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BGH,Urt. v.6.4.16 VIII ZR 71/10 Grenzen der Weitergabe gestieg. (Bezugs-)kosten

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RR-E-ft:
Mit BGH, Urt. v. 6.4.16 Az. VIII ZR 71/10, juris Rn. 23 wurde eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises wieder einmal  mit dem Argument abgelehnt,
dass es sich bei einer ersetzenden Preisbestimmung durch Urteil gem. § 315 Abs. 3 BGB um eine staatliche Preisregulierung handeln würde,
diese aber  im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers stünde.

Der Kartellsenat des BGH zeigt nun in dem Beschluss vom 7.6.16 KZR 12/15, juris Rn. 28 ff. zutreffend  auf, dass die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB gar keine staatliche Preisregulierung darstellt:

„Bei  der  Anwendung  des  §  315  BGB  geht  es  hingegen  weder  um  staatliche Preisregulierung,  noch  wird  der  Preissetzungsspielraum  des  Infrastrukturunternehmens ganz oder auch nur teilweise beseitigt. Das Infrastrukturunternehmen unterliegt bei der Preisfestsetzung vielmehr nur denjenigen Schranken, die auch für jedes andere Unternehmen gelten, das bei der Preissetzung den zivilrechtlichen Maßstab der Billigkeit  nach  §  315  BGB  zu  beachten  hat.“ …“Erst  recht  müssen daher diejenigen Entgeltregelungen gelten, die - wie § 315 BGB - in dem betreffenden Mitgliedstaat allgemein für Vereinbarungen gelten, bei denen einer Vertragspartei  das  Recht  zusteht,  das  Entgelt  einseitig  festzusetzen.  Zwar  verbleibt  der  Geschäftsführung - in  dem  konkreten  Fall - kein "Spielraum" mehr,  wenn  das  Entgelt durch Urteil festgesetzt wird. Dies ist aber nur die Folge des Umstandes, dass der an sich bestehende Spielraum von dem Infrastrukturbetreiber nicht oder nicht rechtmäßig genutzt worden ist, und in diesem Fall der Streit der Parteien um die Höhe des für die Nutzung der Infrastruktur geschuldeten Entgelts nur dadurch entschieden werden kann, dass das Gericht den geschuldeten Preis bestimmt.“

Grundversorger haben gem. § 36 Abs. 1 EnWG die Allgemeinen Preise auch im Internet öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen alle Haushaltskunden im entsprechenden Netzbereich zu diesen Preisen zu versorgen. Vor ihrer öffentlichen Bekanntgabe müssen diese Allgemeinen Preise [denknotwendig] vom Grundversorger einseitig festgesetzt werden. Die Allgemeinen Preise der Grundversorgung sind an den Maßstab der Billigkeit gebunden (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 KZR 2/07, juris Rn.26).

tangocharly:
Der Kartellsenat hat in seiner Vorlagefrage an den Gerichtshof gefragt, ob eine nationale Bestimmung (§ 315 BGB) mit den Entgeltbemessungsgrundsätzen einer Richtlinie vereinbar sei.

Diese Frage konnte der Kartellsenat nur aufwerfen, weil diese nationale Bestimmung im Streitfall anwendbar ist (und das Richtlinienziel im Falle ihrer Anwendung verfehlen würde).

Zu dieser Frage konnte der 8.ZS-BGH ja freilich gar nicht erst gelangen, weil er der Meinung ist, dass § 315 BGB unanwendbar sei. Bekanntlich soll § 315 BGB auf vereinbarte Preise nicht einschlägig sein.

Es ist ja schon nichts Neues, dass der Kartellsenat seiner Linie treu bleibt, wonach einseitig festgesetzte Preise der Billigkeitskontrolle unterliegen. In der o.a. Entscheidung sagt der Kartellsenat ja schon deutlich, dass die Billigkeitskontrolle auf "nicht ausgehandelte Preise" einschlägt.

Der 8. ZS-BGH (welcher wohl mehr einem Herrn Kolumbus anhängt) hat nun aber "sein Ei" wieder gefunden, indem er mit seiner Rechtsprechungslinie, alle "im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung" bestimmten Preise zu "vereinbarten Preisen" kürt.

Anstelle des Kartellsenats hätte der 8.ZS-BGH wohl schon eher an eine anders formulierte Vorlagefrage denken können, nämlich:

* ob  nationale Bestimmungen (die eine ergänzende Auslegung erlauben, aber  im Rahmen der Umsetzungsgesetze nicht bestrichen wurden) mit den Entgeltbemessungsgrundsätzen der Gas-/Strom-Richtlinien, welche durch den Gerichtshof bereits grundsätzlich konkretisiert wurden, vereinbar sein können. 
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