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Autor Thema: LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab  (Gelesen 11276 mal)

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Offline RR-E-ft

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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« am: 08. Juli 2006, 16:09:41 »
[ 5-O-118-06 29-06-2006 ]

Zehn Verbraucher waren den Stadtwerken Huntetal vor dem LG Verden unterlegen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1863/


Die Meldung:


http://syke.mzv.net/news/stories/diepholz/?id=75911&toprint=1&toprint=1


http://www.stadtwerke-huntetal.de/content/aktuelles_job/presse/aktuelle_meldungen/pdf/SCAN0061_000.pdf

http://www.stadtwerke-huntetal.de/content/aktuelles_job/presse/aktuelle_meldungen/pdf/SCAN0052_000.pdf

Das Urteil und die Einzelheiten des Verfahrens sind nicht bekannt.

Nach den Presseberichten soll es so sein, dass das Gericht die Meinung vertritt, § 315 BGB käme nur auf die Preise von Monopolisten zur Anwendung.

Tatsächlich greift § 315 BGB direkt bei jedweden einseitigen Leistungsbestimmungen (BGH NJW 2006, 684 ff.).

Seit den Urteil des BGH vom 07.02.2006- KZR 8/05 und KZR 9/05 ist auch klar, dass eine Feststellungsklage nicht immer subsidiär gegenüber einer Leistungsklage ist, dem Bestimmungsgegner nicht zugemutet wird, selbst einen "billigen" Preis zu bestimmen (KZR 8/05, Tz. 21).

Die Berufung gegen das Urteil soll möglich sein.

Eine solche ist ggf. zu prüfen.

Herr Kollge Menge (Diepholz) hat Kontakt zum Bund der Energieverbraucher, ist in die Anwaltsliste eingetragen.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #1 am: 10. Juli 2006, 17:41:10 »
@uwes

Das Thema diskutieren wir am besten hier.


Das am 29.06.2006 verkündete Urteil des LG Verden trägt das Aktenzeichen 5 O 118/06.

Die Klage war zulässig.

In dem Urteil ist nur die Rede davon, dass die AVBGasV in die Verträge einbezogen sei bei schriftlichen Verträgen  Vollversorgungstarif bzw. Tarif G4BKT.

Indes braucht man die AVBGasV in keinen Vertrag einbeziehen:

Entweder es handelt sich um einen Tarifkundenvertrag, so dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBGasV eine automatische Einbeziehung gegeben ist.

Oder es handelt sich um einen Sondervertrag, in dem eine Einbeziehung wohl nicht zu einem wirksamen Preisanpassungsrecht verhelfen kann, weil eine Bezugnahme auf § 4 AVBGasV sich nur zu allgemeinen Tarifen (nach BTOGas) verhält und eine entsprechende Klausel wohl gegen § 307 BGB verstösst (BGH NJW-RR 2005, 1717).

Siehe auch hier:

Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamen Klauseln ?



Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wollte das Gericht indes nicht erkennen, so dass § 315 BGB nicht direkt angewendet wurde.

Dass Gericht wendete § 315 BGB jedoch analog an, alles so wie im Urteil des LG Heilbronn und verwies darauf, dass nur die Preiserhöhungen im Streit standen, deshalb die vorherigen und erhöhten Preise als solche nicht zu kontrollieren gewesen seien (Antragstellung !).

Schon immer gilt auch:

Auf einseitige Preiserhöhungen findet § 315 BGB immer direkt Anwendung, auf vertraglich vereinbarte Preise ggf. auch analog (Monopolfälle etc.; vgl. Fricke,WuM 2005, 547 ff.; Held, NZM 2004, 169 ff.)

Letzteres kommt dann zum Tragen, wenn die Preise vertraglich vereinbart wurden, also nicht einseitig bestimmt wurden, jedoch eine faktische einseitige Bestimmung vorliegt.

Die Billigkeit der Erhöhung sei durch WP- Bescheinigungen nachgewiesen, wobei sich die Bescheinigung zur letzten von zwei angegriffenen Erhöhungen jedoch schon gar nicht verhielt.

Mit den Urteilen BGH NJW 2006, 684 und LG Potsdam vom 15.05.2006 sollte sich wohl jedenfalls  nachweisen lassen, dass die gesamten Tarifpreise einseitig bestimmt waren und insgesamt einer Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung von § 315 BGB zu unterziehen waren.

Säcker, RdE 2006, 65, [69/70] ist gar in dem Urteil zitiert.

Wahrscheinlich hatte man dessen Aufsatz jedoch nicht vollständig gelesen.

Dieser führt nämlich aus, dass in Sonderverträgen eine Klauselkontrolle nach § 307 BGB stattfindet, die meisten Klauseln wegen Intransparenz  unwirksam sind.

Weiter ist auch dort von einer direkten Anwendung des § 315 BGB die Rede.

Weiter heißt es dort, dass es einer Kontrolle der Gesamtkosten anhand der Deckungsbeiträge im konkreten Vertragsverhältnis bedarf, deshalb gerade nicht allein auf gestiegene Bezugskosten abgestellt werden kann und darf.

Säcker stellt die Frage nach den Margen und der Profitabilität der Preise (wohl: vorher/ nachher)

Eine Berufung erscheint deshalb nicht aussichtslos.

Rückfragen ggf. an den Kollegen.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #2 am: 10. Juli 2006, 20:09:05 »
Es ist - wie bereits hier Stadtwerke EVB Huntetal von mir dargestellt, wohl wieder einmal ein angebliches (Wirtschaftsprüfer-)Testat für ausreichend erachtet worden.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #3 am: 10. Juli 2006, 20:23:04 »
@Uwes

Eine Bescheinigung, noch nicht einmal ein Testat, welche sich zudem nur zu einer Preiserhöhung verhält, obschon zwei angegriffen waren.

Zur letzten Preiserhöhung wohl keinerlei Aussage.

Offline uwes

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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #4 am: 10. Juli 2006, 22:51:54 »
Bereits aus den Materialien für die öffentliche Anhörung in Berlin anlässlich der Neuregelung des Energiewirtschafsrechtes hat Christian von Hammerstein - wohl eher Lobbyist der EVU\'s - schon diese interessante Feststellung verbreitet:

"Da nach den Erfahrungen aus bisherigen Prozessen Gerichte
dazu neigen, Wirtschaftsprüfertestaten eine praktisch
nicht überprüfbare „Richtigkeitsvermutung“
beizumessen, sollte in § 10 Abs. 4 in einem weiteren Satz
4 klargestellt werden, dass die Befugnisse der Regulierungsbehörde
von der Vorlage der Wirtschaftsprüfertestate
unberührt bleiben. Die Regulierungsbehörde sollte
nicht an die Prüfergebnisse des Wirtschaftsprüfers gebunden
sein, wenn sie deren Unrichtigkeit feststellt."

http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv15/a09/eAnhoerungen/lEnWR/bmaterialien.pdf - S. 212
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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« Antwort #5 am: 11. Juli 2006, 11:28:36 »
@uwes

Kollege von Hammerstein vertritt die Interessen der Energieanbieter, die fremde Netze nutzen müssen, vgl. ZNER 2005, S. 9 ff. (Gutachten zur zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle von Netzentgelten, erstellt für den Bundesverband der neuen Energieanbieter).

http://www.neue-energieanbieter.de/service/download/66381.html

Immerhin gibt es im Zusammenhang mit Testaten die Rechtsprechung zu Art. 103 GG. In diesem Zusammenhang enthält auch das Urteil des LG Dresden im in Sachen Enso Ausführungen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #6 am: 23. Juli 2006, 12:45:17 »
Das Urteil des LG Verden, welches hoffentlich in die Berufung geht, findet sich hier:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Verden_060629_5O118-06.pdf

Das Urteil steht im Widerspruch zu den Urteilen des LG Bremen vom 24.05.2006 und des LG Dresden vom 30.06.2006.

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LG Verden weist Sammelklage von Gaskunden ab
« Antwort #7 am: 15. August 2006, 11:55:40 »
Gegen das Urteil des LG Verden wird Berufung eingelegt zum OLG Celle.

Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.



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Thomas Fricke
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« Antwort #8 am: 02. November 2006, 12:40:06 »
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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« Antwort #10 am: 19. Dezember 2006, 19:03:21 »

 

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