Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Wechsel von Sondervertrag in Grundversorgung, welcher Preis bei Unbilligkeit?

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Harry01:
Hallo Forum!

Im September letzten Jahres endete ein Sondervertrag mit meinem Gasversorger (EON Energie Deutschland) und ich beziehe derzeit Gas zu den Grundversorgungsbedingungen. Macht es überhaupt noch Sinn, mit einem Unbilligkeitseinwand gegen die überhöhten Preise vorzugehen? Und wenn ja, welchen Arbeits- und Grundpreis kann ich als Berechnungsgrundlage verlangen?

bolli:
Gemäß der Rechtsprechung des allmächtigen 8. BGH-Senats gelten die Preise zu Beginn des Grundversorgungsverhältnisses als gegenseitig vereinbart (auch wenn Sie gar nicht "freiwillig" in die Grundversorgung gegangen sind) und können daher nicht erfolgreich per Unbilligskeiteinwand gem. § 315 BGB angegriffen werden. Lediglich bei folgenden Preisveränderungen ist dieses möglich. Allerdings bezieht sich dann der Einwand nur auf den Erhöhungsanteil und nicht auf den gesamten Preis.

Daher scheint bei der derzeitigen Rechtsprechung ein Verbleib in der Grundversorgung auch mit Unbilligkeitseinwand eher nicht zielführend in Bezug auf günstigere Bezugspreise, auch wenn einzelne Leute dieses möglicherweise anders sehen (wollen).

Martinus11:

--- Zitat von: bolli am 06. April 2016, 07:47:38 ---Gemäß der Rechtsprechung des allmächtigen 8. BGH-Senats gelten die Preise zu Beginn des Grundversorgungsverhältnisses als gegenseitig vereinbart (auch wenn Sie gar nicht "freiwillig" in die Grundversorgung gegangen sind)...

--- Ende Zitat ---

Falls Sie noch gelegentlich vorbeischauen im Forum oder es evtl. jemand anderer weiß: Wann wurde ein solches BGH-Urteil zu "unfreiwilliger" Grundversorgung zuletzt erlassen?

Ich habe gestern systematisch alle Urteile im Urteils-Unterforum bis 2009 durchgeschaut und kein solches Urteil gefunden. Dann habe ich nochmal im ganzen Forum gesucht und nur zwei BGH-Urteil aus 2007 gefunden. Sind diese gemeint?

bolli:
Ja, die Ursprungsurteile zu dieser Rechtsansicht des 8. Senats stammen aus 2007 (13.06.2007 - VIII ZR 36/06).
Er hat sie aber in den letzten Jahren mehrfach in anderen Verfahren bestätigt. Für Ihre Nachfrage wäre da u.a. die Entscheidung vom  22.02.2012 - VIII ZR 34/11 interessant, da hier u.a. auch die Möglichkeit des Vertragswechsels in einen Tarifvertrag ohne explizite Zustimmung des Kunden angesprochen wird. Es ging da u.a. um eine "Änderungskündigung" in 2007, mittels derer der alte Sondervertrag beendet und ein Tarifvertrag neu begonnen worden sein sollte.

Die für Sie in dieser Hinsicht interessanten Passagen dürften die Tz 33

--- Zitat ---Für die Zeit ab dem 1. Oktober 2007 ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte das Sondervertragskundenverhältnis mit dem Kläger im Rahmen des Schriftwechsels, den die Parteien anlässlich des Inkrafttretens der GasGVV geführt haben, wirksam gekündigt und den Kläger fortan im Rahmen der Grundversorgung mit Erdgas beliefert hat. Diese rechtlich mögliche Würdigung der Umstände des Falles ist für das Revisionsgericht bindend;
--- Ende Zitat ---

und Tz 38

--- Zitat ---Grundsätzlich hätte die Beklagte vom Kläger zwar den zu Beginn der Grundversorgung im Oktober 2007 geltenden Allgemeinen Preis als vereinbarten Anfangspreis beanspruchen können. Denn diesen Allgemeinen Preis schuldete der Kläger ungeachtet des von ihm erhobenen Widerspruchs allein durch die tatsächliche Inanspruchnahme der ihm im Rahmen der Grundversorgung angebotenen Versorgungsleistungen als vereinbarten Preis […], der selbst im Falle einer Monopolstellung der Beklagten keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zugänglich war.
--- Ende Zitat ---

sein.

Leider konnte sich eine andere Meinung, die u.a. auch RR-E-ft hier aus dem Forum vertritt, bisher vor Gericht nicht durchsetzen, obwohl sie sicherlich gut begründet ist (siehe u.a. auch hier ).

Martinus11:
Vielen Dank!

Ja genau, es geht um eine Tarifkündigung und anschließender automatischer GV, deren "vereinbarter" Anfangspreis verlangt wird. Darauf basiert alles.

Habe mir gestern lange den Kopf zerbrochen, wie es sein kann, dass hier im Forum immer der BGH zitiert wird, der nach ordentlicher Kündigung und stillschweigend-konkludenter Einstufung in die Grundversorgung einen dort "vereinbarten Anfangspreis" sieht.

Ich meine, wenn mit Ausnahme des wie bisher getätigten Gasbezugs alles andere dagegen spricht, wie kann man da auf eine "Vereinbarung" gem. §133, 157 BGB kommen:
-einseitige Kündigung durch das EVU
-"automatisches" Entstehen eines Grundversorgungsvertrages, ohne "Angebot"
-gesetzliche einseitige Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gemäß §36 EnWG
-konsequente Widersprüche nicht nur gegen Kündigung und Einstufung, sondern auch gegen alle Jahresabrechnungen und weiteren Preiserhöhungen
-nach wie vor nur gekürzten Preis aus der Zeit vorher gezahlt
-höherer Preis in der GV als im vorherigen Tarif
-zum damaligen Zeitpunkt (2010) faktisch noch kaum Wettbewerb

Schön, wenn man RR-E-ft auf seiner Seite weiß.

Ich werde mich auf den Standpunkt stellen, dass in meinem Fall vielleicht ein GV-Vertrag zustande kam, aber gem. §§133, 157 BGB eben gerade nicht zu dessen Anfangspreis.
Ich verstehe den BGH nicht, warum die GV-Entstehung als solches zwingend mit dessen (angeblich vereinbartem) Preis bzw. Anfangspreis verbunden sein muss.

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