Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Neuer AVBV- Entwurf hebelt § 315 BGB aus ?!!
RR-E-ft:
Quelle: http://www.strom-magazin.de (Professionals)
VORLAGE
10.05.2006, 10:04 Uhr
Bundesrat prüft neue AVBEltV (Upd.)
Die seit Ende der 70er Jahre gültige Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) soll an die Regelungen des neuen Energiewirtschaftsgesetzes angepasst werden. Der vom Wirtschafts-ministerium erarbeitete Entwurf liegt nun beim Bundesrat zur Beschlussfassung.
Berlin (red) - Das Wirtschaftsministerium hat dem Bundesrat Anfang Mai seinen Entwurf für eine neue "Verordnung zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung im Energiebereich" zur Beschlussfassung vorgelegt.
Das neue EnWG mache die Novellierung der bisher gültigen AVBEltV und die AVBGasV nötig, heißt es in der Begründung. Auf dem Prüfstand standen neben den Rahmenbedingungen für den Lieferantenwechsel auch die einjährige Mindestlaufzeit nach Vertragsabschluss. Eine erste Bilanz ergab, dass viele der neuen Regelungen die Rechtstellung der Haushaltskunden verbessern. Beispielsweise darf ein Versorger die Grundversorgung künftig erst vier Wochen nach der letzten Mahnung unterbrechen und nicht wie bisher nach zwei (§ 19 Abs. 2). Weiter heißt es dort: "Insbesondere bei geringfügigen Zuwiderhandlungen ist davon auszugehen, dass eine Unterbrechung der Stromversorgung als schwerwiegender Eingriff auch ohne Darlegung in der Regel unverhältnismäßig ist."
Gleichzeitig wird er verpflichtet, Preis- oder sonstige Vertragsänderungen nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und sie sechs Wochen vor ihrer Wirksamkeit auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen (§ 5 Abs. 2). Die verlängerte Frist soll dem Kunden einen zügigen Lieferantenwechsel nach einer Preiserhöhung ermöglichen. Die von Verbraucherschützern im Vorfeld geforderte persönliche Information des Kunden, etwa per Brief, wurde hingegen nicht in den Verordnungsentwurf aufgenommen.
Weiterhin sieht der Verordnungsentwurf in § 9 vor, dass der Kunde drei Wochen vor dem "beabsichtigten Betretungstermin", etwa zum Zählerablesen, informiert werden muss, gleichzeitig muss mindestens ein Ersatztermin angegeben werden. § 12 Abs. 1 sieht vor, dass die Abrechnung "zeitnah" erfolgen muss, d.h. einen Zeitraum von zwölf Monaten "nicht wesentlich überschreiten" darf. In Abs. 3 wird geregelt, dass der Kunde beim Fehlen von Vergleichswerten eine pauschale Abschlagszahlung nicht akzeptieren muss, dann muss er allerdings glaubhaft darlegen und beweisen, dass sein Verbrauch geringer als der pauschal angesetzte Wert ist. § 16 sieht eine einfache und verständliche Rechnungslegung vor. "Es ist nicht hinreichend, dass sie bei Hinzuziehung eines Fachkundigen verstanden werden könnten."
Laut § 20 entfällt künftig die besondere Kündigungsfrist von einem Jahr bei Erstverträgen. Sie habe sich als wesentliches Hindernis für einen Lieferantenwechsel erwiesen. Sonderverträge mit längeren Laufzeiten können jedoch trotzdem weiter vereinbart werden.
In § 17 erwähnt die Verordnung zudem den § 315 BGB, mit dem Verbraucherschützer seit Monaten gerichtlich gegen "unbillige" Preiserhöhungen vorgehen. Sie sind allerdings mit der Formulierung gänzlich unzufrieden und fordern eine redaktionelle Neufassung. Es sei wohl die gute Absicht erkennbar, die Energiesperre bis zur gerichtlichen Klärung der Billigkeit auszuschließen, jedoch könne er auch so ausgelegt werden, dass der Einwand nach § 315 BGB gar kein Einwand ist, der zum Zahlungsaufschub berechtigt, kommentierte etwa der Jenaer Rechtsanwalt Thomas Fricke. Obwohl die Details in der Verordnungsbegründung eine andere Sprache sprechen, käme es darauf an, es direkt im Verordnungstext spezifischer zu formulieren.
RR-E-ft:
Herr Kollege Dr. Hempel hat sich für die etablierte Energiewirtschaft geäußert:
http://www.energate.de/news/83783
Deren Lesart ist naturgmemäß eine etwas andere.
Auf einmal ist § 315 BGB gerade wegen des (möglicherweise beginnenden ????!) Wettbewerbs anwendbar.
Bisher hieß es wohl demgegenüber, § 315 BGB finde wegen des allseits bestehenden, gut funktionierenden Wettbewerbs gerade keine Anwendung.
Hatten wir bisher etwas falsch verstanden?
In Schriftsätzen in gerichtlichen Verfahren wird demgegenüber die Frage des Verhältnisses von § 30 AVBV zu § 315 BGB noch immer über mehr als zehn Seiten ermüdend thematisiert.... Zuweilen kosten diese umfangreichen Ausführungen anscheinend soviel Zeit, dass sogar vom Gericht bestimmte Schriftsatzfristen versäumt werden.
Möglicherweise setzt sich die unvermeidliche Erkenntnis nur langsam durch, dass § 315 BGB keine Wettbewerbsvorschrift ist und dessen Anwendung deshalb überhaupt nicht davon abhängig sein kann, ob es nun einen Wettbewerb gibt oder nicht.
Es kommt allein darauf an, dass ein Vertragspartner einseitig die vertragliche Gegenleistung, also etwa die Preise bestimmt.
Ebenso findet § 315 BGB in Arbeitsverhältnissen und Mietverhältnissen Anwendung, wenn die eine Partei den Inhalt des Vertrages später einseitig abändert, ebenso bei Verträgen mit Banken und privaten Krankenversicherungen, Kabelnetzbetreibern etc. pp.
All diese haben auch keinerlei Monopolstellung und stehen mehr oder weniger im Wettbewerb -mit wem auch immer.
Die Stellungnahme der Versorgungswirtschaft gemahnt zur Vorsicht.
Es wird wieder einmal deutlich, wessen Handschrift die Verordnung hauptsächlich trägt.
Es stellt sich überhaupt die Frage, warum das Bundeswirtschaftsministerium im Interesse der Energiewirtschaft und nicht das Verbraucherschutzministerium im Energiewirtschaftsgesetz als federführend bestimmt wurde.
Schließlich geht es um die Belange der Verbraucher.
Die Energiewirtschaft verfügt traditionell über beste Kontakte in das Bundeswirtschaftsministerium. Man kennt sich und trifft sich oft wieder (Bundeswirtschaftsminister a.D. Müller -RAG- und Clement -RWE Energy -....)
Übrigends ergibt sich aus dem Entwurf unzweifelhaft, dass auf nach dem Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes am 13.07.2005 neu geschlossene Grundversorgungverträge bzw. neu begründete Ersatzversorgungsverhältnisse rückwirkend die neue Verordnung Anwendung finden soll, mithin AVBGasV und AVBEltV für solche Verträge bisher gar nicht erst gelten.
Das war das bekannte Übergangsproblem.
Also:
Wessen Versorger die Anwendung von § 315 BGB auf Grundversorgungs- und Ersatztarife sowie einseitige Preiserhöhungen in laufenden Energielieferungsverträgen immer noch in Abrede stellt, der verweise auf die o. g. Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Hempel.
Es sollte nicht verwundern, wenn sich irgendwann ggf. noch ein Energiekonzern dazu bekennen sollte, er habe eigentlich § 315 BGB erst erfunden und dessen Aufnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch vorangetrieben und dessen Fokus auf die Energiepreisdiskussion gerichtet.
wER ist ON?
So wie schon Transparenz- Offensiven zur Offenlegung der Gaspreiskalkulationen gestartet wurden, der Gasmarkt für Haushaltskunden geöffnet und der Wettbewerb vorangetrieben wurde, die Verbraucher geschützt, fair und vertrauenswürdig behandelt wurden.....
Welches etablierte EVU wird wohl Preiserhöhungsschreiben und öffentlichen Bekanntmachungen darüber demnächst wie folgt ergänzen:
"Entsprechend des an uns herangetragenen Wunsches vieler Kunden weisen wir gern darauf hin, dass alle unsere Kunden selbstverständlich die Preiserhöhung ganz einfach als unbillig rügen können, so wie wir es gegenüber Vorlieferanten und vorgelagerten Netzbetreibern auch regelmäßig tun. Ihre Faxschreiben nehmen wir unter der Nummer XXXX-YYYYZ- 315 gern entgegen. So bleiben wir auch weiterhin einer der günstigsten Versorger."
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
RR-E-ft:
Die Verordnungen verzögern sich weiter:
http://www.energate.de/news/85179
taxman:
Kann jemand mir einmal die geplanten Änderungen erläutern? :oops:
Zitat:
Ursprünglich sollten die neuen Verordnungen zumindest vom Bundesrat noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Doch eine Vielzahl von Einwendungen - in erster Linie von Verbraucherseite - habe den Prozess verzögert.
War der Vorschlag so verbraucherunfreundlich?
Wenn ich die Vorbemerkungen richtig verstanden habe, soll die Energiewirtschaft wesentlich die neue Verordnung beeinflusst haben. Ich verstehe es ja, wenn diese neue Verordnung sowas wie das GG der Energieversorgung darstellt.
Zitat:
So geht den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt die Haftungspflicht für Sachschäden schon bei einfacher Fahrlässigkeit zu weit. Baden-Württemberg und Hessen setzen sich dagegen für eine Verschärfung der Haftungsregelungen ein.
Ääähh, was heißt das denn?
Zitat:
Auch über die Begrenzung der Baukostenzuschüsse auf nur noch 50 Prozent wird im Bundesrat weiter gestritten. Zudem setzt sich Bayern dafür ein, die Grenze für die Erhebung von Baukostenzuschüssen zu reduzieren. Der Regierungsentwurf stellt derzeit alle Anschlüsse mit einer Leistung bis 40 kW frei.
Von was 50%? Von den kalkulatorischen Herstellungskosten des Hausanschlusses?
Zitat:
Für intensive Diskussionen sorgen weiterhin die vorgesehenen Regelungen zur Bestimmung des Grundversorgers. Danach ist der Grundversorger derjenige, der in einem Netzgebiet die meisten Haushaltskunden versorgt.
Hat diese Diskussion das Ziel den Versorger zu erkennen der die Preise bestimmen :cry: darf?
Sorry, viele Fragen die nach Aufklärung suchen!
taxman
RR-E-ft:
@taxman
Nein.
Das gesamte Gesetzgebungsverfahren ( seit ca. sechs Jahren) und die Hintergründe lassen sich an dieser Stelle nicht darstellen.
Weshalb ich dringenden Nachbesserungsbedarf aus Verbrauchersicht sehe, ist oben zu lesen.
Länder wie NRW sind dem - nach dem gehörigen Druck, der aufgebaut wurde - beigetreten:
http://www.energieagentur-nrw.de/_infopool/info_details.asp?InfoID=4216
Legen Sie die AVBV und die Versordnungsentwürfe des Bundeswirtschaftsministeriums nebeneinander, um eine Synopse zu erhalten und lesen Sie die amtliche Begründung zu den Verordnungsentwürfen.
Der Grundversorger wird zukünftig zum 01.07. eines Jahres ermittelt.
Gekürt wird der Lieferant, der in einem Netzgebiet zum Stichtag die meisten Haushaltskunden versorgt.
Eine Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass viele Versorger ihre Netzsparte ausgregründet und diese mit den Netzsparten anderer Versorger fusioniert haben, was ihnen zunächt vorteilhaft erschien und sich jetzt als Bumerang erweist.
So sind an der NBB Netzgesellschaft Berlin Brandenburg GmbH & Co KG. die Erdgas Mark Brandenburg und die Berliner Gasag beteiligt.
EMB und Gasag sind nun weiter Gaslieferanten, jedoch in einem gemeinsamen Netzgebiet.
Nun stellt sich die Frage, welcher dieser Lieferanten die meisten Haushaltskunden im nunmehr gemeinsamen Netzgbiet versorgt und zum Grundversorger gekürt wird.
Der andere verliert demnach seine Grundversorgereigenschaft.....
Nun will aber keiner der beiden, nachdem man (tricky) eine gemeinsame Netzgesellschaft ausgegründet hat, seine Grundversorgerstellung in seinem bisherigen Versorgungsgebiet verlieren.....
Möglicherweise haben Stadtwerke, die sich auf eine Netzfusion mit einem bisherigen Regionalversorger eingelassen haben, jetzt erst bemerkt, dass sie ggf. vom größeren Partner übervorteilt wurden (wie das so ist ohne eigene Rechtsabteilung).
Im einzelnen wird das Thema hier zur Sprache kommen:
http://www.bgw-kongress.de/detailansicht.php?id=604&a=veranstaltungen
Es kommen dadurch nämlich nicht mehr automatisch Neukunden durch Gasentnahme hinzu, so wie bisher.
Viel Spaß also beim Stöbern in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren, den Stellungnahmen der verschiedenen Interessenverbände etc. pp.
http://www.hfv-speyer.de/Bohne/pdf-Dateien/Web-InfoS201neu.pdf
An den Hochschulen gibt es Seminare zum Energiewirtschaftsrecht.
http://www.hfv-speyer.de/Bohne/s201.htm
http://www.speyer.de/de/bildung/hochschule
Gruß an die Alumni :D
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
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