Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Billigkeitskontrolle von Strompreisen (Stand)  (Gelesen 34044 mal)

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Billigkeitskontrolle von Strompreisen (Stand)
« am: 16. Februar 2007, 20:16:33 »
Nicht nur die Energiewirtschaft wartet auf die Entscheidung des BGH Az. VIII ZR 144/06 zur Billigkeitskontrolle von Stromtarifpreisen nach einem faktischen Vertragsabschluss durch Stromentnahme aus dem Netz, Verhandlung am 28.02.2007.

Dabei scheint die Sache vollkommen klar:


Es steht außer Zweifel, dass die Klägerin die der Beklagten gegenüber zur Abrechnung gestellten Preise, welche Gegenstand der Klageforderung sind, einseitig bestimmt hat, da es an einer Einigung der Parteien auf diese Preise fehlte.

Der zwischen den Parteien bestehende Energielieferungsvertrag unterliegt nach st. Rechtsprechung dem Kaufrecht.

Der BGH hatte in seinem Urteil vom 07.02.2006 – KZR 24/04 entschieden:

„Wird bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Kaufvertrages keine Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt, so kommt – vorbehaltlich eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts – ein Kaufvertrag wegen eines Einigungsmangels nicht zustande.“


Diese Rechtsprechung gilt auch und gerade im Bereich von Elektrizitätslieferungen.

So hatte der BGH in seinem Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05 (NJW 2006, 1667), dort in Randnummer 16  nochmals unmissverständlich  ausgeführt:

„Im Übrigen hat der Senat  im Bereich der Versorgung mit Elektrizität auch in den Fällen, in denen sich die Abnahmebedingungen nicht nach einem festen Tarif des Versorgungsunternehmens, sondern nach einem im Einzelfall abzuschließenden Sondervertrag bestimmen, entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB angenommen, dass Versorgungsunternehmen und Sonderabnehmer regelmäßig nicht im vertragslosen Raum handeln wollen, wenn sie sich über den Strompreis nicht einig sind, aber gleichwohl Strom liefern und abnehmen. Andernfalls würden sich die erbrachten und zu erbringenden Leistungen nur nach den Bereicherungsvorschriften (§ 812 ff. BGB) beurteilen, die für die Abwicklung der von den Parteien gewollten und faktisch bereits bestehenden Dauerbeziehung ungeeignet sind.

Der Senat ist deshalb auch in diesen Fällen davon ausgegangen, dass ein Sonderabnahmevertrag zustande kommt (Senatsurteil vom 19.Januar 1983 – VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777 = WPM 1983, 341 unter I 3 a) und dass der Strompreis gegenüber dem Sonderkunden von dem Versorgungsunternehmen in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (Senatsurteil vom 19.Januar 1983, aaO.).




Wollte man - entgegen dieser st. Rechtsprechung -  ein einseitiges Leistungsbestimmungrecht der Klägerin gegenüber der Beklagten verneinen, ergäbe sich, dass die von der Klägerin gem. § 433 Abs. 2 BGB  allein geltend gemachte Kaufpreisforderung nicht besteht, die Klage deshalb abweisungsreif ist.

Für die Beurteilung eines etwaigen bereicherungsrechtlichen Anspruches hat die Klägerin schon nichts hinreichend dargetan, einen solchen verfolgt die Klägerin auch nicht.

Dabei ist klar, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin nicht weiter reichen kann, als ein vertraglicher Anspruch infolge eines vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (so schon BGH, Urt, v. 14.01.1992 – VI ZR 186/91).

Aus einer Entscheidung in dem Verfahren VIII ZR 144/06, indem es um die Billigkeitskontrolle allgemeiner Stromtarife nach einem  konkludenten Abschluss eines Stromtarifkundenvertrages geht, kann sich nichts anderes ergeben.

Der BGH kann dabei nur entsprechend der st. Rspr. entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB einen Vertragsschluss aufgrund eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Stromversorgungsunternehmens annehmen oder aber feststellen, dass es überhaupt gar keinen wirksamen Vertragsabschluss gab, vertragliche Zahlungspflichten allein deshalb nicht bestanden. :wink:

Leugnet ein Versorger in einer solchen Situation also sein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und folgt das Gericht diesem Leugnen, so gibt es überhaupt gar keine vertraglichen Zahlungsansprüche für das Versorgungsunternehmen, allenfalls leicht einredebehaftete bereicherungsrechtliche Ansprüche.

Darauf muss und sollte man erst einmal kommen. :wink:

Es ist nicht gesichert, welches der beiden möglichen Ergebnisse dem Versorger besser gefällt. Das genannte Verfahren am BGH betrifft E.ON edis.


In seinem Urteil vom 11.10.2006 – VIII ZR 270/05 (ZNER 2006, 341 [342]), dort Randnummer 19 hat der BGH nochmals klargestellt:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf die der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen (BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urt. v. 04.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828 unter II 2 b); Senatsurteil vom 02.10.1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I für Stromlieferungen). Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Preisgestaltung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens (Senatsurteil v. 28.Januar 1987 – VIII ZR 37/86, WM 1987, 506 = NJW 1987, 1622 unter B II, insofern in BGHZ 100, 1 ff. nicht abgedruckt; Senaturteil v. 6.Dezember 1989 – VIII ZR 8/89, WM 1990, 608 unter B I 3 a). Voraussetzung für eine Überprüfung der Preisgestaltung ist aber stets, dass das Energieversorgungsunternehmen den entsprechenden Tarif einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessenspeilraum zusteht.
   


Ein solcher Ermessensspielraum besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei behördlich genehmigten Stromtarifpreisen (vgl. BGH NJW 1998, 3188, [3192]). Aus dieser Entscheidung ergibt sich unter Verweis auf BVerwGE 95, 133 = NVwZ 1994, 999, dass es sich bei Stromtarifpreisen immer um durch das EVU gem. § 315 BGB einseitig bestimmte Leistungsentgelte handelt.


In seinem Urteil v. 05.02.2003 – VIII ZR 111/02 (NJW 2003, 1449), dort unter II 1 b) hatte der BGH ausgeführt:

„dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 4.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a, Senat, Urteil v. 2.Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I., siehe auch OLG Celle NJW-RR 1993, 630 f.; AG Neuenahr- Ahrweiler NJW 1998, 2540 f.) und allgemeiner Meinung im Schrifttum (vgl. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts- Gas- und Wasserversorgung, Bd. 1 § 30 Rdnr. 56 AVBEltV, siehe auch Soergel/ Wolf, BGB, 12. Aufl., § 315 Rnr. 59) die Darlegungs- und Beweislast bei der Festsetzung des Strompreises das Versorgungsunternehmen trifft.

In seinem Urteil v. 30.04.2003 – VIII ZR 276/03 (NJW 2003, 3131), dort unter II. 2 hatte der BGH ausgeführt:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trifft das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit bei der Ermessensausübung bei der Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3 BGB) dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen die andere Vertragspartei erhebt (BGH, Urt. v. 30.Juni 1969 – VII ZR 170/67; NJW 1969, 1809 f.; BGH, Urt. v. 04.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a); BGH, Urteil v. 2.Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I.; zuletzt BGH, Urteil v. 5.Februar .2003 – VIII ZR 111/02, unter II 1 b); siehe auch OLG Celle, NJW-RR 1993, 630 f., jew. m.w.N.)

Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19.01.1983-  VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777 = WPM 1983, 341 unter II 2 b sowohl für den Tarifkunden – wie für den Sonderkundebereich (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.Oktober 1975 – KZR 2/75, RdE 1976, 25 unter I. zu Abschn. VIII, 4 der „Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens“ vom 27.Januar 1942) ausgeführt hat, betrifft der vom Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nicht Rechen- oder Ablesefehler oder Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preise von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (§ 315 Abs. 3 BGB).“   


In seinem – in allen nachfolgenden Entscheidungen in Bezug genommenen – Urteil v. 02.10.1991 – VIII ZR 240/90 (NJW-RR 1992, 183 [186]), dort unter III 3 a) hatte der BGH ausgeführt:


„Kommt es somit für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung der Kl. der Billigkeit entspricht darauf an, inwiefern der Strompreis zur Deckung der Kosten der Stromlieferung und zur Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient, so steht damit zugleich der Umfang der erforderlichen Darlegungen im Prozess fest. Es oblag der Kl., im einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung der Bekl. mit elektrischer Energie entstehen, abzudecken waren; ferner welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlage ihrer Aktionäre mit dem der Bekl. berechneten Preis erzielen wollte.“       


Die immer wieder, zuletzt am 10.11.2006 (VIII ZR 270/05) bestätigte,  höchstrichterliche Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Energiepreise ist deshalb vollkommen eindeutig.

Zutreffend hatte das LG Gera in seinem Beschluss vom 08.11.2006 zudem darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die gesetzliche Verpflichtung zu einer elektrizitätswirtschaftlich- rationellen Betriebsführung (§ 12 BTOElt) nachzuweisen ist, dass die entsprechenden Kosten und sonstigen kalkulatorischen Ansätze einer effizienten Betriebsführung (§ 1 EnWG) entsprechen mussten und  dies im einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen ist.

Aus all dem wird deutlich, dass die Billigkeitskontrolle von einseitig festgelegten Strompreisen nichts mit einer Monopolstellung und der Frage zu tun haben kann, ob etwa bereits ein Wettbewerb besteht. Darauf kommt es nicht an.

Ebenso verhält es sich bei konkludent abgeschlossenen Gaslieferungsverträgen.

Auch die Grund- und Ersatzbelieferungstarife sind gem. §§ 36, 38 EnWG i.V.m. §§ 3, 5 GVV immer einseitig festgesezte und gem. § 315 BGB einseitig bestimmte Leistungsentgelte, ohne dass es auf eine Monopolstellung oder eine Angewiesenheitslage ankommt.

Siehe auch hier auf Seite 13 m. w. N:

http://www.mietgerichtstag.de/downloads/vortrag06ambrosius.pdf

Weitersagen !
« Letzte Änderung: 25. Januar 2022, 07:54:24 von DieAdmin »

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Billigkeitskontrolle von Strompreisen (Stand)
« Antwort #1 am: 20. Februar 2007, 16:00:57 »
Terminsankündigung der BGH- Verhandlung am 28.02.2007


http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2007&Sort=3&nr=38883&anz=27&pos=3&Blank=1

Die Verhandlung findet vor dem VIII. Zivilsenat des BGH am 28.02.2007 um 12.00 Uhr, Herrenstr. 45a, Karlsruhe, Saal N 004 statt.

Dem zu entscheidenden Fall liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Zwischen der klagenden E.ON edis und dem beklagten Kunden bestand unstreitig ein Stromlieferungsvertrag für die von ihm bewohnte Verbrauchsstelle (gemeint Wohnung).

Der Beklagte wurde in der Zeit vom 01.01.2002 bis 30.04.2002 zu dem vereinbarten Tarif "local plus" beliefert. Nachdem der Beklagte einer Erhöhung dieses Tarifs mit Schreiben vom 08.02.2002 widersprochen hatte, beendete die Klägerin den besonderen Vertrag zum 18.04.2002 und belieferte den Beklagten ab dem 01.05.2002 zu ihrem allgemeinen Tarif "local classic" mit Strom. Dies wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 15.04.2002 mitgeteilt. In der Folgezeit rechnete die Klägerin den Stromverbrauch für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2002 mit Schreiben vom 06.03.2003 ab. Der Verbrauch für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 06.11.2003 wurde am 17.12.2003 in Rechnung gestellt.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die Rechnungsbeträge aus den beiden Rechnungen abzüglich eines in einem anderweitigen gerichtlichen Vergleich erledigten Teilbetrages zuzüglich verschiedner Mahnkosten auf Zahlung in Anspruch. Der Beklagte hat sich im Prozess darauf berufen, die von der Klägerin in Rechnung gestellten Tarife seien überhöht und hielten einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB nicht stand.

In dem zu entscheidenden Fall könnte es um die Frage der Wirksamkeit der Preiserhöhung im Sondervertrag "local plus" und um die Frage der Billigkeitskontrolle des allgemeinen Tarifs "local classic" gehen.

Der Fall liegt indes in mehrerlei Hinsicht auch besonders, so dass u. U. fraglich sein kann, ob es sich am 01.05.2002 um den konkludenten Abschluss eines Neuvertrages als Tarifkunde  handelte. Der Sachverhalt liegt ähnlich wie Amtsgericht Leipzig zur den Bestpreisen der SW Leipzig im Gasbereich.

Das Amtsgericht Potsdam sah den Beklagten mit dem Unbilligkeitseinwand schon wegen § 30 AVBEltV im Passivprozess als ausgeschlossen an und wollte ihn deshalb jedenfalls auf einen Rückforderungsprozess verweisen.

Das Landgericht Potsdam sah den Unbilligkeitseinwand nicht wegen § 30 AVBEltV als ausgeschlossen an, lehnte indes eine Billigkeitskontrolle ab, weil der Beklagte nicht auf die Stromlieferungen der Klägerin angewiesen gewesen sei, sondern den Stromlieferanten hätte wechseln können.

Der Lieferantenwechsel war wohl schon in der Kürze der Zeit zwischen Kündigung am 18.04.2002 und dem 01.05.2002 rein praktisch nicht zu bewerkstelligen. Die Frist für den Lieferantenwechselprozess betrug nach Verbändevereinbarung Strom II plus regelmäßig sechs Wochen zum Monatsersten. Erst im neuen § 14 StromNZV ist eine deutlich kürzere Frist geregelt.



Zudem hatte der Beklagte einen gesetzlichen Lieferanspruch gegen die Klägerin, den er sonst gegenüber keinem anderen Lieferanten hatte. Einen am 01.05.2002 begründeten Stromtarifkundenvertrag konnte er zudem gem. § 32 Abs. 1 Halbsatz 2 AVBEltV wohl frühestens zum 31.12.2003 erst selbst wieder kündigen, so dass er in dem neuen Vertrag wohl auch gefangen war.  

Wo der Beklagte schon nicht mit der Preiserhöhung im günstigeren "local plus"- Vertrag einverstanden war, wird wohl klar sein, dass er erst recht nicht mit dem höheren "local classic"- Tarif der Klägerin einverstanden war, so dass man eine Einigung auf den höheren Tarif der Klägerin auschließen können wird.

Die Klägerin konnte mithin von Anfang an nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit dem noch höheren "local classic"- Tarif einverstanden sei.

Dann kommt wohl nur ein konkludenter Vertragsabschluss in Betracht.

Für einen solchen ist es nämlich nach der st. BGH- Rechtsprechung wegen eines venire contra factum proprium unbeachtlich, wenn man den Preisen widerspricht.


Es steht wohl außer Zweifel, dass die Klägerin die der Beklagten gegenüber zur Abrechnung gestellten Preise, welche Gegenstand der Klageforderung sind, einseitig bestimmt hat, da es an einer Einigung der Parteien auf diese Preise fehlte. Ein vertragliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Stromversorgungsunternehmens gegenüber dem Stromtarifkunden folgt aus § 4 AVBEltV. Gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBEltV ist auch § 4 AVBEltV Vertragsbestandteil in einem Stromlieferungsvertrag mit einem Tarifkunden (§ 1 Abs. 2 AVBEltV). Dies gilt in dem Bereich, in dem das Versorgungsunternehmen gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 eine gesetzliche, allgemeine Versorgungspflicht traf.


Der zwischen den Parteien bestehende Energielieferungsvertrag unterliegt nach st. Rechtsprechung dem Kaufrecht.

Der BGH hatte in seinem Urteil vom 07.02.2006 – KZR 24/04 entschieden:

„Wird bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Kaufvertrages keine Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt, so kommt – vorbehaltlich eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts – ein Kaufvertrag wegen eines Einigungsmangels nicht zustande.“


Diese Rechtsprechung gilt auch und gerade im Bereich von Elektrizitätslieferungen.

So hatte der BGH in seinem Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05 (NJW 2006, 1667), dort in Randnummer 16 nochmals unmissverständlich ausgeführt:

„Im Übrigen hat der Senat im Bereich der Versorgung mit Elektrizität auch in den Fällen, in denen sich die Abnahmebedingungen nicht nach einem festen Tarif des Versorgungsunternehmens, sondern nach einem im Einzelfall abzuschließenden Sondervertrag bestimmen, entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB angenommen, dass Versorgungsunternehmen und Sonderabnehmer regelmäßig nicht im vertragslosen Raum handeln wollen, wenn sie sich über den Strompreis nicht einig sind, aber gleichwohl Strom liefern und abnehmen. Andernfalls würden sich die erbrachten und zu erbringenden Leistungen nur nach den Bereicherungsvorschriften (§ 812 ff. BGB) beurteilen, die für die Abwicklung der von den Parteien gewollten und faktisch bereits bestehenden Dauerbeziehung ungeeignet sind.

Der Senat ist deshalb auch in diesen Fällen davon ausgegangen, dass ein Sonderabnahmevertrag zustande kommt (Senatsurteil vom 19.Januar 1983 – VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777 = WPM 1983, 341 unter I 3 a) und dass der Strompreis gegenüber dem Sonderkunden von dem Versorgungsunternehmen in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (Senatsurteil vom 19.Januar 1983, aaO.).“



Wollte man - entgegen dieser st. Rechtsprechung - ein einseitiges Leistungsbestimmungrecht der Klägerin gegenüber der Beklagten verneinen, ergäbe sich, dass die von der Klägerin gem. § 433 Abs. 2 BGB allein geltend gemachte Kaufpreisforderung nicht besteht, weil es an einem wirksamen Vertragsabschluss fehlt, die Klage deshalb abweisungsreif ist.

Für die Beurteilung eines etwaigen bereicherungsrechtlichen Anspruches hat die Klägerin schon nichts hinreichend dargetan, einen solchen verfolgt die Klägerin auch nicht.

Dabei ist klar, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin nicht weiter reichen kann, als ein vertraglicher Anspruch infolge eines vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (so schon BGH, Urt, v. 14.01.1992 – VI ZR 186/91).


In seinem Urteil vom 11.10.2006 – VIII ZR 270/05 (ZNER 2006, 341 [342]), dort Randnummer 19 hat der BGH nochmals klargestellt:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf die der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen (BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urt. v. 04.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828 unter II 2 b); Senatsurteil vom 02.10.1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I für Stromlieferungen). Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Preisgestaltung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens (Senatsurteil v. 28.Januar 1987 – VIII ZR 37/86, WM 1987, 506 = NJW 1987, 1622 unter B II, insofern in BGHZ 100, 1 ff. nicht abgedruckt; Senaturteil v. 6.Dezember 1989 – VIII ZR 8/89, WM 1990, 608 unter B I 3 a). Voraussetzung für eine Überprüfung der Preisgestaltung ist aber stets, dass das Energieversorgungsunternehmen den entsprechenden Tarif einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessenspeilraum zusteht.“


Ein solcher Ermessensspielraum besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei behördlich genehmigten Stromtarifpreisen (vgl. BGH NJW 1998, 3188, [3192]). Aus dieser Entscheidung ergibt sich unter Verweis auf BVerwGE 95, 133 = NVwZ 1994, 999, dass es sich bei Stromtarifpreisen immer um durch das EVU gem. § 315 BGB einseitig bestimmte Leistungsentgelte handelt.
 
In seinem Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 (NJW 2006, 684), dort in Randnummer 10 hatte der Kartellsenat zutrffend darauf hingewiesen, dass bei Preisen in Form Allgemeiner Tarife der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist als davon zu unterscheidende Folgepreise.
 
Die zutreffende Begründung für diese Rechtsauffassung findet sich bei Schwintowski in N&R 2005, 90 [93]. In derselben Entscheidung in Randnummer 13 am Ende wurde zutreffend ausgeführt, dass sich die Preisbildung daran zu orientieren hat, dass sie einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG) dienen soll.


In seinem Urteil v. 05.02.2003 – VIII ZR 111/02 (NJW 2003, 1449), dort unter II 1 b) hatte der BGH ausgeführt:

„dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 4.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a, Senat, Urteil v. 2.Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I., siehe auch OLG Celle NJW-RR 1993, 630 f.; AG Neuenahr- Ahrweiler NJW 1998, 2540 f.) und allgemeiner Meinung im Schrifttum (vgl. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts- Gas- und Wasserversorgung, Bd. 1 § 30 Rdnr. 56 AVBEltV, siehe auch Soergel/ Wolf, BGB, 12. Aufl., § 315 Rnr. 59) die Darlegungs- und Beweislast bei der Festsetzung des Strompreises das Versorgungsunternehmen trifft.“

In seinem Urteil v. 30.04.2003 – VIII ZR 276/03 (NJW 2003, 3131), dort unter II. 2 hatte der BGH ausgeführt:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trifft das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit bei der Ermessensausübung bei der Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3 BGB) dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen die andere Vertragspartei erhebt (BGH, Urt. v. 30.Juni 1969 – VII ZR 170/67; NJW 1969, 1809 f.; BGH, Urt. v. 04.Dezember 1986 – VII ZR 77/86, WM 1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a); BGH, Urteil v. 2.Oktober 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I.; zuletzt BGH, Urteil v. 5.Februar .2003 – VIII ZR 111/02, unter II 1 b); siehe auch OLG Celle, NJW-RR 1993, 630 f., jew. m.w.N.)

Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19.01.1983- VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777 = WPM 1983, 341 unter II 2 b sowohl für den Tarifkunden – wie für den Sonderkundebereich (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.Oktober 1975 – KZR 2/75, RdE 1976, 25 unter I. zu Abschn. VIII, 4 der „Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens“ vom 27.Januar 1942) ausgeführt hat, betrifft der vom Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nicht Rechen- oder Ablesefehler oder Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preise von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (§ 315 Abs. 3 BGB).“

In seinem – in allen nachfolgenden Entscheidungen in Bezug genommenen – Urteil v. 02.10.1991 – VIII ZR 240/90 (NJW-RR 1992, 183 [186]), dort unter III 3 a) hatte der BGH ausgeführt:


„Kommt es somit für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung der Kl. der Billigkeit entspricht darauf an, inwiefern der Strompreis zur Deckung der Kosten der Stromlieferung und zur Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient, so steht damit zugleich der Umfang der erforderlichen Darlegungen im Prozess fest. Es oblag der Kl., im einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung der Bekl. mit elektrischer Energie entstehen, abzudecken waren; ferner welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlage ihrer Aktionäre mit dem der Bekl. berechneten Preis erzielen wollte.“


Die immer wieder, zuletzt am 10.11.2006 (VIII ZR 270/05) bestätigte, höchstrichterliche Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Energiepreise ist deshalb vollkommen eindeutig.

Zutreffend hat etwa das LG Gera in seinem Beschluss vom 08.11.2006 zudem darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die gesetzliche Verpflichtung zu einer elektrizitätswirtschaftlich- rationellen Betriebsführung (§ 12 BTOElt) nachzuweisen ist, dass die entsprechenden Kosten und sonstigen kalkulatorischen Ansätze einer effizienten Betriebsführung (§ 1 EnWG) entsprechen mussten und dies im einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen ist:
 
http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=756&file=dl_mg_1163494755.pdf
 
Die Liberalisierung des Strommarktes führte nicht etwa dazu, dass gesetzlich zur Versorgung verpflichtete Stromlieferanten von ihrer Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung befreit wurden.
 
Im Gegenteil, es wurde eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung in § 2 Abs. 1 EnWG 2005 statuiert.
 
Auch das Bundesjustizmininisterium geht aktuell davon aus, dass sich Tarifkunden in direkter Anwendung des § 315 BGB auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen können, wie sich aus einer Stellungnahme vom Mai 2006 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ergibt:
 
http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=696&file=dl_mg_1154343170.pdf
 
Ebenso hat das Bundeskartellamt mitgeteilt, dass sich Kunden von Energieversorgern gegen die einseitigen Tariffestsetzungen auf § 315 Abs. 3 BGB berufen können:
 
http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=748&file=dl_mg_1161767009.pdf
 
 
 

Aus all dem wird deutlich, dass die Billigkeitskontrolle von einseitig festgelegten Strompreisen nichts mit einer Monopolstellung und der Frage zu tun haben kann, ob etwa bereits ein Wettbewerb besteht. Darauf kommt es nicht an.

Die in der Liteartur teilweise vertretenen Auffassungen zu einer angeblichen Verdrängungsthese (vgl. nur Kühne) gehen an der Sache vorbei, da sie den Zusammenhang zwischen dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Stromversorgers als Voraussetzung für einen wirksamen Vertragsabschluss nicht zutreffend reflektieren.

Bei fehlender Einigung der Parteien auf einen Vertragspreis kann ohne einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Stromlieferanten ein Energielieferungsvertrag nicht wirksam begründet werden.

Unverzichtbare Kehrseite dieses einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Versorgers ist es, dass sich der Kunde gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - auch erst noch im Zahlungsprozess des Versorgers -auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit berufen kann, weil dem einseitig festgelegten Leistungsentgelt in jedem Falle die "Richtigkeitsgewähr" fehlt, die sonst aus einer Einigung der Vertragspartner über den zu zahlenden Preis folgt (so auch BGH NJW 2006, 1667, 1670 Rnr. 28 ff.).

Allein maßgeblich für die direkte Anwendung des § 315 BGB ist also, ob es bei dem Vertragsabschluss eines Energielieferungsvertrages eine wirksame Einigung auf einen für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses geltenden Preis zwischen den Parteien gab oder nicht, dem Versorger also ein einseitiges Preisbestimmungsrecht vorbehalten wurde.

Ein vorbehaltenes einseitiges Preisbestimmungsrecht ist aus der Natur der Sache heraus unteilbar und betrifft deshalb immer zugleich auch den Anfangspreis (vgl. BGH NJW 2006, 684 Rn. 10)
 
Ein wirksamer Wettbewerb besteht weiterhin nicht, wie sich allein aus den weiterhin festzustellenden großen regionalen Preisunterschieden für ein und die selbe Strommenge für private Haushalte ergibt:
 

http://www.verivox.de/presse/media/Verivox_Strompreise_Februar_2007.pdf
 
Hintergrund sind die Auswirkungen unbillig und  missbräuchlich überhöhter Netzentgelte und andere Umstände, die im natürlichen Monopol Netz begründet liegen:
 
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/archiv/20.02.2007/3094550.asp

http://www.zeit.de/2003/18/E-Strom
 
http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/:Strom-Gas-Angriff-Strom-Krieger/536353.html


Ebenso verhält es sich bei konkludent abgeschlossenen Gaslieferungsverträgen.

Auch die Grund- und Ersatzbelieferungstarife sind gem. §§ 36, 38 EnWG i.V.m. §§ 3, 5 GVV immer einseitig festgesezte und gem. § 315 BGB einseitig bestimmte Leistungsentgelte, ohne dass es auf eine Monopolstellung oder eine Angewiesenheitslage ankommt. Dies geht auch aus der amtlichen Begründung zur § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV in BRats-Drs. 306/06 eindeutig hervor.

Siehe auch hier in der umfassenden Untersuchung von Frau RinBGH Ambrosius, auf Seite 13 m. w. N:

http://www.mietgerichtstag.de/downloads/vortrag06ambrosius.pdf

Offline m00652

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 27
  • Karma: +0/-0
Billigkeitskontrolle von Strompreisen (Stand)
« Antwort #2 am: 03. April 2007, 13:28:55 »
In der letzten Sonntagsausgabe der FAZ war ein Artikel mit der Überschrift "was machen gegen die hohen Strompreise", der bei mir für Verwirrung sorgte. Es hieß darin: (Zitat)"Über die Gaspreiskontrolle wird das Karlsruher Gericht im Juni verhandeln, doch bei den Strompreisen ist keine höchstrichterlich Klärung absehbar." Weiter heißt es: "Der BGH hat nun signalisiert, dass die Idee der Billigkeitskontrolle nicht zu einem liberalisierten Strommarkt passt. Der Verbraucher könne ja den Anbieter wechseln. Sofern konkurrierende Anbieter erreichbar sind, ist diese Variante nicht nur billig und stressfrei. Sie erspart auch das Risiko, vor Gericht zu unterliegen und auf den Prozesskosten sitzenzubleiben." (Zitatende).
Meine Fragen an Sie, Herr Fricke:
1. Ist es richtig, dass der BGH signalisiert hat, dass die Billigkeitskontrolle nicht zu einem liberalisierten Strommarkt passt?
2. Falls das zutrifft, wie sollte man sich als Stromkunde künftig verhalten? Bei seinem Stromversorger bleiben und den Strompreis weiterhin kürzen sowie sich weiterhin auf § 315 berufen oder doch besser zum jeweils billigsten Anbieter wechseln?

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Billigkeitskontrolle von Strompreisen (Stand)
« Antwort #3 am: 03. April 2007, 16:12:23 »
@m00652

Fragen Sie doch bitte bei der Aurorin des Artikels (Frau Melanie Amann) nach, woran diese die entsprechende Aussage, der BGH habe etwas signalisiert, festmachen möchte.





Der BGH hat in dem konkreten Einzelfall rechtlich wie immer geprüft, ob eine Billigkeitskontrolle stattfinden kann, die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Er hat dies verneint, weil sich nach den Feststellungen des Vorgerichts - an welche der BGH in der Revision gebunden ist -  im konkreten Fall  die Parteien schon  bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt hatten und dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des vom Kunden zu zahlenden Entgelts vertraglich nicht  eingeräumt wurde.

Bei dieser Prüfung war der BGH also an die Feststellungen des Ausgangsgerichts gebunden, dass die Parteien sich bei Vertragsabschluss an einen konkreten Preis geeinigt hatten und dem Versorger kein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht eingeräumt war, so dass der vereinbarte Preis galt und in dem laufenden Vertragsverhältnis auch nicht vom Versorger einseitig erhöht werden konnte.

Dann kam der BGH zu der Frage, ob der Versorger diesen Vertrag kündigen durfte. Er stellte fest, dass das Ausgangsgericht dazu zu wenig Feststellungen getroffen hatte und verwies die Sache deshalb zurück.

Die Frage, ob man sich bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt hat oder ob ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu Gunsten des Versorgers vereinbart wurde, ist als Tatsachenfeststellung immer eine Frage des Einzelfalles und keine Rechtsfrage.

Die Tatsachenfeststellung erfolgt durch den übereinstimmenden Parteivortrag, nach Bestreiten ggf. in einer Beweisaufnahme.

Erst nachdem der zu Grunde liegende Sachverhalt durch die vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen feststeht, erfolgt die rechtliche Beurteilung.

Die Frage, ob sich die Parteien bei Vertragsabschluss geeinigt hatten oder ob ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Versorgers wirksam vereinbart wurde, ist also eine Tatsachenfrage, die in jedem Einzelfall geklärt werden muss, bevor überhaupt die rechtliche Beurteilung stattfinden kann.

Führt diese Sachverhaltsaufklärung im konkreten Fall dazu, dass zugunsten des Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde, dieser also die Preise im laufenden Vertragsverhältnis einseitig (neu) festlegen kann und hat der Versorger dieses Recht auch ausgeübt, so unterliegt diese Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der Billigkeitskontrolle nach der Rechtsprechung des BGH.

Nicht anders entspricht es schon immer der Rechtsprechung des BGH.

Die Frage der Liberalisierung des Marktes betrifft nur die Frage, ob auch ein vertraglich vereinbarter Preis, der grundsätzlich nicht kontrollierbar ist,  noch in analoger Anwendung des § 315 BGB der Billigkeitskontrolle unterliegt. Das hatte der BGH aber bereits 1990 in einem Urteil abgelehnt (BGH NJW-RR 1990, 1204). Danach ist ein vertraglich vereinbarter Preis auch dann nicht gerichtlich überprüfbar, wenn einer der Vertragsschließenden eine Monopolstellung hat.


Wenn also nach der Tatsachenfeststellung feststeht, dass bei Vetragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vereinbart wurde, dann findet auch eine Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB statt.

Wurde kein solches Recht vertraglich vereinbart, ist der Versorger schon nicht berechtigt, den Preis einseitig (neu) festzulegen, so dass es auch in einem solchen Fall erst gar keiner Billigkeitskontrolle bedarf. Vielmehr gilt der bei Vertragsschluss vereinbarte Preis bis zur Vertragsbeendigung.

Stellt das Gericht hingegen fest, dass sich die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eines Energielieferungsvertrages weder auf einen vom Kunden konkret zu zahlenden Preis noch auf ein einseitigses Leistsungsbestimmgsrecht des Lieferanten bezüglich des vom Kunden zu zahlenden Entgelts geeinigt hatten, entsprechendes also vertraglich nicht vereinbart haben, so wurde wegen § 154 BGB schon kein Energieleiferungsvertrag wirksam abgeschlossen und die Abwicklung  erfolgt allein nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, was aber zumeist den Interessen beider Parteien zuwider läuft ( vgl. BGH, Urt. v. 02.20.1991 - VIII ZR 240/90 und Urt. v. 05.02.2006 - VIII ZR 138/05).

Was Sie beim Vertragsabschluss konkret vereinbart hatten, kann man aus der Ferne nicht sagen.


Wenn der Versorger Ihnen gegenüber die Preise im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu festgelegt hat, so deutet dies darauf hin, dass ihm schon bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht eingeräumt, ein solches vereinbart wurde.

Der Versorger wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Preise im laufenden Vertragsverhältnis nicht einseitig neu festlegen, wenn er dazu gar nicht berechtigt ist, weil ein entsprechendes Recht schon nicht vertraglich vereinbart wurde- wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

Waren einseitige Preisfestlegungen des Versorgers nach Vertragsabschluss im laufenden Vertragsverhältnis (Preiserhöhungen) erfolgt, sollte man in jedem Falle schriftlich nachfragen, woraus der Versorger ein entsprechendes Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung herleitet, für den Fall dass ein solchesRecht  nicht nachgewiesen wird, die resultierenden Zuvielzahlungen aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB unter Fristsetzung zurück verlangen.


Nach alldem gibt es keine Antwort nach Schema F:

Alle Strompreise unterliegen der Billigkeitskontrolle.
Nur einseitige Preiserhöhungen unterliegen der Billigkeitskontrolle.
Im liberalisierten Strommarkt unterliegen Strompreise gar keiner Billigkeitskontrolle .


All diese Aussagen sind zu undifferenziert und deshalb im Ergebnis jede für sich unzutreffend.

Weil die Fallgestaltungen so unterschiedlich sind, ist das Postulat unzutreffend, der BGH könnte etwa einen Brummkreisel bezüglich der aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen beenden.

Dafür sind die verschiedenen Sachverhalte viel zu unterschiedlich.

Die Richter am Bundesgerichtshof sind weit davon entfernt, eine für Juristen unzulässige "Sachverhaltsquetsche" zu betreiben, d. h. sich die Sachverhalte so zurecht zu biegen, so dass eine gefundene Lösung auf alle Fälle passt.

Solche juristisch  unzulässigen Verkürzungen hatte der BGH wohl beim Landgericht Potsdam ausgemacht. Man findet solche auch oft in Versorgerschreiben.
« Letzte Änderung: 25. Januar 2022, 07:55:41 von DieAdmin »

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz