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Autor Thema: BGW: Bisher völlig unklar, wie der Gaspreis zustande kommt  (Gelesen 3922 mal)

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BGW: Bisher völlig unklar, wie der Gaspreis zustande kommt
« am: 21. November 2006, 15:45:35 »
Der BGW weiß nicht, wie die Gaspreise in Deutschland nach dem allein zulässigen Durchleitungssystem (Zwei- Vertrags- Modell) überhaupt zustande kommen:

http://www.energate.de/news/86558

"Konkret verwies Feist auf die zahlreichen noch ausstehenden Netzentgeltgenehmigungen, die allein schon zu Verzögerungen führen würden. Außerdem sei noch völlig unklar, wie sich die Preise am Virtuellen Punkt eines Marktgebietes bilden. Sollte dies allein nach Börsenmechanismen geschehen, warnte Feist vor "erheblichen Risiken" für Industrie und Kraftwerksbetreiber, die sich dann von ihren niedrigen Tarifen verabschieden müssten. "


Dann stellt sich die Frage, wie man der übrigen Welt noch erklären will, wie sich der Gaspreis bildet.

Geahnt hatte man es schon länger, dass nicht einmal der BGW erklären kann, wie die unterschiedlichen  Gaspreise überhaupt zustande kommen.

Wenn auch spät, so wird dieser Fakt  jetzt doch öffentlich eingeräumt.

Die Unternehmen sollten deshalb wohl auch vor Gerichten nicht so tun, als verfügten sie etwa noch über seriöse Kalkulationen, wenn der Gaspreis doch angeblich absehbar unkalkulierbar bleibt.

Was für eine Ironie, dass man behauptete, der Wettbewerb funktioniere längstens, und nun feststellen muss, dass die Gaspreise insbesondere für Kraftwerke wohl weit zu niedrig liegen. Wenn dem so sei, so werden wohl die Gaspreise für Regionalversorger und Stadtwerke, wie auch private Verbraucher aus selben Gründen bisher weit zu hoch liegen.

Denn dass die Gaspreise in Deutschland insgesamt weit zu niedrig liegen, wird man angesichts der Nettopreise in anderen EU- Ländern schwerlich behaupten können.

Während nach einer aktuellen Untersuchung von Energy Advice die steuer- und abgabenbereinigten Gaspreise im europäischen Vergleich an der Spitze liegen, zahlen Großverbraucher, zu denen wohl auch Kraftwerksbetreiber zählen werden, im europäischen Vergleich geringe Gaspreise:

http://www.energate.de/news/86331

Da scheint also etwas an der bisherigen Preisbildung  nicht zu stimmen.

Es hat den Eindruck, als ließen sich die Energiekonzerne das Gas für ihre Kraftwerke bisher von anderen Kundengruppen subventionieren und dabei sollen sich die Strompreise entsprechend der merit order nach den hohen Erzeugungskosten der Gaskraftwerke richten und sind ebenfalls hoch.

Aussagen der E.ON Energie  zur Brennstoffbeschaffung über E.ON Ruhrgas sprechen dafür, dass das Erdgas für die Kraftwerke vollkommen marktunüblich besonders preiswert ist, obschon es wie das übrige Erdgas auch aufgrund einheitlicher Gaslieferungsverträge beschafft wird:

http://www.eon-energie.com/pages/eea_de/E.ON_Energie/Kampagnen/Kinderfragen/Gute_Konditionen_beim_Brennstoffeinkauf/index.htm


"...weil E.ON zu den größten Energiedienstleistern der Welt zählt - und so im Wettbewerb um die Ressourcen auf Augenhöhe verhandeln kann:
Mit 50 Millionen Kunden ist E.ON stark genug, um auf den Weltmärkten bestmögliche Bedingungen beim Einkauf von Energieträgern zu erreichen.
So haben wir uns z. B. durch einen besonderen Liefervertrag mit Gazprom für unsere Kunden langfristig Erdgas aus Russland gesichert: über 400 Milliarden Kubikmeter bis 2036. Davon werden derzeit im Schnitt etwa 11% für die Stromerzeugung in umweltfreundlichen Gasturbinen-Kraftwerken genutzt. Und so sorgt auch Erdgas mit dafür, dass .... "
die Gewinne immer kräftig sprudeln.

Aufgrund der Besonderheiten bei der Strompreisbildung hat nur eben wohl kein Stromkunde etwas davon, wenn E.ON für seine Gas- Kraftwerke die Brennstoffkosten besonders gering halten kann.

Jedenfalls entsprechen die Gaspreise für private Verbraucher jedenfalls nicht den bestmöglichen Einkaufskonditionen des Marktbeherrschers.


Wenn man die von Energy Advice genannten Preise für Großkunden mit den Erdgasimportpreisen vergleicht, merkt man, dass diese Preise sogar noch leicht unterhalb der aktuellen  Erdgasimportpreise (2,15 Cent/ kWh) liegen:

http://www.bgw.de/presse/pressegrafiken/erdgas-pressegrafiken/resource_2006_1_24_10.html

Bei kostenbasierten Preisen wohl eher ein Ding der Unmöglichkeit. Schließlich muss auch dieses Erdgas von der deutschen Grenze erst noch mit Kostenaufwand zum Abnehmer transportiert werden.

Bisher bestimmte wohl E.ON Ruhrgas mit einem Marktanteil von ca. 60 Prozent am gesamten deutschen Erdgasmarkt, wie sich die unterschiedlichen Gaspreise in Deutschland bilden, also auch die unterschiedlichen Gaspreise für Kraftwerke, Regionalversorger (Regiogate) und Stadtwerke (Citygate) sowie private Verbraucher, indem alle Kunden langfristig an eine bestimmte Lieferkette gebunden wurden, wodurch sie den Erdgas- Lieferanten nicht wechseln konnten:

http://www.eon-special.com/special/de/7114.jsp

Wie in der berühmten Geschichte mit "Sesam öffne Dich!" (Alibaba und all die anderen unschuldigen Waisenknaben)  will auch E.ON über die Macht verfügen, etwas zu öffnen:
 
http://www.eon-special.com/special/de/7963.jsp

Zuvor hatten allerdings sehr viele Verbraucher mit "§ 315 BGB !" ein Faß aufgemacht.


Das Bundeskartellamt hat die Regionalversorger und Stadtwerke von ihren langfristigen Lieferketten befreit. Für die Befreiung der privaten Erdgaskunden aus ihren Ketten wollte die deutsche Gaswirtschaft selbst Sorge tragen. Bisher ohne nennenswerten Erfolg.


Derzeit schließt auch die VNG mit Stadtwerken und Regionalversorgern neue Verträge ab, ohne dass jemand sagen könnte, wo sich die Gaspreise im Wettbewerb tatsächlich einstellen werden. Klar ist nur, dass Citygate und Regiogate nicht mehr funktionieren können. Der Neuabschluss von Verträgen soll aber in jedem Falle mit Preisvorteilen verbunden sein, die kurzfristig  an die Verbraucher weiter gegegeben werden könnten.

http://www.energate.de/news/86548


Willkommen in Absurdistan?

Stadtwerken und Regionalversorgern kann in dieser Situation wohl nur angeraten werden, die Bestimmung des angemessenen Gaspreises gem. §§ 315, 316 BGB dem Vorlieferanten als Verkäufer zu überlassen.

Mit dieser Lösung macht man wohl sicher nichts falsch.

Im Strombereich hatte man damit in ähnlicher Situation gute Erfahrungen gemacht:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/BGH_911002_VIIIZR240-90.pdf

Dass man aus einer bestimmten Ecke alle Jahre wieder das gleiche vernimmt, ist wohl augenfällig, 2006 nicht anders als 2005:

http://www.gat-dvgw.de/pdf/gat2006feiststatement.pdf

Die deutsche Gaswirtschaft hatte zunächst zugesichert, bereits ab dem 01.02.2006über alle Stufen das Zwei- Vertrags- Modell anzuwenden, wohl im Widerspruch zu den jetzt gegenteiligen Stellungnahmen:

http://www.gat-dvgw.de/pdf/vortrag/moessner_v05.pdf

Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass die Gaswirtschaft nun gar nicht in der Lage sein will, das Zwei- Vertrags- Modell selbst zu praktizieren. Schließlich sollten die neuen Wettbewerber ja damit zurande kommen müssen.

Seit langem bestehen Untersuchungen, wonach die bisherige Gaspreisbildung im Widerspruch steht zur Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten, sich der Gaspreis im Wettbewerb folglich anders bilden muss:

http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/1/tocID/360/prodID/8812/SessionKey/013CB1B138CD1577E2DB1C27EF8EE974/

http://www.beck-shop.de/downloads/3406513794_avdlovijihfiwopqs.pdf


Die deutsche Gaswirtschaft hatte das Funktionieren des neuen Netzzugangsmodells als notwendige Voraussetzung auch der Wechselmöglichkeit für Haushalts- und Industriekunden spätestens ab dem 01.10.2006  öffentlich zugesichert. Selbst wollte die im BGW versammelte deutsche Gaswirtschaft mit diesem Wettbewerb allerdings wenig zu tun haben, es käme deshalb vielmehr auf vollkommen neue Player an:


http://www.bgw.de/energiepolitik/gaspreise/presseinformationen/article_2006_7_10.html
 
Wie man nun deutlich sehen kann, hat die deutsche Gaswirtschaft ihre öffentlich abgegebenen Zusicherungen gerade nicht eingehalten.

Nicht nachvollziehbar ist nun, dass man sich demgegenüber sogar darüber beklagt, dass neue Netzzugangsmodell nicht vor 2007 umsetzen zu können.


Entgegen aller Unkenrufe ist der deutschen Gaswirtschaft die Freude am wohl überaus profitablen Geschäft bisher nicht abhanden gekommen.

Die mehr als 2.000 Besucher der diesjährigen gasfachlichen Aussprachetagung (gat) hatten denn auch allen Grund zum Feiern, aber eben nicht deshalb weil es der deutschen Gaswirtschaft  gelungen wäre, das neue Netzzugangsmodell - wie öffentlich zugesichert - voll funktionsfähig  zu etablieren. Wohl eher weil sie dieses und mit ihm den Wettbewerb für Gaskunden weiter erfolgreich verschleppt...

http://www.gat-dvgw.de/rahmenprogramm/festabend.html

Das Bild passte gut zur Geschichte, der Link ist deshalb jetzt tot.

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BGW: Bisher völlig unklar, wie der Gaspreis zustande kommt
« Antwort #2 am: 26. November 2006, 20:26:40 »
Das hätte schon längst zu denken geben müssen:

Erdgasimportpreise Entwicklung

Berücksichtigt man die abgesenkten Netzentgelte, mussten die Endverbraucherpreise hinter der Preisentwicklung der Erdgasimportpreise seit 2003 sogar zurückbleiben, was sie offensichtlich aber nicht taten.

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BGW: Bisher völlig unklar, wie der Gaspreis zustande kommt
« Antwort #3 am: 05. Dezember 2006, 20:33:48 »
Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur führt die Entscheidung vom 17.11.2006 zur Unzulässigkeit der Einzelbuchungsvariante automatisch dazu, dass City- und Regio-Gate- Verträge, die auf die Einzelbuchungsvariante angewiesen sind, nicht unverändert fortgesetzt werden können:

http://www.vetek.de/public_html/material/EN-06-11-20/Moegelin.pdf

Die Entscheidung bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich:

http://www.vetek.de/public_html/material/EN-06-11-20/Daeuper.pdf

 

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