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Autor Thema: Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam  (Gelesen 11598 mal)

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« am: 13. August 2006, 15:31:42 »
[ 4A-C-4063-06-IV  04-08-2006 ]

http://www.energieverbraucher.de/de/site__1869/

Ich stelle ausnahmesweise mal den Urteilstext hier ein

Amtsgericht Delmenhorst   
Geschäfts-Nr.:   4A C 4063/06 (IV)   

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

1.   der Frau ...., 27755 Delmenhorst,
2.   des Herrn ....,  27755 Delmenhorst,


Kläger

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:

Rechtsanwalt Kyrulf Petersen, Sozietät Volkmann, Becker + Partner,
Sögestr. 31/33, 28195 Bremen

gegen

Firma swd Stadtwerke Delmenhorst GmbH. vertr.d.d. Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen, Fischstr. 32 - 34, 27749 Delmenhorst,

Beklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Dieter Riemer,
                                     Kurfürstenstr. 16, 27568 Bremerhaven,

hat das Amtsgericht Delmenhorst im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit Schriftsatznachlass bis zum 10.07.2006 am 04.08.2006 durch die Richterin am Amtsgericht Eilers für Recht erkannt:

I.   

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten in dem zwischen der Beklagten und den Klägern geschlossenen Gaslieferungsvertrag zum 01.10.2004, zum 01.10.2005 und zum 01.01.2006 vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises Erdgas unbillig und unwirksam sind.

II.   Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.   Die Berufung wird zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Erhöhung der Gaspreistarife durch die Beklagte zum 01.10.2004, 01.10.2005 und 01.01.2006.

Die Beklagte ist für das Stadtgebiet Delmenhorst das einzige Unternehmen, das in Delmenhorst Privathaushalten Erdgas anbietet.

Die Kläger sind Tarifgaskunden.

Die Beklagteerhöhte zum 01.10.2004 den Arbeitspreis von Erdgas im Heizgastarif von 3,18 Cent/Kilowattstunde (kwh) auf 3,58 Cent/kwh und zum 01.10.2005 auf weitere 4,16 Cent/kwh jeweils zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Das entspricht Bruttopreisen von 3,68 Cent/kwh bis zum 30.09.2004, von 4,15 Cent/kwh vom 01.10.2004 bis 30.09.2005 und von 4,79 Cent/kwh ab dem 01.10.2005. Per 01.01.2006 erhöhte die Beklagte ihren Heizgastarif erneut auf 4,52 Cent/kwh, entsprechend brutto 5,24 Cent/kwh.

Die Kläger haben den Preiserhöhungen widersprochen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Preisanhebungen gar nicht gerechtfertigt bzw. überhöht seien. Die Beklagte lasse es an der Transparenz ihrer Preisgestaltung fehlen, veröffentliche insbesondere keine Daten oder Unterlagen, die eine Nachprüfbarkeit der Ange-
messenheit der Erhöhung erlaube.

Die Erhöhungen seien unbillig und daher unwirksam, mit der Folge,dass die erhöhten Beträge von ihnen nicht geschuldet würden.

Sie halten die vor dem Amtsgericht Delmenhorst erhobene Feststellungsklage für zulässig.

Ferner sind sie der Ansicht, § 315 BGB sei auch im Verhältnis zwischen
Versorgungsuntemehmen und Tarifkunden anwendbar. Sie meinen, für die Darstellung der Angemessenheit der geltend gemachten Preise sei die Vorlage der Preiskalkulation der Beklagten erforderlich.

Insoweit habe die Beklagte nichts vorgetragen. Das Argument der Gaspreis sei an den Öelpreis gebunden und der Verweis auf die Marktüblichkeit des Preises seien nicht ausreichend. Sodann würde die Beklagte gestiegene Bezugskosten ihren Kunden überhöht in Rechnung stellen. Kostenersparnisse dagegen nicht zugunsten der Kläger entsprechend weitergeben.

Die Kläger beantragen,
wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie,

den zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreis Erdgas zum 01.10.2004 und 01.10.2005 zu bestimmen.


Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Amtsgerichts Delmenhorst und hat Verweisung an das Landgericht Oldenburg beantragt.

Die erhobene Feststellungsklage hält sie für unzulässig.

Weiter ist sie der Ansicht, § 315 Abs. 3 BGB sei auf Tarifverträge (für Gastarifkunden) nicht anwendbar. Sodann beruft die Beklagte sich unter Vorlage eines detaillierten Preisvergleichs mit anderen Gasversorgungsunternehmen (Stand 25.08.2005) darauf, dass der
ab 01.01.2005 gültige Arbeitspreis im Rahmen des marktüblichen Preises liege. Sie legt einen Gaspreisspiegel der Wirtschaftsberatungs-AG vom 01.01.2004 vor und behauptet, die Beklagte belege unter den verglichenen Gasversorgungsunternehmen -bezogen auf
das Bundesgebiet -einen mittleren Platz. Ferner hat sie eine Übersicht vorgelegt und trägt vor , aus dieser lasse sich die Berechtigung der Anhebung des Gaspreises unter Zugrundelegung ihrer eigenen Bezugspreise nachvollziehen.

Zum Beweis für die Richtigkeit der
in die Tabellen eingestellten Preissteigerungen beruft die Beklagte sich auf das Zeugnis Harry Rogge und auf den sachverständigen Zeugen Wirtschaftsprüfer Nory. Weiter behauptet die Beklagte, dass der Unterbereich Tarifkunden in der Sparte Gas keine Gewinne
abwerfe (Vernehmung des Geschäftsführers Hans Ullrich Salmen als Partei).

Die Beklagte meint, unter Berücksichtigung des verfassungsmäßig garantierten Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen könne von ihr eine weitergehende Offenlegung der Preiskalkulation nicht verlangt werden.

Vorsorglich beantragt die Beklagte die Aussetzung dieses Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer beim Landgericht Oldenburg anhängigen Muster- Sammelklage bzw. bis zur Entscheidung zweier beim Bundesgerichtshof anhängigen Revisionsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der umfangreich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf folgenden Erwägungen.

Das Amtsgericht Delmenhorst ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreits sachlich zuständig.

Nach §§ 102, 108 EnWG sind die Landgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergeben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.

Das gilt auch, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem Ener-
giewirtschaftsgesetz zu treffen ist. Dabei sind Rechtsstreitigkeiten Handelssachen im Sinne von §§ 93 bis 114 GVG, § 102 Abs. 2 EnWG.
Eine solche Rechtsstreitigkeit liegt hier nicht vor.

Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Die Kläger begehren die isolierte Feststellung der Unbilligkeit und der Unwirksamkeit der Gaspreiserhöhungen.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Kläger ist gegeben.

Ein solches schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen Feststellung besteht, wenn eine gegenwärtige Unsicherheit dadurch droht, dass ein Beklagter das Recht eines Klägers ernstlich bestreitet oder sich eines Rechtes gegen ihn berühmt oder wenn das Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 1986,
2507). Das ist vorliegend der Fall, denn die Beklagte verlangt eine nach Ansicht der Kläger nicht gerechtfertigte Erhöhung des Gaspreises.

Die Kläger brauchen sich trotz der bereits erstellten Rechnungen nicht auf eine Leistungs- bzw. Gestaltungsklage verweisen zu lassen.

Die Feststellungsklage ist geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen. Im Falle eines obsiegenden Feststellungsurteils erwächst die Feststellung der Unbilligkeit der hier streitigen Gaspreiserhöhungen in Rechtskraft, was bei einer Leistungsklage nicht der Fall wäre (BGH NJW RR 2002, 1377).

Den Klägern ist auch in Ansehung von § 30 AVBGasV nicht zuzumuten, den erhöhten Gaspreis im Hinblick auf § 814 BGB ggflls. unter Vorbehalt zunächst zu bezahlen, um ihn dann bereicherungsrechtlich wieder zurückzufordern. § 30 AVBGasV betrifft im Übrigen nur Rechen- und Ablesefehler, nicht aber die Leistungspflicht des Kunden.

Das Gericht teilt insoweit die Ansicht des Landgerichts Heilbronn in seinem Urteil vom 19.01.2006,dass aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages es für die Kläger zu einer nicht hinnehmbaren einseitigen Berücksichtigung der Interessen der Beklagten führen würde, wenn diese zunächst evtl. gar nicht geschuldete Zahlungen vereinnahmen
könnte und die Kläger sich auf Rückforderungsansprüche aus
ungerechtfertigter Bereicherung verweisen lassen müssten mit den dann geltenden Beweislastregeln.

Die Klage ist ebenfalls begründet.

Die von der Beklagten zum 01.10.2004, 01.10.2005 und 01.01.2006 vorgenommenen Erhöhungen der Gaspreise unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in zumindest analoger Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB.

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Tarife von Unternehmen, die im Rahmen eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsversorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der anderen Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH NJW 1992, 171).

Um einen solchen Vertrag handelt es sich auch bei der Lieferung von Erdgas.

Voraussetzung für die zumindest analoge- Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB ist in diesem Fall das der Beklagten einseitig eingeräumte Preisbestimmungsrecht.

Zusätzlich -hier gegebene- Vorraussetzung ist, dass die Beklagte als Inhaberin einer Monopolstellung Gas als Leistung im Rahmen der Daseinsvorsorge anbietet. Es ist unstreitig, dass die Beklagte zur Zeit für das Stadtgebiet Delmenhorst das einzige Unternehmen ist, das Privathaushalten Erdgas anbietet und die Kläger somit als Gasbezieher zwingend auf deren Leistung angewiesen sind.

Das Recht der Kläger auf eine Überprüfung der Angemessenheit der Tariferhöhungen wird durch die Bestimmungen des Kartellrechts oder des Energiewirtschaftsrechtes bzw. durch eine Substitutions- oder Wettbewerbssituation mit anderen Wärmeenergieträgem
nicht ausgeschlossen.

Sinn und Zweck des § 315 BGB ist nämlich die Wiederherstellung
der Vertragsparität.

Mit dieser Vorschrift reagiert das Gesetz auf die Störung der Vertragsparität bei einer wirtschaftlichen Ungleichgewichtslage.

§ 315 BGB bindet die Gestaltungsmacht des Berechtigten an billiges Ermessen und unterwirft die von Bestimmung einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Er schützt damit den anderen Vertrags-
partner, typischerweise den sozial Schwächeren (Palandt/Heinrichs § 315 Rdnr. 2). Im Bereich der Gasversorgung liegt ein solches erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern vor, denn im sogenannten Haushalts- und Kleingewerbekundenbereich existiert kein Wettbewerb, weshalb regionale Gasversorgurgsuntemehmen über die faktische, hier auch über die tatsächliche Monopolstellung verfügen.

Billigkeit im Sinne des § 315 BGB bedeutet deshalb konkrete Einzelfallgerechtigkeit unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, der für diese Interessen maßgeblichen Tatsachen
und einer Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die Beklagte im Sinne von § 1 EnWG eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche Versorgung mit Gas im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten hat. Dieses sind die maßgeblichen Kriterien, auf deren Verbindlichkeit sich die Beklagte mit ihrer Entscheidung, sich als Energieversorger zu betätigen, eingelassen hat (Held, MZM 2004, Seite 173).

Weiter muss die Vertragsgestaltung "transparent" sein. Dieses betrifft insbesondere die Preisgestaltung, die durch Veröffentlichung der maßgeblichen Fakten für den Abnehmer nachvollziebar sein muß.

Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass gerade auf dem Energiesektor Preisanhebungen betriebswirtschaftlich zwingend sein können. Bei einem mit „Preisbestimmungsrecht" ausgestatteten Alleinversorger im Bereich des Daseinsvorsorge muss die Preiskalkulation aber für den auf die Leistung angewiesenen Kunden transparent sein, um sie auf ihre „Bil-
ligkeit" hin überprüfen zu können.

Nur einen, diesem Kriterium entsprechenden Preis schuldet der Kunde, denn der erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung
nach § 315 BGB betrifft nicht Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet (BGH NJW 2003, 3131 ff.).


Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trifft das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgeltes dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen die andere Partei erhebt (BGH a.a.O.).

Dieser Fall liegt hier vor, denn die Kläger wenden sich gegen die von der Beklagten zum 01.10.2004 und 01.10.2005 vorgenommene Arbeitspreissteigerung in Höhe von 12,8 % bzw. 15,4 % und eine weitere
Preissteigerung per 01.01.2006 mit dem Argument der Unbilligkeit.

Dieser Einwand ist zulässig.

Die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für die Billigkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung ist auch gerechtfertigt, denn ihr steht das einseitige Leistungsbestimmungsrecht zu; sie hat die Macht, die Leistung zu bestimmen und hat allein Einblick in die Sphäre ihrer unternehmerischen Abläufe, während die Kläger als Kunden im Bedarfsfall
auf die Inanspruchnahme dieser Leistung, nämlich die Energieversorgung „zwingend" angewiesen sind.


Deshalb genügte hier für den schlüssigen Klägervortrag grundsätzlich das Bestreiten der Billigkeit im Rahmen der für das besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO erfolgten erforderlichen Darlegungen.

Aus dem Recht der Beklagten zur einseitigen Leistungsbestimmung im zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis folgt die Verpflichtung zur Offenlegung der Preiskalkulation für die genannten Zeiträume.

Dem ist die Beklagte trotz des Hinweis- und Auflagenbeschlusses vom 04.04.2006 nicht nachgekommen.

Die Argumente der Beklagten, Bindung des Gaspreises an die Preisentwicklung des Öles, keine Gewinnerzielung durch Gaslieferung und die Behauptung, die jeweiligen Preisanhebungen lägen im Vergleich mit anderen Anbietern im mittleren Bereich und seien zudem
marktüblich, sind nicht ausreichend.

Insbesondere die "Marktüblichkeit" kann nicht herangezogen werden, denn aufgrund der Monopolstellung der Beklagten in Delmenhorst existiert kein Markt, in dem sich ein Preis für Erdgas bilden kann.

Ebenso kann der Vergleich mit anderen Versorgungsunternehmen, die in anderen Gebieten tätig sind, nicht zur Bestimmung eines marktüblichen Preises herangezogen werden, denn hier wäre die besondere Situation des jeweiligen Gebietes, das beliefert wird, zu berücksichtigen.

Auch die Bindung an den Preis für Heizöl kann zur Bestimmung der Marktüblichkeit nicht herangezogen werden, denn zweifelsfrei existiert kein einheitlicher Wärmemarkt.

Um eine Billigkertsprüfung vornehmen zu können, muss die Beklagte im Umfang der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast substantiiert vortragen, inwieweit der geforderte Gaspreis zur Deckung der Kosten der Gaslieferung und Erzielung eines, im vertretbaren Rahmen liegenden Gewinnes dient.

Das ist hier nur durch die Offenlegung ihrer Kosten- und Gewinnkalkulationen für die genannten Zeiträume möglich. Die Vorlage der Anlage B 3 (Differenzveränderung Bezug- Verkaufsarbeitspreis ct/kwh in Bezug auf den 01.01.2004) reicht dafür nicht aus.


Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Offenlegung ihrer Preiskalkulation würde sie zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen zwingen und hierzu sei sie mangels gesetzlicher Grundlage nicht verpflichtet.

Denn da die Beklagte ihre Preiskalkulation nicht
dargelegt hat, kann das Gericht auch nicht beurteilen, inwieweit durch eine weitergehende Offenlegung schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beklagten betroffen und Interessen zu wahren gewesen wären.

Im Übrigen hätte das Gericht das dann ggf. nach §§ 172 ff
GVG über den Ausschluss der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfG, VersR 2000, 214).

Da die Beklagte den Billigkeitsnachweis nicht geführt hat, ist die Klage in vollem Umfang begründet, so dass festzustellen ist, dass die zum 01.10.2004, 01.10.2005 und 01.01.2006 vorgenommenen Preisanhebungen im Vertragsverhältnis zu den Klägern unbillig und da-
mit unwirksam sind.

Mangels Darlegung ihrer Preiskalkulation kann das Gericht auch dem Hilfsantrag der Beklagten, den zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreis Erdgas zum 01.10.2004 und 01.10.2005 zu bestimmen, nicht entsprechen.

Nach allem ist der Klage antragsgemäß ohne Durchführung einer Beweisaufnahme stattzugeben.


Dem Antrag der Beklagten, auf Aussetzung des Verfahrens, hat das Gericht nicht stattgegeben.

Nach § 148 ZPO (Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit) kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen
Rechtsstreits auszusetzen ist.

Die Voraussetzung liegt hier nicht vor. Denn dieser
Rechtsstreit ist entscheidungsreif.

Anhängige Verfahren vor dem Bundesgerichtshof oder vor dem Landgericht Oldenburg sind nicht präjudiziell für das hier vorliegende Verfahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 713 ZPO.

Streitwert: bis 400,00 €.

Gem. § 511 Abs. 2 Ziffer 2, Abs. 4 ZPO hat das Gericht die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Eilers
Richterin am Amtsgericht


Siehe zum Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 04.04.2006 hier:

http://www.energieverbraucher.de/de/Allgemein/Service/Container_Urteilssammlung/site__1807/

Offline kamaraba

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #1 am: 13. August 2006, 16:13:11 »
@Herr Fricke

Ich glaube in so einer Deutlichkeit hat das noch kein Gericht bisher zu Papier gebracht.
Von wann ist denn das Urteil?

danke....
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
www.Faire-Energiepreise.de

Offline RR-E-ft

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #2 am: 13. August 2006, 16:16:45 »
@kamaraba

Wie sich aus dem Urteilstext ergibt, ist das Urteil vom 04.08.2006.

Es wurde den Klägern nach meinen Informationen am 12.08.2006 (gestern) zugestellt.

Die verklagten Stadtwerke finden es wohlmöglich erst morgen in der Post vor. Es kommt indes für diese nicht überraschend.

Wir sind eben oft einen Tick schneller.

Offline kamaraba

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #3 am: 13. August 2006, 16:24:08 »
danke, habe ich überlesen, war wohl auch einen Tick zu schnell.
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
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Offline RR-E-ft

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #4 am: 13. August 2006, 16:55:33 »
Das Urteil steht in einer Linie mit den Urteilen KG Berlin vom 15.02.2005 (WuM 2005, 257), LG Mannheim vom 16.08.2004 (NJOZ 2005, 3541), LG Mönchengladbach vom 10.11.2005 und OLG Karlsruhe vom 28.06.2006.

Es liegt auch auf der aktuellen Linie des BGH:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U2.pdf

Fortgeführt wird auch die Rechtsprechung des AG Heilbronn:

http://www.pontepress.de/pdf/200502AGHeilbr15_04_2005.pdf


Die zugelassene Berufung hat deshalb wenig Aussicht auf Erfolg.

Hätten die Verbraucher nicht geklagt, gäbe es diese  - wie auch andere Entscheidungen - bisher nicht.


Amtsgericht Delmenhorst verlangt Offenlegung der Preiskalkulation
Delmenhorst (energate) - Das Amtsgericht Delmenhorst hat in einem Urteil vom 4. August der Klage (AZ 4A C 4063/06) gegen drei zurückliegende Gaspreiserhöhungen... 14.08.2006 - 14:33

Offline Floryk

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #5 am: 15. August 2006, 03:14:45 »
Zitat von: \"kamaraba\"
Ich glaube in so einer Deutlichkeit hat das noch kein Gericht bisher zu Papier gebracht.


Nein, so deutlich wohl nicht. Interessant ist, dass das Gericht endlich diesem Argumentationsunsinn der Versorger einen Riegel vorschiebt, in dem es klarstellt, dass es keinen Marktpreis ohne Markt geben kann.

In einem monopolistisch existierendem Versorgungsgebiet kann sich kein Preis wie in einem wettbewerblich orientiertem Markt ergeben.

Offline RR-E-ft

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #6 am: 15. August 2006, 11:40:26 »
Herr Kollege Petersen schrieb:

Zitat
Guten Tag Herr Fricke,

das erfreuliche Urteil des AG Delmenhorst kennen Sie ja schon. Sie werden erkennen, dass das AG eine Vielzahl der auch von ihnen vertretenen Positionen übernommen hat.

Die Frage der sachlichen Zuständigkeit und das Problem, dass es nur auf einem funktionierendem Markt (mit Wettbewerb) einen „Marktpreis“ geben kann, hat die Richterin sehr gut gelöst und dabei außergewöhnlich gut begründet.

Unsere Strategie, mit diesem Musterprozess zunächst in Delmenhorst zu bleiben, hat sich daher in vollem Umfang ausgezahlt. Bedingt durch die vornehmlich  von Ihnen veröffentlichten Entscheidungen und Kommentare war die Amtsrichterin in der Lage, die aktuellen Entwicklungen vollends mit einzubeziehen. Das ist eben auch Ihr Verdienst.

Die nächsten Aufgaben warten aber schon.

Das Urteil des LG Verden in Sachen 10 Kunden gegen EVB Huntetal ist nicht rechtskräftig geworden. Ich werde das Berufungsverfahren vor dem OLG Celle weiterführen.

Eine weitere Klage werde ich im Namen verschiedener Kunden der .... beim LG Verden einreichen.

Beide Verfahren werden sich mit den rechtlichen Gegebenheiten von Tarifkunden befassen.

Ich werde Sie – wie bisher – über den Verlauf unterrichten.

Kleine Korrektur zu Ihrem Beitrag im Forum:

Das Urteil wurde den Klägern über mein Büro  am 9.8. zugestellt.


Mit freundlichen Grüßen


Kyrulf Petersen



Bremen

Sozietät Volkmann, Becker + Partner



Glückwunsch zunächst an Herrn Kollegen Petersen.

Ich freue mich, dass die Beiträge hier im Forum den Kollegen bei den anstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen und somit uns allen weiterhelfen. Dann hat sich der Aufwand doch gelohnt.


Uns weiterhin gemeinsam viel Erfolg !


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #7 am: 17. August 2006, 16:33:28 »
@uwes

Sehr geehrter Herr Kollege,
auch auf diesem Wege nochmal Glückwunsch zu dem Erfolg in Delmenhorst.


@Fricke

Sehr geehrter Herr Kollege,
auch Ihnen auf diesem Wege nochmal herzlichen Dank für Ihre Beiträge, die sehr wertvoll sind und die Arbeit erheblich erleichtern.
Mit freundlichen Grüßen


Götz Rohde
Rechtsanwalt

Junkernkamp 4
27243 Harpstedt
Tel: 04244-92770
Fax:04244-8860
e-mail: info(at)kanzlei-harpstedt.de

Offline 07010714

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #8 am: 26. August 2006, 19:29:31 »
Hallo!
Erfreuliche Nachricht. Dann würde mich jetzt mal folgendes interessieren:
Gestern erhielten wir die Gasabrechnung. Wie zu erwarten war, wurde, trotz Widerspruch gegen die Erhöhungen seit Herbst 2004, mit dem Arbeitspreis nach den Erhöhungen abgerechnet. Resultat: Wir sollen weit über 700 Euro nachzahlen. Der Rechnung muss ich nun sicher erneut widersprechen und eine korrigierte Rechnung vorlegen. Ich stelle mir jedoch die Frage, ob ich nach dem Urteil des AG Delmenhorst nun auch den zu viel gezahlten Betrag aus der Abrechnung 2005 abziehen kann. Laut Widerspruchsschreiben hatten wir diesen ja als unter Vorbehalt gezahlt betrachtet.
Gruß
Andrea

Offline RR-E-ft

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #9 am: 26. August 2006, 19:43:08 »
@Andrea

Auch unter Vorbehalt gezahlte Beträge muss man ggf. zurück klagen.

Nämlich dann, wenn der Versorger nicht freiwillig zurückzahlt.

Aber sicher hat der Versorger ein Einsehen. Wer´s glaubt...

Es besteht regelmäßig ein Aufrechnungsverbot, § 31 AVBV.

Deswegen nutzen ja auch die Urteile den Vorbehaltszahlern überhaupt nicht.

Offline 07010714

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #10 am: 27. August 2006, 23:09:57 »
Vielen Dank für die prompte Antwort! Man liest sich hier durch den Dschungel von Beiträgen und ist mitunter dennoch verunsichert, ob man richtig vorgeht. Also nochmals zum besseren Verständnis. Laut Recherche hier im Forum erinnnere ich die SWD nun an unser Widerspruchsschreiben und widerspreche der Jahresrechnung. Gleichzeitig stelle ich eine korrigierte Rechnung auf und ändere konsequenterweise die von der SWD errechneten neuen Abschlagszahlungen. Ist es dann ratsam unter Berufung auf das Urteil des AG Delmenhorst die Auszahlung des zu viel gezahlten Betrags aus der Abrechnungsperiode 2004/2005 zu verlangen? Oder sollten wir die Entscheidung der nächsten Instanzen abwarten? Kann es dann zu einer Verjährung kommen?
Herzliche Grüße
Andrea

Offline 07010714

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #11 am: 28. August 2006, 09:38:46 »
Hallo!
Habe ich die Frage an die falsche Stelle gesetzt? Wie verschiebt man denn einen Beitrag? Oder kann mir sonst jemand antworten?
Gruß
Andrea

Offline RR-E-ft

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #12 am: 28. August 2006, 11:28:41 »
@Andrea

Rückzahlung kann man immer verlangen.

Ob es etwas bringt, steht auf einem anderen Blatt.
An freiwillige Rückzahlungen glaubt wohl niemand ernsthaft.

Man kann den Versorger jedoch dadurch in Verzug setzen und später ggf. Verzugszinsen fordern.

Man muss ggf. auf Rückzahlung klagen, wobei sich jedoch die Darlegungs- und Beweislast dreht (jedenfalls wenn man vorbehaltlos gezahlt hatte), so dass der Verbraucher grundsätzlich die Unbilligkeit und somit die Zahlung auf eine Nichtschuld darlegen und beweisen muss.

Dafür genügt ein einfacher Verweis auf das o. g. Urteil nicht.

Daran ändert sich auch nichts, wenn das o. g. Urteil in der nächsten Instanz bestätigt wird.

Der Anspruch auf Rückzahlung unterliegt der Verjährung.

Klagt man zu spät, kann sich der Versorger erfolgreich auf die Verjährung berufen und man unterliegt allein deshalb.

Dies alles ergibt sich jedoch bereist aus vielen weiteren Beiträgen.

Im Übrigen sei Energiedepesche Sonderheft empfohlen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Urteil AG Delmenhorst: Preiserhöhungen unwirksam
« Antwort #13 am: 28. August 2006, 11:52:33 »
Hallo Herr Fricke,
kann nur immer wieder danken für Ihr Engagement hier im Forum, besonders was die Fragen betrifft, die dauernd wiederholt werden.
Werde mir das empfohlene Heft gleich besorgen.
Grüße
Andrea

 

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