse neu auflisten.

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #8 am: 04. Juli 2011, 16:16:25 »
Die Stadwerke Neubukow beharren auf ihrem Preisanpassungsrecht nach AVBF § 4,2

http://neubukow.info/index.php?site1=informationen

Offline Stadt/Versorger

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Preiserhöhung nach § 4 Abs 1,2 AVB FernwärmeV
« Antwort #9 am: 30. Dezember 2011, 11:18:56 »
Das Verfahren Stadtwerke /Harms geht weiter,nachdem beide Seiten Berufung gegen das Urteil des LG Rostock eingelegt haben.
Der Versorger will ggf .bis zum BGH,da er davon ausgeht,daß er ein einseitiges Preisanpassungsrecht hat.
Zitat:
Der BGH geht in seiner Entscheidung vom 15,2,2006 AZ VII ZR 138/05 Rdnr 29 davion aus,daß den Fernwärmeversorgern ein einseitiges Preisanpassungsrecht zusteht.
\"Im ersten Fall unterliegt die Preisbestimmung d.d. Klägerin,deren Angemessenheit die Beklagten bestritten haben,als einseitige Leistungsbestimmung einer Kontrolle nach § 315 Abs 3 BGB\"
Dieses einseitige Preisanpassungsrecht kann sich nur aus§4 Abs2 AVBFV ergeben,auch wenn der BGB dies nicht noch einmal ausdrücklich erwähnt hat.

Weiter ist das Urteil des LG Landau vom 17,11,2005 AZ 0919/02 als Hinweis für das Preisanpassungsrecht aufgeführt.
Der BGH geht nach Ansicht der Stadtwerke davon aus,daß ein einseitiges Preisanpassungsrecht des fernwärmeversorgers nach §4Abs2 AVBFV besteht,auch wenn er es noch nicht ausdrücklich ausgesprochen hat.


ps.
wer die Revisionsbegründung lesen will kann mir eine e-mail schreiben.Ich schicke Sie dann ggf.zur Info

 

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