Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
nomos:
@black, ich bin nicht sicher, ob \"Umstand\" ein zweifelsfrei definierter juristischer Begriff ist. Unter Umstand wird landläufig ein Sachverhalt verstanden. Wenn zum Zeitpunkt der Zahlung überhaupt keine Erkenntnis über den Rechtsgrund vorlag, sehe ich das als Bestandteil des Sachverhalts.
Meine zweifelnde Anmerkung zur juristischen Auslegung, betraf den Willen des Gesetzgebers in Gestalt der handelnden Volksvertreter. Da war mal die Rede vom Ziel der Vereinfachung und der Eindeutigkeit bei den Verjährungsregeln. Ich sehe gerade hier, dass das offensichtlich nicht so ganz gelungen ist. Vermutlich wird die überwiegende Mehrheit eine solche Auslegung von \"Umstand\" und \"Kenntnis\" als spitzfindig bezeichnen und nicht verstehen.
Unter Randnummer 6 (BGH, B. v. 19.03.2008 - III ZR 20/07) ist u.a. zu lesen:
Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).
Wenn die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist, und der vermeindliche Schuldner unter der Annahme gezahlt hat, dass eine Rechtsgrund vorliegt und der vom vermeindlichen Gläubiger so behauptet wurde, tritt die Verjährung nach Beginn der Frist in jedem Fall nach drei Jahren ein. So der Tenor. Ob das so gewollt war und wirklich alle so verstehen?
Das Fazit für die Betroffenen ist in jedem Fall, nicht warten, Anspruch sofort geltend machen: Rückforderung, Mahnbescheid, Anwalt, Klage.
Das würde ich bei einer bedeutenden Forderung auch noch so machen, auch wenn die Verjährung angeblich trotz Unkenntnis der rechtsgrundlosen Zahlung eingetreten ist. Die Randnummer 6 bringt mir dazu keine Klarheit.
tangocharly:
@ nomos
--- Zitat ---ich bin nicht sicher, ob \"Umstand\" ein zweifelsfrei definierter juristischer Begriff ist.
--- Ende Zitat ---
\"Umstand\" ist eine Determinante.
Ein Umstand ist bestimmend für das Handeln bzw. für ein Geschehen (\"der Umstand, dass ich zu schnell fuhr, führte zum Unfall\").
Eine Summe von Umständen bestimmt eine Situation (\"der Umstand, dass ich zu schnell fuhr, einen Unfall verursachte und den Führerschein verlor, führt dazu, dass ich jetzt laufen darf\").
In der Gesetzgebungstechnik wird der Begriff \"Umstand\" an vielen Stellen verwendet. Z.B. immer dann, wenn nach dem \"If-then-Prinzip\" eine Folge eintreten soll. Wenn Sie so wollen, eine Handlungsanweisung für den Rechtsanwender.
Was suchen die \"Umstände\" im § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ?
Beispiel: Wenn Ihnen am 31.12.2007 jemand auf\'s Auto gefahren und abgehauen wäre, dann entstünde der Anspruch am 31.12.2007 und die Verjährung würde (ohne § 199 Abs.1 Nr. 2 BGB) am 1.1.2008 begonnen haben. Damit dies so nicht ist, kommen die Umstände und deren Kenntnis ins Spiel. Wenn Sie nun am 31.12.2008, nach einem längeren Auslandsaufenthalt, zurückkehrten und vor Ihrem Schrotthaufen stünden, dann würde die Verjährung auch am 01.01.2009 nicht beginnen, weil Sie \"die Umstände\" nicht vollständig kennen würden, d.h. Typ und Marke des Verursacherfahrzeugs, Halter, Fahrer, etc. (die zuletzt genannten Fakten, sind in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausdrücklich aufgeführt !).
Auf den Energiefall bezogen muß man sich über die Kenntnis von Personen ja keine Gedanken machen, sondern nur über das Faktum des fehlenden Rechtsgrundes. Dieser Begriff an sich ist aber jetzt das Kriterium.
Und die Kenntnis dieses Faktums setzt aber schon, jedenfalls hierbei, ein spezifisches Wissen voraus. Dass dieses Wissen nicht vorausgesetzt werden kann, jedenfalls nicht beim Laien (als solcher darf sich der letztverbrauchende Gaskunde bezeichnen), war für den III. Senat sicher geläufig.
Deshalb kann es für die Verjährungsproblematik auch für den Verbraucher eng werden, wenn sich eine entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung in der Tagespresse publiziert hat und zum Allgemeingut zählt.
nomos:
--- Zitat ---Original von tangocharly
.....
Deshalb kann es für die Verjährungsproblematik auch für den Verbraucher eng werden, wenn sich eine entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung in der Tagespresse publiziert hat und zum Allgemeingut zählt.
--- Ende Zitat ---
@tangocharly, Besten Dank für die ausführliche Erläuterung. Aus Verbrauchersicht bin ich über diese \"Richtungsentscheidung\" des III. Senats nicht glücklich. Verständlich dürfte sie für viele juristische Laien nicht sein.
Sollte der Fall der Fälle eintreten und die Einrede der Verjährung bei einer Rückforderung gestellt werden, sehen Sie dann keinerlei Chancen sich dagegen zu wehren? Würden Sie wegen Aussichtslosigkeit davon abraten?
RR-E-ft:
@nomos
Der Anwalt wird darauf verweisen, dass die Verjährung des Rückforderungsanspruches regelmäßig mit Schluss des Jahres zu laufen begann, in dem der Rückforderungsanspruch fällig wurde und regelmäßig drei Jahre beträgt, für einen zeitlich weiter zurückliegend entstandenen Rückforderungsanspruch deshalb ein erhöhtes Risiko besteht, dass dieser verjährt sein kann und deshalb eine Klage auf entsprechende Erhebung der Verjährungseinrede im Prozess abgewiesen wird. Die Argumente dafür und dagegen, dass die betroffenen Ansprüche bereits verjährt sind, wird er mit dem Rechtssuchenden erörtern. Das gehört Übrigends alles zur Prüfung von Rückforderungsansprüchen durch den Rechtsanwalt dazu. Die Prüfung erstreckt sich indes nicht allein darauf.
Deshalb ist es halbwegs unsinnig, die Sache abstrakt diskutieren zu wollen.
So aufgeklärt kann und muss sich der Rechtssuchende selbst entscheiden, ob und in welchem Umfange er die Rückforderungsansprüche ggf. gerichtlich verfolgt. Auch ein Arzt kann nur über die Notwendigkeit einer Operation und die damit verbundenen Risiken aufklären. Die Entscheidung dafür oder dagegen muss der so aufgeklärte Patient selbst treffen.
RR-E-ft:
Zur Verjährung siehe auch OLG Brandenburg
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