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Autor Thema: Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05  (Gelesen 11456 mal)

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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« am: 03. Februar 2006, 10:39:44 »
[ 1-C-262-04  27-05-2005 ;  9-S-300-05  03-02-2006 ; KZR-8-05 , KZR-9-05  07-02-2006 ]

Die Versorgeungswirtschaft erwartet für heute die Verkündung eines Berufungsurteils, mit welchem das Gaspreisurteil des AG Karlsruhe vom 27.05.2005 aufgehoben wird.

Einzelheiten sind nicht bekannt.

Mit Rücksicht auf die Entscheidungen LG Heilbronn u.a. steht fest, dass Gaspreise einer Billigkeitskontrolle unterfallen.

Die Landgerichte Mannheim, Hamburg, Düsseldorf und Bonn gehen davon aus, dass ein Gasversorger seine Kalkulation offen zu legen hat.


Es gibt deshalb mehr landgerichtliche Entscheidungen, welche unsere Auffassung stützen, als gegenteilige Entscheidungen zugunsten der Versorger.

Möglicherweise wird es sich bei der für heute erwarteten Entscheidung des LG Karlsruhe um einen richtigen "Ausreißer" handeln.

Davon sollte man sich nicht beeindrucken lassen.


Genauere Aussagen können erst getroffen werden, wenn das Urteil LG Karlruhe vorliegt, fraglich ob Revision zum BGH beantragt und zugelassen wurde.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #1 am: 10. Februar 2006, 14:27:25 »
Das Urteil des LG Karlsruhe vom 03.02.2006 liegt nun im Wortlaut vor:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Karlsruhe_060203_9S300-05.pdf

Dieses gründet im wesentlichen auf der Rechtsprechung des OLG Stuttgart, welche jedoch durch die BGH- Urteile vom 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05 (BMR ./. EnBW) gerade aufgehoben wurde.

Die BGH- Rechtsprechung im Lichtblick- Urteil klar vor Augen, gelangt das Gericht in nicht nachvollziehbarer Weise zu der Auffassung, § 19 GWB würde die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verdrängen.

Das Gericht verkennt, dass gerade bei einem konkludenten Vertragsschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBV gerade aufgrund der gesetzlichen Versorgungspflicht und damit aufgrund eines gesetzlichen Kontrahierungszwanges von Anfang an mit den bereits veröffentlichten Preisen gem. § 4 II AVBV eine einseitige Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB vorliegt.


Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind in solchen Situationen Anfangspreise gerade  nicht weniger einseitig bestimmt sind als die Folgepreise.

Die Rechtsprechung des LG Heilbronn war offensichtlich nicht bekannt und fand deshalb auch keine Berücksichtigung.

Die Revision zum BGH wurde zugelassen und wird hoffentlich auch eingelegt.




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #2 am: 10. Februar 2006, 14:36:48 »
Stellungnahme zum Gaspreis - Urteil des Landgericht Karlsruhe vom 03.02.2006 – 9 S 300/05 (Vorinstanz AG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2005 – 1 C 262/04)


Ein Kunde hatte gegen eine Zahlungsklage des Gasversorgers vor dem Amtsgericht  Karlsruhe geltend gemacht, dass mit ihm kein Versorgungsvertrag zustande gekommen sei und zudem die Unbilligkeit der Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerügt.

Das AG Karlsruhe hatte im Urteil vom 27.05.2005 – 1 C 262/04 in Übereinstimmung mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung einen konkludenten Vertragsschluss allein durch die Entnahme von Gas aus dem Verteilnetz gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV bejaht, die Zahlungsklage des Gasversorgers jedoch gleichwohl vollständig  als derzeit unbegründet abgewiesen, weil der klagende Gasversorger die Billigkeit der geforderten Preise nicht durch Offenlegung seiner Preiskalkulation nachgewiesen hatte:


http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1628&


Die Berufung des Gasversorgers führte nun zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zur Verurteilung zur Zahlung.


Das Berufungsurteil des LG Karlsruhe gründet im wesentlichen auf der Rechtsprechung des OLG Stuttgart vom 17.02.2005 - 2 U 83/04, wonach nach der 6. GWB- Novelle die Vorschriften der §§ 19 GWB die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB verdränge:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Stuttgart_050217_2U83-04.pdf

Diese Rechtsprechung wurde  jedoch durch die BGH- Urteile vom 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05 (BMR ./. EnBW) gerade aufgehoben. Mit diesen aktuellen Entscheidungen wurde die Rechtsprechung im sog. „Lichtblick- Urteil“ bestätigt:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=13375

Der BGH hatte gerade in den Urteilen vom 05.07.2005 (u.a.  NJW 2005, 2919, WuM 2005, 589 und WuM 2005, 593), jeweils in den Entscheidungsgründen unter II. 1. herausgestellt, dass Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3  BGB unterworfen sind!


http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=3462b0270f491359ebc82bd3f44f9765&client=12&nr=33507&pos=0&anz=1

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=502357f5664ab411a014924300d6633a&client=12&nr=33508&pos=0&anz=1

Wie man in Anbetracht dieser eindeutigen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangen kann, seit der 6.GWB- Novelle 1999 sei dies nicht mehr der Fall,  seit dem habe die Preiskontrolle lediglich über § 19 GWB zu erfolgen, wo die GWB- Vorschriften nicht zu Anwendung kommen, fände gar keine zivilrechtliche Preiskontrolle mehr statt, bleibt vollkommen unerfindlich.


Die BGH- Rechtsprechung im „Lichtblick- Urteil“ vom 18.10.2005 – KZR 36/04 - zudem klar vor Augen, gelangte das Berufungsgericht  in nicht nachvollziehbarer Weise zu der Auffassung, § 19 GWB würde die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verdrängen.

Dabei hatte der BGH in der vorgenannten Entscheidung gerade die Anwendung des § 315 BGB auf einseitige Preisbestimmungen bestätigt und darüber hinaus daneben auch eine kartellrechtliche Kontrolle zugelassen - ein Zustand den es nach der Argumentation des LG Karlruhe gar nicht geben kann:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&sid=55451c0406933bcced059764a5c604a7&nr=34761&linked=urt&Blank=1&file=dokument.pdf

http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?message_id=413&type=info

Vgl. hierzu auch schon das entsprechende Rechtsgutachten von Schwintowski, auf S. 5 ff.:

http://www2.neue-energieanbieter.de/uploads/05_03_04_LichtBlick-Gutachten%20von%20Prof%20Schwintowski%20Anwendbarkeit%20%A7%20315%20BGB.pdf


Das Berufungsgericht führte aus, dass aufgrund der gesetzlichen Versorgungspflicht des Gasversorgungsunternehmens allein durch die Entnahme von Gas aus dem Verteilnetz ein Versorgungsvertrag zustande kam.

In einem solchen Fall kommen die durch das Gasversorgungsunternehmen gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bereits veröffentlichten Tarife zur Anwendung, welche das Versorgungsunternehmen jederzeit einseitig neu bestimmen kann.

Vertragsverhandlungen über den Preis hatten gerade nicht stattgefunden und werden in diesem Bereich wegen des Gleichbehandlungsgebots und kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch gerade nicht zugelassen und finden nicht statt.

Der Beklagte ging schon selbst davon aus, gar keinen Vertrag geschlossen zu haben. Allein die Tatsache der Gasentnahme- durch wen auch immer- wurde als auf einen Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung gewertet, ohne dass ein Vertrag so abgeschlossen wurde, wie man es gemeinhin kennt.

Es ist schon fraglich, ob auch die Gasentnahme durch einen Dritten dem Grundstückseigentümer als eine solche Willenserklärung zugerechnet werden kann. Bisher war ein entsprechendes Handeln des Vertragsschließenden erforderlich, der erkennen konnte, dass allein durch sog. sozialtypisches Verhalten ein Vertrag geschlossen wird.

Es kommen in diesem Bereich jedenfalls die durch das Gasversorgungsunternehmen bereits einseitig bestimmten Preise zur Anwendung.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im sog. „Lichtblick- Urteil“ des BGH  sind in solchen Situationen die Anfangspreise gerade nicht weniger einseitig bestimmt sind als die einseitig bestimmten Folgepreise.

Auf solche einseitigen Leistungsbestimmungen findet § 315 BGB direkt Anwendung.

Demnach konnte es schon auf das Vorliegen der rechtsdogmatischen Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Norm nicht ankommen.
Auch eine Verdrängung durch Vorschriften des GWB kommt deshalb nicht in Betracht.


Darauf verweist u. a. auch der frühere Direktor des Bundeskartellamtes Prof. Dr. Kurt Markert  in einem aktuellen Beitrag in Energieinformationsdienst Nr. 7/06 auf Seite 19 ff. in einer Besprechung des Gaspreis-Urteils des Landgerichts Heilbronn.

Die  Rechtsprechung des Landgerichts Heilbronn war  dem Landgericht Karlsruhe offensichtlich nicht bekannt und fand deshalb auch keine Berücksichtigung innerhalb der Urteilsbegründung.

Weil das Berufungsgericht § 315 BGB schon für nicht anwendbar hielt, brauchte es sich auch gar nicht erst noch mit der Frage des § 30 AVBGasV befassen.


Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe schließt mit der Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof, weil über die Frage der entsprechenden Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf Gaslieferungsverträge nach der Änderung des § 19 GWB noch nicht entschieden sei, in der Rechtsprechung der Instanzgerichte dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.


Möglicherweise wird der Bundesgerichtshof auch nach dieser Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe nun Gelegenheit erhalten, in der Revision darüber zu entscheiden.

Wie ersichtlich geworden ist, ist das am 03.02.2006 um 10.00 Uhr verkündete Urteil zugunsten der Münchner E.ON Ruhrgas-Tochter Thüga AG um 11.43 Uhr bei deren Prozessbevollmächtigten Freshfields Bruckhaus Deringer (u.a. Dres. Kunth/ Tüngler)  in Düsseldorf eingegangen, vgl. hierzu nur hier:

http://www.entega.de/privatkunden/erdgas/wissenswertes/preiswidersprueche/documents/landgericht_karlsruhe_03022006.pdf

http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=A14989B241184B2B8D4A2DF612646651&docid=152171

http://www.freshfields.com/sector/energy/de.asp

Es scheint aber wohl selbst dem BGW nicht mehr ganz geheuer zu sein, so dass es von dort- anders als sonst - bisher keinen Kommentar, keinen Jubel mit großer Posaune dazu gibt:

http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2005_8_16.html

http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2006_1_19_5.html


Das Urteil steht wohl allzusehr im Widerspruch zur jüngsten BGH- Rechtsprechung. Zudem hatte man das erstinstanzliche Urteil in der aktuellen Debatte verschwiegen.


Soweit in dem Urteil auf den  Aufsatz Fricke, WuM 2005, 547, 548 verwiesen wird, kann es sich nur um ein Blindzitat aus einem Schriftsatz der Kollegen handeln.

Hätte man diesen Aufsatz tatsächlich gelesen, wären schon die darin zitierten BGH- Urteile vom 05.07.2005 im selben Heft (!) wohl nicht verborgen geblieben, ebenso wie der Verweis auf das Urteil des BGH vom 06.03.2001- KZR 37/99, aus welchem eindeutig hervorgeht, dass nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB und kartellrechtliche Vorschriften, so auch § 19 GWB, vollkommen eigenständig, nebeneinander zur Anwendung kommen:

http://www.rws-verlag.de/BGH-FREE/volltex3/vo76246.htm

In dieser Entscheidung heißt es bekanntlich:

\"(a) Ein Unternehmen, das ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist und diese Stellung dazu ausnutzt, Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen zu fordern, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, verstößt gegen das Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB). Ein solches Verhalten kann nach § 32 GWB von der Kartellbehörde untersagt werden und nach § 33 GWB Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Sollte die Beklagte für den Anschluß an ihr Kabelnetz oder für dessen Nutzung von den Mietern der Klägerin mißbräuchlich überhöhte Entgelte fordern, so haben die Mieter - unbeschadet der Frage, ob ihnen insoweit Ansprüche gegen den Vermieter zustehen - die Möglichkeit, entweder die Beklagte unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen (Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 33 GWB Rdnr. 23) oder die Kartellbehörde einzuschalten. Damit ist in kartellrechtlicher Hinsicht der Schutz der Mieter vor einem Ausbeutungsmißbrauch gewährleistet.

(b) Daneben besteht für die Mieter die Möglichkeit, die faktisch von der Beklagten einseitig bestimmten Entgelte entsprechend §§ 315, 316 BGB gerichtlich darauf überprüfen zu lassen, ob sie der Billigkeit entsprechen, und sie, sofern dies nicht der Fall ist, durch Urteil festsetzen zu lassen[/b].
\" [/i]


Abgesehen davon, dass das Gericht für die Frage einer Kartellrechtswidrigkeit wohl schon gar nicht selbst zuständig gewesen wäre (Zuständigkeit eines besonderen Kartellsenats), ist nicht ersichtlich, welchen Prüfungsmaßstab das Gericht für eine Preiskontrolle anhand von § 19 GWB überhaupt hätte anlegen wollen, wenn es schon nicht auf marktübliche Preise abstellen wollte.

Kartellrechtskonform sind immer nur marktübliche bzw. - wo wie vorliegend nur ein einziges Monopolunternehmen im räumlich relevanten Markt tätig ist - wettbewerbsanaloge Preise, die nicht erheblich überschritten werden dürfen.

Eine Verpflichtung zu marktüblichen Preisen stellt das Gericht jedoch gerade in Abrede.

Dafür gäbe es keinen Anhaltspunkt....


Vgl. hierzu nur die Ausführungen im Rechtsgutachten v. Hammerstein ; S. 10 ff.:

http://www2.neue-energieanbieter.de/uploads/05_03_01_Hammerstein_Anwendbarkait%20%A7%20315%20BGB.pdf

Diese Art der Herangehensweise des Berufungsgerichts ist überhaupt nicht nachvollziehbar und kann in der Revision deshalb  keinen Bestand haben. Der BGH ist in solcherlei Fällen geneigt, ganz deutliche Worte zu finden.

Eine entsprechende Revisionsentscheidung dürfte deshalb mit noch größerer Spannung erwartet werden als im Fall des Heilbronner Gaspreisurteils, weil es vorliegend von Anfang an um die Billigkeit des  Gesamtpreises geht.

Ein gewisses Geschmäckle bekommt dieses Urteil dadurch, dass bereits einen Tag vor Urteilsverkündung durch Medien an die Verbraucherzentrale Baden-Würtemberg herangetreten wurde, dieses Urteil am Tag seiner Verkündung öffentlich zu kommentieren, obschon die Verbraucherzentralen- wie auch jeder Dritte - dieses Urteil vor seiner Verkündung inhaltlich noch gar nicht kennen konnte!

Ein Fernsehteam hatte sich kurz nach Urteilsverkündung bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz angekündigt, damit diese zu dem auch dieser unbekannten Urteil sofort ein öffentliches Statement abgibt.

Ein solcher Vorgang kann nicht anders als ungewöhnlich bezeichnet werden.

Tatsächlich wurde dieses Urteil dann - bis auf die ersichtlichen Veröffentlichungen im Internet - nicht weiter publik gemacht oder von seiten der Versorgungswirtschaft kommentiert.

Man wird wissen, warum.

(Wenn die Urteilssammlung auf der Seite alle Urteile enthalten soll, gehört auch dieses Urteil des LG Karlsruhe dazu.)


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #3 am: 13. Februar 2006, 15:19:05 »
Die AGFW beim VDEW weist aktuell darauf hin, dass das Gaspreisurteil des LG Karlsruhe auf den Fernwärmebereich übertragen werden könne:

http://www.agfw.de/813.0.html


Dort soll es heißen:

"Das Landgericht Karlsruhe hat am 3.Februar 2006 in einem Berufungsurteil festgestellt, dass eine Preiskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht in Betracht kommt, wenn der Preis durch Vertrag oder Tarif bestimmt ist. Eine Preiskontrolle richtet sich dann ausschließlich nach § 19 GWB. Das Urteil ist zur Gasversorgung ergangen, aber ohne weiteres auf Fernwärme anwendbar."


Hoffentlich lässt man sich dort auch noch daran festhalten, wenn es eine entsprechende Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes zu der Frage gibt.

Bereits aktuell hat der BGH die dabei in Bezug genommene  Rechtsprechung des OLG Stuttgart aufgehoben. Darauf wird der geneigte Leser der AGFW- Informationsseiten leider nicht hingeweisen.

Der Bundesgerichtshof hatte diese Rechtsfrage schon mehrfach eindeutig entschieden, nämlich genau entgegengesetzt zur Darstellung der AGFW zur Rechtslage.


Aus den Urteilen des Kartellsenats des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04 und vom 07.02.2006 - KZR 8/05 und KZR 9/05 wie auch schon vom 06.03.2001 - KZR 37/99 ergibt sich eindeutig etwas anderes.

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung beharrlich zu negieren, erscheint wenig zielführend und nicht eben seriös:


Die entsprechenden Meldungen in Branchenmagazinen fallen denn auch eher skeptisch aus im Hinblick auf dieses Urteil:


Quelle: www.strom-magazin.de (Professionals)

AKTUELLES URTEIL
14.02.2006, 11:02 Uhr

LG Karlsruhe lehnt Billigkeitskontrolle ab

Das Landgericht Karlsruhe hat in einem Berufungsverfahren (Az. 9 S 300/05) die Billigkeitskontrolle von Energiepreisen nach § 315 BGB abgelehnt und das vorinstanzliche Urteil (AG Karlsruhe 27.05.2005 - Az. 1 C 262/04) aufgehoben. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde allerdings zugelassen.

Karlsruhe (red) - In dem Verfahren, das bereits im Frühjahr letzten Jahres vor dem Amtsgericht in Karlsruhe verhandelt wurde, hatte ein Kunde gegen eine Zahlungsklage des Gasversorgers geltend gemacht, dass mit ihm kein Versorgungsvertrag zustande gekommen sei und zudem die Unbilligkeit der Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 BGB gerügt.

Das Amtsgericht kam im Urteil vom 27. Mai zum dem Schluss, dass allein durch die Entnahme von Gas aus dem Verteilnetz gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV ein Vertragsverhältnis entstehe, die Zahlungsklage des Gasversorgers jedoch gleichwohl vollständig als derzeit unbegründet abgewiesen, weil der klagende Gasversorger die Billigkeit der geforderten Preise nicht durch Offenlegung seiner Preiskalkulation nachgewiesen hatte. Die Berufung des Gasversorgers führte nun zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zur Verurteilung zur Zahlung.

Nach Ansicht des Landgerichts verdrängt § 19 den novellierten Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. In einem Urteil vom 8. Februar hatte allerdings der BGH im Verfahren BMR gegen EnBW die Anwendung des § 315 BGB auf einseitige Preisbestimmungen bestätigt.

Der Jenaer Energierechtsexperte Thomas Fricke hält das Urteil daher für einen "Ausreißer". Fricke: "Diese Art der Herangehensweise des Berufungsgerichts ist überhaupt nicht nachvollziehbar und kann in der Revision deshalb keinen Bestand haben. Der BGH ist in solcherlei Fällen geneigt, ganz deutliche Worte zu finden. Eine entsprechende Revisionsentscheidung dürfte deshalb mit noch größerer Spannung erwartet werden als im Fall des Heilbronner Gaspreisurteils, weil es vorliegend von Anfang an um die Billigkeit des Gesamtpreises geht."





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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #4 am: 14. Februar 2006, 19:04:17 »
Das sollte für den betoffenen Thüga- Kunden in der Revision eine Steilvorlage liefern.

Die kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht greift nicht, weil die zuständige Behörde mit sich verhandeln läßt:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,400786,00.html

Dann wird ersichtlich, dass nur noch das Zivilgericht vor unbillig hohen Preisen schützen kann.


Es steht zu besorgen, dass man dem Landgericht Karlruhe ein laufendes Verfahren des Bundeskartellamtes ggf. vorenthalten hat.

Der Kunde konnte davon schon nichts wissen, weil es nicht publik gemacht wurde.

Die Kollegen, die den Versorger vor Gericht vertraten, sollten ggf.  wohl indes davon gewusst haben, ist doch die Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt eine Spezialmaterie der Kanzlei:

http://www.freshfields.com/sector/energy/de.asp



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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #5 am: 15. Februar 2006, 14:17:45 »
Wie vom Beklagtenvertreter heute zu erfahren war, wird gegen das Urteil des LG Karlsruhe die zugelassene Revision zum BGH eingelegt.

Der Bundesgerichtshof wird also darüber zu entscheiden haben.

Weil sich das Landgericht Karlsruhe in seinem Urteil  mit der Literaturmeinung von Fricke auseinandergesetzt hat, könnte der BGH ebenso veranlasst sein, sich mit dieser Auffassung auseinanderzusetzen.

Auf die Entscheidung des BGH darf man in jedem Falle gespannt sein.

Es steht nicht zu erwarten, dass dieser seine seit über 30 Jahren bestehende ständige Rechtsprechung, die auch in jüngster Zeit immer wieder bestätigt wurde,  revidiert.




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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #6 am: 21. Februar 2006, 12:50:52 »
Könnte man in den laufenden Verfahren nicht einmal auch über die Grundlagen und Bestimmungen der Verordnung
über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen
Kurztitel (amtl.): Gasnetzentgeltverordnung
Normabkürzung (amtl.): GasNEV
Vom 25.7.2005 (BGBl.  I S. 2197)
(BGBl.  III 752-6-1) diskutieren? http://bundesrecht.juris.de/gasnev/index.html

M. E. sind dort eine Menge Kosten aufgeschlüsselt aufzugeben, deren konkrete Angabe möglich sein müsste. Diese gilt zwar erst seit 2005, aber die Berechnungserfordernisse müssten die Versorger schon vorher erfüllt haben.

Das ist - @Herr Fricke - ausdrücklich nur ein Diskussionsansatz.

Uwes
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #7 am: 21. Februar 2006, 13:03:42 »
@Uwes

Ein neuer Thread wäre ggf. hilfreich.

Der Erdgaskunde zahlt an den Erdgaslieferanten keine gesonderten Gasnetzentgelte.

Der vollintegrierte Gasversorger (ohne Unbundling) zahlt solche kalkulatorischen Kosten auch nicht an sich. Würde er solche an sich zahlen, stünden sich die Kosten und die Einnahmen daraus deckungs- und periodengleich gegenüber und würden sich folglich aufheben.

Deshalb sind es eben keine resultierenden Kosten.

Nach der gefestigten Rechtsprechung bezieht sich die Billigkeitskontrolle von Energiepreisen auf die Gesamtentgelte, nicht auf Teile von Entgelten, insbesondere nicht auf in den Preisen enthaltene Netzentgelte.

Wer an dieser Stelle für der Billigkeitskontrolle von Teilentgelten - die aus genannten Gründen schon keine sind - das Wort redet, läuft Gefahr, dass auch Gerichte zu der Auffassung gelangen, Teilentgelte unterlägen der Billigkeitskontrolle und mithin auch gesonderte Preiserhöhungsanteile.


Tatsächlich ist es so, dass in der Vergangenheit wohl weit überwiegend auch keine kalkulatorischen Netzentgelte kalkuliert wurden. Mangels Durchleitungswettbewerb bestand dafür schlicht kein Bedürfnis. Zudem hatte das LG Berlin frühzeitig festgestellt, dass die Verbändevereinbarungen, auf denen solche Kalkulationen nur beruhen konnten, von Anfang an kartellrechstwidrige Preisabsprachen waren.




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Thomas Fricke
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Gaspreisurteil LG Karlsruhe 03.02.06 - 9 S 300/05
« Antwort #8 am: 21. Februar 2006, 13:10:56 »
@Uwes

Ich war dummerweise nicht eingeloggt.

Siehe auch hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=2571

http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?type=newsletter&id=28

http://www.pontepress.de/pdf/5%20LG%20Berlin%20U%20060303.pdf

Mit anderen Worten:

Die früheren Kalkulationsgrundlagen waren selbst kartellrechtswidrig (zustande gekommen).

Bei den kalkulatorischen Kosten bestehen erhebliche Gestaltungsspielräume, so dass sich ein Unternehmen seine \"Kostenbasis\" selbst schaffen könnte mit dem leidigen Ergebnis, dass scheinbar aus den erlösen keine Gewinne realisiert werden, weil sie durch selbst geschaffene kalkulatorische Kosten - welche real nicht vorhanden sind - aufgezehrt werden.

Anschaulich wird dies an den offen gelegten \"Preiskalkulationen\" der E.ON-Filialen. Plötzlich scheint es keine nennenswerten Margen zu geben, obwohl solche Margen mit den \"Netzkosten\" generiert werden.

\"Netzkosten\" waren indes bisher an niemanden zu zahlen.....

Ebenso könnte ein vollintegrierter Stromversorger seine hohen Strompreise mit von ihm selbst unbillig überhöhten Netzentgelten rechtfertigen....

Ein absurdes Unterfangen, welches jedoch immer wieder vor Gerichten zum Vortrag gebracht wird.


Der einzige wirkliche Wert dieser neuen Verordnung besteht darin, dass die Gasversorger bisher darauf verwiesen, die Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle von Strompreisen könne nicht auf den Gasbereich übertragen werden, weil es an einer Regelung wie der BTOElt fehlt, welche eine kostenbasierte Preiskalkulation vorschreibt.

Hinsichtlich eines Teils der Gaspreise gibt es mit der neuen Verordnung nun eine solche Vorschrift hinsichtlich kostenbasierter Preise.....

Wir wissen:

Laufende Verfahren sind keine Podiumsdiskussionen, sondern die Gerichte haben über konkrete Rechtsfragen zu entscheiden.

Diskussionen über Gegenstände der Gesetzgebung werden in der Regel durch entsprechende Lobbyisten betreut.



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Thomas Fricke
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