Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Voraussichtlich kein Grundsatzurteil des BGH zu Strompreisen [VIII ZR 144/06 vom 28. März 2007]  (Gelesen 4904 mal)

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Offline kamaraba

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Hätte E.ON den "local plus"- Vertrag gar nicht wirksam gekündigt, so bestünde ein Sondervertrag zu einem Preis, auf den sich die Parteien bei Abschluss des Sondervertrages geeinigt haben, wenn E.ON die Preise in diesem Vertrag auch nicht wirksam erhöhen konnte (§ 307 BGB).

Dies hätte das Berufungsgericht bei Zurückverweisung erneut zu prüfen.

Wäre der Sondervertrag indes wirksam gekündigt worden, wäre danach wohl ein Tarifkundenvertrag konkludent zustande gekommen zu den Bedingungen der AVBEltV, inklusive des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 4 AVBEltV den jeweiligen allgemeinen Tarif betreffend zugunsten des Versorgers mit der Folge der direkten Anwendbarkeit des § 315 BGB.

Käme das Berufungsgericht nach Zurückverweisung zu diesem Ergebnis, steht die nächste Revision in der Sache bereits zu erwarten, wenn der BGH nicht etwa - wie in der Entscheidungen KZR 36/04, KZR 8/05 und KZR 9/05 dem Instanzgericht nicht sogleich auch eine weitere Prüfungsfolge nahelegt.

Der Fall liegt etwas ungewöhnlich.

Bis zum 28.03.2007 bleibt es also weiter spanndend.

Offline kamaraba

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Danke für Ihr Statement.
Spannung haben wir hier ja, schliesslich geht es um Strom.  :wink:
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Offline RR-E-ft

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Zitat von: \"ESG-Rebell\"
Richter: Ball (Vorsitz), Dr. Wolst, Dr. Frellesen, Hermanns, Dr. Hessel

Revisionskläger: Dr. Heckel (Stromkunde), RA Dr. Nassall

Revisionsbeklagte: E.ON edis AG, RAin von Gierke, RA Dr. Schultz

28.02.07, 12:10 - 12:43

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Ball trägt die Sachlage vor: Es geht um Stromlieferungen in den Jahren 2002, 2003.
Anfangs bestand ein Stromliefervertrag zum Wettbewerbstarif "local plus".

Diesen Tarif hat die E.ON zum 1.5.2002 erhöht.
Heckel widersprach der Erhöhung des Tarifs.
E.ON sprach daraufhin einen Änderungskündigung aus und stufte Heckel
in den Allgemeinen Tarif "local classic", der teurer ist, ein.

Heckel monierte die daraus entstandenen Rechnungen (mit diversen Begründungen,
die hier nicht näher dargelegt wurden) und leistete darauf keine Zahlungen mehr.
Er rügt die Preise als unbillig.
Vor dem AG und LG Potsdam hat er verloren.

Zur Frage, ob denn die Strompreise überhaupt noch der Billigkeitskontrolle
unterliegen, führt Ball aus: Es ist zweifelhaft, ob die Billigkeit in diesem
Prozess überhaupt zu prüfen sein wird.
Erst gegen die Erhöhung vom 1.5.2002 wurde Unbilligkeitseinwand erhoben.
Die Preise davor, also der Anfangspreis "local plus" wurde nicht als unbillig gerügt.

Selbst wenn grundsätzlich die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle noch besteht,
so kommt sie in diesem Rechtsstreit nicht in Betracht, weil der Anfangspreis
vereinbart war. ES SEI DENN, der Anfangspreis ist auch einseitig festgesetzt.
Der Kartellsenat hat diese Frage derzeit hinsichtlich Netzzugangsentgelten zu
klären. Daher hat der Zivilsenat eine informelle Anfrage an den Kartellsenat
gestellt, ob die dortige Konstellation auf den vorliegenden Fall übertragbar ist.
Eine Auskunft wird für kommende Woche erwartet.

Wenn der Tarif "local plus" tatsächlich anfänglich vereinbart war, dann ist §315
weder direkt noch analog anwendbar. Hier besteht nämlich kein Anschluß- und
Benutzungszwang und Heckel war 2002 auch nicht auf eine Belieferung durch E.ON
angewiesen. Im Jahr 2002 hatte E.ON auch keine Monopolstellung mehr inne.

Die Billigkeit der Erhöhung des Tarifs ist zunächst einmal nicht zu prüfen,
da der Vertrag nach dem Widerspruch von Heckel ja seitens der E.ON gekündigt wurde.
Die Erklärung der E.ON, nach dem Widerspruch von Heckel werde dieser in den allgemeinen
Tarif zurückgestuft, stellt aber keineswegs automatisch einen Vertragsschluss dar.
Offen ist nämlich, ob eine Änderungskündigung überhaupt zulässig war.
Aus den gesamten Prozessunterlagen konnte die Kammer keine Rechtsgrundlage für eine
Kündigung entnehmen. Allerdings haben beide Parteien auch nichts dazu vorgetragen!

Ein Widerspruch gegen eine Preiserhöhung ist also nicht automatisch eine Kündigung.
Im Gegenteil: Heckel hat sich ja bereit erklärt, den ursprünglichen Preis im Tarif
"local plus" weiterzuzahlen. Der  alte Vertrag besteht also im Zweifel weiter.
Die weitere Stromentnahme nach einer einseitigen Änderungskündigung ist keineswegs
als konkludente Zustimmung zum neuen Vertrag "local classic" zu interpretieren.

Sollte der ursprüngliche Vertrag weiterbestehen, was ja noch zu klären ist, dann ist
überhaupt erst eine daraus resultierende strittige Erhöhung zu überprüfen.

Nassall trägt vor (12:30)
----------------------------------
Der anfängliche Preis wurde vereinbart.
Über die Erhöhung des Tarifs ist es zum Streit gekommen.
Fragen an das Gericht: "Ist die Erhöhung wirksam?", "Wurde der alte Vertrag wirksam beendet?"
Zwar kann man im Strombereich wechseln, allerdings stehen nicht alle öffentlich
bekundeten Angebote auch allen interessierten Kunden zur Verfügung.

Ball erwidert: Das Berufungsgericht hat beide Tarife - den Wettbewerbstarif
"local plus" und den genehmigungspflichtigen allgemeinen Tarif "local classic"
unzulässigerweise in einen Topf geworfen. Die AVBEltV gilt aber nur für den
allgemeinen Tarif, sofern sie wirksam in den Liefervertrag einbezogen worden ist.
Davon hängt aber gerade ab, ob überhaupt eine Erhöhungsbefugnis seitens der E.ON
aus AGB-Sicht besteht. Auch diese Frage ist in diesem Rechtsstreit noch offen.

von Gierke führt aus (12:35)
----------------------------------
Eine Billigkeitskontrolle ist hier gegenstandslos, wenn der Vertrag garnicht
wirksam beendet worden ist. Dann ist erstmal zu klären, ob eine Erhöhung überhaupt
zulässig war.

Falls die Kündigung unwirksam war, dann hat sich Heckel allerdings treuwidrig
verhalten, weil er zwar angegeben hat, keinen Strom zu dem verlangten Preis
beziehen zu wollen, aber dennoch Strom bezogen hat anstatt zu kündigen.
Laut §4 AVBEltV kann eine Partei die Preise einseitig erhöhen; dafür kann die andere
Seite dann kündigen. Wer nach einer Preiserhöhung nicht kündigt, handelt daher treuwidrig.
Aufgrund dieses treuwidrigen Verhaltens sind etwaige Billigkeitsansprüche verwirkt.
Im Prozess vor dem AG hatte Heckel noch andere Gründe gegen die Rechnungen
vorgebracht, nicht jedoch Billigkeitseinwand.

Ball: Dann spielt §315 dabei doch gar keine Rolle, oder? Hat denn die E.ON einen
Anspruch darauf, einen Kunden nach Tarif "local classic" zu beliefern?

Nassall: Wenn ein Kunde bei einer Preiserhöhung stets kündigen müsste, dann wäre eine
Billigkeitskontrolle ja grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Entscheidung wird am 28.3.07 verkündet.
Bereits am 14.3.07 wird ja die Entscheidung zum Verfahren vom 21.12.06
vom selben Senats verkündet.


Der Prozeß dauerte diesmal nur gut 35 Minuten. Dabei hat alleine Richter Ball rund 25
Minuten vorgetragen. Die Zivilkammer des BGH macht eindeutig einen kundenfreundlichen
Eindruck. Den Richtern ist die Situation der Kunden offensichtlich genau bewusst und
sie befassen sich nach eigener Aussage intensiv mit der öffentlichen Diskussion.
Ebenso stellt die Kammer auch aus eigenem Antrieb Erkundigungen an.

Gruss,
ESG-Rebell

Offline RR-E-ft

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E.ON- Anwalt war Herr Kollege Dr. Schulz- Gardyan,
Schulz Bärwinkel Noack, Hamburg

(Herr Kollege Brucker, der E.ON noch vor dem AG Potsdam vertreten hatte, ist zu Kermel & Scholtka in Berlin gewechselt.)


Wenn der "local plus" Vertrag nicht wirksam gekündigt wurde und dessen Anfangspreis Gegenstand einer Einigung war und ein Preiserhöhungsrecht zugunsten E.ON nicht bestand, so ist der dabei vertraglich vereinbarte Anfangspreis geschuldet.

Richtig stellt der Senat heraus, dass sich für den "local plus"- Vertrag ein Preiserhöhungsrecht schon nicht aus § 4 AVBEltV ergeben kann, da die Verordnung auf den Sondervertrag schon keine Anwendung findet.

Eine AGB- Kontrolle würde wohl zu dem Ergebnis führen, dass ein solcher Preisänderungsvorbehalt gegen § 307 BGB verstößt (vgl. nur BGH NJW 2000, 652).

Siehe auch hier:
BGH: Verhältnis § 307 BGB zu § 315 BGB

In einem Sondervertrag verstößt eine AGB- Bestimmung, die den Einwendungsausschluss § 30 AVBEltV nachbildet und auch den Einwand der Unbilligkeit umfasst, nach den Urteilen des BGH vom 05.07.2005 (NJW 2005, 2919 [2920] und WuM 2005, 589 ff. unter II 2 c) gegen § 307 BGB und ist deshalb unwirksam.  



Wurde der Sondervertrag indes wirksam gekündigt, so endete dieser Vertrag aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 31.04.2002.

Ein vertraglicher Zahlungsanspruch für die Stromlieferungen ab dem 01.05.2002 besteht in diesem Falle nur dann, wenn ein neuer Stromlieferungsvertrag überhaupt wirksam begründet wurde.

´Vertrag´ kommt bekanntlich von ´vertragen´, so dass ein wirksamer Vertragsabschluss auch bei Energielieferungsverträgen regelmäßig eine entsprechende Einigung, ein Einigsein  der Parteien voraussetzt.

Zutreffend geht der Senat davon aus, dass sich der Kunde nicht mit E.ON auf einen ab dem 01.05.2002 zu zahlenden Preis nach dem Tarif "local classic" geeinigt hatte.

Das OLG München hatte bereits in einem Urteil (NJW-RR 1999, 421) entschieden, dass nach der versorgerseitigen Kündigung eines Sondervertrages durch den weiteren Strombezug des Kunden kein Stromlieferungsvertrag zu den Allgemeinen Tarifen des Versorgers zustande kommt.




Sollte der Kunde E.ON tatsächlich angeboten haben, ab dem 01.05.2002 den alten Preis weiter zu bezahlen, wäre auch denkbar, dass dadurch zu diesem Preis ab dem 01.05.2002 über eine entsprechende Einigung ein neuer Vertrag wirksam zustande kam, weil etwa E.ON dieses Angebot nicht unverzüglich zurückgewiesen hatte.

Für Energieversorgungsunternehmen als Kaufleute gilt nämlich das Schweigen auf ein Angebot durchaus auch schon einmal als Annahme, § 362 Abs. 1 Satz 2  HGB.


Der Bundesgerichtshof könnte in diesem Fall möglicherweise ohne Zurückverweisung entscheiden. Der Kläger hätte den Preis, mit dem er einverstanden war, den er selbst neu angeboten hatte und zudem ein neuer Vertrag zustande kam, zu zahlen.

Diese Lösung wäre nicht nur auf ihre Art sympathisch, sondern auch juristisch unkompliziert und klar.



Andernfalls kommt ein wirksamer neuer Vertragsabschluss allenfalls nach der st. Rechtsprechung des BGH durch die Entnahme von Strom aus dem Netz und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers gem. §§ 315, 316 BGB in Betracht (so auch OLG München, aaO.).



Wenn E.ON den bisherigen Vertrag also zum 31.04.2002 wirksam gekündigt hatte, war dieser beendet und ein neuer konnte - wegen fehlender Einigung auf einen Preis-  nur bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers begründet werden.

Es gäbe also keinen Vertrag, den der Kunde demgegenüber hätte kündigen können.

Mit dem Vortrag zu einer angeblich treuwidrig unterlassenen Kündigung des Kunden liegt die Kollegin deshalb mehr als daneben.

Der Vorwurf einer Treuwidrigkeit ist allein deshalb vermessen, weil E.ON das zwischen den Parteien bis dahin bestehende vertragliche Treueband selbst durch eine Kündigung zerschnitten hatte und eben nicht der Kunde, der sich bis zu dem Streit immer vertragstreu verhalten hatte.

Wie ein Stromkunde bei konzernseits gekündigtem Vertragsverhältnis E.ON gegenüber zur Treue verpflichtet sein könnte, ist nicht nachvollziehbar.

Man kann nicht einerseits einen Vertrag kündigen und sich andererseits noch auf eine weiter bestehende vertragliche Treuepflicht berufen wollen.

Es geht nämlich nicht darum, ob der Kunde einen noch gar nicht begründeten neuen Vertrag gekündigt hat, sondern ob ein neuer Vertrag überhaupt erst wirksam zustande gekommen ist.

Um einen neuen Vertrag überhaupt form- und fristgerecht gem. § 32 AVBEltV kündigen zu können, muss ein solcher neuer Vertrag überhaupt erst einmal abgeschlossen worden sein.


Vor Abschluss eines solchen neuen Vertrages lässt sich ein solcher selbstredend nicht schon kündigen.

Wie das gehen sollte, mag das Geheimnis der E.ON- Anwältin bleiben.

Schließlich setzt selbst das Sonderkündigungsrecht nach § 32 Abs. 2 AVBEltV schon voraus, dass zunächst überhaupt ein Tarifkundenvertrag besteht, dessen Vertragsbestandteil die Regelung des § 32 Abs. 2 AVBEltV gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBEltV nur sein kann.

Es lässt sich indes nicht im selben Moment ein Vertrag begründen und zugleich kündigen, nicht einmal wenn man eine "juristische Sekunde" einschieben wollte:

Die Kündigungserklärung stünde nämlich der für einen Vertragsabschluss gem. §§ 145 ff. BGB notwenden Annahmeerklärung schon entgegen.

Schlussendlich ist es juristisch unhaltbar, wenn in der Nichtausübung eines bestehenden Sonderkündigungsrechts im Falle einer einseitigen Leistungsneubestimmung eine Einigung auf die einseitig neu bestimmte Leistung gesehen werden sollte.

Eine Einigung setzt zwei übereinstimmende, empfangsbedürftige  Willenserklärungen gem. §§ 145 ff. BGB voraus.

Es fehlt schon am Zugang einer entsprechenden Willenserklärung des Versorgers. Dieser geht gerade davon aus, allein durch öffentliche Bekanntgabe die Preise gem. § 4 II AVBEltV neu festsetzen zu können.

Es kommt ihm gerade nicht auf den Zugang eines Antrages beim Kunden und dessen Annahmeerklärung an.

Im Übrigen würde sich die Frage stellen, was passiert, wenn dem Versorger eine solche Annahmeerklärung des Kunden nicht zugeht, eine Einigung auf den höheren Preis damit nicht erfolgt ist, der Vertrag gleichwohl gem. § 32 AVBEltV ungekündigt wirksam weiter fortbesteht.

Dann wäre im Vertragsverhältnis die Preiserhöhung  nicht wirksam erfolgt.

Weil kein einziger Stromtarifkunde wohl je wirksam eine Erklärung abgegeben haben wird, dass er mit der öffentlich bekannt gemachten Preiserhöhung einverstanden ist, mag E.ON sich fragen, was dies angesichts der oftmals bereits seit 1990 ungekündigt fortbestehenden Vertragsverhältnisse für Auwirkungen hätte:

Alle Preiserhöhungen in den laufenden Stromtarifkundenlieferverträgen wären unwirksam.

Deshalb ist der Vortrag der E.ON- Änwältin jedenfalls juristisch schlicht nicht nachvollziehbar.



Kam aber ein neuer Vertrag allein durch die Stromentnahme und aufgrund eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Versorgers zustande, so ist die Kehrseite eines solchen Vertragsabschlusses, dass sich der Kunde gem. § 315 Abs. 3 Abs. 1 BGB vollständig auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit der einseitigen Leistungsbestimmung des Versorgers berufen kann.

Dabei kann insbesondere nicht auf die Einigung auf den vormaligen Vertragspreis abgestellt werden, da mit der wirksamen  Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung auch die vormalige Einigung erloschen ist.

Zudem bezieht sich die Billigkeitskontrolle von einseitigen Preisbestimmungen nach der Rechtsprechung immer auf den Gesamtpreis und nicht auf Teile von Entgelte (so vollkommen zutreffend Dr. Kunth ).


In dem neuen Vertrag hätte es zudem gar keine Preiserhöhung gegeben. Vielmehr wäre der ab 01.05.2002 erhöhte Preis bei Vertragsabschluss als Anfangspreis von dem Versorger einseitig bestimmt worden.

Dieser unterläge dann aus diesem Grunde der Billigkeitskontrolle.

Diese Bestimmung kann nur entweder insgesamt der Billigkeit entsprechen oder aber nicht. Eine Billigkeit "insoweit" und in deren Folge eine partielle Verbindlichkeit gibt es gerade nicht und kann es gar nicht geben (Arg: § 315 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB).  


Wenn man sich nur an die Anfangssemester und daran erinnert, was gem. §§ 145 ff. BGB für einen wirkamen Vertragsabschluss zwingend erforderlich ist, so wäre es wohl


Recht einfach.

Zutreffend hat der Vorsitzende deshalb ausgeführt, dass es in dem Verfahren gar nicht um die Billigkeitskontrolle einer einseitigen Preiserhöhung gehen kann.

Wenn sich die  Frage stellen sollte, geht es um die Billigkeitskontrolle der von E.ON einseitig festgesetzten Preise, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, ab dem 01.05.2002.





Eines hat die Verhandlung indes ganz deutlich gezeigt:

Es ist nicht automatisch das geschuldet, was ein Energieversorgungsunternehmen dem Kunden in Rechnung stellt, so der oft anzutreffende Trug- und Kurzschluss der Energieversorger und ihrer Anwälte unter Berufung auf § 30 AVBV.

Entscheidend sind die Umstände des Vertragsabschlusses und der Gegenstand entsprechender Einigungen gem. §§ 145 ff. BGB  bei Vertragsabschluss und bei Sonderverträgen zudem Fragen des AGB- Rechts gem. §§ 305 ff. BGB.

Dies wurde auch von Instanzgerichten bisher allzuoft missachtet, welche den Energieversorgern Rechnungsbeträge zugesprochen hatten, ohne dass überhaupt  eine eingehende Prüfung der Vertragsgrundlagen erfolgte.

Streng genommen erweisen sich viele Zahlungsklagen von Versorgungsunternehmen bisher als unsubstantiiert und unschlüssig, als zu den Vertragsgrundlagen und dem Inhalt von Einigungen bei Vertragsabschluss jedweder (substantiierter) Vortrag fehlt.

Der Vortrag, es sei Energie aus dem Netz entnommen worden und darüber eine Rechnung gelegt, die nicht bezahlt wurde, stützt einen vertraglichen Zahlungsanspruch noch nicht schlüssig.

Schon insoweit mag es für manchen Energieversorger immer noch einer klaren "Ansage" bedürfen, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil sicher geben wird:

Rechnungen von Energieversorgungsunternehmen dürfen hinsichtlich der geforderten Preise keine Wunschzettel sein, welche der vertraglichen Grundlagen entbehren. Zu den vertraglichen Grundlagen bedarf es entsprechenden Vortrages, der vom Gericht rechtlich zu würdigen ist.

Wenn man dies als Grundsatzentscheidung bezeichnen wollte, so darf man eine solche erwarten.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Die Pressemittelung des BGH zum Urteil:


http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&nr=39353&anz=40&pos=0&Blank=1

Zitat
Die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Parteien nicht vereinbart haben, dass die Klägerin die Leistung einseitig zu bestimmen hat. Sie haben vielmehr konkret festgelegt, welche Leistung der Beklagte zu erbringen hat.


Der ursprüngliche Preis des Sondervertrages "local plus" war tatsächlich zwischen den Parteien vereinbart und unterliegt allein deshalb keiner Billigkeitskontrolle.

Vereinbarte Preise können allenfalls bei Monopolstellungen des Versorgers in analoger Anwendung des § 315 BGB gerichtlich überprüft werden.

Aber auch dies hatte der BGH schon früher abgelehnt:

Der BGH hatte bereits in einem früheren Urteil (NJW-RR 1990, 1204) die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB selbst einer mit einem monopolistischen Stromversorger getroffenen vertraglichen Preisvereinbarung abgelehnt, so dass dies bei fehlender Monopolstellung offensichtlich erst recht gelten muss. (vgl. Energiedepesche Sonderheft, S. 4)

Insoweit ist an dem Urteil vom heutigen Tage überhaupt nichts Neues, nichts Überraschendes.

Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle setzt nun einmal voraus, dass eine dazu berechtigte Vertragpartei den vom anderen Vertragsteil zu zahlenden Preis einseitig festgelegt hat.

Wo kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, ist der Versorger nicht dazu  berechtigt, die Preise einseitig (neu) festzulegen und bedarf der Kunde deshalb auch keines Schutzes einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Wo hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam vereinbart wurde, findet auch eine Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB statt, ohne dass es dafür auf eine Monopolstellung ankommt.


Entscheidend ist der zweite Teil des heutigen BGH- Urteils:

Ein vertraglicher Zahlungsanspruch eines Energieversorgungsunternehmens besteht nicht allein deshalb, weil das EVU dem Kunden einen Betrag für Energielieferungen in Rechnung gestellt hat. Dies ergibt sich auch nicht aus § 30 AVBEltV.

Den gerichtlich geltend gemachten Zahlungsanspruch für die Stromlieferungen ab dem dem 01.05.2002 hatten das Amts- und das Landgericht Potsdam bisher unzureichend geprüft und deshalb bisher zu unrecht der Zahlungsklage des Versorgers statt gegeben.

Nun hat das Landgericht Potsdam einen solchen erst zu prüfen.






Die Urteilsbegründung bleibt abzuwarten.

 

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