Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Wechsel von Sondervertrag in Grundversorgung, welcher Preis bei Unbilligkeit?

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bolli:

--- Zitat von: Martinus11 am 08. September 2016, 17:49:35 ---...stellt aber nicht speziell auf den Fall "gekündigt und entgegen meinen Willen in die GV gesteckt" ab ...
--- Ende Zitat ---
Wo Sie nach einem "gekündigt" landen, liegt ja auch in Ihrer Hand. Wenn Sie die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht in Frage stellen, bleiben halt im wesentlichen nur zwei Möglichkeiten (wenn man weiter Energie entnehmen will):
1. Einen neuen Sondervertrag abschließen, bei welchem Versorger auch immer oder
2. in der Grundversorgung landen (den Sonderfall der vorübergehenden Ersatzversorgung mal außen vor gelassen). 
Eine andere Konstellation ist halt nicht zu machen. ABER natürlich erwarte ich von einer gesetzlichen Grundversorgung, die den Maßgaben des $ 1 Abs 1 EnWG

--- Zitat --- Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas...
--- Ende Zitat ---
entsprechen soll und deren Preise der Versorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG schon eigenständig bestimmen darf und ohne Genehmigung veröffentlicht, dass sie auch den o.g. Voraussetzungen (u.a. preisgünstig) entsprechen. Dazu hat man wohl explizit nochmal als Überprüfungsmöglichkeit für den Kunden § 17 Abs. 1 letzter Satz GasGVV/StromGVV eingebaut, mit Hilfe dem man sich die Billigkeit (Angemessenheit) der Preise im Zweifelsfall nachweisen lassen kann, nur leider hat der 8. Senat des BGH an dieser Stelle eine sehr eigene Sichtweise dieser Regelung entwickelt.
Und OBWOHL der Kartellrechtssenat dieses auch schon anders gesehen hat (Urteil vom 18.10.2005 KZR 36/04 oder auch Urteil vom 20.07.2010 EnZR 23/09) hat man beim BGH keine Entscheidung des Großen Senats herbeigeführt, da die beiden Senate die Frage der Überprüfung der Billigkeit unterschiedlich sehen und man aus meiner Sicht eine einheitliche Rechtsprechung hätte herbeiführen müssen.

Und das der 8. Senat scheint's Unbelehrbar ist, zeigen ja die neuerlichen "Tricksereien", nachdem der EuGH ihnen "auf die Finger gehauen" hat. Da werden Konstrukt gebildet, dass sich selbst mir als Nichtjuristen die Nackenhaare hoch stellen. Das grenzt schon fast an Rechtsbeugung. ABER unsere Richter beanspruchen ja ganz schnell das hohe Gut der richterlichen Unabhängigkeit und daher muss man sich nun erst mal wieder mit diesen Unzulänglichkeiten jahrelang herumschlagen. :-(

Martinus11:
Also was unsere Gerichte angeht und die zweifelhaften BGH-Entscheidungen in letzter Zeit... ich kenne aus meinem ersten Beruf unser Rechtssystem recht gut (war aber kein Volljurist) und ich halte es für eines der besten der Welt. Ich würde kein anderes wollen. Aber wie alles im Leben steht und fällt es mit der Anwendung durch Menschen und Menschen sind immer subjektiv und fehlbar - uns hier im Forum eingeschlossen. Mal abgesehen davon, dass es bei Rechtsbeurteilugen selten Schwarz oder Weiß gibt, eher dunkelgrau und hellgrau.

Immerhin steht in der neuesten Energiedepesche, dass sich der Verfassungsbeschwerde zwei weitere Verbraucher angeschlossen haben und einige Gerichte tatsächlich die Entscheidung ausgesetzt haben.

"Immer" nur auf schlechte Gerichte zu schimpfen ist weniger hilfreich als z.B. auf unsere Gerichte und deren Stärken und positive Seiten zu vertrauen. Dadurch, dass es einen EuGH gibt und eine Öffentlichkeit, die auf offenkundige (dunkelgraue)  Missstände aufmerksam gemacht werden kann, haben wir doch durchaus Möglichkeiten, die letztlich irgendwann wohl auch durchgreifen werden. Anders als z.B. in Russland und China, Türkei... Also machen wir es doch, so gut wir können und sehen dann mal, was rauskommt.

Will jetzt nicht abschweifen, aber der gesamte Energieprotest und dass die Medien ihre Meinung unverblümt äußern dürfen, das alles ist sehr wichtig. Nutzt man das nicht, züchtet man sich mit der Zeit mehr oder weniger korrupte und diktatorische Regimes heran. So gesehen haben die Bevölkerungen in Russland und Türkei eine Mitverantwortung für die Vorgänge dort. Je früher man anfängt, umso besser.


Zur Sache selbst:
Ich werde dem Gericht anheimstellen, die in diesem besonderen Fall fragliche Billigkeit des GV-Anfangspreises zu prüfen bzw. die Entscheidung darüber auszusetzen, bis die Verfassungsbeschwerde entschieden ist oder der EuGH aktiv geworden ist.

Angesichts der BGH-Entscheidungen vom 28.10.15 und 06.04.16 kann man zur Billigkeitsfrage im Moment kaum mehr erwarten. Alternativ könnte man den fraglichen Anfangspreis (unabhängig vom GV-Vertrag als solchen) gem. der ergänzenden Vertragsauslegung (§§133, 157 BGB)  zumindest berechtigt "woanders" sehen als der tatsächlich verlangte von soundsoviel Cent. In diesem Sinne hat auch RR-E-ft in dem verlinkten Text argumentiert. Ich werde da natürlich keinen konkreten Vorschlag machen fürs Gericht, welchen Betrag ich gerne hätte  ;), es geht mir einfach nur darum, den "vereinbarten" GV-Anfangspreis schlüssig in Frage zu stellen, denn darauf fußt die gesamte Klage.

bolli:
Das wir hier manchmal auf hohem Niveau klagen ist mir natürlich auch klar. Aber schließlich rühmen wir uns ja auch immer
ob unseres tollen Rechtssystems und darauf zielt meine Kritik ab. Natürlich steht und fällt das ganze mit uns Menschen selbst.
Aber gerade bei unseren höchsten Zivilrichtern (dem einen oder anderen AR mache ich ob der Zustände, die manchmal an den
Gerichten dort herrschen, nur begrenzte Vorwürfe) sind meine Ansprüche an die Qualität der Entscheidungen schon etwas höher.
Und auch wenn natürlich im Laufe der Jahre im Energieprotest einiges bei rumgekommen ist, sind wir meiner Meinung nach noch
meilenweit von tatsächlich fairen Bedingungen für die Verbraucher entfernt. Aber natürlich kann auch argumentieren, dass wir froh
sein dürfen, dass wir überhaupt überall Energie haben und die meisten sich zumindest ETWAS davon leisten können.
Und ja, auch ich habe gewisse Einblicke in die Juristerei, um zu wissen, dass vieles nicht schwarz/weiss zu sehen ist, aber es gibt einfach Dinge, die sind doch schon ziemlich heftig, und da gehört die "Krückerei" des 8. BGH-Senats bei seinen letzten Entscheidungen nach dem EuGH-Entscheid zweifellos dazu. Da schütteln selbst Juristen bisweilen entgeistert den Kopf.

Aber aus meiner Sicht sind die Fehlentwicklungen auch inzwischen oftmals zu groß, als dass man da so einfach drüber hinweg gehen könnte/sollte. Das gibt es übrigens nicht nur in unserem (Energie)Bereich. Denken Sie nur an die Raserurteile, bei denen Angeklagte oftmals mit unverständlich "milden" Strafen davon kommen, weil viele Gerichte es etwas anders sehen als z.B. viele Staatsanwälte. Und beide Seiten
werden natürlich von Juristen vertreten.

Bezüglich Ihres Verfahrens wünsche ich Ihnen einen Richter, der sich wenigstens soviel Zeit nimmt, Ihre Argumente zu überdenken.
Ich befürchte nur leider, dass da nicht das rauskommt, was Sie vielleicht erhoffen. Die Argumentation als solche, warum ein Preis in der GV
als vereinbart gelten soll, selbst wenn ich schon zu Vertragsbeginn dem Preis widerspreche (was soll ich schließlich machen, wenn ich nicht auf Strom verzichten kann/will. Im Sondervertrag kann ich den Preis zwar individuell vereinbaren, aber der Anbieter diktiert ihn mir natürlich trotzdem. Handeln ist da nicht. Bleibt also nur (zwangsweise) die GV. Und auch hier bin ich zunächst zwangsweise an den veröffentlichten Preis gebunden. ABER die Billigkeitskontrolle könnte mir bei deutlich überhöhten Preisen helfen, WENN, ja wenn nicht der 8. Senat eine eigenwillige Auslegung bevorzugen würde.) und damit zu erkennen gebe, dass ich ihn nicht als vereinbart ansehe.

Und inwieweit Sie dann im Falle einer für Sie negativen Entscheidung noch weitere Schritte gehen können, hängt ja nicht unmaßgeblich vom Streitwert ab. Auch hier gibt es zahlreiche Hürden zu überwinden.

Martinus11:

--- Zitat von: bolli am 09. September 2016, 14:42:56 ---
Aber aus meiner Sicht sind die Fehlentwicklungen auch inzwischen oftmals zu groß, als dass man da so einfach drüber hinweg gehen könnte/sollte.

Bezüglich Ihres Verfahrens wünsche ich Ihnen einen Richter, der sich wenigstens soviel Zeit nimmt, Ihre Argumente zu überdenken.
Ich befürchte nur leider, dass da nicht das rauskommt, was Sie vielleicht erhoffen. Die Argumentation als solche, warum ein Preis in der GV
als vereinbart gelten soll, selbst wenn ich schon zu Vertragsbeginn dem Preis widerspreche ...


--- Ende Zitat ---

Natürlich soll man sich wehren gegen Fehlentwicklungen und deshalb sind ja solche Preisprotestbewegungen wichtig und gut. Nur manchmal - oder eher oft -  hört man bei einem Rückschlag überall den Unterton raus "der mächtige und offenbar korrupte BGH da oben tut, was er will und wir können GAR nichts dagegen machen... schlechte Welt". Ich spreche jetzt nicht von Ihnen, sondern so generell ist das oft der Stimmungston. Und das finde ich schade, weil das so nicht stimmt m.E. und weil man sich damit selbst schwächt.

Was mein Verfahren angeht, da gibt es noch ein paar Sachen mehr, wo das EVU Fehler gemacht hat. Im Kern geht's halt um den Anfangspreis eines angeblich "vereinbarten" GV-Vertrages nach Kündigung.

Ich muss mir auch die Mühe machen, die Urteile genauer anzuschauen, inwieweit es den eigenen Fall wirklich trifft. Zum Beispiel wird wegen des "vereinbarten Anfangspreises" oft auf die BGH-Urteile vom 2007 und 2008 hingewiesen, aber da ging es um ein wirklich unstreitig entstandenes Vertragsverhältnis und Streitgegenstand waren Preiserhöhungen.
Oder in einem anderen Beispiel wird wegen des GV-Vertrages durch faktischen Energiebezug auf den BGH von 2005 verwiesen. Da sagt der BGH, dass man sich nicht vorm Zahlen für seinen Energieverbrauch drücken kann, wenn man entgegen dem Verhalten/Verbrauch einfach behauptet, keinen Vertrag  zu wollen/brauchen. Da hat der BGH natürlich recht, trifft aber ebenfalls nicht meinen Fall.

berghaus:
@Martinus11


--- Zitat ---Was mein Verfahren angeht, da gibt es noch ein paar Sachen mehr, wo das EVU Fehler gemacht hat. Im Kern geht's halt um den Anfangspreis eines angeblich "vereinbarten" GV-Vertrages nach Kündigung.
--- Ende Zitat ---

Könnten Sie, damit man sich ein bessere Bild machen kann und um Ihre Aussagen besser zu verstehen, in Kurzform schildern, worum es bei Ihnen geht:
Vertrag vom..., wirksam gekündigt?, Kürzungen, Klagesumme usw.?

berghaus 10.09.16

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