@superhaase
Ihre Stellungnahme ist mit Einschränkungen zutreffend.
Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung der Kalkulation und ein Antrag auf Feststellung eines billigen Preises gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch den Kunden hat deshalb geringe Aussichten auf Erfolg.
Aussichten auf Erfolg kann nur eine Klage des Kunden auf Feststellung haben, dass die einseitige Preisbestimmung durch den Versorger
unwirksam ist, etwa infolge Unbilligkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Denn dies wird dann festgestellt, wenn die Preisbestimmung unwirksam ist, weil es entweder schon kein wirksames Recht zu einseitigen Preisänderungen durch den Versorger gibt, oder falls es ein solches doch geben sollte, dieser die Billigkeit nicht nachweisen kann, wofür er regelmäßig seine Kalkulation offen legen muss. Bei einem solchen Erfolg steht indes ein "billiger Preis" im Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB immer noch nicht fest.
@uwes
Nennen Sie mir bitte eine andere einseitige Bestimmung des Versorgers gegenüber Tarifkunden als die öffentliche Bekanntmachung des Tarifs gem. § 4 II AVBV, die als unbillig gerügt werden könnte und erklären Sie bitte zudem, wie diese anderweitige Bestimmung auf ihre Billigkeit hin überprüft werden könnte.
Mit der Neubekanntmachung von Tarifen, wodurch diese gem. § 4 II AVBV wirksam werden, treten die vorher geltenden Tarife
außer Kraft, werden unwirksam. Das liegt in der Natur der Sache.
Wie könnte also eine zeitlich überholte einseitige Bestimmung, die durch den Versorger
außer Kraft gesetzt wurde, überhaupt noch Weitergeltung beanspruchen?
Gem. § 4 I AVBV handelt es sich um
jeweils geltende,
jeweilige Tarife.
Von wann bis wann (jeweilig) entsprechende Tarife gelten, entscheidet allein der Versorger, der diese immer wieder vollkommen neu festlegt und insgesamt einseitig bestimmt.
Mit dem Wirksamwerden eines neuen Tarifs - also Neubekanntmachung - tritt der bisherige Tarif immer zugleich
außer Kraft und gilt nicht etwa neben dem jetzt aktuell wirksamen Tarif auch nur
teilweise weiter fort.
Das hat der Tarifkunde nun einmal überhaupt nicht in der Hand.
Durch vorbehaltlose, vollständige Zahlungen wird sowieso nichts anerkannt, sonst wäre nämlich auch schon ein Rückerstattungsanspruch hinsichtlich vorbehaltlos zuviel bezahlter einseig bestimmter Energiepreise ausgeschlossen. Ein solcher Rückerstattungsanspruch ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch nach vorbehaltlosen, vollständigen Zahlungen gerade nicht ausgeschlossen (vgl. nur BGH NJW 2003, 1449).
Und es lässt sich auch nichts für die Zukunft anerkennen, was vom anderen Vertragsteil
außer Kraft gesetzt wurde und
deshalb nicht mehr gilt. Wie sollte das wohl bei Lichte besehen funktionieren?
Ihre entsprechende These lässt sich deshalb m.E. nicht halten.
Worauf gedenken Sie diese zu stützen?Ich gehe bisher davon aus, dass Sie dem Wortlaut des Gesetzes folgend § 315 BGB auf alle einseitigen Leistungsbestimmungen eines Vertragspartners direkt anwenden möchten.
Ich lese in
§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB deutlich das Wort "
nur" verbunden mit einem vollkommen eindeutigen Konditionalsatz, beginnend mit "
wenn".
Hingegen kann ich auch bei größter Anstrengung eine Einschränkung etwa durch das Wort "
soweit" jedoch gerade nicht erkennen.
Am besten wird es sein, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB mehrmals laut und mit Betonung zu lesen:http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__315.htmlBei genauer Betrachtung werden Sie ggf. auch feststellen, dass der Bestimmungsgegner sich lediglich auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einredeweise berufen
kann und darf und im Übrigen
gezwungen ist, abzuwarten, bis es etwa zu einer Bestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch ein Gericht kommt.
Keinesfalls ist er etwa dazu berechtigt, seinerseits selbst eine
einseitige Festlegung zu treffen. Ein entsprechendes Recht steht ihm gerade nicht zu. Ein solches Vorgehen wäre vom Gesetz gerade nicht gedeckt und somit eine unzulässige, eigenmächtige Anmaßung.
Zudem ist es ihm
unzumutbar, selbst einen Antrag auf Feststellung einer Neubestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu stellen, weil dieser Antrag kostenpflichtig abgelehnt werden muss, wenn das Gericht aus Gründen, die aus der Sphäre des Gegeners stammen, eine solche Bestimmung gar nicht selbst treffen kann.
Die gesetzliche Regelung ist deshalb in allen Punkten vollkommen eindeutig.
Man kann auch die
Motive und Protokolle zur Entstehung des BGB mithinzuziehen und wird dort genau dies wiederfinden und gerade kein anderes.
Dort ist wohl zu erfahren, dass das
hohe Risiko, dass sich aus der Unbilligkeit der Bestimmung ergibt,
ganz bewusst, nicht nur zum Schutz der anderen Vertragspartei, sondern auch aus
Gründen der Prävention des Missbrauchs privatautonomer Gestaltungsmacht eingebaut wurde, ganz bewusst auf ein "soweit" verzichtet wurde und ein solches deshalb nun nicht etwa über
Treu und Glauben in das Regelungsgefüge hineintransplantiert werden kann und darf.
Dies würde nämlich
Sinn und Zweck der wohldurchdachten Vorschrift des § 315 BGB und deren Regelungsgehalt gerade
zuwider laufen.
Derjenige, der eine
unbillige Bestimmung trifft, handelt selbst in höchstem Maße gegen das Gebot von Treu und Glauben und kann sich deshalb seinerseit gerade nicht darauf berufen. Es würde den Regelungsgehalt des § 315 BGB
konterkarieren.
Aus den Protkollen und Motiven geht klar hervor, dass man sich vor dem Wort "nur" getrost noch das Wort "überhaupt" hinzudenken darf.
Im Gesetz findet sich deshalb wohl nur eine Stütze für meine Auffassung.
Contra legem zu argumentieren, liegt mir sehr fern.
Das wäre nämlich
unseriös.Unglaubwürdig sollte eigentlich derjenige erscheinen, der sich auf die Unverbindlichkeit und damit
Unwirksamkeit der Bestimmung beruft und gleichwohl auf diese unwirksame Bestimmung leistet, was sich ja als eine Leistung auf eine
erkannte Nichtschuld darstellen würde,
§ 814 BGB.
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__814.htmlSelbst wenn man auf diese erkannte Nichtschuld nur
unter Vorbehalt leistet, um sich eine Rückforderung entgegen § 814 BGB zu sichern, muss man sich wohl fragen lassen, wie ernst es einem selbst überhaupt sein kann, mithin wie glaubwürdig das eigene Tun dabei sein soll, wo es doch
widersprüchlich erscheinen
muss.
Etwas vollkommen anderes ist mögliches
Unverständnis, auf welches man ggf. stoßen könnte. Unverständnis ist aber regelmäßig das Problem desjenigen, der etwas selbst (noch) nicht verstanden hat. Man muss es ihm deshalb erst erklären und verständlich machen. Das kann eine dankbare Aufgabe sein. Und dabei sind wir schon gut vorangekommen.
Nach alldem kann ich den Kollegen Dres. Kunth/Tüngler wie auch Case& White viel Glück dabei wünschen, die Rechtsprechung dazu zu bewegen, § 315 BGB sei auch auf Sonderverträge uneingeschränkt anwendbar. Clifford Chance wären wohl nicht auf eine so glorreiche Idee verfallen.
Schon wenn sich ein Versorger gegenüber Sondervertragskunden überhaupt auf
§ 4 AVBV und den dortigen
Mechanismus (Inkrafttreten/ Außerkrafttreten) beruft, könnte er ganz deutlich ins Hintertreffen geraten, vgl. oben. :shock:
:arrow:
Wird die
aktuelle Tariffestsetzung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig gerügt, ist bis zum Nachweis deren Billigkeit nichts verbindlich.
Dabei geht es um die Billigkeit der gesamten Tariffestsetzung (nicht Erhöhung).
Salje, et 2005, 278 ff.
"Da nach der Rechtsprechung ein Entgelt so lange nicht fällig ist, bis das fordernde Unternehmen die Billigkeit seiner Preisbestimmung bewiesen hat (BGHZ 41, 271, 279 f. - Milchgeldkürzungen; BGHZ 97, 212,213 - Zinsänderungsklausel), muss der Gasversorger liefern, ohne eine Kompensation zu erhalten.":arrow:
Problem: Feststellungsinteresse hinsichtlich bereits außer Kraft getretener Tarife, kann nur noch bestehen, wenn noch Forderungen, die auf diesen alten Tarifen gründen, noch offen sind. Im Übrigen insoweit nur noch Rückforderungsklage möglich.
(Diese Frage kann sich bei Sonderverträgen bei der Feststellung der Unwirksamkeit zurückliegender Preiserhöhungen nicht ergeben, da diese aktuell und zukünftig
kumuliert fortwirken, so dass das Feststellungsinteresse fortbesteht).
Wurden Zahlungen unter Vorbehalt geleistet und scheidet wegen dieser aus genannten Gründen eine Feststellungsklage aus und ist nur noch eine Rückforderungsklage möglich, wird diese regelmäßig daran scheitern, dass man den Rückforderungsanspruch nicht
beziffern kann.
Deshalb sollte man nach dem Unbilligkeitseinwand gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als Tarifkunde auch nichts unter Vorbehalt leisten, weil es mit der nächsten Tariffestsetzung nur noch mit einer Rückforderungsklage zurückverlangt werden könnte, für die man jedoch den Rückzahlungsanspruch schon nicht beziffern kann.
Mit der Vorbehaltszahlung wird deshalb aus diesem Grunde das Geld endgültig weg sein. Um den Rückzahlungsanspruch beziffern zu können, müsste man den "billigen" Preise selbst kennen, um die Differenz zu bilden.
Man könnte
allenfalls mit der Begründung, dass mangels Billigkeitsnachweis gar nichts verbindlich und fällig war,
alles rechtsgrundlos Geleistete
insgesamt zurückfordern.
Dies stieße indes nicht nur auf Unverständnis, sondern wäre vollends unglaubwürdig.
Also Obacht. :arrow:
Und deshalb bleibe ich dabei, dass Tarifkunden, die sich auf Unbilligkeit berufen haben, entsprechend kürzen müssen, um selbst nicht ins Hintertreffen zu gelangen.
Meine These:
Nur Energiepreisrebellen, welche sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 auf die Unverbindlichkeit der Tariffestsetzung berufen und dieTarifpreise nicht zahlen, sondern abwarten, sind auf der sicheren Seite.Mangels Fälligkeit eines Anspruches des Versorgers kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zurückbehaltungsrecht zu dessen Gunsten bestehen, so dass er weiter liefern muss (so schon LG Köln, RdE 2004, 306 re. Sp.).
Wenn es jemand besser weiß, wäre ich sehr an dieser Meinung interessiert.