E.ON- Anwalt war Herr Kollege Dr. Schulz- Gardyan,
Schulz Bärwinkel Noack, Hamburg
(Herr Kollege Brucker, der E.ON noch vor dem AG Potsdam vertreten hatte, ist zu Kermel & Scholtka in Berlin gewechselt.)
Wenn der
"local plus" Vertrag nicht wirksam gekündigt wurde und dessen Anfangspreis Gegenstand einer Einigung war und ein Preiserhöhungsrecht zugunsten E.ON nicht bestand, so ist der dabei vertraglich vereinbarte Anfangspreis geschuldet.
Richtig stellt der Senat heraus, dass sich für den
"local plus"- Vertrag ein Preiserhöhungsrecht schon nicht aus § 4 AVBEltV ergeben kann, da die Verordnung auf den Sondervertrag schon keine Anwendung findet.
Eine AGB- Kontrolle würde wohl zu dem Ergebnis führen, dass ein solcher Preisänderungsvorbehalt gegen § 307 BGB verstößt (vgl. nur BGH NJW 2000, 652).
Siehe auch hier:
BGH: Verhältnis § 307 BGB zu § 315 BGBIn einem Sondervertrag verstößt eine AGB- Bestimmung, die den Einwendungsausschluss § 30 AVBEltV nachbildet und auch den Einwand der Unbilligkeit umfasst, nach den Urteilen des BGH vom 05.07.2005 (NJW 2005, 2919 [2920] und WuM 2005, 589 ff. unter II 2 c) gegen § 307 BGB und ist deshalb unwirksam.
Wurde der Sondervertrag indes wirksam gekündigt, so endete dieser Vertrag aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 31.04.2002.
Ein vertraglicher Zahlungsanspruch für die Stromlieferungen ab dem 01.05.2002 besteht in diesem Falle nur dann, wenn ein neuer Stromlieferungsvertrag überhaupt wirksam begründet wurde.
´Vertrag´ kommt bekanntlich von ´vertragen´, so dass ein wirksamer Vertragsabschluss auch bei Energielieferungsverträgen regelmäßig eine entsprechende
Einigung, ein Einigsein der Parteien voraussetzt.
Zutreffend geht der Senat davon aus, dass sich der Kunde nicht mit E.ON auf einen ab dem 01.05.2002 zu zahlenden Preis nach dem Tarif "local classic" geeinigt hatte.
Das OLG München hatte bereits in einem Urteil (NJW-RR 1999, 421) entschieden, dass nach der versorgerseitigen Kündigung eines Sondervertrages durch den weiteren Strombezug des Kunden kein Stromlieferungsvertrag zu den Allgemeinen Tarifen des Versorgers zustande kommt.
Sollte der Kunde E.ON tatsächlich
angeboten haben, ab dem 01.05.2002 den alten Preis weiter zu bezahlen, wäre auch denkbar, dass dadurch zu diesem Preis ab dem 01.05.2002 über eine entsprechende
Einigung ein neuer Vertrag wirksam zustande kam, weil etwa E.ON dieses Angebot nicht unverzüglich zurückgewiesen hatte.
Für Energieversorgungsunternehmen als Kaufleute gilt nämlich das
Schweigen auf ein Angebot durchaus auch schon einmal als
Annahme, § 362 Abs. 1 Satz 2 HGB.
Der Bundesgerichtshof könnte in diesem Fall möglicherweise ohne Zurückverweisung entscheiden. Der Kläger hätte den Preis, mit dem er einverstanden war, den er selbst neu angeboten hatte und zudem ein neuer Vertrag zustande kam, zu zahlen.
Diese Lösung wäre nicht nur auf ihre Art sympathisch, sondern auch juristisch unkompliziert und klar.
Andernfalls kommt ein wirksamer neuer Vertragsabschluss allenfalls nach der st. Rechtsprechung des BGH durch die Entnahme von Strom aus dem Netz und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers gem. §§ 315, 316 BGB in Betracht (so auch OLG München, aaO.).
Wenn E.ON den bisherigen Vertrag also zum 31.04.2002 wirksam gekündigt hatte, war dieser beendet und ein neuer konnte - wegen fehlender Einigung auf einen Preis- nur bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers begründet werden.
Es gäbe also keinen Vertrag, den der Kunde demgegenüber hätte kündigen können.
Mit dem Vortrag zu einer angeblich treuwidrig unterlassenen Kündigung des Kunden liegt die Kollegin deshalb mehr als daneben.
Der Vorwurf einer Treuwidrigkeit ist allein deshalb vermessen, weil E.ON das zwischen den Parteien bis dahin bestehende vertragliche Treueband selbst durch eine Kündigung zerschnitten hatte und eben nicht der Kunde, der sich bis zu dem Streit immer vertragstreu verhalten hatte.
Wie ein Stromkunde bei konzernseits gekündigtem Vertragsverhältnis E.ON gegenüber zur Treue verpflichtet sein könnte, ist nicht nachvollziehbar.
Man kann nicht einerseits einen Vertrag kündigen und sich andererseits noch auf eine weiter bestehende vertragliche Treuepflicht berufen wollen.
Es geht nämlich nicht darum, ob der Kunde einen noch gar nicht begründeten neuen Vertrag gekündigt hat, sondern ob ein neuer Vertrag überhaupt erst wirksam zustande gekommen ist.
Um einen neuen Vertrag überhaupt form- und fristgerecht gem. § 32 AVBEltV kündigen zu können, muss ein solcher neuer Vertrag überhaupt erst einmal abgeschlossen worden sein.
Vor Abschluss eines solchen neuen Vertrages lässt sich ein solcher selbstredend nicht schon kündigen.
Wie das gehen sollte, mag das Geheimnis der E.ON- Anwältin bleiben.
Schließlich setzt selbst das Sonderkündigungsrecht nach § 32 Abs. 2 AVBEltV schon voraus, dass zunächst überhaupt ein Tarifkundenvertrag besteht, dessen Vertragsbestandteil die Regelung des § 32 Abs. 2 AVBEltV gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBEltV nur sein kann.
Es lässt sich indes nicht im selben Moment ein Vertrag begründen und zugleich kündigen, nicht einmal wenn man eine "juristische Sekunde" einschieben wollte:
Die Kündigungserklärung stünde nämlich der für einen Vertragsabschluss gem. §§ 145 ff. BGB notwenden Annahmeerklärung schon entgegen.
Schlussendlich ist es juristisch unhaltbar, wenn in der Nichtausübung eines bestehenden Sonderkündigungsrechts im Falle einer einseitigen Leistungsneubestimmung eine Einigung auf die einseitig neu bestimmte Leistung gesehen werden sollte.
Eine Einigung setzt zwei übereinstimmende, empfangsbedürftige Willenserklärungen gem. §§ 145 ff. BGB voraus.
Es fehlt schon am Zugang einer entsprechenden Willenserklärung des Versorgers. Dieser geht gerade davon aus, allein durch öffentliche Bekanntgabe die Preise gem. § 4 II AVBEltV neu festsetzen zu können.
Es kommt ihm gerade nicht auf den Zugang eines Antrages beim Kunden und dessen Annahmeerklärung an.
Im Übrigen würde sich die Frage stellen, was passiert, wenn dem Versorger eine solche Annahmeerklärung des Kunden nicht zugeht, eine Einigung auf den höheren Preis damit nicht erfolgt ist, der Vertrag gleichwohl gem. § 32 AVBEltV ungekündigt wirksam weiter fortbesteht.
Dann wäre im Vertragsverhältnis die Preiserhöhung nicht wirksam erfolgt.
Weil kein einziger Stromtarifkunde wohl je wirksam eine Erklärung abgegeben haben wird, dass er mit der öffentlich bekannt gemachten Preiserhöhung einverstanden ist, mag E.ON sich fragen, was dies angesichts der oftmals bereits seit 1990 ungekündigt fortbestehenden Vertragsverhältnisse für Auwirkungen hätte:
Alle Preiserhöhungen in den laufenden Stromtarifkundenlieferverträgen wären unwirksam.
Deshalb ist der Vortrag der E.ON- Änwältin jedenfalls juristisch schlicht nicht nachvollziehbar.
Kam aber ein neuer Vertrag allein durch die Stromentnahme und aufgrund eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Versorgers zustande, so ist die Kehrseite eines solchen Vertragsabschlusses, dass sich der Kunde gem. § 315 Abs. 3 Abs. 1 BGB vollständig auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit der einseitigen Leistungsbestimmung des Versorgers berufen kann.
Dabei kann insbesondere nicht auf die Einigung auf den vormaligen Vertragspreis abgestellt werden, da mit der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung auch die vormalige Einigung erloschen ist.
Zudem bezieht sich die Billigkeitskontrolle von einseitigen Preisbestimmungen nach der Rechtsprechung immer auf den Gesamtpreis und nicht auf Teile von Entgelte (so vollkommen zutreffend Dr.
Kunth ).
In dem neuen Vertrag hätte es zudem gar keine Preiserhöhung gegeben. Vielmehr wäre der ab 01.05.2002 erhöhte Preis bei Vertragsabschluss als Anfangspreis von dem Versorger einseitig bestimmt worden.
Dieser unterläge dann aus diesem Grunde der Billigkeitskontrolle.
Diese Bestimmung kann nur entweder insgesamt der Billigkeit entsprechen oder aber nicht. Eine Billigkeit
"insoweit" und in deren Folge eine
partielle Verbindlichkeit gibt es gerade nicht und kann es gar nicht geben (Arg: § 315 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB).
Wenn man sich nur an die Anfangssemester und daran erinnert, was gem. §§ 145 ff. BGB für einen wirkamen Vertragsabschluss zwingend erforderlich ist, so wäre es wohl
Recht einfach.
Zutreffend hat der Vorsitzende deshalb ausgeführt, dass es in dem Verfahren gar nicht um die Billigkeitskontrolle einer einseitigen Preis
erhöhung gehen kann.
Wenn sich die Frage stellen sollte, geht es um die Billigkeitskontrolle der von E.ON einseitig festgesetzten Preise, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, ab dem 01.05.2002.
Eines hat die Verhandlung indes ganz deutlich gezeigt:Es ist nicht automatisch das geschuldet, was ein Energieversorgungsunternehmen dem Kunden in Rechnung stellt, so der oft anzutreffende Trug- und Kurzschluss der Energieversorger und ihrer Anwälte unter Berufung auf § 30 AVBV.
Entscheidend sind die Umstände des Vertragsabschlusses und der Gegenstand entsprechender Einigungen gem. §§ 145 ff. BGB bei Vertragsabschluss und bei Sonderverträgen zudem Fragen des AGB- Rechts gem. §§ 305 ff. BGB.
Dies wurde auch von Instanzgerichten bisher allzuoft missachtet, welche den Energieversorgern Rechnungsbeträge zugesprochen hatten, ohne dass überhaupt eine eingehende Prüfung der Vertragsgrundlagen erfolgte.
Streng genommen erweisen sich viele Zahlungsklagen von Versorgungsunternehmen bisher als unsubstantiiert und unschlüssig, als zu den Vertragsgrundlagen und dem Inhalt von Einigungen bei Vertragsabschluss jedweder (substantiierter) Vortrag fehlt.
Der Vortrag, es sei Energie aus dem Netz entnommen worden und darüber eine Rechnung gelegt, die nicht bezahlt wurde, stützt einen vertraglichen Zahlungsanspruch noch nicht schlüssig.
Schon insoweit mag es für manchen Energieversorger immer noch einer klaren "Ansage" bedürfen, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil sicher geben wird:
Rechnungen von Energieversorgungsunternehmen dürfen hinsichtlich der geforderten Preise keine Wunschzettel sein, welche der vertraglichen Grundlagen entbehren. Zu den vertraglichen Grundlagen bedarf es entsprechenden Vortrages, der vom Gericht rechtlich zu würdigen ist.
Wenn man dies als
Grundsatzentscheidung bezeichnen wollte, so darf man eine solche erwarten.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt