@RuRo
Die einseitige Leistungsbestimmung ist jedenfalls
für den anderen nur verbindlich und somit eine Forderung nur fällig, wenn sie der Billigkeit entspricht (vgl. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Für denjenigen, der die Bestimmung getroffen hat, ist diese verbindlich dergestalt, dass er keine neue Bestimmung an deren Stelle mehr treffen kann. Es kann also rückwirkend nicht mehr nachgebessert werden.
Fatal.
Die Bestimmung lässt sich nur so nachträglich darauf hin überprüfen, ob sie billig oder unbillig war. Dazwischen gibt es nichts. Mit der Frage nach der Billigkeit verhält es sich deshalb wie mit der Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft.
Die Antwort muss ja oder nein lauten.
Die Antwort "Weiß ich nicht" ist auch dabei ausgesprochen nachteilig.
War sie unbillig, ist sie
von Anfang an unverbindlich und also unwirksam.
Dann kann möglicherweise noch ein Gericht weiterhelfen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) - wenn der Vortrag dafür genügt (bisher kein entsprechender Fall bekannt geworden).
Oft lässt sich nicht nachweisen, dass sie billig war, was im Ergebnis auf das gleiche hinausläuft.
Mit dem klitzekleinen Unterschied, dass dann auch
keine gerichtliche Ersatzbestimmung zulässig ist (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Noch fataler.
Stellt sich der Versorger nun auf den Standpunkt, die Forderungen seien billig und mithin nicht unverbindlich, so hätte er jedenfalls wohl auch auch eine laufende Verjährungsfrist zu beachten. Denn er selbst kann sich nicht darauf berufen, dass der Lauf der Verjährung nicht begann.
Daneben ist auch an Verwirkung zu denken.
Und diese könnte ggf. sogar kürzer sein.
Es spricht m.E. einiges dafür, dass der Bestimmende zeitnah nach der Erhebung der Einrede bereits eine Feststellungsklage zu erheben hat, da es schließlich auf die Billigkeit der Ermessensentscheidung
im Zeitpunkt der Bestimmung ankommt.
Schließlich steht zu besorgen, dass der die Bestimmung treffende nach einigem Zeitablauf selbst nicht mehr weiß, was er sich wohl dabei gedacht hatte, wie er seine notwendige Abwägungsentscheidung zwischen den gegenläufigen Interessen der Vertragspartner getroffen hatte, welche Erwägungen er dabei alles angestellt hatte, mithin alle
Dafür und Dawider, die er gegeneinander gewogen hatte, um schlussendlich nach reiflicher Überlegung zu seiner Entscheidung zu finden.
(Möglicherweise gibt es darüber Protokolle).
Bei E.ON WW ist zum Beispiel Herr Villis nicht mehr da. Sollte dieser die jeweiligen Entscheidungen getroffen haben und sich nun heute nicht mehr erinnern können, was er hin und her gegrübelt hatte..... Er hatte jedenfalls am 25.01.2005 im Nixdorf- Forum noch versichert, dass er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hatte.
"Aber wie war das doch gleich noch seinerzeit im Herbst 2004 ? Hatte ich überhaupt Marmelade am Ärmel ?" (Vattenfall).
http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/1462902/Unmaßgeblich muss es demnach sein, wie sich die Kosten danach tatsächlich fortentwickelt haben (also maßgeblich ex-ante- Sicht, so zutreffend LG Neuruppin ZMR 2006, 290,
Held, NZM 2004, 169 ff.).
Eine solche Feststellungsklage dürfte bereits nach ca. sechs Monaten
verwirkt sein.
Oft ist dann die letzte einseitige Bestimmung schon wieder überholt. :roll:
Es ist deshalb ggf. bedenklich, wenn der Bestimmende abwartet, bis er eine Leistungsklage erheben kann, innerhalb derer die Billigkeit der vorgenommenen Leistungsbestimmung ebenso, jedoch
incident erst festgestellt werden muss.
Das Problem:
In einer Leistungsklage nach Erhebung der Unbilligkeitseinrede immer im Kern enthalten ist auch ein "versteckter" Feststellungsantrag dahingehend, dass die Leistungsbestimmung billig war. Bei einem darauf ergehendem Urteil spricht man deshalb auch zutreffend von einem "versteckten" Gestaltungsurteil.
Ein solcher Feststellungsantrag - gesondert verfolgt - könnte selbst schon verwirkt sein, so dass die entsprechende Leistungsklage rechtsmissbräuchlich die bereits eingetretene Verwirkung des incidenten (im Kern "versteckt" enthaltenen) Feststellungsantrages aushebeln könnte.
Unter diesem Gesichtspunkt könnte es schon längstens zu spät sein.
Maßgeblich abzustellen sein könnte deshalb auf den Zeitpunkt der Erhebung der Einrede. Aus diesem könnte sich bestimmen, wann die Erhebung einer Feststellungsklage des Bestimmenden verwirkt war.
Dabei ist beachtlich, dass der Bestimmende zunächst überhaupt nicht durch die Vorrangigkeit einer Leistungsklage an der Erhebung der Feststellungsklage gehindert sein konnte, zudem die Feststellungswirkung weiter reicht.
Andererseit ist anerkannt, dass der Zahlungsverpflichtete die Unbilligkeitseinrede auch erst noch im Zahlungsprozess erheben kann und also mit dieser bis dahin nicht verspätet sein kann (BGH NJW 2003, 3131).
Ich weiß nicht, ob sich schon jemand vertiefter mit dieser Frage befasst hat, deren Beantwortung ein interessantes Ergebnis zeitigen könnte.
Fakt ist, dass die Versorger angesichts der schnellen Folge iherer einseitigen Leistungsbestimmungen und der großen Anzahl der daraufhin erhobenen Einreden nicht in der Lage sein werden, solche möglicherweise notwendigen
Feststellungsklagen in jedem Falle anzubringen.
Hinsichtlich einzelner Kunden müsste schon die vierte Feststellungsklage in Folge angebracht worden sein, nachdem über die erste noch gar nicht entschieden ist.
Immerhin sähen die Gerichte dann anhand der jeweils offen gelegten Kalkulation ziemlich genau die tatsächliche Kostenentwicklung über die Zeit....
Für die Notwendigkeit der Erhebung einer Feststellungsklage (jedoch spiegelbildlich und deshalb die Möglichkeit der
außergerichtlichen Einrede verkennend) hatte sich
Prof. Ehricke (JZ 2005, 599 [606], li Sp.) ausgesprochen:
http://www.tsm-fernwaerme.com/fileadmin/dokumente/rec/Aufsatz_Ehricke_JZ_2005_599ff.pdfDieser ließe sich ggf. mit seiner Argumentation - wenn auch unter anderem Blickwinkel- ins Feld führen, wenn es darum geht, ob der Bestimmungsberechtigte nach der Erhebung der Unbilligkeitseinrede sogleich eine Feststellungsklage zu erheben habe.
Im Übrigen ist zu dem Aufsatz anzumerken, dass ja nunmehr wohl schon allen klar ist, dass § 315 BGB direkte Anwendung findet.
Das Regelungssystem des § 315 BGB erscheint dort auch nicht zutreffend reflektiert, weil eine gerichtliche (ersetzende) Bestimmung zum einen
nur auf Antrag und zum anderen - abgesehen vom Fall der Verzögerung - nur unter der Voraussetzung erfolgen darf, dass bereits feststeht, dass die Bestimmung unbillig ist (§ 315 Abs. 3 Satz 2 Alt 1 BGB).
Der Bestimmende hätte also (zeitnah nach Erhebung der Einrede) einen Antrag auf Feststellung zu stellen, dass seine Bestimmung billig war, hilfsweise auf Feststellung einer billigen Ersatzbestimmung.
Dies gestaltet sich sicher nicht einfach:
Dabei dürfte der Vortrag für den Hauptantrag aus prozessualen Gründen (§ 138 ZPO) wohl nicht dem Vortrag für den Hilfsantrag widersprechen.
Zudem steht bei Ablehnung eines solchen Hauptantrages noch nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen für den Hilfsantrag überhaupt sicher vorliegen. Abgesehen von den weiteren Hürden, dass eine Ersatzbestimmung nur in Betracht kommt, wenn das Gericht zudem überhaupt über alle maßgeblichen und notwendigen Daten für eine Ersatzbestimmung Kenntnis hat (§§ 1, 2 Abs. 1 EnWG).
Allgemein lässt sich somit feststellen, dass derjenige, der ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB für sich in Anspruch nimmt, nicht eben auf Rosen gebettet ist.
Aber man hatte es wohl eben nicht anders gewollt.
§ 315 BGB soll nach Auffassung einiger Protagonisten sogar eine
Renaissance erfahren (Dres. Kunth/ Tüngler).
Uns soll es nur recht sein.
Man muss es ja sowieso so nehmen, wie es kommt.
Gefragt wird man als Kunde selten.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt