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Autor Thema: Juristische Frage zur Nahwärme mit Anschlusszwang  (Gelesen 3328 mal)

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Offline Free Energy

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Juristische Frage zur Nahwärme mit Anschlusszwang
« am: 02. Oktober 2006, 00:34:16 »
Hallo Mitstreiter,

noch ne andere Frage:

ich kenne da ein neues Wohngebiet, in dem die Hauseigentümer an ein Nahwärmenetz angeschlossen sind. Nun wollen sich diese Hauseigentümer gegen die ihrer Meinung nach viel zu hohen Nahwärmepreise (gasgebundenes BHKW) wehren. :twisted:

Einige denken jetzt neben der Kürzung der Verbrauchspreise auch über die Kürzung der Grundpreise und des so genannten "Baukostenzuschusses" nach.

Hierbei handelt es sich um eine im Wärmelieferungsvertrag festgelegte Beteiligung an den Baukosten des Nahwärmenetzes. :roll:

Kann gegen die Höhe dieser  "Baukostenzuschüsse" eigentlich auch Widerspruch nach § 315 BGB eingelegt werden ?

Ist in diesem Zusammenhang ein so genannter "Wärmelieferungsvertrag" eigentlich ein Vertrag, gegen den der Einwand nach § 315 BGB nicht einschlägig wäre ?

Gruß

Free Energy

Offline Cremer

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Juristische Frage zur Nahwärme mit Anschlusszwang
« Antwort #1 am: 02. Oktober 2006, 08:42:19 »
@Free Energy,

m.E. kommt es auf die vertragliche Gestaltung des Nahwärmevertrages drauf an, ggf. auch wie sich ein "Anschlusszwang" ergeben hatte.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline RR-E-ft

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Juristische Frage zur Nahwärme mit Anschlusszwang
« Antwort #2 am: 02. Oktober 2006, 17:27:46 »
@Cremer

Kluge Antwort.

"Es kommt darauf an." ist im juristischen Examen fast immer die richtige Antwort.

Aber erst wenn man auf die notwendige Nachfrage weiß, worauf es konkret ankommt, kann man überhaupt Punkte sammeln.

Sonst wäre es auch zu einfach. :wink:


@Free Energy

Unbilligkeit kann gegen alle einseitig festgelegten Preise eingewandt werden, da diesen durch die fehlende Einigung nach der BGH- Rechtsprechung die "Richtigkeitsgewähr" fehlt, welche gerade aus einer Einigung folgt.

In der Regel kommt ein Vertrag durch eine Einigung über Leistung und Gegenleistung zustande, § 145 BGB.

Einigung = Einigsein.

(Kinder haben davon zumeist noch eine Vorstellung, geben sich zum Zeichen der Einigung die Hand und lassen noch einen Dritten durchschlagen.)

Wo dies nicht der Fall ist, weil der eine entweder auf vertraglicher Grundlage die Preise einseitig festlegt oder aber diese faktisch einseitig bestimmt, weil er erst gar keine Preisverhandlungen zulässt, zudem etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang oder aber eine Monopolstellung im Bereich der Daseinsvorsorge besteht, kommt § 315 BGB zur Anwendung.

Alles weitere in Energiedepesche Sonderheft.

Hat man hingegen einen Preis wirklich individuell und offen verhandelt und war man sich über diesen hiernach bei Vertragsschluss einig geworden, greift die Billigkeitskontrolle nicht.

Dann gilt: pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten.

Diese Aussage gilt generell, umfasst sowohl Energiepreise als auch Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten, als auch alle anderen einseitigen Leistungsbestimmungen innerhalb zivilrechtlicher Vertragsverhältnisse.

Man darf also nicht dem Irrtum unterliegen, das gelte etwa nur im Energiebereich. Keinesfalls. Es gilt generell.

Wer die Energiedepesche Sonderheft gelesen hat, wird auch die entsprechenden Fundstellen der BGH- Rechtsprechung dazu finden.

Bei Nah- und Fernwärmelieferungen gilt nichts anderes, siehe nur in folgender BGH- Entscheidung vom 15.02.2006 die Textziffern [28] ff. in den Entscheidungsgründen:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U6.pdf

In der Textziffer [29] handelt es sich wohl um ein Redaktionsversehen. Der BGH stellt eindeutig darauf ab, ob die Preise einseitig festgelegt werden oder aber auch Preiserhöhungen Gegenstand einer vertraglichen Einigung der Vertragspartner sind (Angebot und Annahme).

Das Wort "Einigung" wurde in dem Text "unterschlagen", gemeint ist indes eine vertragliche Einigung.


Wie der Fall nun in dem Ihnen da bekannten Wohngebiet konkret liegt, kann und muss uns allen egal sein.


Das können die Betroffenen gern bei einem Rechtsanwalt prüfen und klären lassen.




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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