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Autor Thema: Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)  (Gelesen 80661 mal)

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Offline Gaspreismuffel

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Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
« Antwort #30 am: 04. November 2007, 19:19:27 »
Herzlichen Dank für den Hinweis, war ein Volltreffer hinsichtlich Frage 1 mit dem (nach meinem Verständnis) schönen Ergebnis, dass der lokale Versorger auch für die Billigkeit der von ihm durchgereichten Beschaffungspreise haftet. Soweit er überhöhte Preise zahlt, dürfen diese nicht an den Kunden durchgereicht werden (nach Meinung des OLG Düsseldorf).

Zu Frage 2 habe ich an der gleichen Referenz (ewerk) positives und negatives gefunden.
Positiv: BGH, Urteil vom 13.12.06 – VIII ZR 25/06, zum angemessenen Ausgleich für die Verwendung von unangemessen benachteiligenden (im Sinne der \"Waffengleichheit\") Preisanpassungsklauseln beim Abschluss von Flüssiggasbelieferungsverträgen.
Negativ: BGH, Urteil vom 11.10.2006 – VIII ZR 270/05, BGH: Keine Billig-keitskontrolle im Falle automatischer Preisgleitklauseln.
Beides trifft aber nicht die Frage einer Klausel die zwar exakt ist und nach §307 BGB formal in Ordnung ist (\"Waffengleichheit\") aber aufgrund der vom Versorger in der Formel vorgegebenen (und vom Verbraucher nicht zu beurteilenden) Konstanten unangemessene Preise liefert z.B. weil der Einfluss der Steuern oder der Rohstoffpreise überbewertet wird. Dies kann ja auch erst nach geraumer Zeit zu merklichen Abweichungen führen d.h. erst spät bemerkt werden.
Vielleicht begegnet Ihnen dazu noch etwas treffenderes.

Frage 3 werde ich auf anderem Wege weiter untersuchen.

Zu Frage 4 ist ggf. die „Charta“ der Kommission, http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?message_id=535&type=info von Interesse.

Offline darkstar

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Der Anfang jeder Katastrophe ist eine Vermutung

Offline RR-E-ft

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Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)
« Antwort #32 am: 05. März 2010, 15:49:16 »
Aus meiner Sicht stellt sich der Stand der Billigkeitskontrolle von Preisen der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas nunmehr wie folgt da.


Alle folgenden Grundsätze gelten gleichermaßen bei der leitungsgebundenen Belieferung mit Elektrizität und Gas (BGH VIII ZR 204/08 Rn. 9).

I. Gesetzliche Versorgungspflicht/ Vertragsfreiheit

Die Belieferung eines Kunden kann innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36, 38 EnWG) oder außerhalb einer solchen im Rahmen der Vertragsfreiheit erfolgen (vgl. BGH VIII ZR 225/07 Rn. 16).

Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht besteht ein gesetzliches Recht und eine Pflicht des Grundversorgers, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst effizienten, preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen einseitig festzusetzen, ebenso wie Abschlagszahlungen aufgrund des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts einseitig festgesetzt werden können. Das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht ergibt sich aus dem EnWG selbst (BGH KZR 29/06 Rn. 19, 20). Bei vereinbarten Sonderpreisen gilt das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht nicht (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

Der Versorger darf im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht nicht für ihn besonders vorteilhafte Preise anbieten, weil dies mit dem Vertragszweck unter Berücksichtigung von §§ 1, 2 EnWG unvereinbar wäre (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, a. A. wohl VIII ZR 138/07 Rn. 25). Zu sehen ist aber auch, dass der Allgemeine Preis der Grundversorgung  wegen der gesetzlichen Versorgungspflicht bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit  und weiterer Risiken (BGH EnVR 14/09) ungünstiger kalkuliert sein muss als Preise, die im Rahmen der Vertragsfreiheit angeboten werden können, zu deren Angebot der Versorger jedoch nicht gesetzlich verpflichtet ist (KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).

II. Gesetzliche Leistungsbestimmungsrechte im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB

Zur Wirksamkeit der Ausübung des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts in Bezug auf die Preise bedarf es nach der gesetzlichen Regelung der öffentlichen Bekanntgabe der geänderten Preise.  Die einzelne Ausübung eines gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts  unterliegt dabei gesondert der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 14, 17, 18, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07). Entscheidend ist allein, dass der Versorger im Rahmen des von den Parteien abgeschlossenen Energielieferungsvertrages kraft Gesetzes berechtigt (und verpflichtet) ist, die Preise einseitig zu ändern (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 16, VIII ZR 36/06 Rn. 17, KZR 2/07 Tz. 29). Der Kunde kann sich nach der gesetzlichen Regelung auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gerade auch dann berufen und einen Billigkeitsnachweis verlangen, wenn ihm die Möglichkeit des Anbieterwechsels offen steht  (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20, 36).

III. Der Billigkeit entsprechende Ausübung gesetzlicher Leistungsbestimmungsrechte

Die Frage der Billigkeit eines Allgemeinen Tarifs bzw. dessen Änderung ist für alle Tarifkunden innerhalb eines bestimmten Tarifs und somit tarifgruppenbezogen einheitlich zu beurteilen. Der Maßstab ist kein individueller, da die Ermessensentscheidung bei der Festsetzung eines geänderten Tarifs gegenüber allen betroffenen Kunden einheitlich erfolgt, unabhängig von individuellen Besonderheiten wie dem Zeipunkt des Vertragsabschlusses. Auch spielt die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Kunden, der innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht beliefert wird, für die Billigkeit des von ihm aufgrund einseitiger Festsetzung des Versorgers geforderten Entgelts keine Rolle (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 17).

Alle einseitigen Tarifänderungen unterliegen gesondert der Billigkeitskontrolle (vgl. LG Köln, Urt. v. 14.08.09 Az. 90 O 41/07 (Kart)).

Preiserhöhungen dürfen nur im Umfang nach der letzten Tariffestsetzung (nachträglich) tatsächlich gestiegener Kosten erfolgen (BGH VIII ZR 225/07 Rn. 26), wobei die Entwicklung aller Kostenbestandteile des konkreten Preissockels berücksichtigt werden muss und nur die Kosten effizienter Betriebsführung berücksichtigungsfähig sind (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 28, 35, 39,  43; VIII ZR 314/07; LG Dortmund, Urt. v. 20.08.09 Az. 13 O 179/08 (Kart)).

Ein für den Versorger bisher besonders nachteilig kalkulierter Preis muss (bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit) beibehalten werden, das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung darf durch eine Preisänderung nicht zu Lasten des Kunden nachträglich abgeändert bzw. verschoben werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25).

Aufgrund der gesetzlichen Bindung der Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit besteht zugleich eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers, im Falle rückläufiger Kosten die Preise nach gleichen Maßstäben abzusenken (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 225/07 Rn. 28, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Dies kann bei sinkenden Großhandelspreisen der Fall sein. Der Anspruch des Kunden auf Preisänderung korrespondiert mit der entsprechenden Verpflichtung des Versorgers und ist über die Unbilligkeitseinrede geltend zu machen.

IV. Vertragliche Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts

Selten wird außerhalb der Grundversorgung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrechts vertraglich vereinbart, in dem der Kunde die Bestimmung des jeweils zu zahlenden Entgelts vertraglich dem Versorger überlässt. Der Versorger, der einen solchen Vertragsabschluss anbietet, geht damit die Verpflichtung ein, das vom Kunden zu zahlende  Entgelt der Billigkeit entsprechend einseitig zu bestimmen und  unterwirft seine einseitige(n) Entgeltbestimmung(en) somit von Anfang an der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, III ZR 277/06 Rn. 19, 20).


V. Weitergehende Billigkeitskontrolle/ Frage der Transparenz


Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB soll sogar auch außerhalb der gesetzlichen Grundversorgung Anwendung finden, wenn Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen vereinbart wurden, die das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht inhaltlich unverändert übernehmen ( BGH VIII ZR 225/07 Rn. 24, VIII ZR 56/08 Rn. 27, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, jeweils obiter dicta und sehr umstr.).
Dann sollen in einer Art Gleichbehandlung die gleichen Maßstäbe gelten wie in der Grundversorgung (s. o.).

Meine Kritik hieran:

Hierdurch würde eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle auch in Fällen erfolgen, in denen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss von den Vertragsparteien überhaupt nicht vertraglich vereinbart wurde, sich ein solches Recht auch nicht aus dem Gesetz ergibt und deshalb der Anwendungsbereich einer unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB überhaupt nicht eröffnet ist (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

§ 315 BGB würde mithin in nicht zu rechtfertigender Weise entgegen seinem Wortlaut zur Anwendung gebracht. Zudem wäre bei vertraglicher Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bei Vertragsabschluss der Prüfungsumfang ggf. ein anderer. Haben sich die Parteien bei Vertragsabschluss nicht auf einen Preis geeinigt, sondern vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vereinbart oder ergibt sich ein solches Recht im Wege ergänzender Vertragsauslegung, so erfolgt eine Gesamtpreiskontrolle unter Berücksichtigung von § 1 EnWG (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 186; BGH KZR 8/05, KZR 9/05). Eine vertragliche Preisvereinbarung und ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht schließen sich jedoch denknotwendig gegenseitig aus (BGH KZR 24/04, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Bei Abschluss eines Sondervertrages wird regelmäßig ein feststehender Preis vereinbart (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 312/08 Rn. 2).

Ein solcher ist nicht gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden. Wie ein solcher durch freie Preisvereinbarung festgestellter Preis im Übrigen an den Maßstab - welcher - Billigkeit gebunden werden könnte, ist nicht ersichtlich.

Bei einem allgemeinen Tarifpreis knüpft die Billigkeitskontrolle an die Kostenentwicklung der preisbildenden Kostenbestandteile seit der letzten Tariffestsetzung an, mithin an eine Entwicklung seit einem für alle betroffenen Kunden gleichermaßen feststehenden Datum undzwar unabhängig davon, wann mit den einzelnen Kunden die Vertragsverhältnisse individuell begründet wurden (vgl. dazu auch BGH KZR 36/04 Rn. 9 ff.), wobei sich die maßgeblichen Kosten auf die nachvollziehbar geschlüsselten Kosten der Belieferung der einzelnen Tarifgruppe in dem Netzgebiet beschränken, in welchem die Grundversorgung erfolgt. Der Maßstab der Billigkeitskontrolle ist kein individueller, sondern vielmehr tarifgruppenbezogen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 17). Die Frage ob ein Allgemeiner Tarif der Billigkeit entspricht oder nicht, beurteilt sich für alle Kunden einer Tarifgruppe somit gleichermaßen. Sie muss sich sogar denknotwendig gleichermaßen beurteilen, weil der Versorger ja auch für alle diese Kunden unter Berücksichtigung ihrer tarifgruppenspezifischen Interessen eine einheitliche Ermessensentscheidung treffen musste und getroffen hatte. Und eben jene Entscheidung kann nur entweder der Billigkeit entsprechen oder eben auch nicht.

Bei einem vereinbarten Sondervertragspreis müsste hingegen - notwendigerweise - an die Kostenentwicklung aller preisbildenden Kostenbestandteile des konkret vereinbarten Vertragspreises seit dem Zeitpunkt des individuellen Vertragsabschlusses jedes einzelnen Kunden abgestellt werden. Denn eine solche  Klausel soll in jedem einzelnen Vertragsverhältnis gerade dazu dienen, den Verwender vor einer Gewinnschmälerung wegen nachträglicher Kostenentwicklungen ebenso zu bewahren, wie sie den Kunden vor der Kalkulation von Risikozuschlägen in den Vertragspreis bei Vertragsabschluss schützen soll (BGH VIII ZR 25/06 Rn. 20, BGH III ZR 247/06 Rn. 10).

Kostenentwicklungen, die vor dem induviduellen Vertragsabschluss lagen und somit in den angebotenen Vertragspreis einklakuliert werden konnten, müssen dabei denknotwendig außen vor bleiben.  

Eine nachvollziehbare stichtagsbezogene Kostenschlüsselung auf den konkreten Vertragspreis steht eher weniger zu erwarten. Der Lieferant, der sich eines entsprechenden Rechts und der damit verbunden Verpflichtung zur Preisänderung im konkreten Vertragsverhältnis berühmt, müsste jedoch eben eine solche nachvollziehbare Kostenschlüsselung - heruntergebrochen bis auf jeden konkret vereinbarten Vertragspreis - vorhalten, damit er seine vorgeblich eingegangene Vertragspflicht überhaupt erfüllen könnte. (Da lohnt es sich ggf. gleich zu Vertragsbeginn nachzufragen, wie es wohl darum bestellt ist). Die Frage, ob eine Preisänderung der Billigkeit entspricht oder nicht würde sich dabei folglich nicht tarifgruppenbezogen beurteilen lassen, sondern nur für jeden einzelnen Kunden individuell (nämlich abhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses und der nachfolgenden Kostenentwicklung).

Beim Abschluss eines Grundversorgungsvertrages könnte die Situation bestehen, dass der Verorger wegen seit der letzten Tariffestsetzung und vor individuellem Vertragsabschluss gestiegener Kosten berechtigt ist, den Tarifpreis nach individuellem Vertragsabschluss gegenüber allen betreffenden Kunden zu erhöhen (BGH VIII ZR 36/06). Ebenso gut könnte auch die Situation bestehen, dass der Versorger wegen seit der letzten Tariffestsetzung und vor individuellem Vertragsabschluss gesunkenen Kosten verpflichtet ist, den Tarifpreis nach individuellem Vertragsabschluss zugunsten aller betreffenden Kunden anzupassen (BGH VIII ZR 81/08]. Bei Abschluss eines Grundversorgungsertrages kann der Kunde folglich nicht wissen, ob der Versorger aus v. g. Gründen gerade berechtigt ist, die allgemeinen Preise zu erhöhen oder aber verpflichtet ist, die allgemenen Preise zugunsten der Kunden anzupassen, so dass auch kein feststehender Preis vereinbart sein kann.

Bei einem Sondervertrag kann diese Situation gerade nicht bestehen, weil der Preis bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, Kostenentwicklungen vor Vertragsabschluss folglich nicht für Preisänderungen nach Vertragsabschluss aufgrund einer Preisänderungsklausel herangezogen werden dürfen. Damit regeln das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht einerseits und Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen andererseits vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalte und üben unterschiedliche Funktionen aus.
 

Mit dem Transparenzgebot des § 307 BGB hat der Gesetzgeber zudem zum Ausdruck gebracht, dass er unbestimmte Leistungsänderungsvorbehalte am weiten Maßstab der Billigkeit nicht billigt (BGH KZR 10/03 unter II. 6 für § 9 AGBG, BGH XI ZR 78/08 Rn. 32, 37, 38). Die Anwendung von § 315 BGB würde demnach contra legem erfolgen.
 
Es ist nicht ersichtlich, wie bei im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Sonderverträgen eine (lediglich vorgeblich) bestehende Verpflichtung des Versorgers zur Preisabsenkung wegen rückläufiger Kosten im Wege einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle vom Kunden durchgesetzt werden sollte/ könnte (BGH XI ZR 78/08 Rn. 38]. Die Vorstellung ist vollkommen lebensfremd.

Dies wäre auch mit Rücksicht auf die [durch BGH Urt. v. 23.06.09 KZR 21/08 zwischenzeitlich als unzutreffend widerlegten] Erwägungen in BGH VIII ZR 138/07 Rn. 23 wohl vollkommen unhaltbar (vgl. auch BGH VIII ZR 314/07 Rn. 17).

Die Vorstellung, dass sich nun sogar sämtliche Lieferanten, die im Rahmen der Vertragsfreiheit Verträge mit entsprechenden Preisänderungsklauseln anbieten, sich im Zweifel einer gerichtlichen Preis- und notwendigen Kostenkontrolle zu stellen haben, und die Beurteilung dabei für jeden einzelnen Kunden abhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses individuell erfolgt, ist wohl einfach nur absurd. Dies würde etwa bundesweite Anbieter von Strom und Gas wie Lichtblick betreffen, wenn diese entsprechende Klauseln verwenden.  

Die vom VIII.Zivilsenat des BGH mehrfach obiter dicta geäußerte und in amtliche Leitsätze gegossene Rechtsauffassung erscheint in ihrer Konsequenz deshalb nicht durchdacht. Auch nimmt der Senat dabei bewusst eine Alleinstellung gegenüber der Rechtsprechung der anderen Senate ein und dies, obschon er kein Energierechtssenat ist, sondern für das Kaufrecht zuständig ist und somit eher zufällig auch mit Energielieferungsverträgen befasst ist.  

VI. Fazit zur Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB

Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist immer dann anwendbar, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB besteht und mit einem solchen untrennbar verbunden.

Wo § 315 BGB hingegen keinen Anwendungsbereich hat, besteht auch kein Recht zur einseitigen Entgeltbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB und der Versorger ist an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden, ohne diesen im laufenden Vertragsverhältnis einseitig abändern zu dürfen (BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 326/07, VIII ZR 81/08].

Im Falle unwirksamer oder nicht wirksam einbezogener Preisänderungsklauseln in einem Sondervertrag ergibt sich auch bei einer Monopolstellung des Versorgers grundsätzlich im Wege  einer ergänzenden Vertragsauslegung  kein Recht zur einseitigen Preisänderung(BGH KZR 2/07, VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08, VIII ZR 320/07, VIII ZR 326/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 312/08].

VII. Umstrittene Preisvereinbarungsfiktion


Umstritten ist, dass ein (zunächst) einseitig bestimmter Preis zu einem - keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliegenden - vereinbarten Preis werden soll, wenn die einseitige Leistungsbestimmung nicht zeitnah als unbillig gerügt wird (BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07). Eine solche Vereinbarung wäre wohl schon mit der o. g.  gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit und der daraus folgenden Verpflichtung zur Preisabsenkung, wenn diese den Kunden günstig ist, denknotwendig unvereinbar. In Anbetracht der gesetzlichen Bindung des Allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit und der daraus folgenden Verpflichtung zur Anpassung an die Kostenentwicklung erscheint die Auffassung des VIII. Zivilsenats des BGH zweifelhaft, wonach auch bei Abschluss eines Tarifkundenvertrages ein feststehneder und kein von Anfang an variabler Preis vereinbart wird (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 15, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 314/07 Rn. 16, VIII ZR 320/07 Rn. 46). Auf eine Variabilität der Preise  deuten auch die gesetzlichen Regelungen in §§ 4 Abs. 1 AVBGasV/ AVBEltV, §§ 5 Abs. 1 StromGVV/ GasGVV hin, wonach die Belieferung zu den \"jeweiligen\" Allgemeinen Taifen/ Preisen erfolgt, die der Versorger aufgrund des gesetzlichen Tarifbestimmungsrechts einseitig bestimmt (BGH KZR 2/07 Rn. 29, KZR 36/04 Rn. 9 ff.).

Bei einer unwiderruflichen Willenserklärung, mit welcher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird, handelt es sich nicht um einen auf Annahme gerichteten Antrag. Die Erklärung kann auch nicht in einen solchen Antrag umgedeutet werden. Mangels Antrag gem. § 145 BGB ist eine vertragliche Einigung durch (konkludente) Annahmeerklärung des Kunden ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 = NJW-RR 2005, 1464). Diese Preisneuvereinbarungsfiktion gilt zudem nur bei normativ bestehendem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB, jedoch nicht, wenn ein solches Recht im konkreten Vertragsverhältnis überhaupt nicht besteht (vgl. Büdenbender NJW 2009, 3125, 3131 dort unter IV. 2 b).

Der Tarifkunde vertraut darauf, dass die zur Abrechnung gestellten Tarifpreise den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend kalkuliert wurden und die Verbrauchsabrechnungen \"in Ordnung sind\". Der Missbrauch dieses Vertrauens kann eine Bestrugsstrafbarkeit der für die Tariffestsetzung und Abrechnung Verantwortlichen des Versorgungsunternehmens zur Folge haben (vgl. BGH, B. v. 09.06.2009 Az. 5 StR 394/08].

Im weiteren Energiebezug liegt auch keinerlei Erklärungsgehalt des Energiekunden auf eine Neuvereinbarung (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 VIII ZR 144/06 Tz. 20 = NJW 2007, 1672).

Schließlich wohnt auch der vorbehaltlosen Zahlung auf eine gestellte Verbrauchsabrechnung kein Erklärungsgehalt hinsichtlich einer Entgeltneuvereinbarung/ Anerkenntnis zur Abrechnung gestellter Forderungen inne (BGH, Urt. v.  11.11.08 VIII ZR 265/07 = NJW 2009, 580).

Auf Widerspruch und Vorbehaltszahlung kommt es im Falle eines fehlenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts  grundsätzlich nicht an (vgl. auch Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3131 dort unter IV. 2).

Stellt ein Vertragspartner in Ausübung eines vermeintlichen einseitigen Leistungsbestimmungsrecht über Jahre hinweg einseitig erhöhte Entgelte zur Abrechnung und zahlt der andere Vertragspartner darauf vorbehaltlos die erhöhten Entgelte, kommt hierdurch keine Entgeltneuvereinbarung zustande, sondern es besteht ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der über Jahre hinweg rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.05 VIII ZR 199/04 = NJW-RR 2005, 1464).

Für die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung unwirksam erhöhter Preise ist es belanglos, ob in den konkreten Vertrag von Anfang  an gar keine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen war (§ 305 Abs. 2 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) oder aber eine einbezogene Preisänderungklausel wegen Verstoß gegen § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) unwirksam war. Erweist sich eine über AGB des Versorgers einbezogene Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB als unwirksam, besteht nicht nur ein Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB, sondern es kommt ebenso ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo in Betracht (vgl. Palandt, BGB, Vor § 307 Rn. 14). Durch die Verwendung unangemessen benachteiligender Klauseln verletzt der Verwender vorvertragliche Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Vertragspartner und kann deshalb schadensersatzpflichtig sein. Für den Lauf der Verjährung solcher Ansprüche kommt es auf die Kenntnis des Kunden von diesen an, § 199 BGB. Dies gilt auch bei Vorbehaltszahlungen auf einseitig erhöhte Entgelte (BGH EnZR 49/08].

VIII. Die Einrede

Der betroffene Kunde muss, um ggf. zu einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle zu gelangen, die einseitig festgesetzten und geforderten Entgelte unter Berufung auf deren Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einredeweise als unbillig rügen. Dies sollte die Entgelte  insgesamt, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, wie auch auf diesen beruhende einseitig festgesetzte Abschläge betreffen. Er sollte ggf. auch das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung bestreiten, aber auch einen Billigkeitsnachweis fordern.

Ein Recht zur Versorgungseinstellung gem. § 19 StromGVV/ GasGVV besteht bei streitigen Zahlungsrückständen, die auf einseitigen Leistungsbestimmungen beruhen, nach Unbilligkeitseinrede nicht (siehe auch BGH X ZR 60/04 unter II 1.)





Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Jena 05.03.10

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