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Autor Thema: ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite  (Gelesen 38807 mal)

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Offline RR-E-ft

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ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite
« Antwort #75 am: 03. November 2006, 12:59:01 »
@superhaase

Ihre Stellungnahme ist mit Einschränkungen zutreffend.

Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung der Kalkulation und ein Antrag auf Feststellung eines billigen Preises gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch den Kunden hat deshalb geringe Aussichten auf Erfolg.

Aussichten auf Erfolg kann nur eine Klage des Kunden auf Feststellung haben, dass die einseitige Preisbestimmung durch den Versorger unwirksam ist, etwa infolge Unbilligkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Denn dies wird dann festgestellt, wenn die Preisbestimmung unwirksam ist, weil es entweder schon kein wirksames Recht zu einseitigen Preisänderungen durch den Versorger gibt, oder falls es ein solches doch geben sollte, dieser die Billigkeit nicht nachweisen kann, wofür er regelmäßig seine Kalkulation offen legen muss. Bei einem solchen Erfolg steht indes ein "billiger Preis" im Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB immer noch nicht fest.

@uwes

Nennen Sie mir bitte eine andere einseitige Bestimmung des Versorgers gegenüber Tarifkunden als die öffentliche Bekanntmachung des Tarifs gem. § 4 II AVBV, die als unbillig gerügt werden könnte und erklären Sie bitte zudem, wie diese anderweitige Bestimmung auf ihre Billigkeit hin überprüft werden könnte.

Mit der Neubekanntmachung von Tarifen, wodurch diese gem. § 4 II AVBV wirksam werden, treten die vorher geltenden Tarife außer Kraft, werden unwirksam. Das liegt in der Natur der Sache.

Wie könnte also eine zeitlich überholte einseitige Bestimmung, die durch den Versorger außer Kraft gesetzt wurde, überhaupt noch Weitergeltung beanspruchen?

Gem. § 4 I AVBV handelt es sich um jeweils geltende, jeweilige Tarife. Von wann bis wann (jeweilig) entsprechende Tarife gelten, entscheidet allein der Versorger, der diese immer wieder vollkommen neu festlegt und insgesamt einseitig bestimmt.

Mit dem Wirksamwerden eines neuen Tarifs - also Neubekanntmachung - tritt der bisherige Tarif immer zugleich außer Kraft und gilt nicht etwa  neben dem jetzt aktuell wirksamen Tarif auch nur teilweise weiter fort.

Das hat der Tarifkunde nun einmal überhaupt nicht in der Hand.

Durch vorbehaltlose, vollständige Zahlungen wird sowieso nichts anerkannt, sonst wäre nämlich auch schon ein Rückerstattungsanspruch hinsichtlich vorbehaltlos zuviel bezahlter einseig bestimmter Energiepreise ausgeschlossen. Ein solcher Rückerstattungsanspruch ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch nach vorbehaltlosen, vollständigen Zahlungen gerade nicht ausgeschlossen (vgl. nur BGH NJW 2003, 1449).

Und es lässt sich auch nichts für die Zukunft anerkennen, was vom anderen Vertragsteil außer Kraft gesetzt wurde und deshalb nicht mehr gilt. Wie sollte das wohl bei Lichte besehen funktionieren?

Ihre entsprechende These lässt sich deshalb m.E. nicht halten.

Worauf gedenken Sie diese zu stützen?

Ich gehe bisher davon aus, dass Sie dem Wortlaut des Gesetzes folgend  § 315 BGB auf alle einseitigen Leistungsbestimmungen eines Vertragspartners direkt anwenden möchten.

Ich lese in § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB deutlich das Wort "nur" verbunden mit einem vollkommen eindeutigen Konditionalsatz, beginnend mit "wenn".

Hingegen kann ich auch bei größter Anstrengung eine Einschränkung etwa durch das Wort "soweit" jedoch gerade nicht erkennen.

Am besten wird es sein, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB mehrmals laut und mit Betonung zu lesen:

http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__315.html

Bei genauer Betrachtung werden Sie ggf. auch feststellen, dass der Bestimmungsgegner sich lediglich auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einredeweise berufen kann und darf und im Übrigen gezwungen ist, abzuwarten, bis es etwa zu einer Bestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch ein Gericht kommt.

Keinesfalls ist er etwa dazu berechtigt, seinerseits selbst eine einseitige Festlegung zu treffen. Ein entsprechendes Recht steht ihm gerade nicht zu. Ein solches Vorgehen wäre vom Gesetz gerade nicht gedeckt und somit eine unzulässige, eigenmächtige Anmaßung.

Zudem ist es ihm unzumutbar, selbst einen Antrag auf Feststellung einer Neubestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu stellen, weil dieser Antrag kostenpflichtig abgelehnt werden muss, wenn das Gericht aus Gründen, die aus der Sphäre des Gegeners stammen, eine solche Bestimmung gar nicht selbst treffen kann.

Die gesetzliche Regelung ist deshalb  in allen Punkten vollkommen eindeutig.

Man kann auch die Motive und Protokolle zur Entstehung des BGB mithinzuziehen und wird dort genau dies wiederfinden und gerade kein anderes.

Dort ist wohl zu erfahren, dass das hohe Risiko, dass sich aus der Unbilligkeit der Bestimmung ergibt, ganz bewusst, nicht nur zum Schutz der anderen Vertragspartei, sondern auch aus Gründen der Prävention des Missbrauchs privatautonomer Gestaltungsmacht eingebaut wurde, ganz bewusst auf ein "soweit" verzichtet wurde und ein solches deshalb nun nicht etwa über Treu und Glauben in das Regelungsgefüge hineintransplantiert werden kann und darf.

Dies würde nämlich Sinn und Zweck der wohldurchdachten Vorschrift des § 315 BGB und deren Regelungsgehalt gerade zuwider laufen.

Derjenige, der eine unbillige Bestimmung trifft, handelt selbst in höchstem Maße gegen das Gebot von Treu und Glauben und kann sich deshalb seinerseit gerade nicht darauf berufen. Es würde den Regelungsgehalt des § 315 BGB konterkarieren.

Aus den Protkollen und Motiven geht klar hervor, dass man sich vor dem Wort "nur" getrost noch das Wort "überhaupt" hinzudenken darf.  

Im Gesetz findet sich deshalb wohl nur eine Stütze für meine Auffassung.
Contra legem zu argumentieren, liegt mir sehr fern.

Das wäre nämlich unseriös.

Unglaubwürdig sollte eigentlich derjenige erscheinen, der sich auf die Unverbindlichkeit und damit Unwirksamkeit der Bestimmung beruft und gleichwohl auf diese unwirksame Bestimmung leistet, was sich ja als eine Leistung auf eine erkannte Nichtschuld darstellen würde, § 814 BGB.

http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__814.html

Selbst wenn man auf diese erkannte Nichtschuld nur unter Vorbehalt leistet, um sich eine Rückforderung entgegen § 814 BGB zu sichern, muss man sich wohl fragen lassen, wie ernst es einem selbst überhaupt sein kann, mithin wie glaubwürdig das eigene Tun dabei sein soll, wo es doch widersprüchlich erscheinen muss.

Etwas vollkommen anderes ist mögliches Unverständnis, auf welches man ggf. stoßen könnte. Unverständnis ist aber regelmäßig das Problem desjenigen, der etwas selbst (noch) nicht verstanden hat. Man muss es ihm deshalb erst erklären und verständlich machen. Das kann eine dankbare Aufgabe sein. Und dabei sind wir schon gut vorangekommen.


Nach alldem kann ich den Kollegen Dres. Kunth/Tüngler wie auch Case& White viel Glück dabei wünschen, die Rechtsprechung dazu zu bewegen, § 315 BGB sei auch auf Sonderverträge uneingeschränkt anwendbar. Clifford Chance wären wohl nicht auf eine so glorreiche Idee verfallen.

Schon wenn sich ein Versorger gegenüber Sondervertragskunden überhaupt auf § 4 AVBV und den dortigen Mechanismus (Inkrafttreten/ Außerkrafttreten) beruft, könnte er ganz deutlich ins Hintertreffen geraten, vgl. oben.  :shock:


 :arrow:

Wird die aktuelle Tariffestsetzung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig gerügt, ist bis zum Nachweis deren Billigkeit nichts verbindlich.

Dabei geht es um die Billigkeit der gesamten Tariffestsetzung (nicht Erhöhung).

Salje, et 2005, 278 ff.

"Da nach der Rechtsprechung ein Entgelt so lange nicht fällig ist, bis das fordernde Unternehmen die Billigkeit seiner Preisbestimmung bewiesen hat (BGHZ 41, 271, 279 f. - Milchgeldkürzungen; BGHZ 97, 212,213 - Zinsänderungsklausel), muss der Gasversorger liefern, ohne eine Kompensation zu erhalten."

:arrow:

Problem:

Feststellungsinteresse hinsichtlich bereits außer Kraft getretener Tarife, kann nur noch bestehen, wenn noch Forderungen, die auf diesen alten Tarifen gründen, noch offen sind. Im Übrigen insoweit nur noch Rückforderungsklage möglich.

(Diese Frage kann sich bei Sonderverträgen bei der Feststellung der Unwirksamkeit zurückliegender Preiserhöhungen nicht ergeben, da diese aktuell und zukünftig kumuliert fortwirken, so dass das Feststellungsinteresse fortbesteht).



Wurden Zahlungen unter Vorbehalt geleistet und scheidet wegen dieser aus genannten Gründen eine Feststellungsklage aus und ist nur noch eine Rückforderungsklage möglich, wird diese regelmäßig daran scheitern, dass man den Rückforderungsanspruch nicht beziffern kann.

Deshalb sollte man nach dem Unbilligkeitseinwand gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als Tarifkunde auch nichts unter Vorbehalt leisten, weil es mit der nächsten Tariffestsetzung nur noch mit einer Rückforderungsklage zurückverlangt werden könnte, für die man jedoch den Rückzahlungsanspruch schon nicht beziffern kann.

Mit der Vorbehaltszahlung wird deshalb aus diesem Grunde das Geld endgültig weg sein. Um den Rückzahlungsanspruch beziffern zu können, müsste man den "billigen" Preise selbst kennen, um die Differenz zu bilden.

Man könnte allenfalls mit der Begründung, dass mangels Billigkeitsnachweis gar nichts verbindlich und fällig war, alles rechtsgrundlos Geleistete insgesamt zurückfordern.

Dies stieße indes nicht nur auf Unverständnis, sondern wäre vollends unglaubwürdig.

Also Obacht.

 :arrow:


Und deshalb bleibe ich dabei, dass Tarifkunden, die sich auf Unbilligkeit berufen haben, entsprechend kürzen müssen, um selbst nicht ins Hintertreffen zu gelangen.

Meine These:

Nur Energiepreisrebellen, welche sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 auf die Unverbindlichkeit der Tariffestsetzung berufen und dieTarifpreise  nicht zahlen, sondern abwarten, sind auf der sicheren Seite.


Mangels Fälligkeit eines Anspruches des Versorgers kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zurückbehaltungsrecht zu dessen Gunsten bestehen, so dass er weiter liefern muss (so schon LG Köln, RdE 2004, 306 re. Sp.).

Wenn es jemand besser weiß, wäre ich sehr an dieser Meinung interessiert.

Offline uwes

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ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite
« Antwort #76 am: 07. November 2006, 09:30:57 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Nennen Sie mir bitte eine andere einseitige Bestimmung des Versorgers gegenüber Tarifkunden als die öffentliche Bekanntmachung des Tarifs gem. § 4 II AVBV, die als unbillig gerügt werden könnte und erklären Sie bitte zudem, wie diese anderweitige Bestimmung auf ihre Billigkeit hin überprüft werden könnte.


Die öfentliche Bekanntmachung eines Tarifes ist nicht die Berechtigung zur Preisänderung im laufenden Vertrag. Genau das steht in der AVBGasV nämlich nicht geschrieben.
Ich kann Ihnen kein einseitiges Bestimmungrecht des Versorgers nennen.
Gerade dies führt doch zu der Frage, womit ein einseitiges Preisänderungsrecht des Versorgers begründet werden kann, denn nur dann kommen wir überhaupt zu § 315 BGB. Aber wenn wir auf diese Weise gar nicht zu § 315 BGB kommen, dann deswegen, weil ein Recht zur Preisanpassung zugunsten des Versorgers gar nicht gegeben ist.

So wie ich sehen das das LG Bremen, LG Berlin, LG Dresden. Es ist - zugegebenerweise nicht meine Idee gewesen , das als "naturgegebenes Phänomen" offenbar immer kritiklos akzeptierte Preisänderungsrecht der Versorger einmal kritisch zu hinterfragen.

Und jetzt Ihr Kommentar etwas weiter oben:
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Denn dies wird dann festgestellt, wenn die Preisbestimmung unwirksam ist, weil es entweder schon kein wirksames Recht zu einseitigen Preisänderungen durch den Versorger gibt, ....
Genau so kann es auch gesehen werden. Da die AVBGasV in nahezu allen Verträgen kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Einbeziehung Geltung beansprucht, kann es zu dem von ihnen selbst angedeuteten Ergebnis dann (wie LGe Bremen, Berlin, Dresden) kommen, wenn man in den Bestimmngen der AVBGasV eben kein Recht zur einseitigen Preisänderung in laufenden Tarifen sehen würde.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite
« Antwort #77 am: 07. November 2006, 10:10:11 »
@uwes

Meine umfangreichen Ausführungen zu § 4 Abs. 1 AVBV blieben wohl vollkommen unberücksichtigt.

Da muss man deutlich unterscheiden.

Hinsichtlich echter Tarifkunden im Sinne des § 1 Abs. 2 AVBV ergibt sich aus §§ 4 I, II AVBV ohne weiteres, dass der Versorger von Anfang an und jederzeit die Tarifpreise diesen Kunden gegenüber einseitig bestimmt im Sinne des § 315 BGB (vgl. auch im ähnlich gelagerten Fall Netzentgelte in Form allgemeiner Tarife BGH NJW 2006, 684 und NJW-RR 2006, 915).

Nur bei diesen echten Tarifkunden werden die Bestimmungen der §§ 2 bis 34 AVBV normativ in die Verträge einbezogen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBV).

Über die Frage des Preisbestimmungsrechts des Versorgers gegenüber echten Tarifkunden hatten die LG Bremen, Berlin und Dresden gerade nicht zu entscheiden.

Dort ging es immer um Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung gem. § 41 EnWG.

Es wäre deshalb eine absolut verkürzte Sicht, wollte man ein Preisbestimmungsrecht des Versorgers gem. § 315 BGB gegenüber echten Tarifkunden verneinen (vgl. auch Held, NZM 2004, 169 ff.).

Dieser Schluss ist deshalb m. E. nicht haltbar.

Für die Anwendung von § 315 BGB auf diese Versorgungsverhältnisse vgl. nur Stellungnahme BMJ, Stellungnahme BKartA und § 17 GVV. Diese Stellungnahmen sind vollkommen eindeutig und es gibt keinerlei Anlass, diese in Zweifel zu ziehen.

Besteht gegenüber echten Tarifkunden das Preisbestimmungsrecht gem. §§ 4 AVBV, 315 BGB, so ergibt sich ohne weiteres die Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB mit allen daraus folgenden Konsequenzen, so wie ich diese aufgezeigt habe.

Etwas anderes gilt bei lediglich vertraglicher Einbeziehung in Form von AGB. Nur dazu haben sich die Urteile LG Bremen, Berlin und Dresden verhalten.

Dass die Bestimmungen der AVBV bei normativer Einbeziehung hingegen gerade keiner Inhaltskontrolle nach AGB- Recht unterfallen, hatte der BGH bereits mehrfach entschieden.

Deshalb sind beide Konstellationen deutlich voneinander zu unterscheiden und deshalb verbieten sich zugleich entsprechende Verallgemeinerungen.

Offline uwes

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ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite
« Antwort #78 am: 07. November 2006, 10:58:31 »
@Fricke

wir sind in dieser Angelegenheit - konstruktiv - auseinander.

Ihre Auffassung von den Bedetungen der zitierten Entscheidungen vermag ich ebenfalls nicht zu teilen.

Das Landgericht Dresden hatte hier zwar über eine Preisgleitklausel zu urteilen, deren Wirksamkeit vom Landgericht im Ergebnis verneint wurde, jedoch prüft das Landgericht dann ab S. 34 der Gründe, ob die dortige Beklagte die Preiserhöhungen nicht mit der Einbeziehung der AVBGasV rechtfertigen könnte.

Auf S. 35 (Mitte der Gründe) stellt das Landgericht Dresden im Verhältnis zur AVBGasV dann das Folgende fest:

„All dies bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn die AVB-GasV enthält keine Klauseln, aus denen sich eine Preisänderungsbefugnis der Beklagten herleiten ließe.“

Sehr deutlich, wie ich meine.

Weiter heißt es

„Dies gilt insbesondere für § 4 Abs. 2 der AVBGasV, auf den sich die
Beklagte beruft. Der Wortlaut gibt nämlich für eine vereinbarte Preisänderungsbefugnis nichts her, sondern regelt nur die öffentliche Bekanntgabe als zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderung allgemeiner Tarife und Bedingungen.“


So sieht auch das Landgericht Berlin in der Entscheidung vom 19.06.2006 die Rechtslage. Das Landgericht Berlin führt auf S. 13 zur Frage, ob die AVBGasV eine Preisänderungsbefugnis ermöglicht, das Folgende aus:

„Die Preiserhöhung kann auch nicht ersatzweise auf § 4 Abs. 1 und/oder Abs. 2 AVBGasV gestützt werden, weil diese Norm ein Leitbild beinhaltet: Als Leitbild würde die Norm nur zeigen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Preiserhöhungen im laufenden Vertragsverhältnis befürwortet, aber gerade nichts hergeben für die hier relevante Frage, unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Zeitpunkten in welchem Umfang Preise erhöht werden dürfen oder auch wieder gesenkt werden müssen“.

Eigentlich auch mehr als deutlich.

Die beiden angesprochenen Gerichte haben hier ersichtlich keinen Unterschied erkennen lassen, ob es sich um Tarif- und/oder Sondervertragskunden handelt. Sie haben einzig und allein die Frage geklärt (und für sich verneint) dass allein die AVBGasV kein einseitiges Preiserhöhungsrecht ermöglicht.

Ich erkenne an, dass Ihrer Argumentation viel sinnvolles beizumessen ist. Allein die Frage, ob in laufenden Vertragsverhältnissen überhaupt erhöht werden kann, wird von diesen beiden Gerichten mit ebenso nachvollziehbarer Begründung verneint.

Ich wollte diese neuen Tendenzen in der Rechtsprechung als  Denkanstoß verstanden wissen. Ob diese oder eine andere Meinung sich letztlich durchsetzt, muss man abwarten.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #79 am: 07. November 2006, 11:17:36 »
@uwes

Alles vollkommen deutlich und richtig und gleichwohl missverstanden:

§ 4 AVBV als AGB kann ja schon kein Preisänderungsrecht hergeben, da schon tatbestandlich nur auf die allgemeinen Tarife gem. § 1 Abs. 1 AVBV, § 6 EnWG 1935 bzw. § 10 EnWG 1998 abgestellt wird.

Man kann die gesamte AVBV vor und zurückblättern und wird schon tatbestandlich nichts dazu finden, wie Sonderpreise geändert werden können.

Deshalb konnte sich daraus kein Preisänderungsrecht ergeben.

Zudem würden entsprechende Klauseln gegen § 307 BGB verstoßen.

Bei echten Tarifkunden ist es indes - wie gesagt - vollkommen anders, vgl. schon BVerwGE 95, 133.

Hätte es sich nicht um AGB gehandelt, hätte schon keine Klauselkontrolle erfolgen dürfen.

Es gibt keinerlei Entscheidung, die das bei echten Tarifkunden anders sieht (vgl. auch BGH NJW 1998, 3188 [3192]).

Offline ESG-Rebell

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« Antwort #80 am: 07. November 2006, 11:59:30 »
Zitat von: \"uwes\"
@Fricke
wir sind in dieser Angelegenheit - konstruktiv - auseinander.


Gestatten Sie mir eine kurze - nicht konstruktive - Bemerkung:
Als Ingenieur finde ich es sehr inspirierend, zwei Juristen in einer konstruktiven Diskussion zu belauschen  :wink:

Gruss,
ESG-Rebell

Offline RR-E-ft

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« Antwort #81 am: 07. November 2006, 17:39:23 »
@uwes

Siehe auch hier, insbesondere die Materialien des Gesetzgebungsverfahrens:

Neue Verordnungen treten am 08.11.2006 in Kraft !!

Dies betrifft allein und ausschließlich die Grund- und Ersatzversorgung mit Elektrizität und Gas im Sinne der §§ 36, 38 EnWG n.F..

Zugleich ist klargestellt, dass auf nach dem 13.07.2005 neu abgeschlossene Vertragsverhältnisse in der Grundversorgung bzw. auf Ersatzversorgungsverhältnisse von Anfang an rückwirkend nur die entsprechende GVV zur Anwendung kommt, nicht aber die AVBV (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 4 GVV).

Offline Floryk

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« Antwort #82 am: 07. November 2006, 19:56:00 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Es gibt keinerlei Entscheidung, die das bei echten Tarifkunden anders sieht (vgl. auch BGH NJW 1998, 3188 [3192]).


Dann wird es aber Zeit. Ich habe in den anstehenden Verfahren die Argumentation - auch - auf diesen Punkt gebracht.
Ich möchte, dass die angerufenen Gerichte ausdrücklich und sorgfältig begründet eine einseitige Preisänderungsbefugnis der Versorger für reine Tarifkunden feststellen oder aber negieren. Dann sehen wir klarer.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #83 am: 07. November 2006, 20:23:45 »
@Floryk

Es wäre ausgesprochen schlecht, wenn ein Gericht erkennen sollte, dass ein EVU gegenüber Tarifkunden die jeweiligen Preise nicht jederzeit einseitig festlegen darf und festlegt.

Man sollte sich ggf. vorher überlegen, wo man am Ende stehen möchte.

Mit der Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB können alle sehr gut leben.

Der BGH hat dies in solchen Fällen einer allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht immer wieder als interessengerecht bezeichnet (vgl. BGH NJW-RR 1992, 183; BGH NJW 2006, 684; BGH NJW-RR 2006, 915; BGH NJW 2006, 1667).

Offline Free Energy

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« Antwort #84 am: 07. November 2006, 22:36:31 »
Hallo Herr Fricke,

also nochmal die Frage für die Praxis:

Sperrungsandrohungen wegen erfolgter Kürzungen bei Anwendung des § 315 BGB konnten bisher mit Hilfe der Energieaufsicht in Düsseldorf immer zügig beseitigt werden.

Die Energieaufsicht hat aber auf Nachfrage angedeutet, dass bei einer "Kürzung auf Null" wohl von dort keine weitere Hilfe zu erwarten sei.

Auch das Bundeskartellamt spricht in seinem Schreiben an RA Weeg aus Rheda-Wiedenbrück nur von "Kürzungen".

Also müßte ggfls. doch wieder mit einstweiligen Verfügungen gearbeitet werden, welche das Risiko massiv erhöhen, schon an dieser Schwelle zu scheitern.

Siehe nochmal hier :

GAS - VU sperrt trotz Einwand gem. § 315 !

Warum folgt Ihnen das Bundeskartellamt bezüglich der "Kürzung auf Null" nicht ? Ist diese These von Ihnen denn so neu ?

Wie sollen die Verbraucher diese Kürzungen überhaupt durchsetzen ?


Fragen über Fragen !

Als ich Ihre Kürzungstheorie" bei uns mal in einer Gruppe von 100 Leuten nur ansatzweise vorgestellt habe, gab es "tumultartige" Szenen !

Die eine Hälfte der Verbraucher schrie: " Das können wir doch nicht machen !" und die andere Hälfte schrie :" Ja warum denn eigentlich nicht ?"


Es war absolut keine Einigkeit herzustellen. Aber das hatte ich auch nicht anders erwartet. Denn der Großteil einer Widerstandsgruppe besteht eben  aus "juristischen Laien" und nicht aus "versierten Anwälten".

Selbst wenn Sie dort persönlich sagen würden, dass Sie die "Kürzung auf Null" seit 2 Jahren erfogreich durchführen, würde man sagen:

" Alles prima, Herr Fricke, aber wer hilft mir, wenn ich deswegen Probleme bekomme ?"
"

Deshalb muss zusätzlich etwas gefunden werden, um den "Laien" die nötige Sicherheit zu geben, verstehen Sie das Problem ?

Gruß

Free Energy

Offline Cremer

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« Antwort #85 am: 08. November 2006, 07:56:55 »
@Free Energy


ich sehe das so:

Die SW KH haben mir den Sondervertrag A zum 31.12.2006 einseitig gekündigt und einen neuen Vertrag ab dem 1.1.2007 vorgelegt. Dieser unterscheidet sich in:

- neue Lohntarife, statt BAT jetzt TV-Versorger
- andere Referenzperioden statt 6/3/3 jetzt 6/1/3
- einen zusätzlichen Vertragstext, swenn Angaben vom Statistischen Bundesamt nicht vorliegen, dann können Schätzwerte genommen werden.

Außerdem legen die SW KH die AVBGasV zugrunde, die jetzt nicht mdehr gültig ist.

Dem habe ich widersprochen.

Somit gilt ab dem 1.1.2007 kein Vertragsverhältnis mehr, deshalb werde ich die Abschlagszahlungen auf Null setzen.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

info@bifep-kh.de
www.bifep-kh.de
gerd@cremer-kreuznach.de

Offline RR-E-ft

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« Antwort #86 am: 08. November 2006, 11:56:57 »
@Free Energy

Ich sehe mich in dem Schreiben des Bundeskartellamtes durchaus bestätigt:

Bundeskartellamt: § 315 BGB bei Strom/Gas- Tarifkunden

Denn eine Kürzung nach der Unbilligkeitseinrede gegen die Tariffestsetzung  schließt eben auch eine Kürzung auf Null ein, wenn man § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB wortgetreu ernst nimmt.

Eine Kürzung setzt man dadurch durch, indem man nicht freiwillig zahlt. Das liegt wohl auf der Hand.

Im Übrigen ist es die Veranstaltung jedes einzelnen, ob und wie er kürzt.

Wer am Berg Angst vor allzu steilen Pfaden hat, soll - wo dies möglich ist -mit der Seilbahn fahren oder eben unten bleiben. Ich gehe meinen Weg und es muss nicht jeder hinterhersteigen, der es sich nicht getraut oder gar schon am Anfang des Weges merkt, dass ihm die Knie weich werden könnten.Jeder wandert auf eigene Gefahr. Dass es dabei auf die Ausrüstung und die individuelle Kondition ankommt und es sinnwohl sein kann, ein Sicherheitsseil anzulegen, habe ich auch ausgeführt. Gerade in wetterwendigen Zeiten muss man sich auch schon mal warm anziehen. Das bedeutet, dass man sich ggf. von einem Anwalt beraten und von Anfang an ständig vertreten lassen sollte.

Sehr geehrter Herr Ahlers, ich hoffe, dass ich mich in diesem Punkt immer wieder vollkommen klar und verständlich ausgedrückt habe und nicht immer wieder als "Wandergruppenbetreuer" missverstanden werde.
Ein solcher war ich nie und will ich auch nicht sein. Die Probleme am Berg sind mir durchaus bekannt. Deshalb habe ich ja gerade so umfangreich dazu geschrieben, nicht weil mir gerade langweilig war.

Ich schreibe das bestimmt nicht jedesmal neu, sondern dabei muss es nun endgültig sein Bewenden haben. Dafür bitte ich recht herzlich um Ihr Verständnis.

Gleichwohl: Weiterhin viel Erfolg bei der Bezwingung des Berges !

@Cremer

In einem vertragslosen Zustand ist man in solcher Konstellation sicherlich nicht, vgl. § 1  Abs. 1 Satz 4 GasGVV. Es kommt wohl entscheidend darauf an, ob der für die Lieferungen einseitig festgelegte Preis insgesamt gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig gerügt wurde.


 

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