Die gestrige BGH- Entscheidung (Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06) ist teilweise vollkommen falsch interpretiert worden.
Der VIII. Zivilsenat hatte bereits in der Verhandlung herausgearbeitet, dass sich der E.ON Kunde bei Abschluss des "local plus" Vertrages mit dem Unternehmen auf den betragsmäßig feststehenden und damit
konkreten Vertragspreis
geeinigt hatte, in diesem Sondevertrag kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunseten E.ON besteht, sich ein solches insbesondere nicht aus § 4 AVBEltV ergibt (da in Sondeverträgen weder direkt noch analog anwendbar BGH NJW 1998, 1640, 1642).
Bis zur Kündigung, deren Berechtigung umstritten ist, bestand deshalb kein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten E.ON, war der Preis vielmehr von Anfang an von den Parteien
konkret einvernehmlich
vereinbart und also durch beide Parteien
gemeinsam festgelegt, also nicht einseitig bestimmt.
Der Sondervertragspreis lag wie üblich unterhalb der genehmigten Allgmeinen Tarife ("local classic"), ohne dass es darauf ankommt.
Der BGH hatte bereits in einem früheren Urteil BGH NJW-RR 1990, 1204 entschieden, dass eine Preis
vereinbarung mit einem Stromversorger aufgrund der
Einigung, nicht gem. § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfbar ist.
Dies gelte auch bei einer Monopolstellung des Stromversorgers, weil der Kunde nicht gezwungen gewesen sei, sich auf den konkret vereinbarten Preis mit dem EVU zu
einigen und sich also freiwillig der Überprüfungsmöglichkeit dadurch begeben hatte, dass er sich
geeinigt hatte, er schließlich die Preisbestimmung auch dem EVU hätte überlassen können.
Wenn dies bereits 1990 vor der Liberalisierung galt, so gilt dies heute erst recht.
Eine
analoge Anwendung des § 315 BGB trotz
Einigung lehnt der BGH zurecht ab, da es an einer Monopolstellung der Stromversorger fehlt.
Eine vollkommen andere Frage ist die der
direkten Anwendung des § 315 BGB auf
echte Tarifkundenverträge, in denen sich ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht etwa aus § 4 AVBEltV ergibt.
Mit anderen Worten:
Das Urteil vom 28.03.2007 betrifft überhaupt gar
keinen
Stromtarifkunden im Sinne der §§ 10 EnWG a.F., BTOElt, 4 AVBEltV.
Die Verwirrung resultiert allein daraus, weil E.ON auch die Sondervertragspreise "local plus" als Sonder-
Tarife bezeichnete.
Tatsächlich betrifft das Urteil überhaupt nicht die
Stromtarifkunden ,
die aufgrund einer gesetzlichen Versorgungspflicht des EVU nach § 10 I EnWG 1998 bzw. § 36 EnWG n. F. bei eoinseitigem Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers gem. § 4 AVBEltV/ AVBGasV bzw. StromGVV zu veröffentlichten Allgemeinen Tarifen beliefert werden.
Deshalb hatte der BGH gar nicht über die so verstandene Frage zu entscheiden, ob
Stromtarifpreise im Sinne der AVBEltV/ StromGVV weiter der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB bei einseitigen Preisbestimmungen des EVU gem. § 4 AVBEltV unterliegen.
Diese Frage wurde ausdrücklich offen gelassen, weil sie gar nicht zur Entscheidung stand.
Die Antwort auf diese Frage ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV, wonach dem Stromkunden in der Grundversorgung und der Ersatzbelieferung die Unbilligkeitseinrede gem. § 315 BGB ausdrücklich zusteht.
Noch einmal ganz deutlich:
Wo der Stromlieferant kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat, kann er den Vertragspreis im laufenden Vertragsverhältnis schon nicht einseitig erhöhen.
Besteht hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, so ist dessen Ausübung und somit auch ein
erhöhter Strompreis in direkter Anwendung des § 315 BGB gerichtlich überprüfbar, wobei nach der BGH- Rechtsprechung klar ist, dass der vorherige Preis (Allgemeiner Tarifpreis) schon nicht weniger einseitig bestimmt war (BGH NJW 2006, 684 Rn. 10).
Dass echte Stromtarifpreise der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen, ergibt aus dem Urteil des BGH vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 (NJW 2003, 1449), aus einer Stellungnahme des Bundesjustizministeriums an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom 03.05.2006, der Stellungnahme des Bundeskartellamtes vom 20.11.2006 und den Dokumenten im Gestzgebungsvefahren zur Grundversorgungsverordnung Strom in der Bundesrats- Drucksache 306/06.
http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=684&file=dl_mg_1152109274.docInsoweit sind viele Berichte über den Gegenstand und die Bedeutung des Urteils wohl schlicht falsch.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt