Urteil des Amtsgerichts Lingen vom 13.11.2006, Az.: 12 C 423/06 (X)
Sehr geehrter Herr Dälken,
sehr geehrte MitstreiterInnen,
als unbeteiligter Beobachter in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2006 war die „Geheimnistuerei“ der Stadtwerke Lingen GmbH durch den Prozessvertreter auffallend. Er hat geheimnisvoll in einer Akte geblättert und dem Gericht angedeutet, dass darin ein umfangreiches Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthalten ist, das aber wegen der Vertraulichkeit nicht offenbart wird. Dieses Gutachten würde beweisen, dass der Gaspreis der Stadtwerke Lingen marktüblich sei und damit auch der Billigkeit entspräche. Ersichtlich war nur die Übergabe eines DIN-4-Blattes, das als „Übersicht“ bezeichnet wurde, mit einer Ermahnung zur größten Vertraulichkeit, weil angeblich daraus die wesentlichen Kalkulationsgrundlagen zu entnehmen sind.
Was der Richter von der „Geheimnistuerei“ der Stadtwerke Lingen hält, kann man im Urteil vom 13.11.2006 nachlesen.
Es ist erkennbar, dass auch die Stadtwerke Lingen – zumindest bis zum 23.10.2006 – keine gerichtsfeste Kalkulation haben. Was man nicht hat, kann man auch nicht vorlegen, abgesehen davon, ob eine Offenlegung überhaupt gewollt ist.
Es wird auch deutlich, dass auch die Stadtwerke Lingen davon ausgehen, dass es sich bei der Offenlegung der Kalkulation lediglich um eine Obliegenheit im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast handelt. Wie andere Versorger auch, werden die Stadtwerke Lingen keine gerichtsfeste Kalkulation offen legen. Wahrscheinlich ist auch keine vorhanden. Also wird versucht, sich mit der aus einem Privat-Gutachten gestalteten „Marktüblichkeit des Preises“ aus der Affäre zu ziehen, zumindest eine endgültige negative Entscheidung hinaus zu zögern.
Die Stadtwerke Lingen teilen in diesem Zusammenhang mit: „…Im übrigen bleibt festzuhalten, dass die Entscheidungen AG und LG Heilbronn derzeit auf dem Prüfstand des BGH stehen. Wir werden am 14.3.2007 in der BGH-Entscheidung sichere Erkenntnisse gewinnen…“
In einer „Kundeninformation: ERDGAS – Hintergründe zur aktuellen Situation“ vom 23.12.2005 haben die Stadtwerke Lingen u.a. geschrieben: „…Gegen die letzten Preiserhöhungen sind zahlreiche Einsprüche von Kundenseite eingegangen. Dies ist aus der Sicht der Betroffenen nachvollziehbar, aber nicht erforderlich. Sollte sich in einem gerichtlichen Verfahren herausstellen, dass trotz sorgfältiger Kalkulation Preisveränderungen notwendig sind, werden die gegebenenfalls niedrigeren Preise an alle Kunden weitergegeben, unabhängig davon, ob sie die Preisrüge eingelegt haben oder nicht…“
Auch die Stadtwerke Lingen werden wahrscheinlich lieber die für sie geringen Konsequenzen der Verletzung dieser Obliegenheitspflicht in Kauf nehmen und auf den Preisvorteil bzw. die Preiserhöhung bei den wenigen Kunden verzichten, die nach dem Einwand auch tatsächlich die Zahlungen gekürzt haben.
Das Landgericht Osnabrück könnte in der Berufung auch zu dem gleichen Ergebnis kommen, wie aktuell das Landgericht Hannover.
Ohne gerichtliche Preisbestimmung (Ersatzbestimmung) ist die Aussage der Stadtwerke Lingen vom 23.12.2005 „wertlos„. Die überwiegende Mehrheit der Kunden ohne jegliche Reaktion, aber auch die so genannten Vorbehaltszahler können gar keine Rückzahlung erhalten.
Forum 19.02.2007 – RR-E-ft –
„Gaswirtschaft: Vorbehaltszahler über den Löffel balbieren -
Was die Stellungnahme des vom BGW-Chef geführten Unternehmens angeht, so darf man getrost davon ausgehen, dass diese für die gesamte Branche richtungweisend ist.“
“Vorbehaltszahler sehen nun endlich den Pferdefuß!!! -
Wer nicht konsequent selbst kürzt, wird das Nachsehen haben, da er verbunden mit vorzuschießenden Prozesskosten auf Rückzahlung klagen muss. Wie schon in Bremen zeigt sich wohl wieder einmal, was man von den lauen Zusagen der Gaswirtschaft [s.o. auch Stadtwerke Lingen 23.12.2005] von Anfang an erwarten durfte.“
Zum „Sachverständigengutachten“ und „Geschäftsgeheimnis“ steht ein ausführlicher rechtlicher Kommentar von Herrn Rechtsanwalt Thomas Fricke, Jena, im Sonderheft 1 – Energie Depesche Bund der Energieverbraucher April 2006.
Mit freundlichen Grüßen