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Stromversorger will unstrittigen Betrag einklagen

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Harry01:
Hallo Forum!

Diese Woche wurde mir über das hiesige Amtsgericht eine "Teilklage" meines Stromversorgers zugestellt, mit der der unstreitige Betrag, bei mir der Strom- und Arbeitspreis, der bis zum 31.01.2005 galt, für die Jahre 2013 - 2016 eingefordert werden. Weiterhin soll die Durchsetzung einer Stromsperre geduldet werden.

In der "Rechtlichen Würdigung" der Klageschrift heißt es:

Der BGH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Frage befaßt, welche Rechtsfolgen gelten, wenn vom Kunden Zweifel an der Berechtigung zu einer Preiserhöhung oder die Höhe abgerechneter Preise im Rahmen eines langjährigen Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden. Im Ergebnis hat der BGH darin erkannt, daß in einem solchen Fall der Kunde zumindest die Preise schuldet, die mehr als drei Jahre nach Zugang der jeweiligen Jahresverbrauchsabrechnung vom Kunden unbeanstandet gelassen wurden. Dieses Ergebnis erzielte der BGH im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung. Damit steht fest, daß die beklagte Partei die bis zur Preiserhöhung zum 01.02.2005 geltenden Strompreise schuldet. [...]

Ist das wirklich so, oder wurden die Entscheidungen (mal wieder) falsch interpretiert?

Zur Info: Ich habe zu jeder Verbrausabrechnung einen Einwand geschrieben und darin selbst den zustehenden Betrag errechnet. Eine Zahlung des Betrages habe ich immer in Aussicht gestellt, sobald die Rechnung dahingehend korrigiert wurde. Da dies nie geschehen ist, wurde keine Zahlung geleistet. Jetzt aber legt die Klägerin zur Rechtfertigung der Forderung eine Berechnung vor, die auch für mich akzeptabel gewesen wäre. Die Klage wäre damit gar nicht nötig gewesen, wenn man mir diese Berechnung nach meinen jeweiligen Einwandschreiben vorgelegt hätte. Nach Auffassung der Klägerin aber lägen nun die Voraussetzungen nach §19 (2) StromGVV vor, sodaß auch ein Versorgungseinstellungsanspruch der Klägerin bestehe.

Bisher ging ich davon aus, daß bei fehlerhafter Rechnung und Preiswiderspruch dieser Versorgungseinstellungsanspruch gerade nicht besteht. Auch soll mir die Versorgungseinstellung seit Jahresanfang in 3 Mahnungen angedroht worden sien. Diese Mahnungskopien befinden sich auch in der Anlage der Klageschrift, die habe ich da allerdings zum ersten Mal gesehen.

Kann mir jemand etwas dazu raten? Wie gesagt, jetzt, nachdem ich über das Gericht die korrigierte Berechnung bekommen habe, würde ich das mit Ausnahme für 2013 auch zahlen, da für 2013 die Gesamtforderung verjährt sein dürfte. Was ich aber nicht so ganz einsehen würde ist, daß ich die Kosten der Klage dann bezahlen soll.

Didakt:
Siehe BGH –Urteile v. 28.10.15 - VIII ZR 158/11 (Rn. 84 – 87) und VIII ZR 13/12

Der Versorger klagt: Unbedingt einen Rechtsanwalt beauftragen, der Erfahrung mit diesen Klagen hat.

Kann ich bei Prozessbeginn den strittigen Betrag zahlen und dadurch den Prozess vermeiden, wenn zuvor gegen die Abrechnungen des Versorgers Widerspruch wegen Unbilligkeit erhoben wurde?


--- Zitat ---Das Versorgungsunternehmen trägt bei einem Klageverfahren ohne oder mit vorherigem Mahnbe-scheid die gesamten Kosten einschl. Gerichts- und Anwaltskosten, wenn es im Prozess erstmals die Kalkula-tionsgrundlagen offen legt, der Kunde den Preis nach erstmaliger Prüfung für berechtigt hält und die Klage-forderung deshalb „sofort“ anerkennt (§ 93 ZPO- Sofortiges Anerkenntnis). Dieses Anerkenntnis muss vor Anspruchsbegründung der Gegenpartei, also vor der mündlichen Verhandlung, ausgesprochen werden. Man erkennt dabei nicht die Höhe der Forderung an, sondern man erklärt sich bereit, den im Laufe des Verfahrens vom Gericht festzusetzenden Preis zu zahlen.
Edit: Seit den Urteilen vom 28.10.15 Az. VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12 wendet der BGH bei grundversorgten Haushaltskunden anstatt der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB seine ergänzende Vertragsauslegung an.
Die Klage mit allen Anlagen muss dem beklagten Kunden vom Gericht zugestellt werden. Spätestens dann hat er also die Kalkulation in den Händen. Hiernach hat der Kunde zwei Wochen Zeit, gegenüber dem Gericht anzuzeigen, ob er sich gegen die Klage verteidigen will. Versäumt er diese Frist, kann gegen ihn Ver-säumnisurteil ergehen. Wenn ein Versäumnisurteil zugestellt wird, kann man hiergegen innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Das Verfahren geht dann normal weiter. Man sollte es jedoch nicht erst soweit kommen lassen, da das Versäumnisurteil vorläufig vollstreckbar ist und man zudem die sog. Kosten der Säumnis zu tragen hat. Hiernach hat der Beklagte nochmals zwei Wochen Zeit, auf die Klage zu erwidern. Diese Frist zur Klageerwiderung kann auf Antrag durch das Gericht verlängert werden.

--- Ende Zitat ---

Siehe auch http://www.energieverbraucher.de/de/versorger-klagt__1741

Harry01:

--- Zitat von: Didakt am 13. Oktober 2017, 21:46:22 ---Der Versorger klagt: Unbedingt einen Rechtsanwalt beauftragen, der Erfahrung mit diesen Klagen hat.
--- Ende Zitat ---

Anwalt ist beauftragt. Wie tiefgreifend seine Erfahrungen damit sind, weiß ich nicht. Er hat schon viele Verfahren gegen den Versorger geführt. Leider kann ich mir einen darauf spezialisierten Anwalt nicht leisten, da diese nach Honorar abrechnen und diese horrenden Kosten die Rechtsschutzversicherung nicht übernimmt.

Lese ich das richtig, daß der Anwalt erklären soll, daß die Forderung sofort anerkannt wird? Auch die verjährte Forderung?

Und zahlt meinen Anwalt dann bei sofortigem Anerkenntnis die Gegenseite?

Ich möchte noch anmerken, falls das noch nicht deutlich hervorgebracht wurde, daß der Versorger mit der Klage nur einen Teil der Abrechnungen, also die Abrechnung nach den Preisen vor meinem ersten Unbilligkeitseinwand in Ansatz bringt und einklagt. Ist mit der vorgelegten Aufstellung die Kalkulation gemeint? Daraus geht doch nur hervor, wie er die Forderungshöhe berechnet.

Ich denke, daß der Stromversorger im Laufe des Verfahrens auch noch den Restbetrag einklagen will, oder geht das gar nicht?

Der zitierte Text hilft mir in jemdem Fall erstmal weiter. den werde ich beim Termin nächste Woche dem Anwalt vorlegen.

Didakt:
Zu Ihren Fragen im Allgemeinen: Konfrontieren Sie damit gezielt den RA. Der kennt sich hoffentlich nicht nur im Vertragsrecht, sondern auch im Energierecht aus und wird sie Ihnen sicherlich ausführlich beantworten, nachdem er die Klageschrift und die Begründungen Ihrer Widersprüche gegen die Preismaß-nahmen des Versorgers und sonstigen mit dem Versorger geführten Schriftwechsel eingesehen hat.

Ihr Fall scheint sehr komplex zu sein, allein schon deshalb, weil es sich hierbei um eine typische „Altlast“ mit all ihren Besonderheiten handelt. Eine der entscheidenden Fragen ist, wie Ihr Vertrag mit dem Versor-ger einzustufen ist, als Tarif- oder Sondervertrag und unter welchen Prämissen Sie mit Ihren Widersprü-chen gegen den Versorger vorgegangen sind. Für die Unterscheidung zwischen Tarifkundenverträgen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG und Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden kommt es darauf an, ob das Versorgungsunternehmen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – die Versorgung (damals) zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den geltenden Vorschriften anbietet/angeboten hat oder ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit erfolgt/erfolgte.
Zur damaligen Zeit, als Sie Ihren Preisprotest begannen, wurden die Widersprüche gegen Preismaßnahmen der Versorger nahezu ausnahmslos auf der Basis von § 315 BGB (wegen Unbilligkeit) begründet, weil die Protestler gar nicht wussten, ob Sie Tarif- oder Sonderkunde sind.
Verwunderlich ist, dass Sie diese „Altlast“ so lange/bis jetzt vor sich hergeschoben haben.


--- Zitat von: Harry01 --- […] Lese ich das richtig, daß der Anwalt erklären soll, daß die Forderung sofort aner-kannt wird? Auch die verjährte Forderung? […] Und zahlt meinen Anwalt dann bei sofortigem Aner-kenntnis die Gegenseite? […] Ich denke, daß der Stromversorger im Laufe des Verfahrens auch noch den Restbetrag einklagen will, oder geht das gar nicht?
--- Ende Zitat ---

1. Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt (§ 93 ZPO).
Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht ergeben sich aus § 91 ZPO. Die unterliegende Partei hat die Kos-ten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

2. Zur Frage der Verjährung von Forderungen:
Die regelmäßige Verjährungsfrist für zivilrechtliche Ansprüche beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 BGB). Der An-spruch des Gläubigers auf Bezahlung seiner Forderung erlischt prinzipiell nicht. Die Einrede der Verjäh-rung ist die einseitige Erklärung des Schuldners, dass eine Leistung nicht erbracht wird, weil zwischen-zeitlich die Verjährung eingetreten ist. Eine bestimmte Forderung soll also aufgrund einer abgelaufenen Frist nicht mehr erfüllt werden. Der Schuldner hat zwar dieses gesetzlich verankerte dauernde Leistungs-verweigerungsrecht. Die Verjährung tritt jedoch nicht von Amts wegen in Kraft, sondern muss vom Schuldner schriftlich geltend gemacht werden. Mustervorlagen dafür stehen im Internet zur Verfügung.
Im Prozess wird die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur dann berücksichtigt, wenn sich der Schuldner auf die Verjährung beruft.

Der Gläubiger kann die Einrede der Verjährung jedoch nach § 242 BGB im Fall der Fälle durch den Ein-wand des Verstoßes gegen Treu und Glauben entkräften. Ein solcher Einwand ist beispielsweise dann möglich, wenn der Gläubiger seine Forderungen vor Ablauf der Frist begründet nicht geltend machen konnte und z. B. auch, wenn der Schuldner den Gläubiger bis zum Ablauf der Verjährungsfrist mit Ver-gleichsverhandlungen oder ähnlichem hingehalten hat.

Die Verjährungsfrist wird insbesondere auch durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung gemäß § 204 BGB gehemmt.

3. Eine Klageerweiterung ist möglich. Näheres hierzu kurz nachstehend:


--- Zitat von: Wikipedia --- Eine Erweiterung des Streitgegenstands des Prozesses kann im Wege der Klageände-rung vollzogen werden. Die Klageerweiterung muss sachdienlich sein (§ 263 ZPO).
Die Sachdienlichkeit setzt zunächst voraus, dass durch die Mitbehandlung der Klageerweiterung im an-hängigen Verfahren ein ansonsten drohender neuer Rechtsstreit zwischen den Parteien vermieden wird.
Für die Anerkennung der Sachdienlichkeit bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass für die Beurtei-lung der erweiterten Klage der bisherige Streitstoff verwendet werden kann.
--- Ende Zitat ---

Harry01:
Danke Didakt für Ihre Ausführungen. Es handelt sich nicht um einen Sodervertrag, sondern um eine Belieferung in der Grundversorgung.


--- Zitat von: Didakt am 14. Oktober 2017, 17:48:17 ---Verwunderlich ist, dass Sie diese „Altlast“ so lange/bis jetzt vor sich hergeschoben haben.
--- Ende Zitat ---

Wie meinen Sie das? Ich habe nach jeder Verbrauchsabrechnung meinen Einwand gesendet, eine korrigierte Rechnung gefordert und dann meine sofortige Zahlung in Aussicht gestellt, wenn die Rechnung korrigiert wurde. Darauf erfolgte nie eine Reaktion des Stromversorgers. Manchmal kam eine kurze Eingangsbestätigung mit dem Hinweis, daß man Standpunkt zur Genüge geschildert habe und man sich nicht weiter äußern will. Was hätte ich denn tun sollen? Da weiter Energie reinstecken und Schreiben hinschicken, wo nie drauf geantwortet wird? Oder gar selbst den Klageweg beschreiten? Nicht ich, sondern der Stromversorger hat es zur "Altlast" kommen lassen und es vor sich hergeschoben.

Mein Problem ist weniger, ob sich der Anwalt mit Vertrags- und Energierecht auskennt. Meine und auch die Sorge meines Anwalts ist eher allgemein der hiesige, Ihnen auch bekannte Amtsrichter  8)

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