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Autor Thema: Gaspreisurteil des LG Magdeburg vom 19.12.2006  (Gelesen 5205 mal)

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Gaspreisurteil des LG Magdeburg vom 19.12.2006
« am: 10. Januar 2007, 11:37:34 »
[ 2-S-265-06 19-12-2006 ]

Nunmehr gibt es auch ein Gaspreis- Urteil des Landgerichts Magdeburg.

LG Magdeburg, Urt.  vom 19.12.2006 - 2 S 265/06

hat der BGW Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft auf seinen Seiten in das Internet gestellt:

http://www.bgw.de/pdf/0.1_article_2007_1_9_1.pdf


Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Anmerkung:

Das Recht zur einseitigen Preisfestsetzung kann sich nur dann aus § 4 AVBGasV ergeben, wenn es sich um einen echten Tarifkunden handelt.

Andernfalls würde es sich bei der Einbeziehung des § 4 AVBGasV in einen Sondervertrag um eine AGB- Klausel handeln, die vollständig der Transparenzkontrolle des § 307 BGB unterfällt und dieser gar nicht standhalten könnte.

Das Gericht wendet § 315 BGB an, sah sich jedoch aufgrund des gestellten Feststellungsantrages und des fehlenden Bestreitens des Klägers und Berufungsklägers daran gehindet, die weiteren Kalkulationsgrundlagen zu prüfen, denn die unbestrittenen bzw. nicht substantiiert bestrittenen gestiegenen Bezugskosten.


Das Gericht stellt klar, dass es für die Anwendung des § 315 BGB nicht auf eine Monopolstellung ankommt, zudem die Kartellrechtlichen Vorschriften daneben zur Anwendung kommen, beide Prüfungen nicht deckungsgleich sind.

Der unterlegene Kläger hatte lediglich die Preiserhöhung, nicht jedoch die gesamte Tariffestsetzung als unbillig gerügt, was Folgen haben kann.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das bestroffene Unternehmen die Preiserhöhung nicht zur Erhöhung seines Gewinns benutzt habe, stellte dabei jedoch auf die Gesamterlöse/ Jahresergebnis ab.

Dieser Schluss ist nicht zwingend:

Tatsächlich ist indes nach dem in den Vertragspreis einkalkulierten Gewinnanteil zu fragen, der nicht erhöht werden durfte.

So ist bekannt, dass Gasversorger 2004 zwar die Preise für Haushaltskunden, nicht jedoch die Preise für Großkunden erhöht hatten, so dass in einem solchen Fall allein die Haushaltskunden die gestiegenen Beschaffungskosten zu schultern hatten.

Wenn die Beschaffungskosten gestiegen waren, nicht jedoch die Preise für Großkunden, so konnte der Gewinnanteil am Vertragspreis mit Haushaltskunden erhöht werden, ohne dass der Gesamtgewinn des Unternehmens stieg.

Gleichwohl wäre dies unbillig.

Es ist deshalb immer zu betreiten, dass die etwa gestiegenen Bezugskosten sachgerecht auf die verschiedenen Kundengruppen und auf die Abnehmergruppe des Betroffenen geschlüsselt wurden.

Eine sachgerechte Kostenschlüsselung ist bei der Bestimmung der Gastarifpreise nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes notwendig (vgl. BGH NJW 1997, 3173 [3174]).


Das Urteil steht weiter im Widerspruch zum Urteil des OLG Dresden vom 11.12.2006, wonach es für einen wirksamen Gestaltungsakt zur einseitigen Leistungsbestimmung im Vertragsverhältnis in jedem Falle dem Zugang eines Schreibens bedarf, welches die Preiserhöhung und die erhöhten Preise anhand von Ausführungen zu einem fiktiven Marktpreis (wettbewerbsanaloger Preis) rechtfertigt:

http://www.alexandergrundmann.de/dl/Urteil-Enso_II.pdf

An einem solchen Schreiben fehlte es vorliegend gänzlich, was der Kläger zutreffend bemängelt hatte.

Ist vertraglich das Recht zur einsetigen Leistungsbestimmung vereinbart, wie es bei Tarifkunden in § 4 AVBGasV der Fall ist, so bedarf es zur Ausübung des vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts regelmäßig einer entsprechenden einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung als eigentlichen, rechtsgestaltenden Akt.

Der Kartellsenat des OLG Dresden stellt daran zutreffend erhöhte Anforderungen.

Unsinnig sind zudem die Ausführungen zur prozentualen Steigerung der Erdgasimportpreise 2004/2005 als bekanntermaßen die in 2003/2004 gesunkenen Erdgasimportpreise oft nicht an die Kunden weitergegeben wurden. Abszustellen ist auf die Entwicklung der Erdgasimportpreise in absoluten Zahlen, wobei zu fragen ist, ob dieser Anstieg durch Kosteneinsparungen an anderer Stelle kompensiert werden konnte.

Von Mai 2003 auf Mai 2005 waren die Erdgasimportptreise lediglich von 1,30 Cent/ kWh auf 1,45 Cent/ kWh, also um 0,15 Cent/ kWh (netto) gestiegen.

Man darf zudem davon ausgehen, dass das in der Heizperiode 2004/ 2005 gelieferte Erdgas aus solchen Speichern stammte, wie sie immer bei einem russischen Lieferstopp angeführt werden. In diese war das noch zu billigeren Preisen bezogene Erdgas wohl eingespeichert, bevor es über die Lieferkette zum Verbraucher gelangte.

Unsinnig ist es zudem, die Personalkosten mit erhöhten Pensionsaufwendungen zu rechtfertigen. Entsprechende Verpflichtungen wurden durch das Unternehmen freiwillig eingegangen. Im wirksamen Wettbewerb könnten solche freiwillig begründeten, zusätzlichen Kosten nicht in die Preise einfließen. Man frage die mittelständischen Unternehmen, die in einem harten Wettbewerb stehen.

Das solche unternehmensinternen Kosten nicht in die Preiskalkulation für Preiserhöhungen Eingang finden dürfen, hat der BGH bereits in der Entscheidung (NJW-RR 2005, 1717) mittelbar ausgeführt.

Auch das Urteil des OLG Karlsruhe vom 28.06.2006 forderte eine vollständige Offenlegung der Preiskalkulation zum Zwecke der Billigkeitskontrolle der geforderten Preise.

Ebenso äußerte sich das OLG Celle in einer Verhandlung am 19.12.2006.

Der Kartellsenat des OLG Celle - 13 U 160/06 (Kart) hatte bereits in der Ladung zum  Verhandlungstermin am 19.12.2006 über die Berufung gegen das Gaspreisurteil des LG Verden folgende Anmerkung gemacht:

"Nach Senatsberatung weise ich darauf hin, dass nach derzeitiger Einschätzung des Senats die Beklagte ihre Kalkulation zum Gesamtpreis wird offen legen müssen, damit eine Billigkeitsprüfung stattfinden kann. Darlegungs- und beweisbelastet dürfte die Beklagte sein."

Der Senat hatte diese Ansicht in der Verhandlung bestätigt und für den 11.01.2007 einen entsprechenden Auflagensbeschluss angekündigt.

Ebenso äußerten sich zutreffend die Landgerichte Hamburg, Düsseldorf, Mönchengladbach, Bonn, Hannover und Oldenburg.

Nach alldem steht zu hoffen, dass gegen das Urteil des LG Magdeburg ggf. Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt wird.

Vorher lässt sich indes noch die Verhandlung des BGH über die Revision gegen das Gaspreis- Urteil des LG Karlsruhe am 16.01.2007 abwarten.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Gaspreisurteil des LG Magdeburg vom 19.12.2006
« Antwort #1 am: 24. Januar 2007, 18:31:44 »
Quelle: http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokales/zerbst/?sid=&em_cnt=226862


Erdgas Mittelsachsen GmbH : Gericht hält Preiserhöhung für rechtens / Verbraucherzentrale : Urteile kein Persilschein, Gesamtpreis unbillig
...
Von Andreas Mangiras

"Die Urteile sind kein Persilschein. " Energisch widersprach Gabriele Emmrich, Referatsleiterin Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt, einer euphorischen Beurteilung von Gerichtsurteilen zu bestätigten Gaspreiserhöhungen durch die Erdgas Mittelsachsen GmbH Schönebeck (" Volksstimme " vom 19. Januar ).
...



Anmerkung:

Auch Herr Trappe und dessen Chefs dürften die Auswirkungen der weltweit gestiegenen Energienachfrage auf die Erdgaspreise in Deutschland weit besser kennen:

Der Erdgasimportpreis war von Mai 2003 von 1,30 ct/kWh bis Mai 2005 auf 1,45 ct/ kWh gerade einmal um 0,15 ct/ kWh gestiegen.

EMS hatte die die Preise zum 01.12.2004 um 0,30 ct/kWh erhöht.

Gab es eine Preissenkung, als die Erdgasimportpreise zwischen Mai 2003 und April 2004 von 1,30 ct/ kWh auf 1,10 ct/ kWh um 0,20 ct/ kWh gefallen waren?

Immerhin hatte der ostdeutsche Erdgasimporteur VNG Verbundnetz Gas AG Leipzig, in dessen angestammten Marktgebiet (Ontras) man sich befindet, die Entwicklung seiner Bezugskosten offen gelegt:

http://www.vng.de/content/pdf-erdgasmarkt/hel_gasimportpreise.pdf

Was ist sonst mit der entsprechenden Bezugskostensenkung geschehen?

Was hatte das Unternehmen unternommen, um Erdgas günstiger zu beschaffen?

Fragen, die in dem Prozess wohl leider überhaupt nicht erörtert wurden.



Alles billig??! Alles fair?

Möglicherweise sollte das Unternehmen nochmals überlegen, was man als fair und billig bezeichnen könnte.

Dem Gericht war offensichtlich der folgende Hintergrund schon nicht bekannt:

Erdgasimportpreise Entwicklung

 

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