Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Bundeskartellamt: § 315 BGB bei Strom/Gas- Tarifkunden

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RR-E-ft:
@Kampfzwerg

Im Kern geht es darum, dass ein Antrag auf gerichtliche Feststellung des billigen Preises gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB voraussetzt, dass die Unbilligkeit bereits zweifelsfrei zur Überzeugung des Gerichts feststeht.

Der Versorger, der erfolgreich einen entsprechenden Antrag stellen wollte, hätte das Gericht zunächst von der Unbilligkeit seiner Preise zu überzeugen.

Diese Aussage wurde nun schon mehrmals getroffen und an dieser hat sich nichts geändert.

elektron:

--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---Im Kern geht es darum, dass ein Antrag auf gerichtliche Feststellung des billigen Preises gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB voraussetzt, dass die Unbilligkeit bereits zweifelsfrei zur Überzeugung des Gerichts feststeht.
Der Versorger, der erfolgreich einen entsprechenden Antrag stellen wollte, hätte das Gericht zunächst von der Unbilligkeit seiner Preise zu überzeugen.
--- Ende Zitat ---

Ich kann Ihrer Argumentation durchaus folgen! :) Ist es aber nicht denkbar (um nicht zu sagen: wahrscheinlich), dass sich die Sache eines Tages so abspielt:

1. Immer mehr Kunden verweigern die Zahlung der Gaspreise oder kürzen sie mit Verweis auf die (angenommene) Unbilligkeit.

2. Irgendwann wird das dem Versorger zu bunt, so dass es die betreffenden Kunden auf Zahlung verklagt.

3.  Nun ist das Gericht am Zug: Um zu prüfen, ob die Behauptung der Unbilligkeit zutrifft, fordert es den Versorger auf, die nötigen Unterlagen (die eigene Preiskalkulation!) offenzulegen.

4a. Folgt der Versorger dieser Aufforderung nicht, muss das Verfahren wieder eingestellt werden.

4b. Folgt der Versorger der Aufforderung aber, wird das Gericht entweder feststellen, dass die ursprünglich geforderten Preise billig waren und die Kunden zur Zahlung verpflichten (vgl. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Oder es setzt selbst einen ihm angemessenen Preis ("durch Urteil") fest, die dann zu zahlen sind (vgl. a.a.O. Satz 2).

elektron

Kampfzwerg:
@RR-E-ft

--- Zitat ---Sonst wüssten Sie wohl, dass der Versorger nicht auf Festlegung klagen wird. Er kann nur auf Feststellung der Billigkeit oder auf Zahlung klagen. Eine Klage des Versorgers auf Feststellung eines billigen Preises wäre zu komisch.  
--- Ende Zitat ---


Ich konnte Ihnen und der Ironie in der Sache ebenfalls folgen,
wollte nur etwas Dampf aus dem Kessel nehmen. :wink:
Trotzdem Danke.


elektron schrieb:

--- Zitat ---Oder es setzt selbst einen ihm angemessenen Preis ("durch Urteil") fest, die dann zu zahlen sind (vgl. a.a.O. Satz 2).
--- Ende Zitat ---


Aber eben nur auf Antrag des Versorgers.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Versorger dieses Risiko eingeht.
Wenn die Preise niedrig angesetzt werden und alle seine anderen Kunden dann auf den Gleichbehandlungsgrundsatz pochen...

RR-E-ft:
@elektron
@Kampfzwerg

Vieles ist möglich. Rein theoretische Fälle sind von praktisch relevanten zu unterscheiden.

Der auf Zahlung klagende Versorger muss die Billigkeit nachweisen.

Wird gegen die Zahlungsklage des Versorgers oder bereits zuvor die Unbilligkeit einredeweise eingewandt, wird die Zahlungsklage vollständig zugesprochen, wenn der Versorger die Billigkeit nachweisen kann oder aber deshalb vollständig abgewiesen, weil die Billigkeit eben nicht nachgewiesen werden kann.

Es gibt keine Verfahrenseinstellung, sondern immer ein entsprechendes Urteil.

Dazwischen gibt es nichts, weil die Bestimmung nur verbindlich oder unverbindlich sein kann (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.06.2006).

Das Gericht prüft dabei gerade nicht die Unbilligkeit, weil diese vom Kunden schon nicht nachgewiesen werden muss. (An dieser Stelle unterliegt man leicht einem Trugschluss.)

Das Gericht kann nur auf Antrag des Versorgers  einen billigen Preis bestimmen, wenn a) die Unbilligkeit bereits feststeht und b) das Gericht selbst in die Lage versetzt ist, einen billigen Preis zu bestimmen.

Wird die Kalkulation nicht umfassend offen gelegt, kann das Gericht schon überhaupt nicht feststellen, ob die Preisbestimmung nun billig oder unbillig war....

Wenn die Billigkeit nicht nachgewiesen wurde, steht die Unbilligkeit damit jedoch noch nicht fest, so dass der Antrag auf Feststellung des billigen Preises allein deshalb, weil die Unbilligkeit nicht feststeht, weiter abgewiesen werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 = BGH NJW-RR 1992, 183).

Kann also die Billigkeit nicht nachgewiesen werden, muss die Zahlungsklage vollständig abgewiesen werden, ohne dass damit zugleich die Unbilligkeit bereits feststeht.

Ein Feststellungsantrag des Versorgers auf Feststellung des billigen Preises könnte dann zudem unzulässig sein, weil eine Leistungsklage (Zahlungsklage) vorrrangig ist. Eine deshalb vollkommen neue Zahlungsklage, die mit der ersten nichts zu tun hat, müsste wohl im Wege der sog. Stufenklage angebracht werden.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Unbilligkeit bereits feststünde, wenn die Billigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Dem ist nicht so.

Eine Zahlungsklage des Versorgers kann deshalb nur vollständig zugesprochen oder vollständig abgewiesen werden. Bei Klageabweiseung wegen derzeitiger Unbegründetheit der Klage mangels Nachweis der Billigkeit ist der Versorger grundsätzlich nicht gehindert, später eine vollkommen neue Zahlungsklage zu erheben. Es ist aber noch kein Fall bekannt geworden, wo ein solcher zweiter Anlauf genommen worden wäre.

Auch für eine solche Stufenklage müsste der Versorger zunächst nachweisen, dass seine Preisbestimmung unbillig und deshalb für den anderen unverbindlich war. War sie unverbindlich, können sich daraus auch keine negativen Folgen für den Kunden herleiten, der sich nie mit irgend etwas  im Verzug befand und zudem auch nie einen angemessenen Preis selbst bestimmen konnte, weil ihm dazu schon alle relevanten Daten fehlen und er zudem selbst dazu gar nicht berechtigt ist (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Es bleibt dabei, dass der Versorger, der erfolgreich einen Antrag auf Feststellung eines billigen Preises anbringen wollte, zunächst selbst die Unbilligkeit seiner Bestimmung darzutun und ggf. nachzuweisen hätte.
Dies steht aus meiner Sicht nicht zu erwarten, ist jedoch nicht für alle Zeit vollkommen ausgeschlossen.

Es kommt nicht darauf an, ob etwas denkbar und wahrscheinlich ist, sondern vielmehr darauf, wie wahrscheinlich es ist.

Man hat also die Frage zu stellen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Versorger sich mit dem Vortrag, seine Preisbestimmung sei garantiert unbillig, an ein Gericht wendet und deshalb die Feststellung eines billigen Preises beantragt und dazu noch alle relevanten Kalkulationsunterlagen zur Verfügung stellt.

Es erscheint nicht eben sehr wahrscheinlich.

Der Antrag müsste vom Gericht übrigends abgelehnt werden, wenn dieses a) die Unbilligkeit nicht feststellen kann also nicht von dieser überzeugt ist und/ oder b) das Gericht nicht hinreichend in die Lage versetzt wird, einen billigen Preis zu bestimmen.

Wird ein solcher Antrag auf Feststellung des billigen Preises aus Gründen zu a) oder b) abgelehnt, steht die Billigkeit oder der billige Preis immer noch nicht fest.

Und dabei hat es eben sein Bewenden.

Wie ersichtlich wird, hat der Antrag des Versorgers auf Feststellung eines billigen Preises nichts mit einem Risiko zu tun. Der Versorger müsste dafür zunächst selbst die Unbilligkeit seiner Preisbestimmung nachweisen. Dafür ist eine große psychologische Hemmschwelle zu überwinden. Zudem sind die Erfolgsaussichten dabei zweifelhaft.

Der Kunde braucht nur die Unbilligkeit einwenden, sich auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen und dann viel Geduld mitbringen und abwarten, wie der Versorger darauf entsprechend seiner Möglichkeiten reagieren wird, ob er etwa gar gleich einen Antrag auf Feststellung eines billigen Preises bei Gericht stellt.... :wink:

uwes:

--- Zitat von: \"elektron\" ---
Bitte um Nachsicht für all jene, die nicht schon seit zwei Jahren hier im Forum mitlesen und -schreiben.  :wink:
--- Ende Zitat ---


Und ich bitte um Nachsicht für all jene, die sich auch nach zweijährigem Studium des Forums nicht jedes Mal wieder aufs Neue mit den gleichen Fragen von damals befassen, sondern weiterkommen wollen.  :roll:

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