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Autor Thema: VDEW: Strom wird durch Erwartungshaltung immer teuerer  (Gelesen 2796 mal)

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VDEW: Strom wird durch Erwartungshaltung immer teuerer
« am: 18. August 2006, 14:35:38 »
Die Stromlobby meldet sich wie folgt zu Wort:


http://www.strom.de/wysstr/stromwys.nsf/WYSInfoDokumentePunkt2Lookup/7E725D2CC10E0208C12571CE0033B930?OpenDocument

Möglicherweise kann man die Erklärung so zusammenfassen:

Wenn die großen Player an der Börse die Erwartung haben, der Strompreis steigt, dann steigt der Strompreis an der Börse allein deshalb.

Die Börse bildet nur einen geringen Teil des Stromhandels ab.

Praktischwerweise werden die Preise des übrigen Marktes an die Börsenpreise gekoppelt. Die Wirkung ist ähnlich wie bei der Anlegbarkeit der Gaspreise an den Ölpreis:

Eine Preisspirale wird in Gang gesetzt.

Um die Preiserhöhung durch die Spekulation sachlich zu rechtfertigen, müsste wohl die Energienachfrage bei gleichem Angebot entsprechend steigen, so dass sich über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ein ebensolcher Marktpreis herausbilden würde.

Entsprechendes ist jedoch kurzfristig nirgends zu erwarten. Es geht wohl niemand ernsthaft davon aus, dass die Stromnachfrage (ob in der EU insgesamt oder in Deutschland) bei gleicher Angebotsmenge um ein Drittel steigt.

"Die Strombörsen spiegeln unter anderem die Erwartungen der Marktteilnehmer, dass der weltweit wachsende Energiebedarf die europäischen Strompreise nach oben treiben wird", erklärte Meller.


Dies wäre wohl vollkommen unrealistisch, ebenso wie die Erwartung einer entsprechenden Verteuerung der Stromerzeugung selbst.

Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass sich bei gleichem Angebot auf dem Markt tatsächlich die Nachfrage entsprechend erhöht. Die tatsächliche Stromnachfrage ist auf dem deutschen und europäischen Markt nicht etwa um ein Drittel gestiegen.

In Deutschland stagniert die Strom- Nachfrage, ist annähernd konstant.

Deshalb mutet schon die entsprechende Erwartung, die allein über einen spekulativen Effekt  zu den höheren Preisen allein an der Börse führt, seltsam an.

Noch schwieriger zu rechtfertigen ist es, diese Preisentwicklung aufgrund dieses spekulativen Effekts auf den Gesamtmarkt zu übertragen.

Dies führt dazu, dass dann allein aufgrund einer solchen Spekulation an der Börse ohne tatsächlich entsprechend steigende Nachfrage die Großhandelspreise insgesamt steigen....

Allein dadurch, dass ein Nach-oben-Treiben der Preise lediglich (wie begründet auch immer) erwartet wird, werden die Preise ganz real nach oben getrieben. Man kann deshalb von Preistreiberei reden.

Es bedarf also allein der geäußerten Erwartung der Konzerne, dass die Preise steigen und dann steigen diese schon....

Dieses System ermöglicht es wohl, sich die Strompreise herbeizuwünschen, die man zur Erreichung entsprechender Gewinne zur weiteren Verfolgung hochambitionierter Ziele benötigt.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob man sich also etwa bewusst verspekulieren kann, um insgesamt höhere Gewinne zu realisieren.

Das Prinzip der Anlegbarkeit lässt sich zudem nur auf vermachteten Märkten durchsetzen. Es ist selbst ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Markt insgesamt nicht wettbewerblich funktioniert, so der Erdgasmarkt.

Auch die Erdgaspreise steigen dramatisch , obschon sich an Angebot und Nachfrage nach Erdgas selbst überhaupt nichts grundelegend ändert.

Ein Marktpreis, der sich tatsächlich über ein Zusammenspiel von  Angebot und Nachfrage bildet, sollte sich also nicht entsprechend verändert haben.

Schlussendlich wird vollkommen außer Acht gelassen, dass höhere Großhandelspreise an der Börse nicht allein zu höheren Kosten für die Strombeschaffung  führen, sondern ebenso höhere Erlöse und damit bei gleichen Kosten zu entsprechend höheren Gewinnen für die an der Börse anbietenden Stromkonzerne führen.....

Die Begründung der Stromlobby für die steigenden Strompreise wäre allenfalls nur dann stichhaltig, wenn die Konzerne selbst nur Strom über die Börse beschaffen müssten, dort nicht zugleich als Anbieter auftreten würden.

Niemand wird gehindert, den Strom aus konzerneigenen Kraftwerken direkt an die Kunden des Konzerns zu bringen.

Für Wettbewerbsmärkte ist gerade das Bestreben typisch, einen  Zwischenhandel möglichst auszuschalten und so geringere Preise bieten zu können.

Auf dem deutschen Strommarkt ist anderes zu beobachten:

Eine Konzerngesellschaft, zuständig für die Stromerzeugung in den Kraftwerken, verkauft mit Gewinn an die für den Großhandel zuständige Konzerngesellschaft (Sales &Trading).

Diese wiederum verkauft mit Gewinn an die Regionalgesellschaften.

Die Regionalgesellschaften verkaufen mit Gewinn weiter an die Stadtwerke und andere Kunden, möglichst in einem Absatzgebiet, in dem kein anderer Konzern tätig ist.

Für den Transport stellt die für die Netze zuständige Konzerngesellschaft ihr Transportnetz zur Verfügung und erzielt auch dabei einen ordentlichen Gewinn.

In dieser konzerninternen Wertschöpfungskette werden dann noch die Preise an die EEX- Preise gekoppelt, so dass ggf. auf jeder konzerninternen Handelsstufe zusätzlich noch ein ordentlicher Hebeleffekt (Leverage) erzielt wird.

Über allen diesen Gesellschaften der konzerninternen Wertschöpfungskette befindet sich eine Konzerngesellschaft (Energie/ Energy), welche die Anteile an den anderen hält, und bei der die Gewinne zusammenfließen, die dann von dort an die Konzernmutter weitergeleitet werden.

So kommt eins zum anderen. So funktioniert der "Wettbewerb".

Und dann kommen welche, die stänkern wollen:

http://aktuell.focus.msn.de/finanzen/news/energiepreise_nid_33881.html


(Man stelle sich vor, der Lobbyverband hätte die Erwartung geäußert, das Strom billiger wird. Wohl undenkbar.)

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VDEW: Strom wird durch Erwartungshaltung immer teuerer
« Antwort #1 am: 18. August 2006, 15:51:52 »
Strompreise stiegen im Großhandel um gut ein Drittel

Richtig: Strompreise stiegen an der Börse um gut ein Drittel
 
Weltweit wachsender Energiebedarf treibt die Preise nach oben

Vollkommen unbewiesene These, ohne jedweden Beleg im nachfolgenden Text. (Propaganda)


Berlin, 18. August 2006 - Die Großhandelspreise für Strom haben nach Berechnungen des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in der ersten Jahreshälfte erneut angezogen. So seien im ersten Halbjahr 2006 die durchschnittlichen Preise für Grundlast-Stromlieferungen für 2007 am Terminmarkt der deutschen Strombörse EEX im Vergleich zum Vorjahr um über ein Drittel gestiegen. "Ähnliche Preisentwicklungen waren europaweit an allen Strombörsen zu beobachten und sind auf die insgesamt in der EU wachsende Stromnachfrage zurückzuführen", erläuterte VDEW-Hauptgeschäftsführer Eberhard Meller.

Ob das tatsächlich für alle europäischen Strombörsen zutrifft ist fraglich. Nordpool zeigte wohl eine andere Entwicklung. Eine entsprechend wachsende Stromnachfrage in der EU wäre wohl nicht bekannt geworden.


Der Preis am Großhandelsmarkt habe aber nur einen Anteil von rund 25 Prozent am Strompreis für Haushalte; etwa ein Drittel entfalle auf den Stromtransport. "Den größten Anteil an der Stromrechnung eines Haushaltes haben mit rund 40 Prozent staatliche Steuern und Abgaben", so Meller. Hinzu komme ab 1. Januar 2007 die Mehrwertsteuererhöhung mit drei Prozent.

Der Preis für Grundlastlieferungen im Jahr 2007 (Jahresfuture Baseload) ist nach VDEW-Angaben um rund 37 Prozent gestiegen: das heißt er kletterte von durchschnittlich 39,86 Euro für tausend Kilowattstunden (€/Tsd. kWh) Strom im Jahr 2005 auf durchschnittlich 54,62 €/Tsd. kWh in den ersten sechs Monaten dieses Jahres.

"Die Strombörsen spiegeln unter anderem die Erwartungen der Marktteilnehmer, dass der weltweit wachsende Energiebedarf die europäischen Strompreise nach oben treiben wird", erklärte Meller.


Das hat mit der Headline nicht viel gemein.


Grundsätzlich haben die Großhandelspreise laut VDEW keine kurzfristigen Auswirkungen auf die Strompreise für Haushaltskunden. "Denn der Strommarkt funktioniert nicht von heute auf morgen. Die meisten Stromunternehmen beschaffen den Strom langfristig, insbesondere um sich und ihre Kunden gegen kurzfristige Preissprünge abzusichern", betonte Meller.

Die Großhandelspreise dürfen nicht mit den Börsenpreisen gleichgesetzt werden. Die Preise an der Börse sollten weder kurzfristig, noch langfristig Auswirkungen auf die Strompreise für Haushaltskunden haben, wenn der entsprechende Strom überhaupt nicht über die Börse gehandelt, sondern aufgrund langfristiger Bezugsverträge bezogen wurde (vgl. § 12 BTOElt).

Der Strommarkt funktioniert nicht nur von heute auf morgen - sondern wohl insgesamt - nicht.

So könne heute bereits Strom mit Lieferung bis ins Jahr 2012 an der EEX gehandelt werden.

Suggeriert werden soll wohl, der langfristige Strombezug der EVU erfolge über die Börse. Das ist jedoch zumeist nicht der Fall, wie allein der geringe Anteil des EEX- Handels am Gesamtmarkt belegt, vgl. unten.

"Die an der Strombörse EEX erzielten Preise gelten inzwischen als Richtwerte für die gesamte Branche", erläuterte der VDEW-Hauptgeschäftsführer.

Das hat seine Ursache wohl in einem entsprechend abgestimmten Verhalten innerhalb der Branche, insbesondere in einem entsprechenden Usus der marktbeherreschenden Stromkonzerne.

Mit ihrer stetig gewachsenen Liquidität sei die EEX zum Maßstab für den Stromgroßhandel in Deutschland geworden. In 2005 wurden rund 17 Prozent des deutschen Stromverbrauchs physisch am Spotmarkt der Strombörse in Leipzig gehandelt, so der VDEW.

Eben nur 17 Prozent.

("Der Schwanz wackelt mit dem Hund.")

http://www.ihk-koeln.de/Navigation/InnovationUndUmwelt/Energie/Anlagen12667/Richmann_Statements.pdf

Detaillierte Untersuchung des VIK zu den möglichen Ursachen der Verteuerung:

http://www.vik.de/fileadmin/vik/Vortraege/06_05_19.pdf

Diese durch umfangreiche Fakten untermauerten Argumente überzeugen weit mehr als die Ausführungen der Stromlobby.

 

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