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Autor Thema: Stadtwerke Lingen/ Uelzen  (Gelesen 10698 mal)

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Offline RR-E-ft

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« am: 27. März 2006, 13:19:06 »
Quelle: http://www.strom-magazin.de (Professionals)



KUNDENFREUNDLICH
27.03.2006, 10:45 Uhr

Stadtwerke Lingen wollen Gaspreis senken

Mit einer sehr kundenfreundlichen Preispolitik machen die Stadtwerke Lingen (Niedersachsen) von sich reden: Sie senken den Gaspreis ab 1. April um 2,2, Cent pro Kubikmeter. Grund: Im Vergleich zum Herbst seien die Weltmarktpreise für Heizöl leicht gesunken.
...



Dann liegen die Voraussetzungen für sofortige Gaspreis- Senkungen wohl nicht nur in Lingen vor.

Andere Versorger erhöhen zum 01.04.2006 und stellen lediglich für den 01.07.2006 keine weiter steigenden, nicht jedoch sinkende Erdgaspreise in Aussicht, so etwa die Stadtwerke Jena.

Offline Willy

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #1 am: 27. März 2006, 13:41:00 »
Wenn man z.Zt. zu den teuersten Gasanbietern in NDS gehört,
kann man den Gaspreis leicht senken um sich in ein besseres Bild zu setzen.

lt. Gaspreisdatenbank WDR-Markt, stehen die Stadtwerke Lingen auf Platz fünf von 56 Gasanbietern in NDS.  

Bei 20.000 kWh muss der Lingener Kunde z.Zt. 210 € mehr zahlen, als beim günstigsten Anbieter in NDS.

Gruß
Willy Sellin (ehemaliger Lingener)
http://www.st-sn.de/gaskunden

Offline Monaco

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #2 am: 27. März 2006, 13:44:00 »
Jetzt rechnen wir doch einmal rückwärts:

1 Kubikmeter Gas sind rund 11 kWh - 2,2 Cent pro qm entsprechen dann 0,2 Cent je kWh. Bei einem angenommenen Preis von aktuell ca. 5,2 Cent je kWh wäre dies ein Preisnachlass von knapp 4 %. Davon ausgehend, dass die Bezugskosten rund 30% des Arbeitspreises ausmachen, müssten diese um ca. 13% gefallen sein, um die Preissenkung zu rechtfertigen.

Wenn diese Rechnung nur halbwegs stimmt, sollten andere Versorger zügig dem Beispiel folgen - jedenfalls dann, wenn Sie wirksame Preisgleitklauseln in ihren Verträgen festgeschrieben haben. Allerdings soll dies ja nicht bei allen der Fall sein ....


Mit freundlichen Grüßen

Monaco.

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #3 am: 27. März 2006, 13:46:44 »
@Willy

Einen solchen Hintergrund dachte ich mir schon. Die Preissenkung wird wohl auch nicht ganz freiwillig sein. Möglicherweise hat die Kartellbehörde nachgeholfen.


Allerdings:

Andere Versorger (E.ON) halten die Erdgaspreise zum 01.04.2006 stabil.
Wieder andere erhöhen noch zum 01.04.2006 (Stadtwerke Jena-Pößneck).

Unterstellt man die Aussagen der Stadtwerke Lingen als zutreffend, hätten wohl alle ihre Preise schon jetzt zu senken und nicht allein darüber zu philosopohieren, dass möglicherweise zum 01.07.2006 keine weitere Preiserhöhung notwendig ist.

Mit den Aussagen der Stadtwerke Lingen kann man deshalb seinen Versorger gut konfrontieren. Es stellt sich die Frage, ob der berühme Werkzeugkasten Branchenkommunikation Erdgas eine Antwort dazu parat hält. Eine solche dürfte schwierig werden.

@Monaco

Das meine ich aber auch.

Es sieht doch jetzt alles nach einer großen Beliebig- und Wurstigkeit der Versorger aus, die sich allesamt auf die gleichen \"Preisbildungsmechanismen\" berufen.

Immerhin soll dieser Mechanismus gerade bei den Stadtwerken Lingen bereits zu Einkaufsvergünstigungen geführt haben, die Preissenkungen ermöglichen und  an die Kunden weitergeben werden.

Das müsste dann überall so sein.

Interessant ist dieser Hintergrund:

Quelle: www.eid.de


Ende des Gaspreisanstiegs in Sicht
EID-Umfrage zu Gastarifpreisen  
 



eid (In Auszügen) Wie erwartet, beschäftigen den deutschen Gasmarkt zum 1. April 2006 nicht die von weiten Teilen der Branche angekündigte Möglichkeit des Anbieterwechsels nun auch für private und Gewerbekunden (EID 08/06), sondern einmal mehr die Gastarifpreise. Drei der 16 Gasfirmen, die der EID vierteljährlich befragt, haben für diesen Zeitpunkt Anhebungen ihrer Tarife angekündigt, und zwar die RheinEnergie in Köln (+ 8,1 Prozent), die Stadtwerke Rostock (+ 4,1 Prozent) und die Stadtwerke Dresden (Drewag, + 5,6 Prozent). Das klingt zunächst einmal wenig, doch zwei von diesen (Rostock und Dresden) hatten ihre Gastarife bereits zum 1. Januar 2006 erhöht, in Rostock wird es zum 1. April sogar die dritte Preisrunde sein, so dass Gas für Haushaltskunden dort von Anfang Oktober 2005 bis April 2006 um rund 25,5 Prozent teurer wurde. In Dresden werden die Preise nach den Anhebungen von Januar und April 2006 dann um knapp 17 Prozent gestiegen sein, 5,65 Cent/kWh bedeuten zudem den Spitzenwert in der EID-Umfrage. Per Januar 2006 hatten acht Unternehmen aus der EID-Umfrage ihre Gastarifpreise erhöht (EID 01/06). Im Februar hatten zudem die Oldenburger EWE (Weser-Ems), die Stadtwerke Chemnitz sowie EnBW Gas, die für Stuttgart zudem zum 15. April eine weitere Tarifpreisanhebung um gut 10 Prozent angekündigt hat, nachgezogen. Zwischen April 2005 und April 2006 haben sich im Durchschnitt der 16 vom EID befragten Gasfirmen die Preise um knapp 21 Prozent erhöht, auch hier bilden die Dresdner mit + 33 Prozent die Spitze.
Derweil ringen im ganzen Bundesgebiet Landesregierungen, Gaslieferanten und -verbraucher weiter um den „richtigen“ Gaspreis. Neuester Fall: In Rheinland-Pfalz [...] hat das Wirtschaftsministerium jetzt Missbrauchsverfügungen gegen drei Gasversorger erlassen. Die Gemeindewerke Haßloch, die Stadtwerke Neuwied und die Energie Südwest AG aus Landau müssen ihre Preise jetzt so senken, dass sie nicht mehr als 2 Prozent über denen eines Vergleichsunternehmens liegen. Bei den drei Stadtwerken waren Abweichungen zwischen 5,4 und 13,1 Prozent nach oben festgestellt worden. [...]
Vorausgesetzt, die Stadtwerke haben die aus ihrer Sicht notwendigen Preisanpassungen inzwischen durchgesetzt und nicht auf Grund des Drucks von Verbraucherverbänden und Politik verschoben, sieht für die Gastarifkunden der Blick in die Zukunft aber gar nicht so schlecht aus. Denn für die Weiterverteiler könnte der Preisauftrieb in diesem Frühjahr sein vorläufiges Ende gefunden haben. Soweit die Beschaffungsverträge nach der klassischen 6/3/3-Formel an die Entwicklung der Preise für leichtes Heizöl angepasst werden, erhöhen sich die Arbeitspreise der Weiterverteiler (ohne Erdgassteuer) im April noch einmal um gut 10 Prozent. Im Juli müssten die Preise nach dieser Formel dann erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder leicht sinken. [...]
Bei vielen Stadtwerken dürfte die tatsächliche Entwicklung allerdings nicht ganz so dramatisch verlaufen sein. Seit Oktober 2003 indexiert E.ON Ruhrgas nämlich in den Verträgen 20 Prozent der Menge teilweise auf schweres Heizöl. In diesem Bereich war der Anstieg in den vergangenen zwei Jahren deutlich weniger dramatisch. Seit Oktober 2005 kommen E.ON Ruhrgas-Kunden zudem in den Genuss einer leichten Abschwächung der Preisanpassung bei hohen Heizölpreisen.Die Zeiten der klassischen 6/3/3-Formel sind allerdings gezählt. Bei dieser Regel wird ein Durchschnitt über sechs Monatswerte mit einer Zeitverzögerung von drei Monaten gebildet. D.h., in die Anpassung zum 1. April 2006 gehen die monatlichen Heizölpreise der Monate Juli bis Dezember 2005 ein. Die importierenden Ferngasgesellschaften setzen zunehmend eine schnellere Anpassung der Gaspreise an die Heizölpreise durch. Wäre die Zeitverzögerung auf einen Monat reduziert, hätten bei dieser Anpassung die Preise für die Weiterverteiler schon zum 1. April 2006 sinken müssen.


Den Stadtwerken Uelzen soll sogar schon zum 01.01.2006 eine Senkung der Gaspreise gelungen sein:

http://www.zfk.de/news/news.html#Anchor-Weiter-23240

Das beweist aus meiner Sicht, dass viele Gasversorger die Preise senken könnten, wenn sie nur wollten/ müssten.




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline RR-E-ft

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Offline Willy

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #5 am: 25. November 2006, 17:40:38 »
Hallo,

@RR-E-ft
zu dem Urteil fand ich im Archiv der "Neue OZ online" folgende Reaktionen:

Lingener Tagespost (Archiv) 20.11.2006

Ester: Dann können wir Konkurs anmelden
pe Lingen.
"Wir sind mit diesem Urteil nicht einverstanden und werden in die Revision gehen", kommentierten die beiden Geschäftsführer der Stadtwerke, Arno Ester und Ulrich Boss, gegenüber unserer Zeitung das Urteil des Lingener Amtsgerichts.
...

 

Lingener Tagespost (Archiv) 22.11.2006

Koop: Die Konzerne würden sich die Hände reiben
pe Lingen.
Nach Auffassung des Lingener Ratsherrn und früheren SPD-Fraktionsmitglieds Robert Koop wird die Entscheidung des Lingener Amtsgerichts zu den Gaspreisen "schwerlich die Berufungsinstanz vor dem Landgericht Osnabrück überstehen".
...

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #6 am: 25. November 2006, 19:28:38 »
@Willy

Kollege Boss sollte sich vielleicht eher am Landgericht Oldenburg und an der Kartellkammer Hannover orientieren, denn am Amtsgericht Oldenburg. Alle Welt rechnet den Gasverbrauch in kWh ab und stellt entsprechende Preise. Weshalb in Lingen immer noch mit Kubikmetern gerechnet wird, ist nicht nachvollziehbar. Möglicherweise hat man auch Probleme mit der Preisangabenverordnung.

Wenn die Stadtwerke eine Insolvenz besorgen, dann allenfalls deshalb, weil sie zum einen gegenüber den Vorlieferanten nicht selbst § 315 BGB eingewandt haben und zum anderen ihren Prozess vor dem Amtsgericht  nachlässig betrieben haben, nämlich unter Außerachtlassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle von Energiepreisen.

Beides wären Fehler, die das Management zu verantworten hat. Also muss wohl nicht gleich die ganze Belegschaft nach Hause gehen....

Herr Kollege Boss wird wissen, dass das Rechtsmittel nicht die Revision, sondern die Berufung ist. Dann soll man nur beim LG Osnabrück sein Glück weiter versuchen.....

Wird wohl nichts nutzen.

Schlussendlich hätten die Kläger in ihrem Antrag die zwei Prozent wohl auch getrost weglassen können....

Herr Koop braucht sich wohl auch keine Gedanken machen, dass RWE die Kalkulation erfahren könnte. Der Konzern ist wohl am Unternehmen beteiligt und wird deshalb die Kalkulation längstens kennen:

http://www.lingen.de/pdf_hhplan/2006/9_Anlagen_zum_Haushaltsplan/Anlage_10-1_Beteiligungen_Text.pdf

Bei den hohen Gaspreisen wird sich RWE ggf. schon längst die Hände reiben.

Offline Willy

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #7 am: 25. November 2006, 20:16:10 »
Noch zwei Meldungen:

Lingener Tagespost (Archiv) 20.11.2006
Stadtwerke verlieren vor Amtsgericht
Von Thomas Pertz
Lingen.
Das Amtsgericht Lingen hat der Klage eines Bürgers gegen drei von den Lingener Stadtwerken zwischen Januar 2005 und Januar 2006 vorgenommenen Preiserhöhungen um insgesamt 15 Cent pro Kubikmeter Gas stattgegeben.
 
Dies geht aus einem Urteil hervor, das unserer Zeitung vorliegt (Aktenzeichen: 12 C423/06). Die Stadtwerke werden gegen das Urteil Berufung beim Landgericht Osnabrück einlegen (siehe auch den weiteren Bericht auf dieser Seite).
....
 


 

Lingener Tagespost (Archiv) 22.11.2006

SPD fordert offene Preispolitik
Lingen.
Nach dem Urteil des Lingener Amtsgerichts sieht sich die die SPD-Fraktion im Lingener Stadtrat in ihrer Auffassung bestätigt, die Geschäftsführung der Stadtwerke müsse ihre Preiskalkulation bei Gas und Strom offen legen.
...

Offline RA Dälken

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Stadtwerke Lingen/ Uelzen
« Antwort #8 am: 04. Februar 2007, 19:16:00 »
Die Stadtwerke Lingen haben erstinstanzlich bei dem Amtsgericht Lingen verloren, weil sie nicht bereit waren, dem Gericht die für eine Angemessenheitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB notwendigen Informationen bereitzustellen (eigener Gaseinkaufspreis, allgemeine und besondere Kosten, beabsichtigter Gewinn etc.). Dennoch haben die Stadtwerke gegen das Urteil Berufung zum Landgericht Osnabrück eingelegt. Sie argumentieren im wesentlichen, der Gaspreis sei einer Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB (analog) gar nicht zugänglich. Außerdem müsse es ausreichen, wenn durch ein Privatgutachten eines Wirtschaftsprüfers nachgewiesen werde, dass der Gaspreis marktüblich ist. Aktuelles zum Berufungsverfahren hier:

http://www.bauerundkollegen.com/gaspreis_lingen.html

 

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