Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kartellrechtswidrigkeit des Gasbezugsvertrages vor Gericht  (Gelesen 5754 mal)

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Offline RR-E-ft

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[ U-Kart-31-00  07-11-2001 ;  B-8-113-03  13-01-2006 ]

Dinkelsbühl hat sich bekanntlich  aus den Fesseln eines überkommenen Liefervertrages befreit.

Eine Forderung, die Kunden auch gegen ihre Versorger erheben, die sich zur Rechtfertigung für Preiserhöhungen oft immer noch auf längst kartellrechtswidrige und somit nichtige Gasbezugsverträge mit den Vorlieferanten berufen und die allein aus den in solchen Verträgen frei vereinbarten Preisgleitklasueln, welche die Beschaffungskosten ohne Not drastisch ansteigen lassen.

Zum Streit vor dem Landgericht Nürnberg:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=14639

Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.

VNG- Vertriebsvorstand Eschment sieht die Gasbranche vor einem Umbruch beim Lieferanten- Kunden-Verhältnis:

 http://www.energate.de/news/83822

Das Bundeskartellamt lässt keine Zweifel:

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/050125_DiskussionspapierGasvertraege.pdf

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/aktuelles/presse/2006_01_17.shtml

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Kartell/Kartell06/B8-113-03.pdf

Sind die Vorlieferantenverträge nichtig, so bezieht sich dies zugleich auf die darin möglicherweise enthaltenen sog. HEL- Klauseln aufgrund derer die Vorlieferanten den Gasversorgungsunternehmen gegenüber quartalsweise die Beschaffungspreise neu berechnen, infolge steigender Heizölpreise erhöhen, womöglich jedoch bei fallenden Heizölpreisen nicht ebenso senken:

http://www.vng.de/content/deutsch/Erdgasmarkt/Gaspreise/hel_gasimportpreise/index.html

Die Gasversorgungsunternehmen können sich deshalb gegenüber ihren Vorlieferanten auf die Nichtigkeit der Bezugsverträge und statt derer bestehende sog. Interimsverhältnisse berufen, vermögen derer der Vorlieferant berechtigt ist, die Preise gem. §§ 316, 315 BGB einseitig zu bestimmen.

Demnach haben die Gasversorger selbst die Möglichkeit zur Abwehr solcher Preiserhöhungen vermittels Einwand der Unbilligkeit gem. § 315 BGB. Aus der gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung im Interesse der Allgemeinheit gem. § 1, 2 EnWG  besteht zugleich eine entsprechende Verpflichtung.

Deshalb ist eine Berufung auf gestiegene Vorlieferantenpreise bei kartellrechtswidrigen und nichtigen Bezugsverträgen mit Vorlieferanten vollkommen unerheblich im Rahmen der Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen.

Diese Auffassung vertritt ersichtlich auch der für Energierecht zuständige 2. Kartellsenat des OLG Düsseldorf:

Ein Gasversorger, der sich nicht gegenüber dem Vorlieferanten auf die Unbilligkeit beruft, verletzt gegenüber seinen Kunden eine vertragliche Nebenpflicht:

http://anbieterwechsel.strom-magazin.de/news/gaspreiserhoehung-viersener-versorger-nimmt-berufung-zurueck_16830.html

http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=113223


Die Langfristverträge sind nichtig:

Dies hat das OLG Düsseldorf ebenfalls bereits geurteilt:

http://www.pontepress.de/pdf/14%20_OLG_Duesseld_4_01.pdf

Es hält auch weiter daran fest:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3153






Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

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Kartellrechtswidrigkeit des Gasbezugsvertrages vor Gericht
« Antwort #1 am: 19. Mai 2006, 15:29:10 »
Es soll sich auch vor dem Landgreicht Ansbach ein Obsiegen für Dinkelsbühl abzeichnen:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=14734


Der Fall der Gemeinde Dinkelsbühl und ihres mutigen Oberbürgermeisters, der die Gaspreise für die Bürger stoppte, war schon Gegenstand des Films "Das Gaskartell":

http://www.hanischdoerfer.de/gaskartell.htm

Offline RR-E-ft

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Kartellrechtswidrigkeit des Gasbezugsvertrages vor Gericht
« Antwort #2 am: 22. Mai 2006, 12:57:43 »
Experten von Becker Büttner Held halten die Langfristverträge für kartellrechtswidrig und nichtig:

http://www.energate.de/news/83907

Warum in diesem Zusammenhang nicht von längst bestehenden Interimsverhältnissen und § 315 BGB die Rede ist, bleibt unerklärlich.

Ceteris paribus, d.h. wenn Ruhrgas das Gas nicht anderweitig teurer absetzen kann, ändert sich am Verhältnis von Angebot und Nachfrage gar nichts. Zudem sollen nach den Ermittlungen der EU das Gaspreisniveau bereits jetzt zu hoch sein.

Durch den Neuabschluss von Verträgen darf dieses hohe Preisniveau gerade nicht zementiert werden, es mus vielmehr abgesenkt werden.

Es gibt keine Rechtfertigung, allein die Gaslieferungen an Stadtwerke an HEL- Notierungen zu koppeln.

Dies ergibt sich m.E. ohne weiteres aus Art. 81, 82 EGV, wonach eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Preisbildung von Kunden unzulässig ist.

Eine solche unzulässige  Einflussnahme läge indes vor, weil die Erdgasimportmengen auch nicht ausschließlich an HEL gekoppelt sind, mithin eine solche Kopplung bei den Abgabepreisen der Importeure als sachlich nicht zu rechtfertigende Wettbewerbsbehinderung der Stadtwerke im Wettbewerb um den Bezug von Gasmengen gegenüber Kraftwerken u.a. darstellen muss (so auch schon der BBH- Anwalt Dr. Olaf  Däuper in seiner Dissertation  "Gaspreisbildung und europäisches Kartellrecht").


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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