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BGH, Urt. v. 7.3.17 EnZR 56/15 Stromlieferungsvertrag

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userD0010:
Na wer hätte das gedacht?  Schon wieder so eine nicht gerade sinnhafte und wenig konkrete Sturzgeburt des BGH. Bloß keinem Versorger zu nahe oder auf die Füße treten, denn er könnte ja die Vergabe von Vortragsjobs überdenken oder künftige " Sonderaufgaben"  anderweitig vergeben.

bolli:
Na ja, "wenig konkret" würde ich diese Entscheidung nicht nennen.

Was mich zunächst viel mehr irritiert hat ist die Frage, warum sich auf einmal wieder der Kartellsenat mit solchen Verfahren beschäftigt, nachdem man doch in der Vergangenheit mühsam die angebliche Zuständigkeit des VIII. Senats zu begründen versucht hat und dieses nicht nur für die Sonderverträge sondern auch für die Grundversorgungsverfahren. Das die Grundversorgung eine Monopolstellung darstellt ist schließlich keine neue Erkenntnis.
Ich habe so den Eindruck, man will nun auf diesem Wege die Widersprüchlichkeit, die es bisher zwischen den früheren Entscheidungen des Kartellsenats und des VIII. Senats gab, ein wenig "auflösen". Denn der Kartellsenat hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass auch ein Preissockel zu Vertragsbeginn der Billigkeitskontrolle unterliegt. Nur waren die diesbezüglichen Urteile meist in Verfahren zwischen zwei Firmen getroffen worden und nicht zwischen Grundversorger und Endkunden/Haushaltskunden (z.B. BGH, Urteil vom 18.10.2005 KZR 36/04, BGH, Urteil vom 4. März 2008 – KZR 29/06).  Die letzteren Verfahren waren ja seinerzeit trotz des Zuständigkeitsweges, der sich an und für sich aus § 102 EnWG ergibt und der normalerweise immer beim Kartellsenat landen würde, beim VIII. Senat gelandet, weil man argumentiert hat, dass es sich um Vertragsangelegenheiten handele, die dem BGB unterlägen. Für die (gesetzlich verpflichtende) Grundversorgung und deren Bedingungen der GVVen wäre das zwar aus meiner Sicht zu verneinen gewesen, aber nun gut, es wurde anders gehandhabt. Und nun die Rolle rückwärts ?


--- Zitat ---Zitat RR-E-ft
BGH, Urt. v. 7.3.17 EnZR 56/15 Stromlieferungsvertrag
Der Kartellsenat des BGH hält es für möglich, dass durch die Entnahme von Strom konkludent ein Grundversorgungsvertrag geschlossen wird, dessen Anfangspreis selbst bei Monopolstellung des Grundversorgers keiner Billigkeitskontrolle unterliegt.
--- Ende Zitat ---

Das sehe ich anders. Der Kartellsenat formuliert hier aus meiner Sicht klar und deutlich


--- Zitat ---BGH vom 7.3.17 EnZR 56/15  Rd-Nr 27

Bei Zustandekommen eines Grundversorgungsvertrags kann die Klägerin von dem Beklagten grundsätzlich den zu Beginn der Grundversorgung im Oktober 2011 geltenden Allgemeinen Preis als vereinbarten (Anfangs-)Preis beanspruchen. Denn diesen Allgemeinen Preis schuldete der Beklagte ungeachtet des von ihm erhobenen Widerspruchs allein durch die tatsächliche Inanspruchnahme der ihm im Rahmen der Grundversorgung angebotenen Versorgungsleistungen als vereinbarten Preis (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 34/11, WM 2012, 2061 Rn. 38).
Dieser ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst im Falle einer Monopolstellung des Lieferanten - wie hier der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Grundversorger - keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zugänglich (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 17 ff., vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 36 und vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 34/11, WM 2012, 2061 Rn. 38). Diese Beurteilung beruht auf den Besonderheiten der auf dem Gebiet der Energiewirtschaft bestehenden Gesetzgebung für die Elektrizitäts- und Gasversorgung, für die der Gesetzgeber hat erkennen lassen, überhöhte Preise ausschließlich durch eine Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und nicht im Wege zivilrechtlicher Auseinandersetzungen bekämpfen zu wollen, was für diesen Bereich einer analogen Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB die Grundlage entzieht (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO, Rn. 23 und vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, aaO).
--- Ende Zitat ---

Da ist aus meiner Sicht kein Platz für einen Konjunktiv oder ein "hält es für möglich".
Fraglich ist aus meiner Sicht allerdings immer noch, wie sich das Ganze mit den Fragen der Daseinsvorsorge und der Leistungsbestimmungspflicht vereinbaren lässt und wie die Bestimmung des § 17 Abs. 1 letzter Satz der GVVen Gas und Strom in diesem Zusammenhang zu verstehen sind.
Hier scheinen mir noch eine ganze Reihe Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt. Aber was scherts die da oben in den roten Roben. Die haben ihre Energieversorgung sicher !

userD0010:
@bolli
Zitat:  Na ja, "wenig konkret" würde ich diese Entscheidung nicht nennen.

Was ist denn an der "Feststellung" des Kartellsenats konkret ??   Wenn jemand etwas für möglich hält, ist dies doch wohl eine mehr als luftleere Aussage. Landläufig wird vielfach ""ich will ja nichts gesagt haben, aber ....."" als anheizende Warmluft gebraucht, um Gerüchten Nahrung zu verhelfen.  Anscheinend aber fühlt sich der Kartellsenat verpflichtet (wem auch immer ?)  eigene Mutmaßungen anzustellen, um seine eigene Zukunft zu sichern.

Wir sollten uns damit abfinden, dass aus dem Ort der Ruhe des Karls lediglich der Versuch der Heißluft-Produktion bemüht wird.

bolli:

--- Zitat von: h.terbeck am 13. April 2017, 09:38:15 ---@bolli
Zitat:  Na ja, "wenig konkret" würde ich diese Entscheidung nicht nennen.

Was ist denn an der "Feststellung" des Kartellsenats konkret ??   Wenn jemand etwas für möglich hält, ist dies doch wohl eine mehr als luftleere Aussage.
--- Ende Zitat ---

Sie haben das Urteil und meinen vorigen Post gelesen ?

Entgegen dem Post von @RR-E-ft kann ich in dem Urteil nämlich nichts von einer "Möglichkeit" lesen. Vielmehr lese ich da sehr konkret, DASS der Kartellsenat es (mittlerweile anscheinend) so sieht wie der VIII. Senat, nämlich, dass Anfangspreise vereinbarte Preise sind und für den Billigkeitseinwand kein Raum mehr ist.

userD0010:
@bolli
@RR-E-ft
Bislang habe ich lediglich die Veröffentlichungen des Herrn RA Fricke gelesen und seinen Aussagen bzw. Ausführungen Glauben geschenkt.  Dass Sie offensichtlich sämtliche Angaben Dritter mit allergrößter Akribie nachverfolgen und allen Auskünften mit deren Wahrheitsgehalt auf den Grund gehen, ehrt Sie ganz besonders und wird hoffentlich dazu beitragen, dass in diesem Forum keine sog. FAKE NEWS verbreitet werden. 

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