Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

§315 BGB und die Grundversorgung

<< < (3/11) > >>

bolli:

--- Zitat von: RR-E-ft am 30. Januar 2017, 19:27:08 ---Für andere grundversorgte Kunden kommt es jedenfalls für die Zeit ab 01.07.04 bis zum Inkraftrreten des geänderten § 5 GVV darauf an, ob überhaupt ein Preisänderungsrecht bestand und wie dieses ggf. ausgestaltet war.

--- Ende Zitat ---
Ich habe mit dieser Formulierung ein Problem. Ich möchte ggf. die Grundversorgung wählen, weil es hier ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (festsetzen der Preise) gibt, welche sich an den Maßgaben des § 1 Abs. 1 EnWG zu halten hat (sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung ). Und unter dieser Maßgabe möchte ich die Preise allgemein und nicht nur die Preisänderungen überprüfen lassen können. Hier zu argumentieren, der Anfangspreis sei ein vereinbarter Preis, der nicht angreifbar sei, ist aus meiner Sicht ein Hohn. Mit dieser Variante habe ich doch nur die Auswahl zwischen Hecjht und Hai. Beide möchten mich (bzw. mein Geld) fressen. Aber insbesondere der Hecht (Grundversorgung) hat aufgrund zahlreicher 'besonders zu erfüllender Aufgaben' eh schon die Möglichkeit, höhere Preise zu verlangen. Wenn er das denn ausreichend konkret darlegen kann, ist's ja gut. Dann muß er auch im Rahmen der Billigkeitsprüfung doch nichts befürchten. Aber trotz dieser Sonderfunktion dann noch zu Lasten der Verbraucher, und dass zumeist der schwachen, einen Reibach machen zu wollen, finde ich dreist. Und die dazugehörige Rechtssprechung, die dieses untermauert, ist dann noch dreister.

Ich habe als Verbraucher doch gar keine Möglichkeit, mich von irgendwem beliefern zu lassen, der nachgewiesenermaßen faire (preisgünstige) Preise bietet. und bevor der Einwand kommt: Nein, die Grundversorgung gehört nicht zum privatisierten Teil der Marktwirtschaft, den man ja angeblich immer wollte. Durch das festgelegte Leistungsbestimmungsrecht und der Tatsache, dass es hier um existenzielle Güter geht, die man nicht wahlweise nutzen oder nicht nutzen kann, ist sie in einer Sonderstellung, die es aus meiner Sicht zu berücksichtigen hätte.

Und ja, bevor dieser Einwand von @h.terbeck kommt: Ich bin nicht der David, der sich mit dem Goliath anlegt und jahrelang durch die Instanzen in der Grundversorgung mit teuren Preisen marschiert, um diese Sichtweise vielleicht einmal vor dem BGH schildern zu dürfen (um dann auch selbst zu erfahren, wie fehlgeleitet u.a auch diese Damen und Herren sind) und anschließend tausende von Euro mehr bezahlt zu haben. Dazu ist mir meine Lebensqualität zu wichtig. Insofern gehe ich, solange die Rechtsprechung des BGH in Bezug auf die Grundversorgung so klar ist, wie sie derzeit ist, lieber den Weg des geringeren Widerstandes und nehme Sonderverträge mit jährlichem Wechsel, an denen die Versorger ja angeblich nichts verdienen, da sie nur zum Locken dienen. So viel tiefer in den Preisen könnten auf ihre Billigkeit überprüfte Preise dann wahrscheinlich auch nicht mehr sein.

Leid tut es mir nur um diejenigen Verbraucher, die dieses ganze System nicht so durchblicken und die deshalb dann ggf. diese "Subventionsverträge" mitfinanzieren. Aber ich fühle mich auch außerstande das Elend der Welt auf meinen Schultern zu tragen.

berghaus:
Könnte dieser hochwertigen Diskussion nicht mal einer anderer Titel als "Anwaltsschlamperei" gegeben werden?

berghaus 31.01.17

RR-E-ft:
@bolli

Aus der Sicht des Gesetzgebers soll mit der Liberalisierung auch der Wettbewerb für günstigere Preise sorgen.

Nach der ökonomischen Theorie stellen sich bei vollständigem Wettbewerb auf dem Polypolmarkt die Preise bei den Grenzkosten ein:

www.wiwi.uni-bonn.de/shaked/vwl-a-06/pps/kapitel_14_maerkte_wettbewerb.pps

Es gibt mittlerweile für jeden Haushaltskunden viele Anbieter von leitungsgebundenen Strom- und Gaslieferungen. (Wobei viele Anbieter auch bei wenigen Konzernen konzerngebunden sein können.)

Wenn möglichst viele Haushaltskunden immer kurzfristig zum günstigsten Angebot wechseln, wird der Grundversorger wohl Kunden an Wettbewerber verlieren.

Die vielen Lieferanten werden im Streben nach Maximalprofit dabei ihre Preise bei den Grenzkosten einstellen, so dass der Marktpreis hoffentlich dem Grenzkostenpreis bzw. den Grenzkosten  entspricht.

Dies kann dazu führen, dass ein anderer Lieferant im Zeitpunkt der Kür die meisten Haushaltskunden im Netzgebiet beliefert und deshalb gem. § 36 Abs. 2 EnWG vom Netzbetreiber als neuer Grundversorger festgestellt wird.

Ob dies zu günstigeren Preisen der Grundversorgung führt, erscheint allerdings angesichts der Weitergeltung der Preise gem. § 36 Abs. 3 EnWG fraglich.

Viele Grundversorger bilden ihre Allgemeinen Preise der Grundversorgung ohne Rücksicht auf den Wettbewerb, nehmen mit diesen nicht am Wettbewerb teil. In den Wettbewerb stellen sie vielmehr extra gebildete Wettbewerbsprodukte, die sie als Sonderverträge außerhalb der Grundversorgung anbieten.

Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Preise der Grundversorgung nicht im Wettbewerb gebildet werden, die Grundversorger im Bereich der Grundversorgung nach wie vor eine Monopolstellung einnehmen. Dies hätte zur Folge, dass die Preise der Grundversorgung eher den ökonomischen Gesetzen der Monopolpreisbildung unterliegen.

Sind die Preise der Grundversorgung demnach vom Wettbewerb unbeeinflusst, kommt es auf die Preisbestimmungspflicht der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG i.V.m. §§ 2 , 1 EnWG an. Die aufgrund dieser gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gebildeten Preise, die für den Grundversorger aufgrund der Allgemeingültigkeit nicht verhandelbar und mit einzelnen grundversorgten Kunden individuell vertraglich vereinbar sind,  müssten m.E. insgesamt der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB unterliegen.

Andernfalls wird den Haushaltskunden mit der Grundversorgung lediglich ein gesetzlicher Lieferanspruch gewährleistet, jedeoch keine möglichst preisgünstige Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen, so dass §§ 2, 1 EnWG in Bezug auf die Grundversorgung leer liefen. 

Der VIII. Zivilsenat des BGH lehnt eine Gesamtpreiskontrolle gem. § 315 BGB immer wieder mit dem Argument ab, dass es sich dabei um eine vom Gesetzgeber nicht mehr gewollte staatliche Preiskontrolle und -festzetzung, mithin eine staatliche Preisregulierung  handeln würde.

Der Kartellsenat des BGH vertritt in einem Beschluss vom 7.6.16 Az. KZR 12/15, juris Rn. 28 ff. die Auffassung, dass es sich bei der Billigkeitskontrolle von Entgelten gem. § 315 BGB um keine staatliche Preisregulierung handelt.

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,20126.msg116703.html#msg116703

Wenn § 36 Abs. 1 EnWG die Grundversorger verpflichtet, Allgemeine Preise der Grundeversorgung festzusetzen und zu veröffentlichen, dann müssen die aufgrund dieser Ermächtigung vom Grundversorger ohne Mitwirkung der betroffenen Kunden einseitig  festgesetzten Preise/ Entgelte  der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen.

Die Annahme, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung würden durch Wettbewerb im Interesse der Kunden positiv beeinflusst, erscheint demnach hingegen als systematischer Trugschluss.
 
Die Grundversorger bieten Haushaltskunden gerade deshalb ohne dazu verpflichtet zu sein  Angebote außerhalb der Grundversorgung an, weil nach eigenem Bekunden die Preise der Grundversorgung im Wettbewerb überhaupt nicht konkurrenzfähig seien, mit den Preisen nicht gesetzlich versorgungspflichtiger Lieferanten nicht vergleichbar seien.     

DieAdmin:
@all,

ich hab den Titel dieses Thread geändert in "§315 BGB und die Grundversorgung".

bolli:

--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Aus der Sicht des Gesetzgebers soll mit der Liberalisierung auch der Wettbewerb für günstigere Preise sorgen.

Nach der ökonomischen Theorie stellen sich bei vollständigem Wettbewerb auf dem Polypolmarkt die Preise bei den Grenzkosten ein:

--- Ende Zitat ---
Grau ist alle Theorie. Es gibt mittlerweile eine Reihe Märkte, bei denen man bezweifeln muss, dass diese tatsächlich sauber nach diesem Prinzip funktionieren. Ein weiterer, wo man dieses Gefühl hat, ist der Benzinmarkt.

In diesen Märkten scheint es so, dass die Marktmacht bei einigen wenigen großen Konzernen liegt und diese es auf unterschiedliche Weise schaffen, die wenigen restlichen Kleinanbieter "in Grenzen" zu halten mit deren Preisen, so das diese nicht zu groß werden. Passiert dieses doch, ist der Kleinanbieter komischerweise auf einmal von der Bildfläche verschwunden, da von einem Großen aufgekauft.
Die Höhe der Preise wird weitestgehend nach eigener Willkür festgesetzt, zumindest orientieren sie sich nicht mehr konsequent an den Preisen von notwendigen Ausgangsprodukten.


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Die vielen Lieferanten werden im Streben nach Maximalprofit dabei ihre Preise bei den Grenzkosten einstellen, so dass der Marktpreis hoffentlich dem Grenzkostenpreis bzw. den Grenzkosten  entspricht.
--- Ende Zitat ---
Ich höre das Pfeifen im Walde, welches bei dieser Hoffnung mitspielt.  ;)


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Ob dies zu günstigeren Preisen der Grundversorgung führt, erscheint allerdings angesichts der Weitergeltung der Preise gem. § 36 Abs. 3 EnWG fraglich.
--- Ende Zitat ---
Das muss auch aus meiner Sicht nicht zwingend der Fall sein. Wenn das "preisgünstige" schon nur auf die Grundversorgung als Bewertungsmaßstab beschränkt bleibt, würde mir das ja schon reichen. ABER: Es muss halt gerichtlich überprüfbar sein. Siehe unten.


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Viele Grundversorger bilden ihre Allgemeinen Preise der Grundversorgung ohne Rücksicht auf den Wettbewerb, nehmen mit diesen nicht am Wettbewerb teil. In den Wettbewerb stellen sie vielmehr extra gebildete Wettbewerbsprodukte, die sie als Sonderverträge außerhalb der Grundversorgung anbieten.
--- Ende Zitat ---
Das akzeptiere ich durchaus, da in der Grundversorgung ja andere Bedingungen herrschen und eine Versorgungspflicht besteht, die andere Risiken abdecken muss, kann ich damit leben.


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Preise der Grundversorgung nicht im Wettbewerb gebildet werden, die Grundversorger im Bereich der Grundversorgung nach wie vor eine Monopolstellung einnehmen. Dies hätte zur Folge, dass die Preise der Grundversorgung eher den ökonomischen Gesetzen der Monopolpreisbildung unterliegen.
--- Ende Zitat ---
So sehe ich das auch !


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Sind die Preise der Grundversorgung demnach vom Wettbewerb unbeeinflusst, kommt es auf die Preisbestimmungspflicht der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG i.V.m. §§ 2 , 1 EnWG an. Die aufgrund dieser gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gebildeten Preise, die für den Grundversorger aufgrund der Allgemeingültigkeit nicht verhandelbar und mit einzelnen grundversorgten Kunden individuell vertraglich vereinbar sind,  müssten m.E. insgesamt der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB unterliegen.
Andernfalls wird den Haushaltskunden mit der Grundversorgung lediglich ein gesetzlicher Lieferanspruch gewährleistet, jedeoch keine möglichst preisgünstige Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen, so dass §§ 2, 1 EnWG in Bezug auf die Grundversorgung leer liefen. 

--- Ende Zitat ---
Volle Zustimmung !


--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Der VIII. Zivilsenat des BGH lehnt eine Gesamtpreiskontrolle gem. § 315 BGB immer wieder mit dem Argument ab, dass es sich dabei um eine vom Gesetzgeber nicht mehr gewollte staatliche Preiskontrolle und -festzetzung, mithin eine staatliche Preisregulierung  handeln würde.

Der Kartellsenat des BGH vertritt in einem Beschluss vom 7.6.16 Az. KZR 12/15, juris Rn. 28 ff. die Auffassung, dass es sich bei der Billigkeitskontrolle von Entgelten gem. § 315 BGB um keine staatliche Preisregulierung handelt.
--- Ende Zitat ---
Es stellt sich mir immer noch die Frage, warum beim BGH niemand die konkurrierende Rechtsauffassung und darauf begründet die unterschiedliche Rechtsprechung der beiden Senate sehen WILL und daher zumindest mal  diese Unterschiedlichkeit beseitigt wird.



--- Zitat von: RR-E-ft am 31. Januar 2017, 11:47:05 ---Die Annahme, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung würden durch Wettbewerb im Interesse der Kunden positiv beeinflusst, erscheint demnach hingegen als systematischer Trugschluss.
--- Ende Zitat ---
Und warum können das die hochgebildeten Richter des VIII. Senats nicht erkennen ?  8)
 

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln